Shopsoftware - Ohne Vertrag geht es nicht!

Die Anschaffung von Shopsoftware ist in vielen Fällen für Unternehmen eine wichtige Entscheidung. Wenn sich ein Unternehmen entschließt, vollständig neu in dem Bereich Onlinehandel zu starten oder seinen Onlineshop auf ein neues System und eine neue Shopsoftware umzuziehen, so ist diese Entscheidung von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung. Für einen Startup oder Neueinsteiger in dem Bereich Onlinehandel sind Investitionen in diesem Bereich der größte Investitionsfaktor bei der Berücksichtigung des Markteintritts. Umso wichtiger ist es, sich hier entsprechend rechtlich abzusichern.
Für alle schon im E-Commerce tätigen Händler ist ein Umstieg von Shopsystem A auf Shopsystem B mit weit reichenden Konsequenzen verbunden. Insbesondere muss dafür Sorge getragen werden, dass das Shopsoftwaresystem B schnellstmöglich an den Start kommt, um Umsatzeinbußen vermeiden zu können und insbesondere im Livebetrieb weitergehende Probleme zu vermeiden. In diesem Beitrag wird auf unterschiedliche rechtliche Einordnungen von Shopsoftwareverträgen eingegangen werden.
Dabei stellen insbesondere die dauerhafte Überlassung von Onlineshopsoftware (Kauf) und die vorübergehende Überlassung (Miete/Leasing) den Schwerpunkt dar. Bei der Betrachtung der einzelnen vertraglichen Besonderheiten wird auf entsprechende Kernpunkte möglicher vertraglicher Regelungen, sowohl aus Anbietersicht als auch aus Sicht der Onlinehändler, eingegangen werden.
A. Warum dieser Beitrag?
Hintergrund dieses Beitrages ist die praktische Erfahrung als Rechtsanwalt in dem Bereich IT-Recht, dass oftmals gar keine vertraglichen Regelungen getroffen werden oder unzureichende vertragliche Regelungen, die dann im Falle eines tatsächlichen Problems (z. B. Shopsoftware wird nicht rechtzeitig fertig gestellt, Shopsoftware läuft fehlerhaft) zu tatsächlichen Problemen bei der Durchsetzung von Ansprüchen oder aber der Vermeidung von umfangreichen Rechtsstreitigkeiten führen kann.
Praxistipp Nr.1
Verlassen Sie sich nicht darauf, dass der angedachte Kauf oder die angedachte Miete Ihrer Shopsoftware problemlos und dauerhaft vonstatten geht. Achten Sie darauf, entsprechende vertragliche Regelungen zu schaffen, die Ihre Interessen ausreichend berücksichtigen und insbesondere für den Fall von tatsächlichen Problemen auch rechtliche Abhilfemöglichkeiten schaffen. Nichts ist schlimmer als dass sich keine vertraglichen Regelungen auffinden lassen und im Falle eines drohenden Rechtsstreites anhand -zig vorliegender E-Mails vertragliche Regelungen zu konstruieren versucht werden muss.
B. Shopsoftware – diese Arten von Verträgen aus rechtlicher Sicht können vorliegen
Grundsätzlich gilt für die Shopsoftware genauso wie in weiteren Bereichen des Softwarerechtes, dass zwei verschiedene Grundlagenvertragsarten möglich sind.
Zum einen kann dies ein Kaufvertrag eines individuellen Onlineshops und der dazu gehörenden Software sein. Dies dürfte in den seltensten Fällen der Fall sein.
Daneben besteht die Möglichkeit, dass Sie Software mieten oder leasen.
In diesen Fällen kommt es nur zu einer vorübergehenden, ggf. zeitlich befristeten, Überlassung entsprechender Software auf Zeit mit der Folge, dass andere rechtliche Regelungen greifen können.
Exkurs:
Gerade im Bereich der gängigen Shopsoftwaresysteme handelt es sich oftmals um Opensource-Software unter Berücksichtigung der GPL 2 und der GPL 3.
