Alles, was Sie über die NIS-2-Richtlinie der EU wissen sollten

Sind Sie Unternehmer*in mit mindestens 50 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von 10 Millionen Euro? Dann sind auch Sie verpflichtet, sich an die neue NIS-2-Richtlinie zu halten. Sie kommt in großen Schritten auf uns zu und bringt einige Veränderungen mit sich. Die NIS-2-Richtlinie muss bis spätestens September 2024 umgesetzt werden. Welche Konsequenzen hat das für Betriebe? Worauf müssen Sie als Unternehmer*in jetzt achten und was passiert eigentlich, wenn Sie sich nicht an die neuen Richtlinien halten?

Der Russland-Ukraine-Krieg hat uns allen gezeigt, wie angespannt die Cybersicherheitslage in Deutschland, aber auch in ganz Europa ist. Zudem hat der digitale Wandel ein unglaubliches Tempo angenommen. Der Rat und das Europäische Parlament haben deshalb gehandelt und im Dezember 2022 die NIS-2-Richtlinie verabschiedet. Im Januar dieses Jahres ist sie in Kraft getreten. Nun haben Deutschland und alle anderen EU-Mitgliedstaaten 21 Monate Zeit, um die Regelungen in nationales Recht umzusetzen. Für die betroffenen Unternehmen besteht bereits jetzt Handlungsbedarf.
Die neue Richtlinie NIS-2, The Network and Information Security, löst die alte NIS-Direktive ab. Bisher wurden viele Branchen von den Regelungen weitgehend verschont – nun wird es ernst.
Was für große Unternehmen durch die KRITIS-Verordnung schon lange gilt, kommt jetzt auch auf kleinere Betriebe zu
Mit NIS-2 wird Cybersicherheit und Resilienz nun auch für die breite Masse der Unternehmen in Deutschland zum TOP-Thema. Betroffen sind mittlere Unternehmen mit 50 oder mehr Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von mindestens 10 Millionen Euro sowie große Unternehmen ab 250 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mindestens 50 Millionen Euro.
Durch die neuen Anforderungen sollen vor allem die Regeln in den 27 EU-Ländern vereinheitlicht werden. Ziel von NIS-2 ist es, kritische Infrastrukturen vor Cyberbedrohungen besser zu schützen und für ein hohes, EU-weites Sicherheitsniveau zu sorgen.
Cyberkriminalität ist schon lange kein Einzelfall mehr
Laut einer Studie des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik war bereits jede*r Vierte der Bevölkerung schon Opfer eines Hacking-Angriffs.

Quelle: FOXGroup
Die Cyberkriminellen werden immer einfallsreicher und arbeiten ständig an neuen Methoden, um an wertvolle Daten zu gelangen. Gerade kritische Infrastrukturen und Systeme, die große Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen (Energie, Gesundheit, Wasser usw.) haben, sind in den letzten Jahren verstärkt in das Visier der Hacker*innen geraten.
Wer nun neu unter die Richtlinie fällt, sollte schnell handeln. Denn die Beratung sowie die Auswahl passender Technologien und deren Implementierung brauchen Zeit. Viele Firmen, aber auch öffentliche Einrichtungen, haben allerdings Schwierigkeiten, ihre Infrastrukturen adäquat zu schützen, da sie nur eingeschränkte finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung haben. Einigen ist aber auch die Wichtigkeit von Cybersecurity nicht bewusst und sie gehen fahrlässig mit ihren Daten um. Gerade Betreiber kritischer Infrastrukturen nehmen den Schutz ihrer IT-Infrastruktur trotz zunehmender Gefahren aus dem Cyberraum und anhaltenden Krisen mit Auswirkungen auf die Lieferketten nicht ernst. Dabei entsteht der deutschen Wirtschaft, laut einer Studie des Branchenverbands Bitkom, ein jährlicher Schaden von rund 203 Milliarden Euro.
„Mit der neuen NIS-2-Richtlinie werden Unternehmen nicht mehr vor die Wahl gestellt, ob sie sich ausreichend gegen Hacker schützen wollen – sie müssen einen Mindeststandard an Sicherheit erfüllen.“
Die Mitgliedstaaten haben bis Herbst 2024 Zeit, um NIS-2 in nationales Recht umzusetzen. Fahrlässigkeit kann Unternehmer*innen und Betrieben zukünftig teuer zu stehen kommen. Sie müssen sowohl in die Abwehr als auch in die Wiederherstellung investieren. Wer sich nicht daran hält, dem drohen hohe Bußgelder. Je nach Sektor Maximalstrafen von 7-10 Millionen Euro. Ob auch öffentliche Einrichtungen, die der NIS-2-Richtlinie unliegen, in Deutschland mit den strengen Bußgeldern belegt werden können, bleibt noch abzuwarten.
NIS-1 konnte mit dem rasanten Anstieg der Cyber-Kriminalität nicht mehr mithalten und deshalb hat sich die EU für eine schnelle Ausweitung der Richtlinie entschieden und NIS-2 ins Leben gerufen. Es kommen insgesamt acht neue Sektoren hinzu.
NIS-2 unterscheidet zwischen „Essential Services“ und „Important Services“
Die wesentlichen Dienste (Essential Services) werden durch die Sektoren Abwasser, Raumfahrt und die öffentliche Verwaltung ergänzt. Die wichtigen Dienste (Important Services) durch die Sektoren Post und Kurier, Abfallwirtschaft, Chemikalien, Ernährung, Industrie sowie Bildung und Forschung. Besondere Aufmerksamkeit gibt die Richtlinie der digitalen Infrastruktur.
Die EU hat genau festgelegt, welche Cybersecurity-Maßnahmen die Betriebe umsetzen müssen.
Dazu gehören:
- Policies: Richtlinien für Risiken und Informationssicherheit
- Incident Management: Prävention, Detektion und Bewältigung von Sicherheitsvorfällen
- Business Continuity: Backup-Management, Disaster Recovery, Krisenmanagement
- Supply Chain: Sicherheit in der Lieferkette
- Einkauf: Sicherheit in der Beschaffung von IT und Netzwerk-Systemen
- Effektivität: Vorgaben zur Messung von Cyber- und Risikomaßnahmen
- Kryptographie: Verschlüsselung wo immer möglich
- Zugangskontrolle: Einsatz von Multi-Faktor-Authentifizierung und Single Sign-on
- Kommunikation: Einsatz sicherer Sprach-, Video- und Text-Kommunikation
Und es kommt noch ein weiterer Punkt hinzu, der Unternehmen vor ernste Herausforderungen stellen wird: Innerhalb von 24 Stunden müssen sie ihre nationale Cybersecurity Behörde unverzüglich über signifikante Störungen, Vorfälle und Sicherheitsbedrohungen ihrer kritischen Dienstleistungen unterrichten, ebenfalls wo möglich die Empfänger*innen (Kunden und Kundinnen) ihrer Dienstleistungen.

