Gesamtkosten von Zahlungsverfahren – die Händlerperspektive

Die Auswahl des „richtigen“ Portfolios an Zahlungsverfahren sowie dessen anschließende Optimierung stellen für Onlinehändler immer wieder eine Herausforderung dar. Mittlerweile steht eine Vielzahl an unterschiedlichen Zahlungsverfahren zur Verfügung, die sich nicht nur in Bezug auf die Akzeptanz bei den Kunden, sondern auch hinsichtlich des Zahlungsausfallrisikos und der Kosten stark voneinander unterscheiden. Bei den Kosten müssen aber alle Kostenfaktoren Berücksichtigung finden, nicht nur die direkten Verfahrenskosten.
Vor allem die Kosten für die Zahlungsabwicklung im Onlinehandel sind ein wichtiges Auswahlkriterium für Zahlungsverfahren, das oftmals jedoch nur sehr „stiefmütterlich“ betrachtet wird. Grund für diese Vernachlässigung ist häufig die Komplexität bei der Errechnung der konkreten Kosten für einzelne Zahlungsverfahren. Welche Kosten kommen auf Onlinehändler bei den jeweiligen Verfahren überhaupt zu? Und was sind insgesamt gesehen – unter Einbeziehung der verschiedenen Kostenfaktoren – die günstigsten Zahlungsverfahren? Das sind Fragen, die es zu lösen gilt. Das herauszufinden, ist für Händler jedoch nicht ganz einfach. Bei der Auswahl von Bezahlverfahren achten Händler deswegen vor allem auf die relativ leicht ersichtlichen direkten Kosten, wie die Transaktionsgebühren, und zu wenig auf die Gesamtkosten, die bei der Anwendung des Verfahrens entstehen. Die indirekten Kosten von Bezahlverfahren, verursacht beispielsweise durch Zahlungsausfälle und Retourenabwicklung, haben jedoch auch unmittelbar Auswirkung auf den Ertrag.
Ziel einer kürzlich von ibi research an der Universität Regensburg durchgeführten Studie (www.ibi.de/zvkosten) war deswegen die Gegenüberstellung der Gesamtkosten einzelner Bezahlverfahren, die in Onlineshops zum Einsatz kommen. Gesamtkostenbetrachtung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass nicht nur die direkten, vermeintlich wahrgenommenen Kosten von Zahlungsverfahren (z. B. Transaktionskosten) Gegenstand der Untersuchung sind, sondern auch vor- und nachgelagerte indirekte Kosten (z. B. für manuelle Nachbearbeitung oder für Zahlungsausfälle). Im Fokus stehen dabei vielfältige Kostenaspekte im Bereich der einzelnen Zahlungsverfahren. Im Rahmen der Untersuchung wurde zunächst ein Referenz-Bestellprozess betrachtet, auf dessen Grundlage einzelne Gesamtkostenbestandteile (Kostenfaktoren) der Zahlungsverfahren identifiziert und definiert sowie durch Expertengespräche validiert wurden. Die Werte der Studie beruhen auf im Rahmen einer Onlinebefragung direkt von Shopbetreibern erhobenen Daten sowie in vereinzelten Fällen auf Expertenschätzungen. Ein zentrales Ergebnis ist, dass die subjektive Wahrnehmung der Händler über die Höhe der Kosten und die Ergebnisse der Gesamtkostenbetrachtung sich teilweise deutlich unterscheiden (vgl. Abbildung 1).
Der Vergleich der Einschätzung der Händler (Spalte 1) mit den direkten Kosten (Spalte 2) zeigt ein recht ähnliches Ergebnis. Vorkasse per Überweisung, Lastschrift und SOFORT Überweisung bilden die drei günstigsten Methoden. Daraus kann gefolgert werden, dass sich Onlinehändler bei der Kosteneinschätzung tendenziell nur auf die direkten Kosten stützen. Die Reihung auf Basis der Gesamtkosten, die zusätzlich auch indirekte Kostenfaktoren berücksichtigt, zeigt hingegen ein teilweise anderes Bild, was wiederum die Bedeutung einer Gesamtkostenbetrachtung unterstreicht.
