Online muss Erlebnisse verkaufen

Der stationäre Handel ist dem Onlinehandel bei der Erlebnisvermittlung weit voraus. Personalisierte Angebote und individuelle Beratung werden von den Verbrauchern nun auch im Web erwartet. Für Shopbetreiber ist es in Zeiten von Amazon und Co. daher umso wichtiger, ihre Onlinestrategie anzupassen, um langfristig am Markt bestehen zu bleiben.
Die Grenzen zwischen Online und Offline verschwimmen zunehmend. Noch vor einigen Jahren informierten sich Konsumenten im Ladengeschäft, um online preisbewusst zu kaufen. Heute beginnt sich dieser Trend umzukehren. Der moderne Verbraucher informiert sich online, kauft dann aber immer häufiger im Ladengeschäft. Oder er erwartet, online gekaufte Ware im Laden zurückgegeben zu können oder sogar ausgeliefert zu bekommen. Angebote wie Same-Day-Delivery oder Click & Collect tragen diesen veränderten Nutzererwartungen ebenfalls Rechnung.
Dass die Online- und die Offline-Welt immer stärker zusammenwachsen, ist also längst kein Geheimnis mehr. Ein Grund hierfür ist die verstärkte Nutzung mobiler Endgeräte, wodurch der Zugang zum Web zu jeder Zeit und an jedem Ort problemlos möglich ist. Hinzu kommt der gestiegene Umgang mit sozialen Netzwerken. Offline-Aktivitäten werden zunehmend online mit dem Bekanntenkreis koordiniert, gleichzeitig fließen Unternehmensnachrichten in den Daten-Stream und vermischen zusätzlich Privates und Geschäftliches. Und auch die allgegenwärtige Vergleichbarkeit von Angeboten im Internet und die dadurch geschaffene Preistransparenz führt dazu, dass beim „Always on“-Verbraucher die Markentreue enorm leidet. Der Konsument kann ohne Barrieren vom günstigsten Anbieter kaufen. Wie können Onlinehändler dafür sorgen, dass der Kunde in seinem Onlineshop kauft und nicht bei der Konkurrenz? Das Schlüsselwort lautet Kauferlebnis – oder neudeutsch „Customer Experience“.
Info: Eine aktuelle Untersuchung des Performance Marketing-Anbieters Tradedoubler zeigt, dass Mobile längst auch den stationären Handel beeinflusst. Demnach ändern 61 Prozent der Käufer in Europa ihre Kaufentscheidung noch am Point of Sale nach dem Blick auf das Mobilgerät.
Technische Grenzen des Erlebniskaufs im E-Commerce
Gerade bei der Erlebnisvermittlung hinkt der Onlinehandel jedoch noch weit hinter dem stationären Handel her. Eine Umfrage des E-Commerce-Center Köln (ECC) im April 2014 ergab, dass Konsumenten häufiger online einkaufen würden, wenn die Shops erlebnisorientierter gestaltet wären. 80 Prozent der Verbraucher suchen online nicht nur nach einem Produkt, sondern wollen auch mit kreativen Stories und Tipps zum Kauf inspiriert werden.
Können Unternehmen diese Inspiration nicht liefern, wechseln die Kunden zu dem Wettbewerber, der es kann. Stationäre Shops haben diesen Trend bereits verinnerlicht. Es gibt kaum ein Geschäft, das nicht mit Themenwelten, einer persönlichen Beratung und kreativen Präsentation der Produkte die Kunden aktiv bei ihrer Kaufentscheidung begleitet. Warum das also nicht auch Online anbieten? Genau – es spricht nichts dagegen!
Doch stoßen Händler dabei nicht selten an ihre technischen oder organisatorischen Grenzen: Der Kunde im stationären Shop hat ein Gesicht, ein persönliches Anliegen auf das der Verkäufer nach einem Gespräch individuell eingehen kann. Der virtuelle Kunde hingegen bleibt meist abstrakt und es bedarf einiges an Aufwand, um die Wünsche des Kunden aus einem Wust an Daten herauszufiltern. Hierfür müssen Händler ihre Kundendaten effektiv auswerten. Es gilt Kundengruppen und deren Kaufverhalten zu extrahieren, Touchpoints zu identifizieren und die Präsenzen auf allen Kanälen im Anschluss zu personalisieren, um so dem Wunsch nach einer konsistenten Markenwahrnehmung gerecht zu werden. Die Cross-Channel Customer Experience ist flexibel, personalisiert und kontextorientiert.