In diesen Fällen wird, je nach Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Nutzungsbedingungen, von einer Schenkung von Software gesprochen.
Hier ergibt sich im Gegensatz zu Miete oder Kauf der wesentliche Unterschied, dass keinerlei Gegenleistung in Form von Geld für die konkrete Software fließt.
C. Leistungsumfang passgenau festlegen
Ein wesentlicher Knackpunkt im Zuge der Abwicklung eines entsprechenden Vertrages aber auch hinsichtlich bestehender möglicher Probleme ist die Leistungsbeschreibung oder auch „Pflichtenheft“ genannt.Sowohl der Onlinehändler als auch der Shopsoftwareanbieter werden tunlichst genau darauf achten, möglichst genau detailliert eine entsprechende Leistungsbeschreibung/Pflichtenheft vertraglich zu vereinbaren.
Hintergrund ist, dass möglichst genaue Vorgaben bezüglich Umfang, Funktionalität und Struktur einer entsprechenden Software festgehalten werden müssen.Bereits hier sollte für beide Parteien abschließend feststehen, welche tatsächlichen Grundlagen die Shopsoftware leisten soll und welcher Umfang tatsächlich abgebildet werden muss.
Praxistipp Nr.2 :
Je genauer Sie hier Festlegungen treffen und je mehr Vereinbarungen auch durch Dokumente nachgewiesen werden können, desto besser sind Sie im Streitfall vorbereitet.Die Leistungsbeschreibung regelt den Inhalt des Vertrages und in welchem Umfang die Shopsoftware geliefert werden soll. Beide Vertragsparteien, aber insbesondere der Onlinehändler, müssen hier alle „Bausteine“ des geplanten Onlineshops regeln. Geschieht dies nicht, so werden wesentliche Bestandteile des Onlineshops nicht Vertragsbestandteil und müssen ggf. durch gesonderte Vergütung zusätzlich erworben werden.
D. Wann soll die Shopsoftware übergeben werden?
Bei einem Kauf- oder Mietvertrag stellt sich diese Problematik nicht.
Gegen die Zahlung eines Kaufpreises wird die entsprechende Software, egal in welcher Form, klassischer Datenträger oder per Download, an den Käufer übergeben.Unabhängig davon können selbstverständlich noch weitergehende Verträge (zum Beispiel Wartung oder Service) bestehen. Wenn und soweit Sie sich dazu entschließen sollten, eine individuelle Software, die nur für Ihr Unternehmen bestimmt ist, programmieren zu lassen, ist der Zeitpunkt der Übergabe zeitgleich mit der Bedeutung einer rechtlichen Abnahme im Sinne des Werkvertragsrechts des Bürgerlichen Gesetzbuches.Die Abnahme bedeutet, dass ab diesem Zeitpunkt Gewährleistungsrechte geltend gemacht werden können, zugleich auch die Abnahme den Zeitpunkt begründet, in dem entsprechende Vergütungsansprüche verfolgt werden können. Umso wichtiger ist es, entsprechende Kriterien für eine Abnahme bereits in vertraglichen Regelungen zu vereinbaren.
Praxistipp Nr.3 :
Für den Fall der Zurverfügungstellung von Software in individualisierter Form sollte ein detailliertes Abnahmeprozedere vertraglich festgelegt werden.Dies betrifft Abnahmezeitpunkte und welche Folgen damit verbunden sein können.
E. Einräumung von Nutzungsrechten
Unabhängig von der vertraglichen Gestaltung ist die Einräumung von Nutzungsrechten des Herstellers einer Onlineshopsoftware an den Onlinehändler maßgeblich für die weitere Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses aber auch für die tatsächliche Umsetzung der Darstellung des Onlineshops im Internet.