Mit internen Cybersecurity-Schulungen vorbeugen
NIS-2 verlangt strenge Sicherheitsvorkehrungen, um die ansteigende Cyberkriminalität im Netz einzudämmen. Tatsache ist allerdings auch, dass der größte „Feind“ in den eigenen Reihen lauert: die Mitarbeitenden. Sie klicken versehentlich auf einen Mail-Anhang und eröffnen so – schnell und einfach – Zugang zu den Daten des Unternehmens. Deshalb ist es wichtig, die eigenen Mitarbeitenden regelmäßig zu schulen und ihnen aufzuzeigen, woran sie sogenannte Phishing-Mails erkennen. Die Schulung der Security Awareness ist ein sehr wichtiger Baustein, der gleichzeitig schnell und kostengünstig umzusetzen ist.
„NIS-2 schreibt Schulungen im Bereich der Cybersicherheit sogar vor.“
Fazit
Eine hundertprozentige Sicherheit wird es nie geben. Unternehmen können aber viel tun, um es den Kriminellen so schwer wie möglich zu machen und im Notfall den Betrieb schnell wiederherzustellen. Fehlende Ressourcen sind kein Grund, um den Kopf in den Sand zu stecken – viele Maßnahmen lassen sich mit relativ überschaubarem Aufwand umsetzen.
Fachbegriffe erläutert | |
NIS | The Network and Information Security |
KRITIS | kritische Infrastruktur |
Incident Management | Vorfallsmanagement |
Business Continuity | Geschäftskontinuität |
Desaster Recovery | Datenrettung |
Supply Chain | Lieferkette |
Multi-Faktor-Authentifizierung | Bei der Multi-Faktor-Authentifizierung handelt es sich um ein Authentifizierungsverfahren, das zwei oder mehr Berechtigungsnachweise (Faktoren) kombiniert. |
Phising | Neologismus von fishing, engl. für ‚Angeln‘. Man versteht darunter Versuche, sich über gefälschte Webseiten, E-Mails oder Kurznachrichten als vertrauenswürdiger Kommunikationspartner in einer elektronischen Kommunikation auszugeben. |
Security Awareness | Sicherheitsbewusstsein |

Autor
Franz Xaver Obermayer
Gründer & Geschäftsführer FOXGroup
Franz Xaver Obermayer arbeitet als Experte für Informationssicherheit und ist in diesem Bereich als Auditor für das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik tätig sowie den TÜV Rheinland. Er ist leidenschaftlicher Landwirt und begeisterter ITler. Zugegeben – eine interessante Kombination, die sich aber wunderbar vereinbaren lässt. Sein Wissen als Bio-Landwirt kann er 1:1 in seiner IT-Firma FOXGroup umsetzen. Die FOXGroup ist seit 2021 klimaneutral, es wird ressourcenschonend gearbeitet, produziert und Energie gewonnen.