Generative KI in der Wirtschaft
KI für mehr Menschlichkeit in der Customer Journey

Warum KI eine transformative Kraft ist, die das Kundenerlebnis revolutioniert, Mitarbeitende von Routineaufgaben befreit und uns hilft, menschlicher zu werden.
Wenn Sie nicht gerade als Nomade oder Nomadin auf einer einsamen Insel leben, haben Sie sicher schon von den jüngsten Fortschritten der generativen KI gehört. Bevor wir uns versehen, wird die KI unsere Arbeits- und Lebensweise grundlegend verändern. Einige Expertinnen und Experten wie der Autor Sascha Lobo gehen sogar davon aus, dass sie ebenso einschneidend und transformativ sein wird, wie die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert.
An diesem wichtigen Wendepunkt in der Geschichte wird ein Großteil der Diskussionen über KI von Angst, Skepsis und Fragen der Legalität und Ethik beherrscht. Das sind wichtige Themen, mit denen wir uns beschäftigen müssen. Aber Zögern und Angst ändern nichts an der Tatsache, dass KI gekommen ist, um zu bleiben. Stattdessen sollten wir lernen, KI zu unserem Vorteil zu nutzen.
Tatsächlich gibt es bereits zahlreiche praktische Anwendungen von KI in der Wirtschaft, die Kunden und Kundinnen, Unternehmen und Mitarbeitende gleichermaßen Vorteile bringen.
KI in der Wirtschaft – ein Grund zur Sorge?
KI wird nicht nur in den kommenden Jahren, sondern bereits in den nächsten Wochen und Monaten eine treibende Kraft für die Transformation von Unternehmen sein. Sie wird Unternehmen zwingen, ihre Prozesse zu überdenken und ihre Strukturen neu zu gestalten – oder sie sogar gänzlich überflüssig machen. Und genau davor haben wir verständlicherweise Angst.
Einfach ausgedrückt: Menschen befürchten, dass KI ihren Arbeitsplatz übernimmt und menschliche Arbeitskräfte ersetzt. Laut einer Befragung von EY macht sich fast jeder vierte Beschäftigte (23 %) in Deutschland Sorgen, von Maschinen oder Technologien ersetzt zu werden. Weltweit sagt dies sogar mehr als jeder Dritte (35 %).
Ob es uns gefällt oder nicht, KI wird die Art und Weise, wie wir arbeiten, drastisch verändern. Was in der öffentlichen Debatte jedoch keine Rolle spielt, ist das Potenzial von KI, Unternehmen dabei zu helfen, Menschen wieder in den Mittelpunkt der Kundeninteraktion zu stellen. Die größten Veränderungen durch KI werden die Art und Weise betreffen, wie Unternehmen mit ihren Kunden und Kundinnen interagieren und wie sie ihre Prozesse managen. Vor allem aber wird KI die Customer Journey von Grund auf verändern.
Mit KI das Kundenerlebnis verbessern
Das vielleicht offensichtlichste Beispiel für die Rolle von KI bei der Kundenzufriedenheit sind dialogorientierte Benutzeroberflächen oder Chatbots. Von der Bearbeitung von Online-Retouren bis hin zu Anfragen an Fluggesellschaften haben die meisten Verbraucher*innen bereits Erfahrungen mit der Interaktion mit einer Art Bot gemacht. Doch während die ersten Versionen vieler Chatbots klobig, langsam und oft frustrierend zu bedienen waren, laufen die heutigen KI-gesteuerten Chatbots wie gut geölte Maschinen. Sie bieten mittlerweile rund um die Uhr direkten Support, der Probleme sofort löst und die Kundenzufriedenheit erhöht. Und wer wünscht sich nicht eine schnelle und einfache Lösung für sein Supportproblem?
Laut einem Bericht der MIT Technology Review konnten 90 % der befragten Unternehmen die Geschwindigkeit bei der Bearbeitung von Beschwerden durch den Einsatz von KI messbar verbessern. Und es sind nicht nur Unternehmen, die „intelligente“ Bots bevorzugen. Laut einer Umfrage des amerikanischen Medienunternehmens PSFK ziehen fast 75 % der Internetnutzer*innen Chatbots Menschen vor, wenn es um Antworten auf einfache Fragen geht. Deutschlands größte Unternehmen haben die Vorteile von Chatbots und KI-Systemen im Kundenservice allerdings noch nicht erkannt; nur 13 % der DAX 40-Unternehmen nutzen die Potenziale, das hat eine Untersuchung der GISMA University of Applied Sciences ergeben.