Den virtuellen Kunden und seine Wünsche kennen
Kein leichtes Unterfangen, doch mit den heutigen technischen Möglichkeiten durchaus möglich. Beispielsweise liefern integrierte Social Media-Elemente genau die Kundendaten, die Unternehmen helfen, ihr Angebot stärker zu personalisieren. Der Social Media-Aspekt in den Maßnahmen zur Kundenbindung ist daher inzwischen schon nahezu zur Selbstverständlichkeit geworden. Laut dem ECC schätzen 57 Prozent der Verbraucher Social Media-Elemente für Bewertungen oder zum Teilen von interessanten Inhalten. Bei den Early Adopters, also den Käufern bis 30 Jahre, erwarten gar 72 Prozent diese Funktionen. Zwei von drei Konsumenten wünschen sich zudem kontextorientierte Seiten, die sich ihren persönlichen Vorlieben und Gewohnheiten anpassen. Und auch den persönlichen Austausch können Händler online durch Videoberatung oder Live-Chat stärker in den Fokus rücken.
Die Integration von sozialen Netzwerken liefert aber auch dem Händler einen zusätzlichen Mehrwert. Einerseits zeigt man somit Präsenz an den Orten, wo sich die potenziellen Kunden aufhalten. Andererseits verbessern zielgruppenspezifische Inhalte auf sozialen Netzwerken, zusätzlich zu den personalisierten Inhalten im Onlineshop, das Gesamterlebnis. Eine aktuelle Studie von TNS Infratest bestätigt, dass vor allem Emotionen, die durch relevante Kundenerlebnisse geschaffen werden, die Glaubwürdigkeit eines Unternehmens festigen. Diese Glaubwürdigkeit wird nur erreicht, wenn das Erlebnis auf allen zur Verfügung stehenden Kanälen konsistent weitergetragen wird. Denn der heutige Konsument unterscheidet nicht mehr zwischen den einzelnen Kanälen, sondern nimmt das Unternehmen oder die Marke dahinter als Ganzes wahr. Je einheitlicher und persönlicher die kanalübergreifende Botschaft also ist, desto größer ist die Glaubwürdigkeit und damit die emotionale Bindung der Konsumenten zum Unternehmen oder zur Marke.
Weil aber nun mal kein Kunde wie der andere ist, sind persönliche Daten ein essenzielles Gut. Je mehr der Händler über seinen Kunden weiß, desto individueller kann er den Inhalt, also zum Beispiel die Angebote oder die präsentierte Ware, seines Onlineshops darauf zuschneiden. Eben ganz so wie bei einem persönlichen Beratungsgespräch im stationären Geschäft auch. Durch eine Registrierungsfunktion während des Kaufprozesses im Onlineshop erfährt der Shopbetreiber meist schon einiges über seine Kundschaft, aber erhält oft nur Daten wie Name, Geburtsdatum und Adresse. Durch Analysen zum Surfverhalten der Shop-User können weitere Anpassungen und Individualisierungsgrade erfolgen. Dadurch kann der Händler den Content der eigenen Seite und auch die Produktstrategie stärker an die tatsächlichen Kundenerwartungen anpassen
Online- und Offline-Prozesse müssen noch stärker ineinandergreifen
Die Identifikation von Touchpoints spielt bei der Verknüpfung der diversen Kanäle eine entscheidende Rolle: Was interessiert die Verbraucher, wo suchen sie danach und was sehen sie, wenn sie eigentlich gar nichts suchen? Das Plakat an der Bushaltestelle, der Facebook-Kanal, der Onlineshop, der stationäre Shop oder der Pinterest-Account mit inspirierenden Fotos? Die Möglichkeiten sind heute schier endlos und die Kunden werden mit Informationen überflutet. Daher müssen die Informationen, die ein Unternehmen sendet, einen einheitlichen Charakter haben und sich haargenau an den Wünschen der Kunden entlanghangeln, um ihr Interesse zu wecken. Das Unternehmen muss sich als Marke etablieren, indem es den Einkauf auf allen Kanälen zum Erlebnis an sich macht, um auf lange Sicht Kunden stärker zu binden. Wichtig ist deshalb, dass sich eine Cross-Channel- und Ein-Unternehmen-Denke auch bei den Händlern durchsetzt. Online- und Offline-Kanäle werden derzeit oftmals noch stark getrennt voneinander verwaltet und jede Fachabteilung eines Unternehmens arbeitet für sich. Dabei können sich die unterschiedlichen Kanäle und Abteilungen hervorragend ergänzen und gegenseitig potenzieren. Das fängt bei serviceorientierten Lösungen an, wie der Möglichkeit, online erworbene Produkte in stationären Shops umzutauschen. Andersherum können Kunden Produkte im Ladengeschäft ansehen, um sie sich dann vor Ort über den Onlineshop zu bestellen und sich so versandkostenfrei nach Hause liefern zu lassen.
