Wardrobing – ein Kampf gegen Windmühlen? Wie sich Händler vor Rückgabebetrug schützen können

Einige hundert Euro ausgeben für ein Abendkleid, das man nur einmal trägt? Einen Flachbildschirm nur für die Fußball-WM anschaffen? Dann ist es doch günstiger, den Onlinehändler als Leihhaus zu missbrauchen. Ware wird im Internet oder beim Versandhändler bestellt, anschließend genutzt und dann – obwohl gebraucht – unter Berufung auf das Widerrufsrecht zurückgeschickt, gegen volle Kostenerstattung wohlgemerkt. Pfiffige Idee oder Straftat? Und welche Mittel haben die Onlinehändler gegen dieses wardrobing?
Je nach Branche haben Onlinehändler mit hohen Retourenquoten zu kämpfen. Im Textilhandel beispielsweise sind Rücksendequoten von 40-70 % nicht unüblich. Nach einer Untersuchung der Universität Bamberg werden in Deutschland jährlich rund 286 Millionen Warensendungen unter Berufung auf das Widerrufsrecht im Fernabsatz an den Online- oder Versandhändler zurückgeschickt. Die hierbei entstehenden Kosten sollen pro Retoure bei 15,10 € liegen, wobei die Kosten sinken, je größer der Händler ist und je mehr Retouren bei ihm auftreten. Diese 15,10 € setzen sich zusammen aus Prozesskosten (wie den Kosten für die Prüfung, Wiederverpackung und Neuetikettierung der Ware) und den Kosten, die dadurch entstehen, dass die zurückgesandten Waren einen Wertverlust erleiden. Somit entsteht jährlich durch Rücksendungen ein Schaden in Höhe von über 4 Milliarden €.
400 Millionen EUR Schaden jährlich durch Rückgabebetrug
Die Möglichkeit, im Internet bestellte Ware kostenlos und ohne Angabe von Gründen zurückzugeben, hat natürlich ihren Sinn: Da die Kunden die Ware nicht wie im Geschäft prüfen können und sie durch den fehlenden persönlichen Kontakt zum Verkäufer zu einem Kauf verleitet werden könnten, soll ihnen das Recht eingeräumt werden, sich wieder vom Kaufvertrag zu lösen. Seit ungefähr einem Jahr wird von einem Phänomen in Deutschland berichtet, bei dem einige Kunden das Rückgaberecht bewusst missbrauchen. Beim wardrobing handelt es sich um eine Warenbestellung, die mit dem festen Vorsatz ausgeführt wird, die Ware nur für eine begrenzte Zeitdauer zu nutzen, um sie dann unter Berufung auf das Widerrufsrecht gegen volle Kaufpreiserstattung zurückzugeben. Während in Deutschland Untersuchungen zum Umfang dieses „Rückgabebetrugs“ noch ausstehen, beschäftigen sich US-amerikanische Händler bereits seit einigen Jahren mit dem Problem. Nach einer Untersuchung der National Retail Federation beträgt der durch wardrobing verursachte Schaden in den USA jährlich rund 9 Milliarden US-$. Andere Untersuchungen kommen sogar zu höheren Werten. In Deutschland gibt es keine Erhebungen, wie viel Prozent der Retouren auf eine missbräuchliche Ausnutzung des Widerrufsrechts zurückzuführen sind. Einzelhändler versuchen, das Thema eher klein zu halten, und sprechen nur von einigen wenigen Prozent. Experten jedoch gehen davon aus, dass die wardrobing-Quote bei 10 % der Retouren liegen könnte. Führt man sich vor Augen, dass der Gesamtschaden, der durch Retouren verursacht wird, bei 4 Milliarden € liegt, ergäbe sich demnach für deutsche Einzelhändler ein Schaden durch wardrobing in Höhe von 400 Millionen € jährlich.