Am auffälligsten ist die Fehleinschätzung der Kosten für Rechnungszahlungen, die in der Gesamtkostenübersicht das Schlusslicht bilden. Hingegen ist die abgesicherte Lastschrift auf Platz 3 deutlich günstiger als von den Händlern erwartet.
Um eine konkrete Betrachtung der einzelnen Kostenbestandteile der verschiedenen Zahlungsverfahren zu ermöglichen, wurden die verschiedenen Kostenbestandteile anhand eines Fallbeispiels berechnet. Die Rahmendaten wurden dabei auf Basis der in der Befragung erhoben Daten ermittelt und durch Experteneinschätzungen ergänzt.
Der Durchschnittshändler in der Studie verzeichnet 2.979 Bestellungen pro Monat, bei einem Warenkorb von 100,60 Euro und einer Retourenquote von 7 Prozent. Er führt interne und externe Risikoprüfungen sowie Mahn- und Inkassoverfahren durch. Unter Einbeziehung dieser Parameter ergibt sich der sogenannte Basisfall: Auf Platz eins der Zahlverfahren landet dabei die SOFORT Überweisung mit Gesamtkosten von 1,88 Euro pro Transaktion, gefolgt von der Vorkasse und Lastschrift (abgesichert) mit jeweils 3,54 Euro pro Transaktion. Die deutlich teuerste Zahlart ist dabei der Kauf auf (offene) Rechnung mit 8,36 Euro pro Transaktion (vgl. Abbildung 2).
Die Kosten sind angegeben in Euro bezogen auf die Höhe des durchschnittlichen Warenkorbs des Basisfalls (100,60 Euro).
(1) Die Kosten für interne Risikoprüfungen wurden nach Expertengesprächen zur Komplexitätsreduktion für alle Verfahren mit den gleichen Kosten angesetzt.
(2) Bei den Kosten für die externe Risikoprüfung wurde auf Werte aus einer separaten Expertenschätzung zurückgegriffen.
(3) Der Retourenkorrekturfaktor stellt einen wertmäßigen Aufschlag auf die Zahlungsverfahren dar, die nicht die geringste Retourenwahrscheinlichkeit im vorliegenden Betrachtungsfall aufweisen. Für den Basisfall ist dies die Lastschrift.
Vergleicht man diese Auswertung mit der Kosteneinschätzung der Händler, zeigen sich doch deutliche Abweichungen. Offenbar werden Folgekosten von Bezahlverfahren von Onlinehändlern nur wenig beachtet. In der Konsequenz kann dies zu unnötig erhöhten hohen Kosten führen, denn die indirekten Kosten sind nicht zu unterschätzen und können die Gesamtkosten zum Teil massiv erhöhen – durchaus um das Mehrfache ihrer direkten Kosten, zum Teil fast im Verhältnis 1 zu 4.
Dieses Ergebnis zeigt, wie wichtig es für Shopbetreiber ist, sich über den richtigen Zahlungswegemix Gedanken zu machen. Unter den vorliegenden Rahmendaten belaufen sich die durch Zahlungsstörungen und Zahlungsausfälle entstehenden Kosten auf fast 6.000 Euro pro Monat. Unterstellt man, dass sich der Gesamtumsatz des Panels auf den deutschen E-Commerce-Markt anhand des Umsatzverhältnisses zu den aktuellen Gesamtmarktzahlen des bevh hochrechnen lässt, so ergeben sich Gesamtkosten rein rechnerisch für den deutschen E-Commerce-Markt von 961 Mio. Euro pro Jahr, die ausschließlich aus Zahlungsstörungen und Zahlungsausfällen resultieren.
Die ausschließliche Betrachtung eines durchschnittlichen Händlers, wie sie im beschriebenen Basisfall unterstellt ist, reicht in vielen praktischen Fällen allerdings nicht aus, weil die kostentreibenden Parameter unter Umständen ganz andere Werte annehmen. Beispielsweise fallen die Kosten der Zahlungsabwicklung je nach Höhe des Warenkorbs sehr unterschiedlich aus oder spielt die Retourenquote eine wichtige Rolle.
