Marketing in Echtzeit – ist Ihr Unternehmen ‚Always-On‘?

Der Kunde von heute verbringt mehr Zeit online als jemals zuvor – über verschiedene Endgeräte und an diversen Orten. Stark sozial vernetzt, verlangt er nach spannenden Erlebnissen und relevanten Echtzeit-Informationen. Dieses Nutzerverhalten konfrontiert Unternehmen rund um den Erdball mit enormen Herausforderungen. Wie gut ihnen dies gelingt, untersuchten die Digital-Agentur Razorfish und das Softwareunternehmen Adobe in der aktuellen Studie Always-On Marketing heute. Mit ernüchterndem Ergebnis.
Das Umfeld, in dem Unternehmen und Agenturen Marketing betreiben, hat sich in der vergangenen Zeit drastisch gewandelt. Nach Jahrzehnten, in denen Massenmedien wie TV und Radio dominierten, haben nun die digitalen Kommunikationskanäle die Oberhand. Das Ergebnis: Der Konsument von heute ist nicht mehr davon abhängig, dass ihm Marken ihre Botschaften vermitteln. Per Smartphone, Tablet & Co. kann er vielmehr rund um die Uhr und in aller Welt nahezu jede gewünschte Information selber suchen und verifizieren.
Im Umkehrschluss bedeutet dies für Unternehmen: Wenn sie relevant bleiben und ihren Geschäftserfolg langfristig absichern wollen, müssen ihre Produkte und Services zu hundert Prozent ein Bedürfnis der Nutzer befriedigen. Um dies zu erreichen, bedarf es jedoch eines völlig neuen Marketingansatzes: Weg von der Verbreitung von Markenbotschaften, hin zu einem Angebot, das die Kunden wirklich wollen. Und dies auf Basis moderner Technologien, um in Echtzeit agieren zu können. Das Stichwort dazu lautet: Always-On Marketing.
Gefühlte Wirklichkeit vs. Realität
Doch in welchem Ausmaß haben Unternehmen weltweit diese neuen Anforderungen tatsächlich erkannt? Ist Always-On Marketing bei ihnen überhaupt ein Thema? Und wie gut sind sie hier faktisch aufgestellt? Um dies zu erfahren, wendeten sich die Digitalagentur Razorfish und das Softwareunternehmen Adobe im Jahr 2013 an insgesamt 685 internationale C-Level Führungskräfte aus den Bereichen Marketing, Technologie und Unternehmensführung. Die Frage schien auf den ersten Blick einfach: Ist Ihr Marketing Always-On? Das Ergebnis hatte es allerdings in sich.
Denn die weltweit erste Studie zu diesem Themenkomplex – Always-On Marketing heute – deckt eine dramatische Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit auf. Wie die Befragungen zeigen, beurteilen die meisten Teilnehmer die Always-On Fähigkeit ihres Unternehmens nämlich als gut. Tatsächlich verfügen jedoch die wenigsten über die benötigten Technologien und Marketingprogramme, um echtes AOM zu betreiben.
Das Phänomen Always-On Marketing
Was genau verbirgt sich eigentlich hinter diesem Begriff? Die Studie Always-On Marketing heute bezeichnet „Always-On Marketing (AOM) als die Bereitstellung datengetriebener, kontextabhängiger Echtzeiterlebnisse über diverse Kanäle und Endgeräte“. Oder kurz gesagt: die Fähigkeit eines Unternehmens, auf digitale Interaktionen der Verbraucher mit der Marke prompt und personalisiert zu reagieren. Dazu definiert die Studie vier Elemente, deren reibungsloses Zusammenspiel die Voraussetzung für ein funktionierendes AOM bildet.
1. Plattform
Dieser Bereich beschreibt die technologischen Voraussetzungen, Inhalte und Daten so zu erfassen und aufzubereiten, dass sie auch genutzt werden können.
2. Analytik
Aus den gesammelten Daten werden hier Erkenntnisse über das Kundenverhalten abgeleitet und für Geschäftsentscheidungen herangezogen.
3. Kanäle
Die Erkenntnisse werden genutzt, um die Zielgruppen in den jeweiligen Kanälen optimal anzusprechen.
4. Erlebnisse
Der Nutzer macht in jedem Kanal eine relevante Markenerfahrung, die sich an seinen jeweiligen Bedürfnissen orientiert.
Weltweite Selbstüberschätzung
In Zahlen heißt das konkret: Weniger als 5% der Befragten sind aktuell in der Lage, effektive Always-On Erlebnisse durchzuführen. Bei allen anderen mangelt es vielfach bereits am Datenmanagement. So kann beispielsweise kein Unterschied zwischen neuen und wiederkehrenden Kunden gemacht werden. Dies verhindert wiederum, je nach Zielgruppe und Kanal zugeschnittene Inhalte anbieten zu können. Das Projekt der nahtlos übergreifenden User-Experience ist dadurch zum Scheitern verurteilt.
Mit den erhobenen Zahlen stellt die Studie einen weltweiten Trend zur Fehleinschätzung bezüglich der tatsächlichen AOM-Fähigkeit fest. Tatsächlich variiert diese jedoch zusätzlich von Land zu Land. Von den Führungskräften, die ihre Fähigkeit zur Optimierung von Kundenerlebnissen sowie zur Unterscheidung von Kundensegmenten als gut bezeichnen, sind in den USA 61% tatsächlich dazu in der Lage. In Großbritannien (53%) und Kanada (50%) gilt dies ebenfalls für rund die Hälfte der Befragten. In Deutschland trifft dies hingegen nur auf 43% der Teilnehmer zu, was nur durch 36% aus Frankreich unterboten wird.

