Strategien erfolgreich operationalisieren
Durch das Einbeziehen der Mitarbeitenden und dem Einsatz passender Methoden

Der Architekt Frank Gehry ist bekannt dafür, dass er seine Auftraggebenden ausnahmslos zufrieden stellte. Gehry wollte auch bei vordergründig klarem Briefing immer das „Warum“ hinter dem Auftrag verstehen. So gelang es ihm aus dem Auftrag der Stadt Bilbao – ein altes Gebäude zu einem Museum für moderne Kunst umzubauen – die eigentlichen Beweggründe, nämlich die Stadt als Touristenmagnet zu etablieren, herauszuarbeiten. Das Ergebnis: keine Restauration, sondern das Guggenheim Museum Bilbao, das als eigenständiges Kunstwerk bis heute Besucher und Besucherinnen in die Stadt zieht. Was diese Anekdote mit Führung zu tun hat? Darum wird es in diesem Artikel gehen.
Kultur frisst Strategie? Nicht unbedingt…
Wie Peter Drucker in seinem Zitat „Culture eats strategy for breakfast“ richtig zum Ausdruck bringt, kann eine Strategie noch so durchdacht sein, wenn die Unternehmenskultur nicht für die Umsetzung gewappnet ist. Denn nachhaltiger Unternehmenserfolg basiert hauptsächlich auf den Menschen in einer Organisation, deren Handeln wiederum von der vorherrschenden Kultur geprägt wird.
Daher ist das Folgende kein unübliches Bild in der Praxis: Viele Unternehmen haben eine Strategie, tun sich jedoch schwer, diese auch umzusetzen. Die Strategie wird von der Unternehmensführung, Planungsabteilungen und mit Hilfe von Externen erarbeitet. Doch in den operativen Geschäftsbereichen versanden die Pläne oder entwickeln ein Eigenleben.
Der Grund: Selten genug werden die Beweggründe hinter der Strategie – das „Warum“ – ausreichend dargelegt. Ist das nicht der Fall, sind insbesondere auf der mittleren Führungsebene die folgenden, typischen Verhaltensweisen zu beobachten:
- Die Strategie ist nicht ausreichend bekannt, präsent oder verstanden und wird bei der Planung von Initiativen in den Teams nicht umfänglich berücksichtigt.
- Die strategische Ausrichtung führt zu (vermeintlichen) Widersprüchen und Ungereimtheiten in den jeweiligen Fachbereichen und/oder kollidiert mit vorhandenen Zielen und Interessen.
- Das Ableiten von konkreten Aufgaben für die tägliche Arbeit sowie die Implikationen für das bereits vorhandene Tagesgeschäft in den Teams fällt schwer.
Führungskräfte als Übersetzende und Motivatoren
Eine der großen Herausforderungen von Führungskräften ist es also, diese Übersetzung zu schaffen, damit strategische Ziele und Pläne in konkrete Handlungen und Maßnahmen umgesetzt werden können.
Doch was braucht es, um die oft abstrakten und langfristig ausgelegten Richtungsweisungen der Unternehmensleitung anfassbar und für die einzelnen Mitarbeitenden verständlich, passend und umsetzbar zu machen?
Glücklicherweise sind die wichtigsten Hilfsmittel bekannt und erprobt. Dazu gehören:
- Klare Zielsetzung: Wie sieht der gewünschte Zielzustand konkret aus?
- Schlüsselinitiativen: Worin liegen die größten Hebel zur Erreichung dieses Zielzustandes?
- Verantwortlichkeiten: In wessen Zuständigkeit fällt die Exekution?
- Involvement: Wie kann ein jeder und eine jede sich aktiv einbringen?
- Leistungsmetriken: Wie werden (Miss-)Erfolge gemessen?
- Überwachung, Lernen und Anpassung: Wie wird eine Lernkurve sichergestellt?
