Es braucht weniger Meetings
und es braucht bessere Meetings!

Unabhängig von Branche und Unternehmen ist der Arbeitsalltag heute geprägt von unzähligen Besprechungen. Beliebt sind sie bei den Mitarbeitenden selten. Und das nicht ohne Grund. Denn im Verhältnis zur investierten Zeit wird der tatsächliche Nutzen als enttäuschend gering wahrgenommen. Der Artikel beleuchtet, wie es möglich wird, die Spreu vom Weizen zu trennen und das gemeinsame Miteinander sinnstiftend und effizient zu gestalten.
Unbefriedigende Meetings wirken sich nicht nur auf die Energie und Motivation der Mitarbeitenden aus, sondern stellen gleichzeitig auch einen gehörigen Kostenfaktor dar. Man braucht nur auf die Zeit zu schauen, die durchschnittlich in Besprechungen verbracht wird. Ein Blick in den Kalender spricht Bände. Und niemand wurde per se dafür eingestellt, an Meetings teilzunehmen. Meetings haben auch keinen Selbstzweck. Sie sollten wie jede andere Tätigkeit im Unternehmen auch ein konstruktives Puzzleteil auf dem Weg zum Unternehmenserfolg sein. Hierbei sind die sogenannten weichen Themen übrigens keinesfalls ausgeschlossen. Im Gegenteil. Wenn das zwischenmenschliche Miteinander in den Fokus genommen wird, um die Zusammenarbeit zu stärken und gemeinsam zu wachsen, trägt das ohne Zweifel zum Unternehmenserfolg bei und ergibt deshalb definitiv Sinn.
Apropos Sinn: Aus einer Umfrage des Kollaborationsanbieters Barco aus dem Jahr 2022 geht hervor, „... dass fast die Hälfte der 3.000 Befragten regelmäßig nicht weiß, worum es im Meeting geht und was das Ziel der Besprechung ist. Bei den Top-Führungskräften waren es sogar 61 %.“ Unfassbar? Stimmt!
Braucht es überhaupt noch Meetings?
Verständlich, dass die Forderung immer lauter wird, Meetings zu streichen. Diese kann ich zu einem gewissen Teil unterstützen. Richtig ist es, etablierte Meetings schonungslos zu hinterfragen. An erster Stelle stehen ganz klar die typischen Regelmeetings. Wenn es in der Hauptsache um die Weitergabe von Informationen geht, gibt es auch andere – und mitunter bessere – Möglichkeiten. Setzt man hier kritisch an, dürfte die eine oder andere wohltuende Lücke im wöchentlichen Kalender entstehen. Doch das Streichen allein macht noch nicht glücklich. Und erst recht nicht erfolgreich. Denn bei allem Unmut über unnötige Meetings ist das gemeinsame Miteinander ja nicht per se unnütz! Im Gegenteil: Sinnstiftende Kollaboration verfügt über ein enormes Potenzial, um in Zeiten steigender Komplexität Wissen zu teilen, voneinander zu lernen, Kreativität zu entfesseln, Komplexität zu handhaben und innovative Lösungen zu erarbeiten. Meine Devise lautet deshalb: Streichen, was zu streichen ist und den Fokus in Meetings bewusst auf die Themen legen, bei denen Kollaboration einen echten Unterschied macht.
Moderation gehört zur modernen Führungskompetenz
Ein entscheidender Stellhebel auf dem Weg zu modernen, erfolgreichen Meetings ist die Moderation. Und damit ist bei Weitem nicht nur die Leitung der Besprechung gemeint. Moderation ist vielmehr die zielorientierte, strukturierte und inspirierende Begleitung auf dem Weg zu tragfähigen Ergebnissen. Eine Fähigkeit, die mit dem Anspruch moderner Führung immer mehr an Gewicht gewinnt. Waren es früher die Führungskräfte, die fachlich an Expertise nicht zu überbieten waren, hat sich die Welt gedreht. Und zwar komplett. Mitarbeitende wollen nicht nur mitgenommen werden – ohne sie geht es nicht. Denn ihre vielfältigen Expertisen und diversen Perspektiven ermöglichen es erst erfolgreich und innovativ zu sein.
