Die Zukunft des Newsletters: Verhaltensbasiertes E-Mail Marketing

Kaum ein Unternehmen kommt heute ohne E-Mail-Marketing aus. Die meisten Unternehmen versenden zumindest Newsletter an ihre Kunden. Meist jedoch müssen die Marketingverantwortlichen mutmaßen, was die Zielgruppe möchte. Auf dieser Basis wird dann die vertriebsgetriebene Marketingkommunikation in ein „One fits all“- Newsletter Marketing verpackt. Im allgemeinen Kampf um Aufmerksamkeit hat diese klassische Massenkommunikation jedoch massiv an Schlagkraft eingebüßt. Sinkende Conversion-Raten beim klassischen Newsletter belegen dabei die zunehmende Ablehnung der Kunden gegen das Marketing mit der Gießkanne. Der informationell emanzipierte Konsument erwartet Inhalte, die an seinen persönlichen Interessen ausgerichtet sind. Keine Relevanz -> keine Aufmerksamkeit -> kein Engagement lautet die einfache Formel.
Die E-Mail ist zu preiswert
Womöglich gerade weil die E-Mail mit konkurrenzlos niedrigen Produktions- und Versandkosten lockt, wird ihren Inhalten zu wenig Beachtung geschenkt. Zudem treffen zwei grundsätzlich verschiedene Sichtweisen aufeinander. Zum einen die Sicht des Kunden: In einer Studie von Forsa aus 2012/2013 gaben fast 60 Prozent der Befragten an, dass sie zu viele Informationen erhalten. Die große Mehrheit empfindet die Inhalte als nicht relevant. Die Folge: Ebenfalls fast 60% der Befragten überfliegen Angebote nur. 20% löschen Inhalte gar sofort. Die Kunden wünschen sich also Inhalte, die auf ihre Interessen zugeschnitten sind.
Auf der anderen Seite die Sicht des Anbieters: Viele Unternehmen sind noch in der Kampagnen-Mentalität verankert und versenden die Inhalte, die für sie selbst relevant sind - nicht zwangsläufig tut es ihnen der Kunde gleich. So werden zum Beispiel Produkte beworben, die der Einkauf herausstellen möchte – etwa weil umfangreiche Vorräte existieren oder besondere Preise angeboten werden können. Nur 17% der Unternehmen passen Inhalte und Angebote überhaupt irgendwie für einzelne Kunden an. Nicht einmal 20% davon nutzt das Verhalten der Kunden oder vorliegende Daten, um eigene Inhalte zu entwickeln. Stattdessen werden alle Kunden mit beinahe identischen Inhalten versorgt. Daraus folgt das oben beschriebene Problem: Ein Großteil der Inhalte ist nicht relevant für den einzelnen Kunden und wird nicht gelesen bzw. gelöscht.
Viele Daten – viele Möglichkeiten
Jeder Onlineanbieter sammelt umfangreiche Daten über seine Kunden. Mit deren Hilfe können grundsätzlich bereits Kunden segmentiert werden, wodurch das beschriebene Problem bereits erheblich verkleinert werden kann. Es kann zum Beispiel im einfachen Fall nach Alter, Geschlecht und Wohnort oder erweitert nach Produktpräferenzen, Loyalität, Verkaufshistorie etc. segmentiert werden – diesen Kundengruppen können jeweils individuelle Inhalte angeboten werden.
Wer nämlich auf kundenorientiertes E-Mail Marketing setzt, trifft durch die logischerweise daraus folgende Personalisierung der Inhalte den Nerv des Kunden deutlich besser, denn je nach Stadium im sog. “Kundenlebenszyklus” entstehen individuelle Bedürfnisse und Präferenzen bei den Kunden. Erstkäufer haben ganz andere Schwerpunkte als Stammkunden. Und Kunden, bei denen ein Verlust droht, müssen ebenfalls besonders adressiert werden.