Zitat: “If you don’t know where you are going, you might not get there.“ – Yogi Berra (US-amerikanischer Baseball-Spieler)
Die genannten Aspekte wurden in unterschiedlichen Frameworks und Methoden aufgegriffen und angereichert, um noch bessere Leitplanken zu geben.
Hierzu gehören unter anderem:
- Balanced Scorecard: Insbesondere für kleine Unternehmen eine handhabbare Alternative, bei der die Strategie in vier Hauptbereiche unterteilt wird.
- Hoshin Kanri: Herangehensweise mit Ursprung in Japan, bei der konkrete Aktionspläne und die Kaskadierung von Zielen über alle Ebenen der Organisation Erfolg versprechen.
- Projektmanagement-Methoden: Die über das Herunterbrechen von Initiativen in Projekte und Umsetzung dieser mit klassischen oder agilen Methoden Sicherheit schaffen.
- Objectives and Key Results (OKRs): Ein agiles Framework, das in festgelegten Abständen Ziele setzt und den Fortschritt der Erreichung verfolgt.
Ich persönlich tendiere immer wieder zu OKRs, da sie schnell umsetzbar sind und eine klare und effektive Methode zur Zielsetzung und Leistungssteigerung bieten. Durch das systematische Hinterfragen und der Beteiligung aller Ebenen „wächst“ der Einsatz der Methode mit dem Unternehmen und begleitet den Lernprozess auf eine intuitivere Art und Weise als die Alternativen.
Ziele erreichen mit der OKR Methode
OKRs setzen sich zusammen aus qualitativen Zielen, den Objectives, die als „inspirierender Sollzustand“ formuliert sind. Jedes Objective wird verknüpft mit bis zu 5 Key Results, die messbar sind und bei Erreichung den übergeordneten Zielzustand erfüllen.
Insbesondere die ausführliche Beschäftigung mit einer klaren und messbaren Zielsetzung befähigt die Teams und Mitarbeitenden, genau zu verstehen, was erreicht werden soll und welche Ergebnisse wichtig sind. Das „Warum“ findet ausreichend Betrachtung und holt im Idealfall alle involvierten Parteien ab. Die Messbarkeit der Ergebnisse ermöglicht es, den Fortschritt objektiv zu verfolgen und festzustellen, ob die gesteckten Ziele erreicht wurden.

In seinem Buch „Measure What Matters“ betrachtet Investor und Autor John Doerr die „Superkräfte“ dieser Methode, die ausschlaggebend dafür sind, warum Unternehmen wie Google und Netflix, aber auch Fressnapf und Telefónica sie im Einsatz haben. Führungskräfte sollten diese Prinzipien verinnerlichen, bevor sie einen Einsatz der Methode in Betracht ziehen. Hierzu gehören:
- Fokus auf das Wesentliche: OKRs legen den Fokus auf einige wenige Themen, indem die Anzahl der Ziele (für den festgelegten Zeitraum) begrenzt ist. Als Daumenregel gelten nicht mehr als 5 Objectives mit je maximal 5 Key Results. Dies auch tatsächlich einzuhalten, stellt sich immer wieder als eine der größten Herausforderungen heraus. Fragen Sie sich und ihr Team: Zu welchen Prioritäten wollen wir uns verpflichten? Was kann später kommen bzw. erst einmal wegfallen?
Zitat: “Innovation means saying no to one thousand things.” – Steve Jobs
- Alignment und Transparenz: Mangelnde Abstimmung ist laut einer HBR-Umfrage unter globalen CEOs das größte Hindernis zwischen Strategie und Umsetzung. OKRs können dazu beitragen, die gesamte Organisation auf gemeinsame Ziele auszurichten. Die durch OKRs geschaffene Transparenz fördert die Zusammenarbeit und sorgt dafür, dass die Anstrengungen der verschiedenen Teams und Abteilungen in die gleiche Richtung gehen. Hört sich nach zusätzlichem Abstimmungsaufwand an? Das sollte vermieden werden, indem durch OKR-Plannings und Review-Meetings andere Termine wie abteilungsübergreifende Jour-Fixe ersetzt werden.