Hinzu kommt, dass es auch im stationären Einzelhandel zu Retouren kommen kann, die ihre Ursache nicht in einer falschen Größe oder ähnlichem finden. Da der stationäre Einzelhandel mit den Online- und Versandhändlern konkurriert, wird dort ebenfalls in aller Regel ein Rückgaberecht freiwillig eingeräumt. Dies gilt erst recht für solche Unternehmen, die im Onlinevertrieb tätig sind und stationäre Filialen betreiben. Für solche Cross-Channel-Händler wäre es unzweckmäßig, für die verschiedenen Vertriebskanäle unterschiedliche Rückgabemöglichkeiten einzuräumen.
Ballkleid, Beamer, Bohrer
Welche Produkte sind vom wardrobing betroffen? Meist handelt es sich um hochpreisige Artikel, bei denen der Anreiz, sie sich zu „leihen“, besonders hoch ist. Neben Abendkleidern, Hochzeitsanzügen, Smokings etc. sind vor allem Waren der Unterhaltungselektronik häufige Angriffsziele. So wird vor Sportgroßereignissen ein Flachbildschirm bestellt, der dann kurze Zeit später nach Beendigung des Turniers zurückgegeben wird. Gleiches gilt für Beamer, Fotoapparate und Videokameras. Die dritte Produktgruppe, deren Händler häufig Opfer vom wardrobing werden, sind Do-it-yourself-Artikel wie Bohrmaschinen, Hochdruckreiniger oder ähnliche, die nach ihrem einmaligen Einsatz zurückgegeben werden.
Doch wie lässt sich das wardrobing rechtlich wirksam und betriebswirtschaftlich sinnvoll bekämpfen? Zuerst einmal ist festzuhalten, dass Online- und Versandhändler sich beim Umgang mit missbräuchlichen Retouren in einem Spannungsfeld bewegen. Zum einen ist den Händlern daran gelegen, durch eine hohe Kundenzufriedenheit die Kundenbindung zu stärken. Durch einen großzügigen Umgang mit Warenrücksendungen lassen sich Kunden akquirieren. Gerade durch die weitreichende Möglichkeit, Spontankäufe rückgängig zu machen, kommt es zu einer Stimulation von Cross-Selling-Käufen. Schließlich kann eine Warenrücksendung für den Händler sogar deswegen von Vorteil sein, weil ihm hierdurch eine Preisdifferenzierung gestattet wird, er die zurückgesendete Ware somit als B - Ware erneut anbieten kann und eine Preissegmentierung fördert.
Spannungsfeld der Umtauschregeln
Zum anderen erleidet er natürlich durch die Kaufpreiserstattung und Umsatzverluste, muss die oben beschriebenen Kosten der Retouren hinnehmen oder sieht sich im schlimmsten Fall sogar zur Vollabschreibung der Ware veranlasst. In den USA wird nicht selten von Fällen berichtet, in denen Kunden die Ware vor der Rücksendung mutwillig beschädigen, um dann erklären zu können, der Artikel sei bereits so bei ihnen angelangt. Eine derart minderwertige Ware würden sie natürlich zurückgeben.
Im Ergebnis darf ein Vorgehen gegen das wardrobing nicht die positiven Effekte des Widerrufsrechts beeinträchtigen, sondern nur die schwarzen Schafe, die das Widerrufsrecht missbrauchen, abschrecken oder bestrafen. Schauen wir uns zu diesem Zweck die rechtlichen Auswirkungen des wardrobing einmal genauer an.
Ausschluss des Widerrufsrechts bei wardrobing?
Besteht denn bei wardrobing überhaupt ein Widerrufsrecht oder ist dieses wegen der missbräuchlichen Verwendung ausgeschlossen? Die Normen zum Widerrufsrecht treffen hierzu keine Aussage. Zwar sind im Gesetzestext einige Ausnahmen normiert, bei denen das Widerrufsrecht im Fernabsatz entfällt. Doch schweigt sich das Gesetz darüber aus, ob jemand, der nie vorhatte, die Ware tatsächlich zu behalten, sein Widerrufsrecht verliert. Auch die Fernabsatzrichtlinie trifft hierzu keine Aussage.