Natürlich sind Chatbots einer der offensichtlichsten Anwendungsfälle für die Integration von KI in CX. KI kann jedoch noch einen Schritt weiter gehen und nicht nur auf die aktuellen Bedürfnisse der Kunden und Kundinnen eingehen, sondern auch ihre zukünftigen Wünsche vorhersagen. Mit dem Wissen über Verhalten und Vorlieben, das aus einem riesigen Pool von Kundschaft gewonnen wird, kann KI eindeutige Profile erstellen. Mit Hilfe von Predictive Analytics können Unternehmen ihren Kundinnen und Kunden dann relevante Produkte und Lösungen zur richtigen Zeit über den richtigen Kanal anbieten und sie so in die Richtung lenken, die ihren Bedürfnissen am besten entspricht – noch bevor sie selbst ihre Bedürfnisse vollständig erkannt haben. So wird KI das Kundenerlebnis von Anfang bis Ende nahtloser machen.
KI wird auch Mitarbeitende unterstützen
Die meisten Bedenken (und in einigen Fällen auch Panikmache) im Zusammenhang mit KI betreffen Arbeitnehmer*innen und Arbeitsplätze, d. h. wie viele und welche Arten von Arbeitsplätzen durch KI wegfallen werden. Realistischerweise lassen sich diese Fragen nicht so einfach beantworten.
Schauen wir uns an, was KI besonders gut kann: Routineaufgaben erledigen. Und was wollen die meisten Menschen in ihrem Job nicht tun? Routineaufgaben erledigen.
Indem KI banale, sich wiederholende Aufgaben übernimmt, können Mitarbeitende sich auf komplexere Probleme konzentrieren und die wirklich wertschaffenden Aufgaben erledigen. Auf dem 134. Yale CEO Summit im Juni wies Steven Bandrowczak, CEO von Xerox, einem Unternehmen im Dokumentenmanagement-Bereich darauf hin, dass KI die Zahl der Kundenbesuche von Techniker* innen bereits um mehr als 40 % reduziert hat.
KI-gesteuerte Bots sind für Unternehmen nicht nur effizienter, sondern werden auch von den meisten Kunden und Kundinnen bevorzugt. Wenn KI Routineanrufe beim Kundensupport vollständig übernehmen kann (rund um die Uhr, auch an Feiertagen und zu Stoßzeiten), können die Mitarbeitenden ihre Zeit für anspruchsvollere und sinnvollere Aufgaben nutzen. Auf diese Weise verändert KI nicht nur das Kundenerlebnis, sondern auch die täglichen Arbeitsabläufe und Routinen der Mitarbeitenden. Über Chatbots hinaus werden wir bald KI-gesteuerte autonome Systeme sehen, die die meisten Managementaufgaben übernehmen können, von Lieferketten über Kundenservicekanäle bis hin zu Medienkampagnen.
KI kann Menschen nicht nur von langwierigen, repetitiven Prozessen befreien, sondern ihnen auch dabei helfen, sich durch personalisierte Lern- und Entwicklungsprogramme, die von Machine Learning-Algorithmen generiert werden, beruflich weiterzuentwickeln. Interessanterweise kann KI auch bei der Personalbeschaffung helfen, indem sie Menschen dabei unterstützt, einen Job zu finden, der ihnen sonst vielleicht entgangen wäre. Man denke nur an die Zahl der Arbeitssuchenden, die über wertvolle und übertragbare Fähigkeiten verfügen, denen es aber an Erfahrung in der richtigen Branche mangelt. Hier kann KI helfen, indem sie Bewerber*innen Positionen empfiehlt, um sie mit den richtigen Jobs in verschiedenen Branchen in Verbindung zu bringen, an die sie vielleicht gar nicht gedacht hätten.