Aus diesem Grund hat ibi research eine vertiefte Auswertung der Studie durchgeführt und dabei zusätzlich für drei verschiedene Händlertypen untersucht, ob und wie sich die Gesamtkosten der Zahlungsverfahren jeweils ändern.
Szenario 1: Großer Onlinehändler der Bekleidungsbranche
Im Vergleich zum Basisfall hat dieser Händler mit 20.000 deutlich mehr monatliche Bestellungen. Der Warenkorb ist in diesem Fall mit 150 Euro auch etwas höher. Allerdings müssen Händler der Bekleidungsbranche mit einer deutlich höheren Zahl an Rücksendungen und somit mit einer Retourenquote von 35% rechnen. Ebenso wie beim Basisfall werden sowohl intern als auch extern Risikoprüfungen und auch Mahn- und Inkassoverfahren durchgeführt. Bei der Betrachtung der Zahlungsausfälle wird miteinbezogen, dass der Händler eine Margenspanne von 200% hat und somit Rücksendungen weniger ins Gewicht fallen wie für Händler mit geringerer Handelsspanne.
Szenario 2: Kleiner Onlineshop für Geschenkartikel
Dieser Händler, der Geschenkartikel verkauft, hat im Durchschnitt einen geringeren Warenkorb (50 Euro). Lediglich drei Prozent der 500 Bestellungen je Monat werden zurückgeschickt. Da von diesem betrachteten Händler weder Risikoprüfung noch Mahn- oder Inkassoverfahren durchgeführt werden, ist die unterstellte fünfzigprozentige Steigerung der Zahlungsausfälle nicht sonderlich überraschend.
Szenario 3: Händler von hochwertiger Unterhaltungselektronik
Der dritte Händler bietet hochwertige Unterhaltungselektronik an. Er hat daher einen deutlich höheren durchschnittlichen Warenkorb (1.600 Euro) als in den anderen untersuchten Fällen, bei 500 monatlichen Bestellungen. Die Retourenquote liegt bei 2%, allerdings ist die Handelsspanne mit 15% geringer als in den restlichen Szenarien.
Gegenüberstellung der Szenarien
Die Höhe der Kosten der Zahlung hängt vom Bestellwert des Warenkorbs ab. Für den Vergleich der einzelnen Fälle bietet es sich daher an, die Gesamtkosten nicht in absoluter Höhe, sondern relativ in Prozent des durchschnittlichen Warenkorbs zu betrachten. Dabei lässt sich feststellen, dass dem Händler im dritten Szenario deutlich geringere Kosten im Verhältnis zu seinem Warenkorb entstehen. Dies lässt sich zu einem großen Teil auf den deutlich höheren Warenkorb und die geringeren Retourenquoten zurückführen. Dass Versendungen mit kleinerem Bestellwert einen größeren und bei Bestellungen mit höheren Bestellwerten einen geringeren Anteil der Gesamtkosten ausmachen, ist auch in den anderen beiden Szenarien zu beobachten.
Im Basisfall ist eine Absicherung unsicherer Zahlungsverfahren durch einen Dienstleister sowohl beim Rechnungskauf als auch bei der Lastschrift vorteilhaft. Dieses Ergebnis lässt sich bei Betrachtung der Szenarien nicht für alle Fälle bestätigen. Händler sollten hier im Einzelfall jeweils genau prüfen, ob die höheren direkten Kosten der Absicherung durch indirekte Faktoren kompensiert werden oder nicht.
Die Reihenfolge der Zahlungsverfahren nach Gesamtkosten unterscheidet sich für die unterschiedlichen Händlertypen. Sie muss daher individuell bestimmt werden. Die SOFORT Überweisung schneidet in drei von vier Fällen als das preiswerteste Zahlungsverfahren ab. Die Vorkasse per Überweisung ist in Szenario 3 auf Platz 1, in Szenario 2 hingegen nur auf Platz 3. Die Zahlung auf Rechnung ist tendenziell in allen Fällen eine der teuersten Methoden. In Szenario 3 stellte sich mit lediglich 1,31% die Nachnahme als Zahlungsmethode mit sehr geringen direkten Kosten dar. Hingegen ist die Nachnahme im Basisfall (Rang 7) und in Szenario 2 (Rang 8) eines der teuersten Verfahren.