Während die Zahl der Datenquellen und damit auch die Möglichkeiten einer Segmentierung der Zielgruppe ständig zunehmen, wird diese Entwicklung jedoch kaum auf den Newsletter-Verteiler transportiert. Das Problem dabei ist meist folgendes: Die Daten (Kundenstammdaten, Bestellungen, Retouren etc.) befinden sich in unterschiedlichen Quellen. Die verwendeten E-Mail-Marketing Systeme setzen dagegen meist auf Listen – sollen diese aus unterschiedlichen Datenquellen erstellt werden, sind umfangreiche und kostspielige Integrationen notwendig.
Nun könnten diese Listen aus Selektionen erstellt und dann in die E-Mail-Marketing Systeme importiert werden. Im Regelfall ist das Erstellen solcher Selektionen aus verschiedenen Quellen jedoch ein IT-Projekt. IT-Ressourcen sind aber knapp. Jedes neue Kriterium, das in eine Selektion einfließen soll, verursacht wieder laufenden IT-Aufwand. So steht ein solches Vorhaben meist hinter anderen mutmaßlich dringenderen Arbeiten zurück. Kein Wunder, dass sich das Marketing dann irgendwie behelfen muss, um wenigstens rudimentäre Segmentierungen durchzuführen. Die daraus resultierenden Daten werden über standardisierte Formate (zum Beispiel CSV) in vorhandene E-Mail Systeme importiert und es wird versucht, zumindest diese Kundengruppen individuell zu adressieren. Jedoch ist hier ein umfangreicher manueller Aufwand notwendig und die Kundensegmente sind aufgrund generischer Selektionen meist noch viel zu groß.
Vision: Segmentgröße = 1
Sehr gezielt und relevant könnte man kommunizieren, wenn das Segment auf einen einzelnen Kunden verkleinert werden könnte. Diesen Schritt kann man verständlicherweise über manuelle Verfahren nicht gehen.
Wie können diese 1-Kunden-Segmente nun erreicht werden? Zunächst muss der Status eines Kunden in seinem "Lebenszyklus" betrachtet werden – der sogenannte Customer Lifetime Value (CLV). Der Customer-Lifetime-Value kann generell als durchschnittlicher Wert verstanden werden, den ein Käufer während seines gesamten „Kundenlebens" für ein Unternehmen hat und voraussichtlich auch zukünftig haben wird. Dieser Wert lässt sich über verschiedene Verfahren berechnen. Je genauer man den Wert eines Kunden kennt, desto gezielter kann man versuchen, sein Engagement zu vergrößern oder zu erhalten. Die Kenntnis dieser Daten erlaubt es somit, die Aufmerksamkeit gezielt auf interessante Kundengruppen zu lenken und erleichtert die Freigabe der entsprechenden Budgets. Simples Beispiel: Einen Kunden mit hohem CLV kann man ruhigen Gewissens höherwertig incentivieren (über Gutscheine, Boni, Stati, etc.) als einen Kunden mit geringem CLV. Auf der anderen Seite versucht man, sich inhaltlich an die aktuellen Interessen des Kunden über Algorithmen zu nähern. Dabei werden Daten aufgrund von Wahrscheinlichkeiten ausgewertet und daraus Prognosen abgeleitet. Je besser diese Algorithmen arbeiten, desto zielgenauer die Angebote. Das funktioniert jedoch nicht in allen Bereichen. Insbesondere Vollsortimenter, bei denen Produkte aus verschiedenen Produktgruppen bestellt werden, haben hier ein Problem. Sichtbar wird dieses selbst bei Branchengrößen wie Amazon, bei denen sich Bestellungen von Fachbüchern mit privaten Elektronikartikeln und schließlich Geschenken für das Patenkind mischen. Hieraus Muster abzuleiten bedarf schon aufwändiger Datenanalysen. Bei Online-Anbietern mit spitzerem Sortiment ist diese Aufgabe etwas leichter zu bewältigen.
