Mobile Payment – ein Fazit

Die Begrifflichkeit Mobile Payment ist seit 3-4 Jahren ein dauerpräsentes Thema in den Medien und auf Konferenzen. Auf Konsumenten-, Händler- und Dienstleisterseite ist ein hohes Interesse festzustellen. Das Verständnis und die Beweggründe sind innerhalb dieser Gruppen stark abweichend.
Verschiedene Erwartungen der beteiligten Gruppen
Konsumenten sind von POS-Zahlungsmitteln eine leichte und unkomplizierte Bedienung, wie bei einer Bargeldzahlung, gewöhnt und erwarten einen entsprechenden leicht verständlichen und fehlerfreien Prozess auch bei einer Mobile Payment Anwendung am POS. Über die Technik auf Handelsseite machen sie sich keine Gedanken und die Hardware(Handy) sowie Software(App) bringen sie mit ihrem Smartphone selber mit. Ihr Handy haben sie aus anderen Gründen als das Bezahlen bereits erworben(sunkcosts), wodurch sie keine weiteren Kosten für Mobile Payment haben, erwarten und übernehmen wollen.
Händler unterscheiden sich anhand der Betriebsform und des Marktsegments erheblich. Bei einem Discounter für Lebensmittel wie Aldi funktioniert nur ein schneller Zahlungsprozess, der in der Regel mit niedrigen Warenkörben erfolgt. Ein Discounter für Möbel wie Möbel Boss weist hohe Warenkörbe aus und benötigt keinen schnellen Zahlungsprozess, sondern einen kundenfreundlichen. In einem Karl Lagerfeld Store wird der Zahlungsprozess als Erlebnis kreiert und mit Tablet und Getränken fast schon zelebriert. Ein Punkt ist für alle Händler aber zu 99 Prozent identisch – sie installieren Kassensysteme (Hardware) räumlich fest gebunden im Laden und haben hohe Anschaffungskosten, wodurch die Systeme in der Regel nur alle 6-8 Jahre neu angeschafft werden. Sie erwarten von den Payment-Dienstleistern die Schaffung eines Zahlungsprozesses mit hoher Usability und Sicherheit zu günstigen Konditionen.
Dienstleister aus den verschiedensten Kanälen wie Netzbetreiber (POS), Payment-Service-Provider(E-Commerce), Acquirer (POS & E-Commerce), Banken/Issuer, Kartennetzwerke (Visa, Mastercard, Amex) und viele mehr haben in den bestehenden Kanälen am POS und im E-Commerce mit abnehmenden Erträgen zu kämpfen und suchen daher im Mobile Bereich nach neuen Einnahmemöglichkeiten. Zusätzlich erwarten Konsumenten und Händler von ihnen Multichannel-fähige Zahlungsprozesse.
Was definiert man als Mobile Payment? Das ist die eigentliche Frage!
Der Begriff Mobile wurde aus dem Amerikanischen übernommen und weist darauf hin, dass ein Handy (mobile phone) während der Transaktion Hauptbestandteil ist. Viele Konzepte am Markt sind daher eigentlich keine reine bzw. nur eine Mischform von Mobile Payment. Die Verteilung von MasterCard und Visa Stickern, welche über eine NFC-Funktion verfügen, zum Ankleben an ein Handy ist per Definition kein Mobile Payment. Ein Händler hat es während eines Vortrages im letzten Jahr auf den Punkt gebracht indem er zu bedenken gab, dass das Ankleben dieser Sticker auf einer handelsüblichen Gurke ja auch nicht der Beginn von Gurken Payment sei. Eine Definition von Mobile Payment ist nur als Überbegriff für alle Zahlungsprozesse, bei denen ein Handy Hauptbestandteil der Transaktion ist, möglich. Der Überbegriff kann in folgende Unterkategorien gegliedert werden: Contactless Payment am POS, In-App Payment in Apps, Online-Payment im E-Commerce bei der Nutzung von Tablets in der eigenen Wohnung und Mobile Payment bei der Bezahlung außerhalb der eigenen Wohnung. Letzteres wäre inhaltlich richtig mit MovingPayments zu bezeichnen, was begrifflich aber nicht verwendet wird.