Die Kosten sind angegeben in Prozent auf die Höhe des durchschnittlichen Warenkorbs je Szenario.
Die eingeklammerte Zahl gibt je Szenario die Reihung der Zahlungsverfahren in Bezug auf die Gesamtkosten an.
Zusammenfassung
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Kosten der eingesetzten Zahlungsverfahren einen wichtigen Erfolgsfaktor für Onlineshops darstellen. So beurteilen die befragten Händler sogar geringe Kosten als wichtigste Anforderung beim Einsatz eines Zahlungsverfahrens.Dabei haben Händler häufig nur die direkten Kosten im Auge. Sie unterschätzen tendenziell die teilweise bedeutsamen Kosten von Zahlungsverfahren, die durch indirekte Kostenfaktoren ausgelöst werden. Es zeigte sich, dass die gesamten Kosten zum Teil ein Vielfaches der direkten Kosten betragen können.
Die Kosteneffizienz der Zahlungsabwicklung wird in den nächsten Jahren auch im Onlinehandel an Bedeutung gewinnen. Shopbetreiber haben an dieser Stelle Potenziale, mehr Marge vom Umsatz für sich zu vereinnahmen. Händler sollten daher versuchen, den Anteil von Zahlungsverfahren mit geringeren Gesamtkosten zu erhöhen. Das könnte beispielsweise über die Gewährung von Anreizen gelingen, die Kunden zur Wahl bestimmter, kostengünstiger Zahlungsverfahren bewegen sollen. Dies könnten Rabatte oder Versandkostennachlässe sein.
Zu beachten ist dabei jedoch, dass die Kosten eines Zahlungsverfahrens nicht der einzige Aspekt bei der Auswahl und dem Angebot von Zahlungsverfahren sind. Auf gar keinen Fall darf man z. B. die Kundenakzeptanz oder die Abbruchquoten eines Zahlungsverfahrens außer Acht lassen.
Insbesondere zwei Arten von Verfahren weisen geringe indirekte Kosten auf: Zum einen sind das Direktüberweisungsverfahren wie die SOFORT Überweisung, zum anderen abgesicherte Rechnungs- bzw. Lastschriftkäufe, bei denen der Dienstleister die Bezahlung garantiert. Wie sich in der Studie zeigt, lohnt sich häufig eine solche Absicherung trotz der höheren direkten Kosten.
Im Einzelfall können die Gesamtkosten allerdings differieren, teils in beträchtlichem Ausmaß. Die vertiefte Auswertung der Studie macht deutlich, dass die Höhe der Kosten wie auch die Reihenfolge der Zahlungsverfahren von der Ausprägung der einzelnen Kostenfaktoren abhängen und von Händlern auf der Grundlage ihrer individuellen Situation beurteilt werden müssen. Für vier unseres Erachtens „typische“ Fälle wurden solche Berechnungen durchgeführt.
Auch in Zukunft ist es für Händler sehr sinnvoll, genau ihre Kosten zu überwachen, denn z. B. aufgrund von angestrebten Regulierungsmaßnahmen – etwa auf dem Kreditkartenmarkt – könnten sich die Kosten einzelner Verfahren durchaus stärker ändern.
Autoren

Holger Seidenschwarz / Dr. Georg Wittmann / Dr. Ernst Stahl
Holger Seidenschwarz ist Senior Consultant, Dr. Georg Wittmann ist Research Director und Dr. Ernst Stahl ist Director bei der ibi research an der Universität Regensburg GmbH. Das Beratungs- und Forschungsinstitut ibi research betreibt anwendungsorientierte Forschung und Beratung mit Schwerpunkt auf Innovationen rund um Finanzdienstleistungen und den Handel. Zugleich bietet ibi research umfassende Beratungsleistungen zur Umsetzung der Forschungs- und Projektergebnisse an und ist Initiator und Herausgeber des E-Commerce-Leitfadens (www.ecommerce-leitfaden.de).
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