Ohne Vorbereitung kein tragfähiges Ergebnis
Die Vorbereitung eines Meetings wird leider oft unterschätzt. Sie ist kein nice to have, wenn gerade ein wenig Zeit übrig ist, sondern vielmehr entscheidend für den Erfolg. Ich erinnere nur an die oben geschilderte Umfrage. Festzulegen sind hierbei:
- Ziel
- Relevante Teilnehmende
- Rahmenbedingungen
Damit ein Meeting nicht als Laberrunde endet, braucht es zunächst ein konkretes Ziel. Ist doch selbstverständlich? Nein, leider nicht. Doch erst wenn das Ziel klar ist, ist es überhaupt möglich, den genau für die Zielerreichung relevanten Personenkreis einzuladen. Fehlen entscheidende Personen, bleibt meist nichts anderes übrig, als das Thema zu vertagen. Gleichzeitig geht aus der Definition der Zielgruppe auch hervor, wer keinen aktiven Beitrag zum Erfolg des Meetings leisten kann. Und auch das ist wichtig. Denn was soll ich in Meetings, zu deren Zielerreichung ich nicht beitragen kann? Und wenn das bei einzelnen Themen variiert, empfiehlt es sich, die Punkte, die nicht alle betreffen, ans Ende der Besprechung zu legen. Dann können die anderen getrost gehen.
Um zu tragfähigen Ergebnissen zu gelangen, braucht es überdies die Transparenz über alle Einfluss nehmenden Rahmenbedingungen. Hierzu zählen bereits feststehende Managemententscheidungen genauso wie finanzielle Rahmenbedingungen. Nichts ist frustrierender, als sich übernehmen den Kopf zu zerbrechen und später zu merken, dass die Entscheidung schon lange an anderer Stelle getroffen wurde. Erst wenn Ziel und Rahmen klar benannt sind und alle relevanten Personen am Tisch sitzen, wird es möglich, tragfähige Ergebnisse zu erzielen.
Haltung und Rolle prägen Umgang und Ergebnis
Erfolgreiche Kollaboration lebt davon, dass Ideen unzensiert geteilt und auch kritische Punkte angesprochen werden dürfen. Ohne Wenn und Aber. Und insbesondere ohne Angst, sich mit diesem spontanen Gedankenblitz zu blamieren oder für die geäußerte Kritik abgestraft zu werden. Man spricht hier auch von psychologischer Sicherheit. Die amerikanische Wissenschaftlerin, Professorin und Autorin Amy C. Edmondson beschreibt die psychologische Sicherheit als einen Zustand, in dem die Mitarbeitenden sich ausdrücken und sie selbst sein können und nicht durch zwischenmenschliche Angst behindert werden. Die (moderierende) Führungskraft nimmt die zentrale Rolle ein, wenn es darum geht, den Anspruch des angstfreien Miteinanders auch tatsächlich mit Leben zu füllen. Es ist wichtig, sich und die eigene Haltung hier immer wieder selbstkritisch zu hinterfragen! Eine offene Haltung baut auf dem Bewusstsein auf, dass es die EINE Sicht auf die Dinge nicht gibt. Jede und jeder trägt individuelle Werte, Prägungen und Erfahrungen in sich. Dadurch nehmen wir Dinge nicht nur unterschiedlich wahr – wir bewerten sie auch anders. Diese Haltung ergänzt sich gut mit der – idealerweise – neutralen Rolle der Moderation. Das ist definitiv nicht immer einfach – aber es ist die Voraussetzung, dass die Teilnehmenden am Ende nicht frustriert von Dannen ziehen, sondern intrinsisch motiviert hinter den erarbeiteten Ergebnissen stehen. Und wo ein fachlicher Einwurf seitens der moderierenden Person wirklich richtig ist, darf er auch sein. Aber bitte immer den Rollenwechsel kenntlich machen. Für sich selbst und für die Teilnehmenden.