Allerdings stehen sämtliche Ansprüche und Gestaltungsrechte im deutschen Recht unter dem Vorbehalt, dass sie bzw. ihre Ausübung nicht gegen Treu und Glauben verstoßen (§ 242 BGB). In Ergänzung hierzu bringt § 226 BGB zum Ausdruck, dass ein lediglich in der Absicht, den anderen zu schädigen, ausgeübtes Recht nicht geltend gemacht werden kann, weil der Rechteinhaber sich schikanös verhält. Schließlich hat der Gesetzgeber in § 826 BGB einen Anspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung geschaffen, der sogar dann greift, wenn seine Rechtsfolge einem rechtskräftigen Gerichtsurteil widersprechen würde. Dies belegt, welche große Bedeutung dem Missbrauchseinwand beigemessen wird, wenn jemand also von einem Recht abusiv Gebrauch macht. Auch im europäischen Recht und in der Rechtsbrechung des EuGH finden der Missbrauchseinwand und die Berufung auf Treu und Glauben immer wieder Berücksichtigung, sodass man nicht davon ausgehen kann, dass der Richtliniengeber einem wardrober ein Rückgaberecht zubilligen wollte. Wer Ware bestellt in dem festen Vorsatz, sie anschließend wieder zurückzugeben, kann sich aus diesem Grund nicht auf ein Widerrufsrecht berufen, ohne dass es für diese Ausnahme einer geschriebene Regel im Gesetz bräuchte.
In der Praxis wird sich der Ausschluss des Widerrufsrechts bei missbräuchlicher Bestellung allerdings als stumpfes Schwert erweisen. Der Händler müsste sich nämlich notfalls in einer rechtlichen Auseinandersetzung den Missbrauch belegen, insbesondere also dartun, dass der Kunde bereits bei der Bestellung den Vorsatz hatte, die Ware in jedem Fall wieder zurückzugeben und den Kaufpreis, sofern er ihn gezahlt hat, zurückzuerhalten. Der Nachweis einer solchen subjektiven Komponente ist – wenn der Kunde nicht gerade seine missbräuchliche Bestellung gegenüber Zeugen mitgeteilt oder in sonstiger Form publik gemacht hat – nahezu unmöglich. Zumindest würden die Kosten der Beweisführung außer Verhältnis zum Ziel stehen, den Widerruf auszuschließen.
Wertersatz als stumpfes Schwert
Mancher mag nun argumentieren, eines solchen Ausschlusses des Widerrufsrechts bedarf es auch gar nicht. Der wardrober, der das Abendkleid getragen oder den Flachbildschirm über Wochen hinweg genutzt hat, ist ja dazu verpflichtet, für die Verschlechterung der Sache infolge seiner Nutzung wird Ersatz zu leisten.
Der Wertersatz, den der Händler von dem rückzuerstattenden Kaufpreis in Abzug bringen könnte, bezieht sich einzig und allein auf die Verschlechterung der Ware, nicht jedoch auf die sonstigen Kosten, die mit der Rücksendung einhergehen wie die Kosten für die Prüfung, die neue Etikettierung, die Wiedereinlagerung etc. Von den oben beschriebenen 15,10 € machen die nicht erstattungsfähigen Prozesskosten rund die Hälfte aus, sodass der Händler allenfalls eine halbe Entschädigung erhielte.
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Kunde für solchen Wertersatz nicht haftet, der dadurch eingetreten ist, dass er die Ware in üblichem Umfang geprüft hat. Hier ergeben sich schwierige Abgrenzungsfragen. Mag ein nach Rauch riechender Smoking eindeutig die Grenze der üblichen Prüfung überschritten haben, wird beispielsweise bei Elektronikartikeln höchst schwierig zu ermitteln sein, wie viele Stunden das Gerät genutzt wurde und wann genau die Schwelle der üblichen Prüfung überschritten wurde.
Schließlich scheuen Online- und Versandhändler es, dem Kunden überhaupt Wertersatz aufzuerlegen, sei die Verschlechterung der Ware auch noch so signifikant. Wie oben beschrieben, ist Kundenzufriedenheit im Onlinehandel ein hohes Gut. Spricht sich herum, dass Kunden wegen der Verschlechterung der Ware ein nur reduzierter Kaufpreis zurückerstattet wird, kann dies zu negativer Presse führen, die einen weitaus höheren Schaden für das Unternehmen darstellen kann als der eigentliche wardrobing-Schaden. So fürchten Unternehmen shitstorms im harten Konkurrenzkampf wie der Teufel das Weihwasser. Dies wiederum führt dazu, dass die Pflicht zum Wertersatz nur bei denjenigen Kunden beansprucht wird, die tatsächlich ganz gravierende Verschlechterungen der Ware herbeigeführt haben.