- Selbstorganisation und intrinsische Motivation: Die Entscheidung für OKRs kann Mitarbeitende nachhaltig motivieren, da sie ihren Beitrag zum Erreichen der Unternehmensziele klar dokumentiert sehen. Zusätzlich fördert die Beteiligung beim Formulieren der OKRs die Eigenverantwortung und den persönlichen Bezug zu den Zielen. Jedes Teammitglied kann Schwerpunkte legen und in einer Ausbaustufe können auch persönliche Ziele über OKRs abgebildet werden. Insbesondere remote arbeitende Teams kann die Diskussion rund um die gemeinsamen Ziele und Zielerreichung enger zusammenbringen.
- Kurze Zyklen und kontinuierliche Verbesserung: OKRs werden in kurzen Intervallen von 3 bis 4 Monaten überprüft und angepasst. Dies findet angelehnt an agile Methoden wie Scrum in festen Regelmeetings statt (siehe Abbildung 2). Das Vorgehen ermöglicht, schnell auf sich ändernde Bedingungen zu reagieren und flexibel auf neue Chancen oder Herausforderungen einzugehen. Wenn OKRs nicht erreicht werden, dient dies als Gelegenheit zur Reflexion und Verbesserung. Teams können aus ihren Erfahrungen lernen und das Vorgehen anpassen. Die Reviews dienen der systematischen Selbsteinschätzung und -bewertung. In Kombination mit regelmäßigem Feedback wird das Team oder das Unternehmen nach und nach zu einer lernenden Organisation.

So gelingt der Start in 5 Schritten
Sie möchten die OKR-Methode ausprobieren? Dann versuchen Sie doch folgende Schritte:
- Sichten Sie die bestehende Unternehmensstrategie. Welche Teile sind relevant für Ihren Verantwortungsbereich? Ergeben sich für Sie selbst Fragen, die vorab geklärt werden sollten?
- Das kommende Jahr bietet einen guten zeitlichen Rahmen zum Einstieg. Formulieren Sie – abgeleitet von der übergreifenden Strategie – ein Zielbild für Ihren Bereich für Ende 2024. Seien Sie kreativ und detailreich: Was wünschen Sie sich? Welche Veränderungen sind bis dahin umgesetzt, was bedeutet das für Ihre Kunden und Kundinnen sowie die Mitarbeitenden?
- Leiten Sie aus Ihrem Zielbild zwei bis drei Themen ab, die für die Erreichung im Fokus stehen sollten. Wichtig: Diese sollten bereits so formuliert sein, dass ersichtlich wird, warum sie wichtig sind, wie zum Beispiel „Exzellenter Kundenservice“.
- Holen Sie Ihr Team dazu, präsentieren Sie Ihre Gedanken und holen Sie Feedback ein. Hier passiert das „Warum“! Gemeinsam formulieren Sie daraufhin Objectives und Key Results für eine erste Iteration. Was dient als Hebel bei der Erreichung Ihres Zielbildes?
- Legen Sie los und probieren Sie sich aus. Am Ende der Iteration werden nicht nur die ersten Maßnahmen in Richtung Zielbild-Erreichung angestoßen sein, Sie und ihr Team werden auch um den einen oder anderen Erfahrungswert reicher in die nächste Iteration starten.


Autorin
Saskia Roch
Geschäftsführerin von ECC NEXT
Saskia Roch ist Geschäftsführerin von ECC NEXT, eine auf datenbasierte Digitalberatung und Strategie spezialisierte Tochtergesellschaft des IFH KÖLN. Ihre Berufung und Leidenschaft ist es, Unternehmen bei der Initiierung und Durchführung von Digitalisierungsprojekten mit Pragmatismus und Objektivität zu unterstützen. Daten stehen dabei immer im Mittelpunkt und werden flankiert von langjähriger Erfahrung im digitalen Umfeld sowie Insights zu Herausforderungen und Lösungen aus unterschiedlichsten Branchen.