Die Rolle der HMI für die Industrie 4.0?
Achim Schreck, GTI-control
Höhere Flexibilität und die Aufnahme zusätzlicher Prozesse bei Maschinen haben zu einer gestiegenen Bedeutung des Human-Machine-Interface (HMI) geführt. Durch benutzerfreundliche Oberflächen soll die Komplexität für den Benutzer reduziert werden. Im Zusammenhang mit Industrie 4.0 kann das HMI als IT-Zentrale der Maschine aber erheblich mehr Aufgaben übernehmen und damit zur verbesserten Integration der Maschine in die Prozesse des Kunden beitragen. Die Maschine wird damit “Industrie 4.0-ready“ und bringt dem Betreiber einen erheblichen Mehrwert.
Mit der Initiative Industrie 4.0 hat die Bundesregierung etwas angestoßen, das Deutschland zum führenden Hersteller und Anwender von intelligenten technischen Systemen machen soll. Damit soll langfristig die Position Deutschlands gefestigt und der Wohlstand gesichert werden.
Wie soll das erreicht werden? Bestehende Systeme, angereichert durch neue mechatronische Geräte, intensive Nutzung von Internettechnologien und Abbildung von Geschäftsprozessen in einer Software, sollen zu einer höheren Produktivität führen.
Die Aufgabe liegt in Folge weniger darin, neue Fertigungsmethoden zu entwickeln, sondern bestehende Methoden stärker zu automatisieren und in die Fertigungsumgebung zu integrieren. Grundsätzlich hatte bereits das in den 70iger Jahren entwickelte Computer-Integrated Manufacturing (CIM) das gleiche Ziel, erlangte aber nie die Durchdringung des Marktes. Der Grund hierfür lag in den damals verfügbaren Technologien und den extremen Aufwendungen für die durchgängige vertikale und horizontale Integration aller Systeme. Diese Herausforderung konnte bis dato nur durch wenige Unternehmen gestemmt werden (z. B. die Automobilindustrie).
Welche Bedeutung hat das Internet gewonnen?
Etwa ein Drittel der Weltbevölkerung hat einen Zugang zum Internet, in Deutschland sind es laut Bitkom 75%. E-Mail, Informationsbeschaffung per Web und Social Media bestimmen für viele von uns den Alltag und sind nicht mehr wegzudenken. Wir können dadurch quasi in Echtzeit und von den meisten Orten der Erde aus untereinander kommunizieren und Einfluss auf technische Systeme nehmen. In der Ausgabe 03/2014 zeigt die Zeitschrift Wirtschaftswoche unter dem provokanten Aufmacher ‚Dieser Typ greift nach Ihrem Geschäft‘ auf, wie das Internet alle Branchen beeinflusst – darunter auch solche Bereiche wie die Produktion, die bislang kaum Berührungspunkte mit dem Internet hatten.
Über das Internet haben wir gelernt: Auf Basis einheitlicher Normen (World Wide Web Consortium, W3C.org) können die Lösungen unterschiedlichster Anbieter mühelos zu sehr leistungsfähigen und individuellen Lösungen per Plug & Play ‚zusammengestellt‘ werden. Es ist nicht mehr notwendig, alle Komponenten von einem Anbieter zu beziehen, um funktionierende Gesamtsysteme zu bekommen. Millionen Apps unterschiedlichster Anbieter können als Bereicherung standardisierter Plattformen genutzt werden, um ein auf die eigenen Wünsche abgerichtetes Portfolio von Softwarefunktionen zu bekommen, um viele ‚Geschäftsprozesse‘ (Navigation, Wettervorhersage, Tagebuch, Bilder-/Dokumentenverwaltung u.v.m.) abzudecken.
Die Bedeutung von Mobile Computing und der Cloud
Mit dem Siegeszug der Smartphones – ausgelöst durch die Einführung des iPhones im Jahre 2007 – wurde der Grundstein für eine Wende im Bereich des Personal Computings gelegt. Die steigende Leistungsfähigkeit und der geringe Preis von Smartphones und Tablets führen zur Ablösung des PCs als Standardgerät für die Nutzung des Internets und vieler Softwarelösungen. “We are seeing the PC
market reduction directly tied to the shrinking installed base of PCs, as inexpensive tablets displace the low-end machines used primarily for consumption in mature and developed markets,” so Mikako Kitagawa, Chefberater bei Gartner.
Die breite Verfügbarkeit schneller Internetanbindungen machte die Nutzung von Software aus der Cloud attraktiv und bewirkt zusammen mit Smartphones oder Tablets eine Neuverteilung von Softwareplattformen weg von Microsoft. Zukunftsorientierte Softwarelösungen müssen daher plattformneutral auf Webtechnologien aufsetzen, um so nicht nur den klassischen PC, sondern auch die viel höhere Anzahl an Mobilgeräten einbinden zu können. Über die Einbeziehung mobiler Systeme lassen sich sehr viel mehr Geschäftsprozesse per Software unterstützen, zudem erschließen sich neue Möglichkeiten über die Nutzung von Zusatzdiensten wie der Standortbestimmung des Nutzers. Nach einer Studie von Citrix haben sich bereits 88% der deutschen Unternehmensverantwortlichen Gedanken darüber gemacht, wie sie ihren Mitarbeitern mobile Anwendungen zur Verfügung stellen können. Prof. Reinhart prognostiziert: „Damit der Mensch mit der Produktionssteuerung oder der Maschine interagieren kann, muss die mobile Assistenz zunehmen“.
Eine neue Sicht auf die Maschine
Die Mehrzahl der aktuellen Benutzeroberflächen für eine Maschine sind von Usability-Laien gemacht, weil der Automatisierungstechniker, der die Steuerung programmiert, diese Arbeit ‚nebenbei‘ miterledigen muss. Dadurch entsteht meist ein Human-Machine-Interface (HMI), bei dem die elektromechanischen Funktionen der Maschine mit den zugehörigen Parametern im Vordergrund stehen und nicht die Aufgaben der mit der Maschine in Verbindung stehenden Personenkreise. Der Maschinenhersteller sieht heute seine Maschine als besseres Werkzeug und nicht als Teil der Produktionsumgebung des Kunden. Dies geht oft einher mit der in Maschinenbauunternehmen noch viel zu gering gesehenen Rolle der Software, wodurch enorme Potenziale ungenutzt bleiben. Mit Industrie 4.0 muss und wird sich das massiv ändern, und jedes Maschinenbauunternehmen braucht eine offensive Strategie, um diese Herausforderung zu meistern. Bereits heute dominiert bei vielen Maschinen der Automationsanteil gegenüber der Mechanik, und bei den Entwicklungskosten für neue Produkte erreicht der Softwareanteil die 50%-Marke.