Interaktion und Inspiration bringen Effizienz und Innovation
In Meetings wird natürlich gesprochen. Das ist wichtig und richtig. Aber mitunter wird zu viel gesprochen und zu unkonkret gesprochen. Dann mutieren Besprechungen zu Laberrunden, die selten ein tragfähiges Ergebnis hervorbringen. Aktiv dagegen steuern lässt es sich mit gezielten Interaktionen. Die interaktive Arbeit an konkreten Fragen ermöglicht es, auf effiziente Weise zu konkreten Ergebnissen zu gelangen. Ganz einfach umsetzbar ist die sogenannte Murmelrunde. Hier beschäftigen sich jeweils zwei nebeneinander sitzende Personen gemeinsam mit einer Frage, notieren ihre Ergebnisse z. B. auf Haftnotizen und teilen diese anschließend in der Gesamtrunde. Einen großen Effizienzgewinn erreicht man, wenn die einzelnen Murmel-Teams parallel an unterschiedlichen Fragen arbeiten. So entstehen innerhalb kürzester Zeit verschriftlichte und somit weiter nutzbare Antworten zu unterschiedlichen Themenstellungen. Daran arbeiten, statt darüber zu reden – dann wird’s konkret und greifbar.
Ein perfektes Match wird es, wenn zur Interaktion noch die Inspiration hinzukommt. Insbesondere, wenn es im Meeting um neue, innovative Lösungsansätze gehen soll. Denn diese entstehen nicht durch das Weitergehen auf dem ewig selben Weg. Wer neue Antworten möchte, bekommt sie nicht durch alte Vorgehensweisen. Hier unterstützen Inspirationsansatze, die die Teilnehmenden immer wieder aus der Reserve locken. Einfach in Meetings anwenden lassen sich sowohl der gedankliche als auch der räumliche Perspektivenwechsel. Beim gedanklichen Perspektivenwechsel wird die Frage beispielsweise aus der Sicht der Kundinnen und Kunden, des Wettbewerbs oder einer gänzlich unbeteiligten Person betrachtet. So werden eingefahrene Denkmuster durchbrochen und neue Lösungen möglich.
Beim räumlichen Perspektivenwechsel geht es um die Veränderung des gewohnten Besprechungs-Settings. Es hilft bereits, die gewohnte Sitzordnung zu verlassen und sich gemeinsam vor das Whiteboard oder die Fensterfront zu stellen. Aber auch ein anderer Ort im Unternehmen – etwa die Cafeteria – unterstützt dabei, neue Ideen und Lösungsansätze zu entwickeln.
Zum guten Schluss
Ein Meeting sinnstiftend durchzuführen ist nicht trivial, jedoch unter Beachtung der genannten Erfolgsfaktoren umsetzbar. Allerdings braucht es auch einen bewussten Fokus darauf. Vor dem Hintergrund erfolgskritischer Themen, die meist mit großem Druck verbunden sind, erscheint die Kompetenz zur Durchführung einer Besprechung geradezu lächerlich unwichtig. Doch Achtung – hier ist ein Gamechanger verborgen. Unnütze Besprechungen gibt es ohnehin. Sie binden Zeit und Energie – zahlen aber nicht im adäquaten Umfang auf den Unternehmenserfolg ein. Weniger und dafür sinnstiftende Meetings dagegen können ein unverzichtbares Puzzleteil auf dem Weg zum Unternehmenserfolg sein. Hierfür lohnt es sich, das Augenmerk bewusst darauf zu richten.

Autorin
Michaela Stach
Leiterin der Akademie für Systemische Moderation
Michaela Stach ist Leiterin der Akademie für Systemische Moderation und führt mit ihrem Team die zertifizierte Ausbildung viermal jährlich an zwei Standorten durch. Sie veröffentlichte zwei Bücher bei Business Village. Zuletzt in 2022: „Moderation in Workshop und Meeting I Mit ergebnisorientierten Tools und Methoden Zusammenarbeit neu gestalten“.
www.Akademie-fuer-Systemische-Moderation.de
www.linkedin.com/in/michaela-stach-a53359187/