Keine Strafbarkeit des „Rückgabebetrugs“
Wenn sich schon die Händler sträuben, ihre Ansprüche gegen die Kunden, die missbräuchlich agieren, durchzusetzen, vielleicht erhalten sie zumindest Schützenhilfe von staatlicher Seite. Die deutsche Bezeichnung des wardrobings als „Rückgabebetrug“ suggeriert, dass es sich um ein strafrechtlich relevantes Verhalten handelt. Dabei erscheint es jedoch recht fraglich, ob wardrobing tatsächlich als Betrug im strafrechtlichen Sinne eingestuft werden kann.
Betrügerisch im Sinne von § 263 StGB handelt derjenige, der über eine Tatsache täuscht, beim Getäuschten eine einen Irrtum verursacht, sodass dieser eine Vermögensverfügung vornimmt, die zu einem finanziellen Schaden führt. Eine Täuschung im Moment des Bestellvorgangs würde voraussetzen, dass der Bestellende die Unwahrheit äußert. Man könnte annehmen, der wardrober lügt im Moment seiner Bestellung über seine Bereitschaft, die Ware tatsächlich dauerhaft behalten zu wollen. Auch wenn er dies nicht ausdrücklich erklärt, könnte man der Bestellung einen derartigen konkludenten Erklärungswert beimessen. So ist beispielsweise im Rahmen von Kaufvertragsabschlüssen unstreitig, dass derjenige einen Betrug begeht, der Ware erwirbt, ohne zahlungswillig oder zahlungsfähig zu sein, und dies weiß. Auch hier nimmt man also an, dass im Kaufvertragsabschluss stillschweigend die Erklärung liegt, man werde den Kaufpreis schon zahlen. Ebenso ließe sich annehmen, dass derjenige, der Ware bestellt, zum Ausdruck bringt, er wolle die Ware nicht in jedem Fall zurückgeben.
Indes lässt sich der Fall des wardrobing nicht mit dem des zahlungsunwilligen Käufers in strafrechtlicher Hinsicht vergleichen. Bei einem Bestellvorgang täuscht man gerade nicht konkludent über die Bereitschaft, die Ware dauerhaft behalten zu wollen. Dies lässt sich an einer einfachen Kontrollüberlegung aufzeigen:
Eine Person kauft bei Zalando das gleiche Modell Schuhe in drei verschiedenen Größen. Hierbei geht sie davon aus, dass sie mindestens zwei Paare, nämlich die, die nicht passen, zurücksenden wird. Hinsichtlich jeder Bestellung nimmt sie es also billigend in Kauf, dass sie den betreffenden Schuh gerade nicht behalten wird. Sie weiß sogar mit Sicherheit, dass ein Großteil der Bestellung unter Berufung auf das Widerrufsrecht zurückgeschickt wird. Dieses Wissen, ein Produkt nicht endgültig behalten zu wollen, würde für eine vorsätzliche Begehung ausreichen, sodass ein Betrug vorläge, wenn man der Willenserklärung der Bestellung die oben beschriebene konkludente Äußerung („ich weiß sicher, dass ich ein Produkt zurückschicke“) beimessen würde. Die Kriminalisierung einer solchen Mehrfachbestellung in verschiedenen Größen würde den Onlinehandel ad absurdum führen, sodass man solche Bestellungen nicht als Betrug wird einstufen können.
Auch in dem Moment, wenn der wardrober die Ware zurückschickt und von seinem Widerrufsrecht Gebrauch macht, liegt kein Betrug vor. Andernfalls müsste man nämlich annehmen, der Kunde würde im Moment der Rückgabe über etwas täuschen, also beispielsweise gegenüber dem Händler erklären, dass ein sachlicher Grund für die Rückgabe vorliege. Dies verträgt sich allerdings nicht mit der gesetzgeberischen Wertung, das Widerrufsrecht gerade losgelöst von der Angabe irgendwelcher Gründe einzuräumen.
