Cross-Channel: Wie sich Onlineshops wirklich rechnen

Gerade Cross-Channel Händler tun sich oft schwer, den Wert ihres Onlineshops zu bestimmen. Wer nur Kosten und Umsatz in Relation bringt, denkt allerdings zu kurz, denn diese Rechnung geht in den wenigsten Fällen auf. Eine umfassendere Betrachtungsweise ist gefragt, um bei der Bezifferung des effektiven Unternehmenswertes des Onlineshops reale Werte zu erhalten.
„Unser Onlineshop ist wie eine unserer Filialen“ – diese Äußerung ist bei Cross-Channel Händlern oft zu hören. Doch diese Interpretation greift zu kurz, vor allem, wenn man die Wirtschaftlichkeit des Onlineshops ganzheitlich betrachten will. Der Onlineshop funktioniert nicht nur konzeptionell nach anderen Metriken, sondern auch prozessual und organisatorisch. Wer ihn als Filiale bezeichnet, sagt auch, dass seine Organisation noch nicht soweit ist. Man versucht damit, eine neue Art von Touchpoint in eine traditionelle Organisationsstruktur zu pressen, was in den wenigsten Fällen gut geht. Vom Untergang von Katalogversendern wie Quelle und Neckermann kann man diesbezüglich gut lernen. Genauso überholt sind Ansätze, den Onlinekanal nach reinen Umsatzzahlen zu messen. Denn kostenseitig gesteht man ihm in der Regel deutlich weniger Budget zu als bei der Neueröffnung einer Filiale. Von der personellen Ausstattung ganz zu schweigen.
Was nicht online ist, existiert stationär nicht
Vielmehr soll E-Commerce inklusive M-Commerce als eine Art Meta-Ebene betrachtet werden: als der Touchpoint, der dem Händler 24 Stunden am Tag Präsenz garantiert, zum Dialog einlädt oder auch nur Kompetenz vermittelt und den Vergleich zum Wettbewerb für den potentiellen Kunden zulässt. Heutzutage ist die Wahrnehmung bei den Kunden so: Was nicht online verfügbar ist existiert nicht. Was ich nicht bei Google finden kann gibt es nicht. Und in diesem Kontext gilt es auch, den Wert des Onlineshops zu sehen. Im Zeitalter von äußert knappen Freizeitbudgets wird in der Regel oft erst online recherchiert, welche stationären Händler bei einer Neuanschaffung besucht werden. Und dies, nachdem bereits die Evaluation nach den begehrtesten Produkten stattgefunden hat. Der stationäre Händler, der in diesem Prozess mit seinem kompletten Sortiment nicht online ist, hat schon verloren. Er fällt sowohl durch das Evaluationsraster nach Produkt als auch nach Standort. Der Onlineshop ist daher auch als gigantisches Schaufenster zu verstehen, der das stationäre Sortiment in den virtuellen Raum bringt. Effizienzwerte wie Besucherzahlen, Conversionsraten, Nettoumsatz, Deckungsbeiträge und mehr sind durchaus wichtig, greifen aber zu kurz.
Onlineshops von Cross-Channel Händlern sind stationäre Frequenzbringer
Nicht minder relevant ist der Onlineshop als Frequenzbringer in den stationären Handel. Und hierbei handelt es sich nicht nur um reguläre Laufkundschaft, sondern bisweilen auch um hochqualifizierte Frequenz.
Der stationäre Kunde kommt vorbereitet in die Fläche. Er weiß bestens Bescheid über das Produkt oder hat bereits eine Idee entwickelt, in welche Richtung die Anschaffung gehen soll. Zudem kennt er die Wettbewerbssituation im Einzelhandel, was auch neue Anforderungen an das Verkaufspersonal stellt.
Eine Untersuchung des ECC Köln zum Cross-Channel Verhalten belegt, dass Kunden, die sich vorab in einem anderen Kanal informiert haben, höhere Umsätze aufweisen als wenn dies nicht der Fall war.
Und zwar gilt dies ausnahmslos in alle Richtungen. So geht einem guten Fünftel aller stationären Transaktionen eine Onlinerecherche im eigenen Onlineshop voraus, welche jedoch mehr als einen Viertel des Filialumsatzes bringen. Bei der umgekehrten Wirkung ist für 6,6 Prozent der Onlineshop-Transaktionen eine Vorbereitung im stationären Geschäft verantwortlich. Dies entspricht jedoch mit 13,8 Prozent des Onlineumsatzes einem mehr als doppelt so hohen Transaktionsvolumen.
Nicht nur Umsatz, sondern auch Frequenz werten
Das Bewerten des Onlineshops rein nach Umsatzkennzahlen gehört in das vergangene Zeitalter des Multi-Channel Handels, wo jeder Kanal isoliert betrachtet wurde.
Der Kunde ist heute jedoch deutlich weiter und erwartet ein durchgängiges und vernetztes Einkaufserlebnis über alle Touchpoints. Und diesem sogenannten Cross-Channel Erlebnis ist auch auf Seiten der Messinstrumente Rechnung zu tragen.
Denn der Wert von Online- und Mobileshop für Cross-Channel Händler ist nicht nur der direkte Umsatz, sondern vielmehr noch die Onlinepräsenz der eigenen Marktleistung. Diese wiederum sichert die Frequenz in der Fläche. E-Commerce ist eine wichtige Quelle für anhaltende Besucherströme in die stationären Verkaufsstellen. Und daran soll er auch gemessen werden.
So messen Cross-Channel Händler den stationären Effekt ihres Onlinekanals
- Interaktionen zwischen Produkt- und Filialinformationen (Abruf von Bestandsinformationen)
- Abruf von Filialinformationen wie Adresse und Öffnungszeiten
- Interaktionen wie Routenplaner zur nächsten Filiale
- Hinzufügen eines Produkts zur Merkliste und Ausdruck der Merkliste
- Reservierung von Produkten in der Filiale
- Onlinekäufe, die in der Filiale abgeholt werden
- Onlinegutscheine, die stationär eingelöst werden
- Stationäre Zusatzverkäufe von Onlinekäufen und -reservierungen
- Stationäre Käufe, die über die Onlinelogistik geliefert werden
- Onlineshop-Retouren, die in der Filiale abgegeben werden

Autor
Nicole Rüdlin, Leiterin Internet World Messe
Nicole Ruedlin verfügt über ein exzellentes Netzwerk in die E-Commerce Branche. In ihrer Funktion als Leiterin der Internet World, der führenden E-Commerce-Messen in Deutschland, ist die 36-Jährige im ständigen Austausch mit Branchenexperten und kundschaftet nach Trendthemen in den Bereichen Onlinemarketing, E-Commerce, Mobile Business und Social Media. Seit 2007 ist die Diplom-Betriebswirtin (FH) als Themenscout für die Veranstaltungen der Neuen Mediengesellschaft Ulm mbH tätig, seit 2011 leitet sie den Bereich. Zuvor war sie mehrere Jahre im Weiterbildungssektor beschäftigt.
www.internetworld-messe.de
nicole.ruedlin(at)internetworld-messe.de