Grundsätzlich gilt, dass das Softwareunternehmen bei individuell programmierter Software alleiniger Inhaber der Nutzungsrechte ist (nicht Urheber, dies sind Mitarbeiter).Daher sind insbesondere entsprechende Bearbeitungs- oder Nutzungsrechte, die sich der Onlinehändler vorhalten will, vertraglich zu vereinbaren.Wird die Software im Wege der Miete oder des Leasings zeitlich begrenzt oder unbegrenzt zur Verfügung gestellt, wird in der Regel ein einfaches Nutzungsrecht übertragen. Damit sind jegliche Bearbeitungen oder Änderungen an einer klassischen Software bereits Urheberrechtsverletzungen.
Hier prallen die Interessen der Vertragsparteien aufeinander:
Der Onlinehändler möchte als Kunde immer ein ausschließliches, unwiderrufliches Nutzungsrecht ohne eine inhaltliche, räumliche oder zeitliche Beschränkung erlangen.
Geschieht dies nicht, so sind die oben genannten Konsequenzen zu nennen, insbesondere die Berücksichtigung der Auslegung von Nutzungsrechten in gerichtlichen Streitverfahren oder die Anwendung der so genannten Zweckübertragungslehre. Die Anwendung der
Zweckübertragungslehre bedeutet, dass dem Nutzungsberechtigten nur die Rechte eingeräumt werden, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses für den vertraglichen Zweck benötigt werden.
Der Softwareanbieter hat genau das gegenteilige Interesse. Dieser möchte im Regelfall möglichst nur ein einfaches Nutzungsrecht in sehr beschränkter Art und Weise einräumen.
Praxistipp Nr.4
Umso wichtiger ist es, im Bereich der Nutzungsrechte über vertragliche Regelungen ausreichenden Spielraum für beide Vertragsparteien zu schaffen, um den Vertragsabschluss zu ermöglichen. Alle wesentlichen Punkte sollten geregelt sein.Neben den bereits vorgenannten betrifft dies auch insbesondere die Möglichkeit, ob und inwieweit ggf. ein Quellcode bei Kauf oder Miete von klassischer Software überlassen wird. Im Bereich von Opensource-Software bleibt darauf zu verweisen, dass diese grundsätzlich unter Anwendung der GPL jeglicher Version genutzt werden muss.
Als Onlinehändler, der entsprechende Opensource-Shopsoftware, „erwirbt“, muss zwingend darauf geachtet werden, dass diese Bedingungen auch eingehalten werden.Dies gilt auch dann, wenn und soweit Agenturen mit zusätzlichen Add-On`s beauftragt werden. Jegliche Veränderung, Bearbeitung und sonstige Ergänzungen von bestehender Opensource-Software darf nur dann erfolgen, wenn und soweit diese entsprechend unter die GPL-Richtlinien fallen und auch gleichzeitig unter Berücksichtigung dessen gehandelt wird.
F. Gewährleistungsrechte/Sach- und Rechtsmängel
Immer wieder ist festzustellen, dass gerade bei Gewährleistungsrechten keinerlei Regeln getroffen werden.Dies ist grundsätzlich unproblematisch, da dann die gesetzlichen Regelungen zur Anwendung gelangen. Im Interesse einer sachgerechten vertraglichen Zusammenarbeit sollte jedoch darauf geachtet werden, Besonderheiten zu klären.
Für den Bereich von Onlineshopsoftware kann sich hier eine Verantwortlichkeit für wesentliche Inhalte von Shopsoftware aus rechtlicher Sicht dahingehend ergeben, dass neben der reinen Shopsoftwareleistung auch Inhalte mit zur Verfügung gestellt werden.Stellt somit der Onlineshopsoftwareanbieter zum Beispiel die Möglichkeit zur Verfügung, ein Impressum einzustellen, stellt eine Muster-Widerrufsbelehrung oder Muster-Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zur Verfügung, so sollte der Onlinehändler darauf achten, in den vertraglichen Regelungen eine entsprechende Haftungsübernahme des Shopsoftwareanbieters für diese „Rechtstexte“ zu erlangen. Werden diese Darstellungen ungeprüft eingestellt und entsprechende Abmahnungen ausgesprochen, dann besteht die Möglichkeit, Regressansprüche an den Onlineshopsoftwareanbieter zu stellen.