Mobile Payment Zahlungsarten in den Unterkategorien
Contactless Payment am POS
Als Frank McNamara Anfang 1950 die heutige Diners Club Kreditkarte im B2C in den ersten Restaurants etablierte, wurde als Medium ein Papierformular über die Belastung des Kundenkontos benutzt. Heute ist man daran gewöhnt, dass eine Kreditkarte eine Plastikkarte als Trägermedium nutzt. Die Daten, die zurzeit in einem EMV-Chip auf der Karte untergebracht sind, werden im nächsten Transformationsprozess digitalisiert. Der Zwischenschritt zu dieser kompletten Digitalisierung der Kartendaten bildet die kontaktlose Nutzung, meist per NFC. Hierbei werden die Daten digital übertragen, sind aber noch physisch auf einer Hardware abgelegt. Als Framework bzw Kernel ist weltweit meist paypass von MasterCard oder paywave von Visa eingesetzt. Ein kontaktloses Framework für die deutsche girocard ist seit fast drei Jahren angekündigt, aber von der Deutschen Kreditwirtschaft noch nicht umgesetzt. Lastschriftverfahren, wie sie beispielweise die Telekom in ihrem MyWallet einbauen möchte, sind noch nicht marktreif. Apple Pay nutzt ebenfalls paypass und paywave je nach hinterlegten Kreditkartendaten.
Contactless Payment ist nur an für paypass und paywave zugelassenen Terminals im Handel möglich. Visa und MasterCard haben deshalb angekündigt, innerhalb der nächsten zwei Jahre alle Terminals in Deutschland NFC-ready zu machen. Für 2016 haben Händler in der Studie Mobile in Retail 2014 der GS1 Germanyangegeben, dass 43 Prozent aller ihrer Filialen NFC-fähige Terminal haben werden. Befragte Mobilfunknetzbetreiber gaben an, dass 75 Prozent aller ausgegebenen Smartphones NFC-ready sein werden. Das Henne-Ei-Problem ist in absehbarer Zeit abgebaut. Die mit viel Investitionsvolumen geschaffene NFC-ready Umgebung im Handel nutzten Unternehmen wie Apple mit Apple Pay über paypass und paywave, ohne selber Investitionen getätigt zu haben.
2013 wurden 54,4 Prozent des Umsatzes im Einzelhandel mit Bargeld bezahlt und 42,6 Prozent mit kartengestützten Systemen. Davon unter anderem 23,1 Prozent mit girocard, 12,9 Prozent mit EC-lastschrift und 5,4 Prozent mit Kreditkarten. Contactless Payment wird in Deutschland daher erst flächendeckend und erfolgreich im Einsatz sein, wenn die girocard kontaktloses Bezahlen ermöglicht. Systeme die auf Kreditkarten setzen, wie beispielweise Apple Pay, können in Deutschland durch die geringen Nutzung der Kreditkarten nicht flächendeckend eingesetzt werden. Erste Erfahrungswerte wird das Projekt NFC-City Berlin im nächsten Jahr zeigen.
In-App Payment in Apps
Payment in Apps ist durch die Bedingungen und Möglichkeiten der App-Marktplätze geregelt. Ob eine App auf dem App-Marktplatz verfügbar ist wird von Apple oder Google in vielen Fällen entschieden. Da Apple in seinem Apple Store bei den meisten Kunden eine Kreditkarte zum Benutzer hinterlegt hat, ist die Nutzung von Kreditkarten in Apple Pay nur logisch. Der Google Play Store bietet ebenfalls nur wenige Zahlungsarten. Digitale Güter werden in Deutschland meist mit PayPal, Kreditkarten, Paysafecard und Lastschrift eingekauft. Apple Pay funktioniert aktuell nicht im E-Commerce sondern nur als In-App Payment.
Online-Payment mit PC und Tablet
Ebay und PayPal haben auf verschiedenen Konferenzen Nutzungszahlen im Mobile Bereich benannt. Mobile wächst und wächst nach diesen Zahlen von Jahr zu Jahr zweistellig. Auf Anfrage erläuterten die Unternehmen, dass meist 60-80 Prozent der Mobilen Nutzung über Tablets erfolgte. Soweit auf dem Tablet aber keine App benutzt wird, sondern in der Mehrzahl ein mobil-optimierter Shop, handelt es sich hier um klassischen E-Commerce anstatt Mobile Payment. Im E-Commerce wurde 2013 laut der Online-Payment-Studie 25,4 Prozent des Umsatzes mit Rechnung, 19,9 Prozent mit PayPal, 19,3 Prozent mit Lastschrift und 14,8 Prozent mit Kreditkarte bezahlt. Diese Zahlen können mit leichten Abweichungen auch für Tablet-Einkäufe genutzt werden. Mobile Payment mit dem Tablet ist als reiner E-Commerce anzusehen. Kunden erwarten einen (mobil-optimierten)Onlineshop und Dienstleister wie Shopgate ermöglichen dies für fast jedes Shopsystem.