Im Ergebnis stellt das wardrobing keine Straftat dar. Der Begriff „Rückgabebetrug“ ist deshalb irreführend. Gleichwohl kann es aus betriebswirtschaftlicher Sicht sinnvoll sein, die Drohung mit einer Strafbarkeit aufrecht zu erhalten und seitens der Händler weiterhin vom „Rückgabebetrug“ zu sprechen. Auch wenn sich einzelne Täter nicht von der bloßen sprachlichen Einstufung als Betrug abschrecken lassen werden, kann eine sprachliche Kriminalisierung zu einer positiven generalpräventiven Wirkung führen. Kunden, die aus moralischen Gründen bislang kein wardrobing betreiben, sehen sich darin bestärkt, ein solches sozial geächtetes Verhalten, das sogar als „Betrug“ tituliert wird, nicht zu imitieren.
Verteidigungsmittel der Händler
Welche Möglichkeiten haben Online- und Versandhändler, um das wardrobing einzudämmen?
Eine Lösung könnte darin liegen, positive Anreizwirkungen zu schaffen, damit die Ware nicht zurückgegeben wird. Diesen Weg hat das Textilunternehmen bonprix eingeschlagen, das seinen Kunden für jeden Kauf, der nicht widerrufen wird, einen Rabatt auf zukünftige Bestellungen gewährt hat. Ob dies jedoch tatsächlich zu einem nennenswerten Rückgang der missbräuchlichen Retouren führt, darf bezweifelt werden. Wardrober wollen für ihre Ware gerade nichts bezahlen. Warum sollen sie sich dann mit einem geringen Rabatt zufrieden geben? Die Anreizwirkungen dürften deshalb nicht dazu führen, missbräuchliche Retouren einzudämmen.
Mehr Erfolg verspricht der Einsatz von Sicherungsetiketten. So hat die amerikanische Kaufhauskette Bloomingdale’s damit begonnen, hochpreisige Kleidungsstücke mit seal tags zu versehen. Bei den Sicherungsetiketten handelt es sich um gut sichtbare Plastikteile, die an die Kleidungsstücke festgeklammert werden und die nach einer Entfernung durch den Kunden nicht wieder von diesem angebracht werden können. Bloomingdale’s hat mit Einführung der Sicherheitsetiketten darauf hingewiesen, dass die Ware nur so lange umgetauscht werden kann, wie das Sicherungsetikett nicht entfernt wird. Durch die auffallende Gestaltung der Etiketten sollte verhindert werden, dass Kunden die Kleidungsstücke tragen konnten. So waren in die Etiketten noch Schilder eingearbeitet, die jeden Beobachter erkennen ließen, dass es sich hierbei um kürzlich gekaufte und noch umtauschbare Ware handelte.
Lässt man einmal außer Acht, dass die Einführung von Sicherungsetiketten es für den Kunden etwas unangenehmer macht, die Kleidung Probe zu tragen (weshalb Bloomingdale’s auch negative Kundenkritik einzustecken hatte), scheint es sich um eine wirksame Möglichkeit zu handeln, wardrobing das Handwerk zu legen. Das Abendkleid lässt sich gerade nicht auf einem Ball tragen, wenn es zu Umtauschzwecken mit einem gut sichtbaren Etikett des Kaufhauses versehen ist. Allerdings stellen die Sicherungsetiketten schon bei anderen Produktgruppen wie Geräten aus der Unterhaltungselektronik oder Do-it-yourself-Werkzeugen keinen Schutz dar, da diese Produkte zumeist nicht vor den Augen der Öffentlichkeit eingesetzt werden.