Praxistipp Nr.5
Gewährleistungsrechte sollten, je nach Umfang der Shopsoftware, an die Regelungen des Vertrages angepasst werden. Zwar reicht auch eine Formulierung „Es gilt das gesetzliche Gewährleistungsrecht“ aus, jedoch wird diese Regelung oftmals dem Interesse der Vertragsparteien nicht gerecht.
G. Für den Ernstfall – Kündigungsmöglichkeiten regeln
In den Fällen des klassischen Erwerbes oder Onlineshopsoftware per Kaufvertrag sind Kündigungsmöglichkeiten allenfalls dann denkbar, wenn zusätzliche vertragliche Regelungen bestehen (zum Beispiel Wartungs- oder Serviceverträge).
Bei Überlassung auf Zeit oder bei Opensource-Software kann die Möglichkeit bestehen, gesonderte Kündigungsmöglichkeiten zu vereinbaren.
Im Fall des Mietvertrages von klassischer Software sollte insbesondere daran gedacht werden, hier Kündigungsmöglichkeiten für den Fall zu schaffen, dass zusätzliche Updates oder Upgrades durch den Vermieter nicht zur Verfügung gestellt werden, die essentiell für den Weiterbetrieb des Onlineshops sind.
Zudem sollte für die Möglichkeit gesorgt werden, den Vertrag außerordentlich zu beenden (Kündigung aus wichtigem Grund).
Hier sollte möglichst detailliert geregelt werden, welche wichtigen Gründe hier zur sofortigen Beendigung eines Vertrages berechtigen.
Wichtige Gründe können zum Beispiel sein, dass der Vermieter in Insolvenz geht.
Hier kann sich der Mieter von Onlineshopsoftware durchaus die Möglichkeit vorbehalten, sofort den Vertrag zu beenden, um die Möglichkeit eines neuen Anbieters wählen zu können.
Onlineshopsoftwareanbieter sollten darauf achten, zum Beispiel eine Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund zu erhalten, wenn und soweit der Mieter oder der Kunde selbst das Insolvenzverfahren eröffnet, um zukünftig keine weiteren Leistungen erbringen zu können.
Auch die Ausübung von Kündigungsmöglichkeiten sollte detailliert geregelt werden.
So sollte die Art und Weise der Übermittlung der Kündigung geklärt werden.
Zum Beispiel ist es rechtlich unter Umständen nachteilig, wenn und soweit die Kündigung per Einschreiben/Rückschein vereinbart wird.
Denn:
Ein Einschreiben/Rückschein ist nicht zwingend ein Nachweis dafür, dass eine Kündigung zugegangen ist. In dem entsprechenden übermittelten Umschlag kann auch ein leeres Blatt Papier liegen.
Praxistipp Nr.6
Es sollte grundsätzlich vereinbart werden, dass mehrere Zugangsmöglichkeiten von Kündigungen vertraglich vereinbart werden. Wesentlich sind natürlich auch Kündigungsfristen.
Hier bestehen stets auch widerstrebende Interessen.
Während der Onlinehändler möglichst kurze Kündigungsfristen haben möchte, um ggf. auch Shopsoftwaresysteme zu wechseln, hat der Anbieter natürlich das Interesse daran, möglichst lange Kündigungsfristen zu haben um den Kunden möglichst lange zu binden.
Fazit
Dieser Beitrag kann nur einen kurzen Überblick über rechtliche Rahmenbedingungen im Bereich der vertraglichen Regelungen zu Onlineshopsoftware bieten.
Wichtig ist der eingangs genannte Tipp: es sollten stets vertragliche Regelungen geschaffen werden, um im Streitfall eine gesicherte Rechtsposition zu haben, aus der heraus argumentiert werden kann.

Autor
Rolf Albrecht
Rolf Albrecht ist in der Kanzlei volke2.0 tätig. Als Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Fachanwalt für Informationstechnologierecht (IT-Recht) betreut er Onlineshops vor allem in Fragen des Wettbewerbs-und Markenrechts.