Mobile Payment (MovingPayments)
2013 hat Deichmann in Zusammenarbeit mit PayPal an öffentlichen Verkehrshaltestellen Außenwerbung geschaltet. Auf den Plakaten war eine Auswahl von etwas mehr als zehn Schuhen zu sehen und ein QR-Code. Dieser konnte per PayPal-App gescannt werden und anschließend direkt bezahlt werde. Die Schuhe versendete Deichmann dann aus dem Onlineshop zum Kunden. Auf dem Smartphones des Kunden wurde die Zahlungsabwicklung komplett digital vollzogen. Die Nutzungsraten dieser Services sind unter den Erwartungen geblieben. Dies zeigte auch der Pilot von PayPal in der Innenstadt von Oldenburg, in dem eine Vielzahl von Schaufenstern mit QR-Codes ausgestattet wurden. Die Kunden hatten damit die Möglichkeit, theoretisch 24 Stunden lang zu shoppen – sie taten es aber nicht.
Positive Erfahrungen kann man hingegen bei Moving Payment in Verbindung mit Mobilität erkennen. Von der Bahn mit Touch&Travel gibt es zwar keine publizierten Nutzungszahlen, aber man freue sich über die Mobile Payment Anwendung heißt es. In anderen Beispielen wie in Hongkong ist der gesamte Nahverkehr einer Millionenstadt bereits mit einer Mobile Payment Möglichkeit ausgebaut.
Wo ist Mobile Payment nun erfolgreich?
Der Anfang für Contactless Payment am POS in Deutschland ist getan, hohe Nutzungsraten werden aber erst in 3-5 Jahren zu erwarten sein. Das Potential für die Zukunft am POS ist aufgrund des hohen Transaktionsvolumens im Einzelhandel am besten zu bewerten. Online-Payment mit Tablet ist eigentlich kein Mobile Payment sondern Online-Payment in anderer Gestaltung. Bei In-App Payment ist ein Duopol von Apple und Google vorhanden, die Transaktionszahlen sind sehr hoch aber durch die hohen Provisionen an Apple und Google für Händler und Dienstleister nur mit digitalen Gütern möglich. Der klassische Retail-Bereich könnte die Provisionen nicht bezahlen. Mobile Payment (MovingPayments) vor allem im Reiseverkehr wird der größte Einsatz für Bezahlen mit dem Smartphone sein.
POS-Zahlungsmittel mit Mobile Payment Potential
E-Commerce-Zahlungsmittel mit Mobile Payment Potential
Fazit
Mobile Payment ist ein allgemeiner Begriff, der stets definiert und eingeteilt werden sollte. Entwicklungspotentiale und Umsatzanteile differieren je nach Segment stark und das Thema breitet sich in viele neue Gebiete aus. Von der Contactless fähigen Spendenbox bis hin zum Contactless fähigen Auto findet man Payment-Applikationen in vielen neuen Bereichen des alltäglichen Lebens wieder.
Im Stationären Handel sinkt der Bargeldanteil jedes Jahr um ein Prozent. Im Onlinehandel zeigt PayPal mit drei Prozent Wachstum pro Jahr das Maximum an Veränderung auf. Die girocard, 1983 erstmals getestet, hat heute erst 22,1 Prozent Umsatzanteil und Contacless Payment mit NFC gibt es seit 1994 in ersten Test am Markt. Entsprechend wird das Thema Mobil-Payment auch in Zukunft nur langsam an Umsatzanteilen, unabhängig von der PR-Bedeutung, gewinnen. Das Interesse sollte vom Volumen und der Infrastruktur betrachtet ganz klar auf dem Mobile Payment in Form des Contactless Payment am POS liegen. Meine Einschätzung dazu: „Bleiben Sie ruhig und warten Sie erstmal ab!“
Autor

Tim Kiesewetter ist seit mehr als drei Jahren im EHI Retail Institute mit allem rund um das Thema Payment beschäftigt. Neben jährlichen Studien zum Thema Online- und Mobile-Payment, ist er Leiter der Arbeitsgruppe Online-Payment, internationaler und nationaler Referent zum Thema Payment und in verschiedenen Payment-Gruppen aktiv. Auf dem größten deutschen Payment-Kongress, dem EHI Kartenkongress, stellt er jährlich die marktanerkannten Marktanteile der Zahlungsmittel in Deutschland vor.
Forschungsbereich: www.ehi.org/geschaeftsbereiche/forschung/zahlungssysteme.html
Studienübersicht: www.payment-studie.de