Die aufwändige Lösung ist also die Berechnung des CLV und die Prognose der Interessen auf Basis von Algorithmen.
Verhaltensbasiertes E-Mail Marketing
Damit aus dem ursprünglichen Ziel, den Kunden relevante Inhalte zu bieten, sie je nach Status in ihrem Kundenlebenszyklus gezielt zu adressieren, mehr zu engagieren und zu binden nicht direkt das nächste riesige IT-Projekt wird, bietet sich der Einstieg über ein regelbasiertes E-Mail-Marketing an. Dabei definieren Regelketten, bei welchem Kundenverhalten welche E-Mails versendet werden. Auslöser ("Trigger") für solche Kampagnen sind also bestimmte Verhaltensweisen des Kunden. Beispiele für solche Trigger sind das Eintragen in eine E-Mail-Liste, der Kauf eines Produkts, das Durchführen einer Suche, ein Kaufabbruch oder eine längere Abwesenheit. Um diese Trigger zu erfassen, werden Systeme eingesetzt, die über leistungsfähige Schnittstellen Daten aus allen möglichen Quellen sammeln. Dazu müssen in der Regel lediglich einfache Code-Sniplets in die Systeme integriert oder simple Aufrufe ausgeführt werden. Die Regelketten legen anschließend fest, wie auf welchen Triggern reagiert werden soll.
Beispiele für verhaltensbasierte Kampagnen sind:
- Willkommensstrecken, ggf. mehrstufig
Eine zeitlich und inhaltlich gestaffelte E-Mail-Strecke nach der Registrierung unterstützt den anschließenden Sales-Prozess. Eine solche Aktivierungs-Kampagne richtet sich stets nach dem Verhalten des Kunden auf die jeweilige E-Mail. - Warenkorbabbruch Mails
Es gibt unterschiedliche Gründe für einen Kaufabbruch. Im Rahmen einer Kaufabbruch-Kampagne können zwischen 20% und 40% der Kunden wieder in den Shop zurückgeholt werden. Dazu wird der noch offene Warenkorb Shop-seitig gespeichert und dem Kunden eine ggf. mehrstufige Erinnerungs-Strecke – optional mit Gutschein – gesendet. - Browse Retargeting
Wenn ein Kunde aus einem Newsletter heraus bestimmt Unterseiten anklickt, dann aber keinen Kauf tätigt, können diese Daten für nachgelagerte E-Mails mit gezielten Angeboten verwendet werden. - Umfragen
Über Umfragen kann das Wissen über den Kunden massiv erhöht werden. Eine solche E-Mail-Kampagne bietet sich insbesondere nach dem Erstkauf, bei längeren Abwesenheiten oder bei ungewöhnlichen Ereignissen an (zum Beispiel zahlreiche Retouren o.ä.). - Transaktions E-Mails
Transaktionsmails genießen in der Regel eine hohe Aufmerksamkeit – hier prüft der Kunde, ob seine Bestellung korrekt verarbeitet wurde. Somit bieten sich hier besondere Gelegenheiten für einen 1:1 Dialog mit dem Kunden, zum Beispiel in Form einer Aufforderung zur Shop-Bewertung. - Reaktivierung
Ungewöhnlich lange Abwesenheiten sind ein Warnsignal dafür, dass der Kunde verloren gehen oder gegangen sein könnte. Hier spielt die sogenannte "Interpurchase time" eine Rolle – also der durchschnittliche Zeitabstand zwischen den Käufen aus der Vergangenheit. Mit gezielten Angeboten oder Gutscheinen kann ein signifikanter Anteil jedoch häufig wieder reaktiviert werden.