Durch dieses positive Einkaufserlebnis ist der Verbraucher eher geneigt den Onlineshop weiterzuempfehlen. Dadurch wird ein positiver Schneeballeffekt ausgelöst: Dieser zufriedene Kunde kann als Markenbotschafter die Ideen und Botschaften des Unternehmens weitertragen und wieder Andere dafür begeistern.
Ein Markenbotschafter ist mehr wert als Tausend Kunden
Laut der Studie von TNS Infratest sind besonders Markenbotschafter für den Unternehmenserfolg entscheidend. Das Ergebnis nach der Befragung von 40.000 Kunden aus 20 Ländern lautet klar: Selbst wenn Kunden den Einkaufsvorgang selber gut fanden, sind immer mehr bereit den Anbieter zu wechseln. Die emotionale Komponente ist daher ein wichtiger Faktor für die Kundenbindung, die durch relevante Kundenerlebnisse und die Glaubwürdigkeit des Unternehmens hergestellt wird. Die Studie zeigt, dass Kunden mit einer emotionalen Bindung zum Unternehmen zu Markenbotschaftern werden und damit dreimal seltener zum Wettbewerber abwandern und die Marke fünfmal öfter weiterempfehlen. Diese Werte stehen im Vergleich zu „normalen“ Kunden, die ohne eine starke Bindung lediglich ein pragmatisches Geschäftsverhältnis zum Unternehmen haben.
Um diese emotionale Kundenbindung zu erreichen, müssen Webseiten mit interaktiven Designelementen, involvierender Bildsprache und relevantem, anspruchsvollen Content überzeugen. Rein transaktions- und performancebasierte Strukturen entsprechen nicht länger den Wünschen der Kunden. Als Schnittstelle zwischen Marke und Kunden ist das Design des Webshops von zentraler Bedeutung. Das emotionale Erlebnis des stationären Stores und des Webauftritts müssen einheitlich über alle Kanäle transportiert werden. Mit einer stärkeren Personalisierung müssen Webshops das fehlende haptische Erlebnis des stationären Handels kompensieren.
Fazit: Online muss Erlebnisse verkaufen
Wer sich als Händler nicht abhängen lassen will, muss lernen, die Synergien verschiedener Kanäle für eine authentische Unternehmensmessage zu nutzen. Der Schwerpunkt liegt hier auf ineinander verzahnten Online- und Offline-Konzepten, die den Kunden an allen möglichen Touchpoints abholen und inspirieren. Hierfür müssen unternehmensinterne Abteilungen stärker zusammenarbeiten, um kurze Wege für den Kunden zu bieten und kanal- und themenübergreifende Service-Prozesse zu realisieren. Unternehmen sollten vor dieser Entwicklung nicht zurückschrecken, sondern die Gelegenheit nutzen, um den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen und um interne Hürden zwischen Abteilungen abzubauen.
Wer es nicht schafft, die Erwartungen des Kunden zu erfüllen, wird über kurz oder lang abgeschafft. Nur ein Unternehmen, das den Wert der Onlinestrategie erkennt, kann die Kundenerwartungen erfüllen und so langfristig am Markt bestehen bleiben.

Autor
Jochen Toppe
Als Vice President of Product Management ist Jochen Toppe bei CoreMedia für die strategische Entwicklung der zentralen Angebote und Partnerschaften des Unternehmens verantwortlich. CoreMedia hat sich spezialisiert auf Web Content Management-Software und unterhält Büros in Hamburg, San Francisco, Arlington, Virginia, London und Singapur.
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