Der Einsatz von KI in der Personalbeschaffung ist auch für Arbeitgeber*innen von Vorteil, da er ihnen den Zugang zu wertvollen Talentpools erleichtert. So haben beispielsweise große US-amerikanische Krankenhäuser damit begonnen, KI einzusetzen, um Daten aus früheren Umfragen und Interviews mit Spitzenchirurgen und -chirurginnen mit langjähriger Berufserfahrung zu analysieren. Auf der Grundlage dieser Daten können Personalverantwortliche die wichtigsten Persönlichkeitsmerkmale erfolgreicher Chirurgen und Chiruginnen verstehen und so leichter starke Kandidaten und Kandidatinnen für neue chirurgische Positionen identifizieren.
Die Transformation der Customer Journey
Eine der effektivsten Möglichkeiten für Unternehmen KI zu nutzen, ist die Veränderung der Customer Journey.
Da die Customer Journey immer komplexer wird, benötigen Unternehmen einen verlässlichen Einblick in das Kundenverhalten – und auch hier bietet KI einen Mehrwert. Mit ihrer Fähigkeit, riesige Datenmengen zu sammeln, zu analysieren und daraus zu lernen, eröffnet die KI Unternehmen eine Welt unschätzbarer Erkenntnisse und damit die Möglichkeit, bessere Kundenerfahrungen zu schaffen. Letztlich geht es bei jedem Geschäftsmodell darum, das sich ständig verändernde Rätsel zu lösen: Wie können wir es für Kundinnen und Kunden nahtloser und intuitiver gestalten?
Deshalb ist KI ein idealer Verbündeter für Unternehmen, da sie verwertbare Daten und Erkenntnisse liefert, die – wenn sie effektiv genutzt werden – zu einer wesentlich individuelleren Kundenerfahrung beitragen können. Bislang bemühten sich Unternehmen zwar nach Kräften, die Customer Journey zu personalisieren, konnten sich dabei aber nur auf eine Handvoll allgemeiner Personas beschränken. Mit Hilfe von KI werden sie in der Lage sein, die Erwartungen, Wünsche und Bedürfnisse ihrer Kundschaft zu erkennen und personalisierte Erlebnisse zu schaffen, die Kundinnen und Kunden individuell ansprechen.
Nehmen wir zum Beispiel die Erfahrung des Essens. Niren Chaudhury, CEO von Panera, einer amerikanischen Kette von Bäckerei-Cafés, war einer der Experten, der kürzlich am Yale CEO Summit teilnahm. Er sprach darüber, wie Technologien dabei helfen können, genau zu bestimmen, wer die Kundin oder der Kunde ist und wie man Dienstleistungen an diese*n Kunden anpassen kann. Tools wie „sprachaktivierte KI in Drive-Throughs, wo intelligente Spracherkennung die Anforderungen und Bedürfnisse einer Kundin oder eines Kunden vorhersagen kann“ sind nur ein Beispiel dafür, wie KI zur Personalisierung der Kundenreise beiträgt.
Was sagt uns das alles?
Letztendlich wird die Integration von KI in die Customer Journey den menschlichen Faktor in Bereichen wie Marketing, Einzelhandel und Gastgewerbe stärken, indem Unternehmen in die Lage versetzt werden, menschlichere Erfahrungen zu bieten.
Die Angst überwinden und positiv in die Zukunft blicken
Das Internet ist voll von hyperventilierenden Kommentaren, die allesamt ein KI-gesteuertes Untergangsszenario für Mitarbeitende, Kundschaft und ganze Branchen heraufbeschwören. Doch wenn man über den Rummel hinausblickt, werden die vielen Vorteile der KI deutlich.
Mit KI können wir effizient neue Erkenntnisse gewinnen, um die Customer Journey für Verbraucher* innen zu verbessern. Auf der anderen Seite befreit KI Mitarbeitende von der Last der Monotonie, so dass sich menschliche Talente darauf konzentrieren können, menschlichere Markenerlebnisse zu schaffen.
So seltsam es auch klingen mag: KI wird die Dinge sehr viel menschlicher machen.

Autor
Kai Ebert
General Manager bei Valtech Deutschland
Seit Januar 2022 ist er als General Manager von Valtech Deutschland für das strategische Marketing der DACH-Region verantwortlich. Weitere Stationen waren Jung von Matt und Fork Unstable Media. Kai Ebert verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Agenturbranche und steht für ein breites Themenspektrum – von digitalem Marketing und E-Commerce bis hin zu digitaler Transformation und KI.
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