Über verhaltensbasierte E-Mail Kampagnen lassen sich schnell Kundensegmente bilden und Inhalte personalisiert und vor allem automatisiert versenden. Die Trigger können dabei über die Website ("Onsite-Trigger") oder auch über nachgelagerte Systeme ausgelöst werden ("Offsite-Trigger"). Der Aufwand einer solchen Integration ist in der Regel sehr überschaubar und lässt sich mit der Integration eines Analytics Tools (wie zum Beispiel Google Analytics) vergleichen. Mit dem Unterschied, dass solche Systeme im Ergebnis eben nicht nur Daten zeigen, sondern direkt passend und automatisiert reagieren. Verfeinert werden können triggered E-Mails dann durch die bereits erwähnten Algorithmen: Somit werden statische "wenn-dann-Regeln" durch dynamische intelligente Regeln ergänzt. Die durch ein Verhalten ausgelöste E-Mail wird mit Inhalten bestückt, die algorithmisch ermittelt wurden. Die E-Mail wird zu einer Zeit versendet, zu der der Empfänger wahrscheinlich am PC sitzt, also nicht unterwegs und damit kaufaffiner ist. Das jeweilige Verhalten des Empfängers auf eine solche E-Mail fließt in die Optimierung der nächsten E-Mail ein usw. Offensichtlich ist, dass zum Versenden einer E-Mail die E-Mail Adresse und das Einverständnis des Kunden vorliegen müssen. Schwerpunkt ist also die Kommunikation mit Bestandskunden. Auch wenn eine Kaufabbruch-Kampagne aus technischer Sicht an jeden beliebigen Empfänger versendet werden kann, der seine E-Mail zumindest einmal eingegeben hat (ohne das Formular oder die Bestellung versendet haben zu müssen), ist davon nicht nur aus rechtlicher Sicht abzuraten. Hier können zunächst Retargeting Maßnahmen greifen, die dann auch wiederum intelligent mit dem E-Mail-Marketing verzahnt werden können. Im Idealfall greift die gesamte Kette ineinander. Zudem liegt gerade im Bereich der Kommunikation mit Bestandskunden ein extrem hohes und vielfach ungenutztes Umsatzpotential, das nicht verschenkt werden sollten. Nach einer aktuellen Studie von Adobe-Systems macht ein Stammkunde soviel Umsatz wie 9 Neukunden. Es ist also höchste Zeit, sich neben der meist sehr teuren Neukundengewinnung gebührend um die bereits gewonnenen Kunden zu kümmern. Um sie mit den richtigen Inhalten zur richtigen Zeit zu versorgen, bildet das verhaltensbasierte E-Mail-Marketing eine ideale Lösung, vor allem deshalb weil es – einmal eingerichtet – vollautomatisch abläuft und ohne IT-Ressource erweitert und angepasst werden kann. Die jeweiligen Regeln zu den Triggern lassen sich ohne besondere Kenntnisse einfach definieren, A/B-testen, optimieren etc.
Fazit
Verhaltensbasierte E-Mail Kampagnen versprechen eine sehr hohe Conversion. Sie automatisiert zu individualisieren ist eine der wesentlichen Herausforderungen. Es gilt dabei auch, Trigger aus verschiedenen Datenquellen zentral auszuwerten. Über Regeln lassen sich die Analyse und der Versand automatisieren.
Autor

Andreas Altenburg hat BWL und Rechtswissenschaften in Essen und München studiert und war zunächst viele Jahre im klassischen Marketing tätig, bevor er in den Online-Bereich wechselte. Er hat u.a. die Kunden Hubert Burda Media, Lufthansa, Miles & More, Neckermann und SIXT im Bereich E-Commerce betreut. 2012 gründete er die KRYD GmbH in München. KRYD (http://www.kryd.com) ist eine SaaS-Lösung, die je nach dem Besuch-, Klick- und Kauf-Verhalten der Kunden automatisch mit maßgeschneiderten E-Mails in Echtzeit reagiert - zum Beispiel auf Kaufabbrüche, Registrierungen, Erstbestellungen, Retouren etc. Die Empfänger erhalten relevanten Content, der Versender profitiert mit deutlich höheren Conversion-Raten.