Datenschutz als AOM-Hemmschuh
Wie kommt es zu diesen Ergebnissen? Die Studie Always-On Marketing heute sieht einen direkten Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung der Führungskräfte und dem AOM-Reifegrad des jeweiligen Landes. Das heißt, die Teilnehmer orientieren sich bei ihrer Selbstbewertung an unterschiedlichen Standards. In einem Land, in dem AOM noch wenig verbreitet ist, besteht ein geringeres Wissen über die tatsächlichen Möglichkeiten. So kommt es im Vergleich zu einem Land, in dem bereits tieferes Know-how zu AOM vorhanden ist, zu einer Überschätzung der AOM-Fähigkeit im Verhältnis zum eigentlichen Potenzial dieses Ansatzes.
Den Zahlen zufolge liegt der AOM-Reifegrad von Frankreich und Deutschland deutlich unter dem von Großbritannien, Kanada und den USA. Eine Erklärung hierfür sieht die Studie in den unterschiedlichen Beschränkungen, die für die einzelnen Märkte gelten. So sind die digitalen Datenschutzgesetze in Europa allgemein strenger als die von Kanada und den USA, wodurch digitale Unternehmen in Deutschland und Frankreich stärker bei der Datenerfassung eingeschränkt sind, als die nordamerikanischen. Großbritannien profitiert hingegen von einem pragmatischen Selbstregulierungsansatz, der mehr Bewegungsfreiheit im Echtzeitmarketing zulässt.
AOM- Checkliste
Angesichts der allgemeinen Diskrepanz zwischen der wahrgenommenen digitalen Marketingfähigkeit und der AOM-Realität lohnt es sich für jedes Unternehmen, darüber nachzudenken, inwieweit Investitionen in Marketingtechnologie so optimiert sind, dass sie den Always-On Kunden erreichen. Bei der Einschätzung des Status Quo hilft die Beantwortung der folgenden vier Fragen:
- Wie sicher sind Sie, dass Ihre erfassten Daten einen einheitlichen, kanalübergreifenden Einblick in die Markeninteraktionen und -erlebnisse jedes Kunden bieten?
- Wie beurteilen Sie Ihre Fähigkeit, erhobene Erkenntnisse über das Kundenverhalten in konkrete Maßnahmenpläne umzusetzen?
- Sind Ihre Technologielösungen und -kompetenzen verfügbar und ausreichend synchronisiert, um die individuellen Anforderungen des einzelnen Kunden unabhängig von Kanal oder Gerätetyp zu erfüllen?
- Liefern Sie in jedem Moment relevante, kundenorientierte Nutzererlebnisse – besser als die Konkurrenz?
AOM-Fähigkeit in Deutschland
Im Rahmen der Umfrage für die Studie Always-On Marketing heute ergaben sich für den deutschen Markt folgende Ergebnisse:
- 27% der befragten deutschen Unternehmen geben an, dass sie bereits sehr gut in der Lage sind, aus ihren digitalen Inhalten Verhaltensdaten ihrer Kunden auszulesen.
- Von diesen Unternehmen können 22% genau identifizieren, welche Kunden neu sind, mehr umsetzen, zurückgewonnen wurden und/oder gehalten werden konnten
- 33% von ihnen verfügen über die Prozesse, auf Basis dieser Daten hochwertigen Kunden gezielte Erlebnisse anzubieten.
- 21% geben an, dass sie tatsächlich aus allen digitalen Kanälen Verhaltensdaten auswerten können.
- Von ihnen können 31% jedoch nicht zwischen potenziellen Neukunden, sporadischen und treuen Kunden unterscheiden.
- Nur 18% der deutschen Unternehmen analysieren die digitalen Daten, um daraus Wissen über ihre Kunden abzuleiten.
- 21% sagen, dass sie das Kundenwissen für ihre Geschäftsentscheidungen nutzen.
Fazit
Es ist an der Zeit, die Lücke zwischen Wahrnehmung und Realität zu schließen. Die Integration der nötigen Technologien sowie der Steuerungs- und Führungsmethoden hilft, die AOM-Fähigkeit zu optimieren und heute die Wettbewerbsfähigkeit von morgen abzusichern. Um das in AOM versteckte Potential zu bergen, sollte man zusätzlich auf die kompetente Unterstützung von digitalen Profis setzen.

Autor
Als Chief Executive Officer ist Sascha Martini der führende Kopf von Razorfish Deutschland. Sein Credo: Veränderungen als Chance zum Fortschritt nutzen. Für seine Arbeit wurde Sascha Martini u. a. mit dem Red Dot Award sowie dem IF Design Award ausgezeichnet. Über seine Tätigkeit bei Razorfish hinaus engagiert er sich seit vielen Jahren im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW).