Individuell abgestimmtes Risikomanagement. Das Risiko von Zahlungsausfällen in den Griff bekommen

E-Commerce hat durch die Anonymität des Internets ein größeres Risiko von Zahlungsausfällen als andere Vertriebskanäle. Mit der Zahl der Transaktionen und dem Transaktionsvolumen wächst auch das Risiko des Händlers, Zahlungsausfälle durch zahlungsunfähige oder betrügerische Kunden zu erleiden. Die Risiken sind dabei allerdings nach Sparten unterschiedlich verteilt. Manche Payment-Dienstleister bieten deshalb neben einem zum Klientel passenden Zahlungsmix auch maßgeschneiderte Risikomanagementmaßnahmen.
Aus Internetsurfern Kunden zu machen ist das Ziel jeder Onlineshop-Gestaltung und Suchmaschinenoptimierung. Doch leider sind nicht alle, die man anzieht, auch gut fürs Geschäft. Von Zahlungsunfähigen über Zahlungsunwillige bis hin zu Kriminellen reichen die Kunden, die Schäden und Verluste verursachen. 6,67 Millionen Privatpersonen, umgerechnet etwa 9,7 Prozent der Bevölkerung über 18 Jahre, gelten laut Wirtschaftsauskunftei Bürgel in Deutschland als überschuldet. Kein Wunder also, dass die Lieferung auf Rechnung bei Onlinehändlern nicht sonderlich beliebt ist – so ist es wegen der Anonymität des Internets eher wahrscheinlich, auch an überschuldete Konsumenten zu geraten und Zahlungsausfälle zu riskieren.
Die andere große Gefahr des Zahlungsausfalls geht von Kreditkartenbetrügern aus. Hier ist das Risiko in manchen Sparten besonders ausgeprägt. Elektronik, Kfz-Teile oder Schmuck repräsentieren Warengruppen, bei denen Kreditkartenbetrüger gerne zuschlagen. Die Ursache: Diese Art von Waren lässt sich sehr schnell weiterverkaufen. Bevor der Onlinehändler auf den Betrug reagieren kann, ist die Ware weg. In dieser Situation an sein Geld oder seine Ware zu kommen ist schwierig und langwierig. Onlineanbieter dieser Art von Gütern tendieren dazu, lieber auf die Akzeptanz von Kreditkartenzahlung zu verzichten, als sich diesem Risiko auszusetzen.
Fatale Vermeidungsstrategie
Die naheliegende Reaktion scheint zu sein, einfach keine Zahlung auf Rechnung oder per Kreditkarte zu akzeptieren. Doch hierbei ist der Schaden größer als der Gewinn. Präziser ausgedrückt: Der entgangene Gewinn ist größer als der vermiedene Schaden. Es ist eine in vielen Studien erwiesene Tatsache, dass Kunden einen Onlineshop tendenziell öfter vor dem Kaufabschluss verlassen, wenn sie „ihre“ Zahlungsart nicht vorfinden. Technische Dienstleister für Online Payment sollten nicht nur die Abwicklung von Zahlungen übernehmen, sondern Händler auch fachkundig zum kundenbezogenen Mix aus Bezahlverfahren beraten. Wer die richtigen Bezahlarten zusätzlich anbietet, kann tatsächlich auch mehr Ertrag generieren. Zu den beliebtesten Zahlungsarten der Konsumenten gehören gerade die Kreditkartenzahlung und die Zahlung auf Rechnung (vgl. Online-Payment-Studie IZ 2013). Laut der Studie der ibi Research „Erfolgsfaktor Payment“ senkt das Angebot von Kreditkarten, wenn diese bisher noch nicht angeboten wurden, die Abbruchquote in Onlineshops um durchschnittlich 68 Prozent und die Einführung des Rechnungskaufs um 79 Prozent! Zahlungsarten aus Angst vor Missbrauch nicht anzubieten kann somit erhebliche Umsatzeinbußen und die Abwanderung liquider Kunden nach sich ziehen. Deshalb müssen Händler einen Weg finden, mit dem Risiko Zahlungsausfall leben zu können.
Erste Maßnahmen
Zum Risikomanagement für den Onlinehandel gehören eine Reihe Maßnahmen, die aufeinander abgestimmt werden sollten. Händler können ihre Zahlungsausfälle minimieren, indem automatisiert Prüfungen in den Checkout-Prozess eingebunden und je nach Ergebnis unterschiedliche Zahlungsarten angeboten werden. Eine naheliegende Maßnahme ist der Abgleich mit Kundendaten, die der Onlinehändler bereits hat. Anhand seiner Kundendaten (Name und Adresse), die der Kunde während des Bestellprozesses eingibt, wird dabei geprüft, ob es schon Verkäufe an den Kunden gab, die erfolgreich zugestellt werden konnten und auch vollständig bezahlt wurden. Umgekehrt kann der Händler eigene ‚Blacklist‘-Mechanismen realisieren. Kunden, bei denen noch Rechnungen offenstehen, werden dann beispielsweise nicht mehr auf Rechnung, sondern nur gegen Vorkasse beliefert. Ein weiterer Automatismus, den der Händler selbst einrichten kann, ist die Warenkorbprüfung. Warenkörbe mit bestimmten Produkten oder ab einem gewissen Wert können mit risikoärmeren Zahlungsarten verknüpft werden. All dies lässt sich mit „Bordmitteln“ vom Händler selbst realisieren, für weitergehende Maßnahmen ist dann professionelle Unterstützung erforderlich.
Automatische Bonitätsprüfung
Die Payment-Schnittstelle zum Service Provider kann für Risikomanagementmaßnahmen genutzt werden. Hier sind zunächst die Adress- und Bonitätsprüfungen zu nennen. Über die automatisierte Adressvalidierung, die Bonitätsprüfung und ein ergänzendes Scoring-Verfahren schafft der Dienstleister Transparenz über die Zahlungsfähigkeit des Kunden. Dies kann dann die Grundlage dafür sein, nur positiv eingestuften Kunden risikoreichere Zahlarten anzubieten. Quellen der Bonitätsdaten sind Banken, Telekommunikation, Inkasso, Energieversorger, Gerichte und der Versandhandel. Für die klassische Bonitätsprüfung werden Negativmerkmale verwendet – etwa gerichtliche Merkmale wie eine eidesstattliche Versicherung, ein amtlicher Mahnbescheid, ein laufendes Privatinsolvenzverfahren. Darüber hinaus werden Informationen von Partnern über Zahlungserfahrungen mit Kunden aus dem Distanzhandel sowie dem klassischen Handel berücksichtigt. Im Falle negativer Merkmale erhält der Händler eine entsprechende Warnung. Um auch bei Personen ohne diese eindeutigen Negativmerkmale „Risikokandidaten“ zu erkennen, kann ein Scoring durchgeführt werden. Beim Scoring kommen statistische Verfahren zum Einsatz, um anhand von Alter, Geschlecht, Wohnort und weiteren soziodemografischen und mikrogeografischen Daten die Zahlungsausfallwahrscheinlichkeit zu berechnen. Als Ergebnis erhält der Händler eine statistische Ausfallwahrscheinlichkeit und kann das Angebot der Bezahlarten darauf abstellen. Selbstverständlich sollte man solche Dienste mit Augenmaß einsetzen. Wegen einer Bestellung im Wert von 20 Euro braucht nicht derselbe Aufwand getrieben werden, als wenn es um einen Warenkorb im Wert von mehreren Hundert Euro geht.
Betrugsrisiko bei Kreditkarten minimieren
Damit Onlinehändler nicht auf potenzielles Geschäft mit kreditkartenaffinen Käuferschichten verzichten müssen, gibt es als zweite Säule der Risikomanagementdienstleistungen die Betrugsprävention. Nach Angaben entsprechender Anbieter konnten Betrugspräventionsprogramme den Kartenmissbrauch im E-Commerce in der Computer- und Softwarebranche bereits um knapp 80 Prozent senken. Händler, die aufgrund ihres Angebots besonders gefährdet sind, weil sie mit den erwähnten Waren wie Elektronik oder Kfz-Teilen handeln, sollten nach speziell abgestimmten Lösungen fragen. Gebündelte Dienstleistungspakete aus E-Payment und Risikominimierung sorgen dafür, dass sich Kreditkartenakzeptanz auch für Onlinehändler mit Sortiment im High-Risk-Bereich rechnet.
Fazit: Mit kalkulierbarem Risiko lassen sich Ertragschancen ausschöpfen
Durch die beschriebenen Maßnahmen steuert der Händler sein Angebot an Bezahlarten. Das Risiko des Betrugs bei der Kreditkartenzahlung wird deutlich verringert. Risikokandidaten wird keine Zahlung auf Rechnung mehr angeboten. Man wird zwar als Onlinehändler immer mit einem Restrisiko leben müssen, aber durch eigene Maßnahmen und abhängig vom Warenwert zugschaltete externe Dienstleistungen des Risikomanagements wird das Risiko kalkulierbar.
Autor

Markus Solmsdorff zeichnet seit März 2011 als Geschäftsführer bei der EXPERCASH GmbH, einer Tochter der DataCash Group Limited (UK), die zur MasterCard Gruppe gehört, verantwortlich für den Erfolg des Unternehmens. Als Prokurist für die Bereiche Business Development und Marketing bei der Postbank P.O.S. Transact, einer 100%igen Tochter der Postbank, sorgte Markus Solmsdorff in der Dekade zuvor erfolgreich für den Ausbau der Geschäftsfelder und die Ausweitung des Marktanteils des Unternehmens. Vorher forcierte der Diplom-Wirtschaftsingenieur mehrere Jahre den Aufbau des irischen Technologieunternehmens Trintech als Leiter der Abteilung Marketing und Kommunikation.