Sicherungsetiketten sind rechtlich wirkungslos
Aber auch für die Textilbranche lässt sich durch die Sicherungsetiketten in rechtlicher Hinsicht nichts gewinnen. Die Fälle, in denen ein Widerrufsrecht ausgeschlossen ist, sind im Gesetz explizit normiert (zum Beispiel Öffnung versiegelter Datenträger). Die Entfernung von Sicherungsetiketten ist in der Fernabsatzrichtlinie nicht genannt, sodass die Händler hierauf einen Ausschluss des Widerrufsrechts nicht stützen können. Es ließe sich deshalb allenfalls überlegen, ob die Entfernung des Sicherungsetiketts zum Einbehalt des Kaufpreises führen kann. Dies wiederum würde jedoch voraussetzen, dass der Händler einen Schadensersatzanspruch gegen den Kunden wegen der Entfernung des Etiketts hat. Auch einen derartigen Schadensersatzanspruch sieht das Gesetz jedoch nicht vor.
Wie schon dargestellt, kann der Händler allenfalls vom Kunden verlangen, Wertersatz für die Verschlechterung der Ware zu leisten. Unter Ware ist hier die verkaufte Ware, also zum Beispiel das Kleid als Kaufgegenstand zu verstehen. Dieses verschlechtert sich durch die Entfernung des Sicherungsetiketts indes nicht, sondern bleibt auch nach Entfernung des Sicherungsetiketts genauso werthaltig wie vorher. Spitzfindig könnte man überlegen, ob sich nicht die Ware samt Sicherungsetikett zum Kaufgegenstand erheben lässt, sodass dann die Entfernung des Etiketts tatsächlich eine Beeinträchtigung der gekauften Ware (nämlich der Gesamtheit aus Kleidungsstück und Sicherungsetikett) wäre. Selbst dann läge die Wertminderung der Kaufsache jedoch nur darin, dass das Sicherungsetikett wieder erneut angebracht werden müsste. Die hierfür anfallenden Kosten wären gering und würden wardrober nicht davon abhalten, die Ware missbräuchlich zu tragen und zurückzuschicken.
Auch wenn Sicherungsetiketten also in rechtlicher Hinsicht weitestgehend wirkungslos sind, sollte ihr psychologischer Effekt nicht unterschätzt werden. Wenn Ware besonders gesichert ist, wird für den Kunden deutlich, dass diesen Produkten besonderes Augenmerk geschenkt wird. Der wardrober wird deshalb fürchten, dass ihm die missbräuchlich bestellte und zurückgeschickte Ware Schwierigkeiten bereitet. Wenn die Ware bei verschiedenen Händlern erhältlich ist, wird er deshalb denjenigen auswählen, der seine Ware nicht besonders schützt. Insofern können Sicherungsetiketten zu einer Verringerung der wardrobing-Quote führen.
Kundensperre als letzter Schritt
Ungeachtet der präventiven Möglichkeiten gegen das wardrobing müssen Händler vor allem bereit sein, bei zu hohen Retourenquoten und einem begründeten Verdacht von wardrobing Kunden zu sperren. Zur Vermeidung von shitstorms sollten Händler vorab jedoch auffällige Kunden abmahnen. Dies entkräftet zudem den Einwand, durch eine jederzeit drohende Kundensperre könnten Kunden davon abgehalten werden, ihr gesetzlich eingeräumtes Widerrufsrecht zu gebrauchen. Die Vorwarnung durch eine Abmahnung bietet ausreichend Gelegenheit, das eigene Retourenverhalten zu korrigieren, so dass gegen eine anschließende Sperre keine rechtlichen Bedenken bestehen.
Es bleibt abzuwarten, ob das Problem des wardrobing von den Händlern weiterhin nur hinter vorgehaltener Hand eingeräumt wird, oder ob dem „Rückgabebetrug“ der Kampf angesagt wird. Es wäre nicht auszuschließen, dass neben den oben beschriebenen Möglichkeiten eine Art „Retouren-SCHUFA“ geschaffen wird, die wardrober durch ein schlechtes Ranking abstraft.
Autor

Dr. Christian Vranckx ist Sozius der Rechtsanwaltskanzlei rohwedder | partner in Mainz und betreut vornehmlich Einzelhandelsunternehmen in Fragen des gewerblichen Rechtsschutzes und im Immobilienrecht. Er ist Lehrbeauftragter der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mannheim und der Hochschule Mainz.