Silos auflösen beginnt im Kopf
Durch den Shift im Mindset zur datengetriebenen Organisation

Eine solide Datengrundlage trägt maßgeblich zum Unternehmenserfolg bei. Umso wichtiger ist es, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen, um Datensilos erfolgreich aufzulösen. Voraussetzung ist es, dem Thema die nötige Priorität einzuräumen und die Mitarbeitenden auf der Reise zur einheitlichen Datennutzung mitzunehmen. Dazu benötigen Unternehmer*innen eine klare Zielsetzung für die Zukunft, den Willen, Veränderung nachhaltig anzugehen und nicht zuletzt einen langen Atem.
(Daten-)Silos halten sich hartnäckig ...
Die Bemühung, Datensilos aufzulösen, ist nichts Geringeres als der Kampf gegen historisch gewachsene Strukturen. Auf der einen Seite führen technische Altsysteme zu einer physischen Abgrenzung von Daten, die aufgrund dieser Fragmentierung auf unterschiedlichste Weisen strukturiert und organisiert sind. Hinzu kommen Hürden und Hemmnisse durch Datensicherheit und Datenschutz und (berechtigte) Bedenken vor dem oftmals hohen Aufwand, den systemische Anpassungen mit sich bringen. Auf der anderen Seite schafft die organisatorische Struktur in Form von Abteilungen und Teams eine weitere, unsichtbare Trennung der Daten eines Unternehmens. Der Mensch als soziales Wesen prägt durch natürliche Gruppenbildung die Kultur im Unternehmen. Die wachsende Bedeutung der Rolle von Teams – kommend aus der agilen Methodik und Bestandteil jeder digitalen Transformation – ist grundsätzlich positiv zu sehen, kann jedoch diese Stammeseffekte weiter verstärken. Die Gruppe rückt in den Vordergrund, die Außenwelt und andere Gruppen verlieren an Bedeutung. Hinzu kommen abweichende Zielsetzungen, ein Mangel an Kommunikation und Zusammenarbeit sowie Gewohnheiten und ein eingefahrener Umgang mit den bekannten Daten.
„Silos sind im Wesentlichen ein kulturelles Phänomen. Sie entstehen, weil soziale Gruppen und Organisationen bestimmte Konventionen darüber haben, wie sie die Welt einordnen.“
– Gillian Tett, The Silo Effect: The Peril of Expertise and the Promise of Breaking Down Barriers
... und Vorhaben sie aufzulösen, scheitern regelmäßig
Warum scheitern Projekte und welchen Stellenwert hat das Thema „Daten“ für Entscheider*innen in den kommenden Jahren? Diesen Fragen geht die aktuelle Studienreihe „B2B Commerce - Im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher Belastungsprobe und digitaler Effizienz“ des ECC KÖLN in Zusammenarbeit mit der Striped Giraffe Innovation & Strategy GmbH nach.
Zwei Kernaussagen belegt die Studie eindrücklich:
1. Reine Datenprojekte stehen mit Position 3 ganz oben auf der Agenda der B2B-Unternehmen (Abb. 1). Und was alle der geplanten Digitalisierungsprojekte gemeinsam haben − unabhängig von der Branche: Sie erfordern eine Anpassung der Datenhaltung.

2. Gleichzeitig scheitert ein unglaublich großer Anteil an Digitalisierungsprojekten (Abb. 2). Die hier erhobenen Daten im B2B-Umfeld sind erfahrungsgemäß auf den B2C-Sektor übertragbar. Dieser mag zwar in der Entwicklung in vielen Dingen voraus sein, das erfolgreiche Abschließen von IT-Projekten wird jedoch auch hier nur an wenigen Stellen wirklich erreicht.

Bei der Frage, welche Gründe für das Scheitern verantwortlich gemacht werden können, nennen die Befragten insbesondere eine fehlende Strategie und unklare Zielsetzung sowie den Faktor Mensch in Form von Personalmangel, Problemen mit dem Dienstleister und fehlendem Know- How im Unternehmen.
Insbesondere Datenprojekte sind meist sehr technologiegetrieben („Wir führen ein neues System ein“) und sehr sachbezogen („Wir legen Daten zusammen“). Wozu die Projekte eigentlich dienen und wer die Daten nutzen wird, wird oftmals erst zu einem späteren Zeitpunkt in Gänze hinterfragt.
Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse kommt man nicht umhin, sich zu fragen: Werden Digitalisierungsvorhaben zu vorschnell und ohne Berücksichtigung der Komponenten Mensch und Wandel angegangen? Wenn ja, ist es realistisch, in jedem Projekt einen Change-Management- Aspekt einzubauen und ist das nicht übertrieben, wenn das Ziel das simple Zusammenlegen von ein paar Daten betrifft?
Darum ist das Mindset wichtig
Wer schon mal für die Durchführung eines Projektes verantwortlich war, kennt das: Im schlanken Projektteam, losgelöst vom Tagesgeschäft und behäbigen Entscheidungshierarchien, ist das Vo- rankommen einfach. Richtig herausfordernd wird es meist erst, wenn es an der Zeit ist, das ausgetüftelte Werk auszurollen und „in die Linie“ zu übergeben. Für einen erfolgreichen Übergang in den Normalbetrieb benötigt es schon weit vorher den „buy-in“ der dann zuständigen Kollegen und Kolleginnen. Wurden diese nicht berücksichtigt und ihre Meinung und ihr Wissen nicht in Form von initialen Bedarfsanalysen, abgestimmten Anforderungen, Bedenken und Risiken aufgenommen, ist der Roll-Out zum Scheitern verurteilt.
Genauso verhält es sich mit dem Auflösen der Datensilos, denn: Daten konsolidieren ist das eine, die wirksame Anwendung der Daten das andere.
Veranschaulicht werden kann das am konkreten Beispiel eines großen deutschen Händlers, der sich das Thema Personalisierung vorgenommen hat. Hierfür sind unterschiedliche Daten wie Nutzungsdaten aber auch das bisherige Kaufverhalten von bestehender Kundschaft notwendig. Eine einheitliche Datenbasis ist nach einiger Anstrengung in Form einer CDP (Customer Data Platform) geschaffen. Diese allein bringt jedoch noch keine individualisierte Customer Experience, sie schafft nur die Voraussetzungen.
Es benötigt darüber hinaus Anwendungsfälle, die die konkrete Umsetzung der personalisierten Inhalte an relevanten Touchpoints wie im Webshop oder in Display-Anzeigen definieren. Spätestens hier sind unterschiedliche Teams und Disziplinen involviert, die – kommend aus ihrem bisherigen Gruppen-Silo wie etwa Analytics, Onsite- und Display-Marketing – eine eigene und meist einseitige Sicht auf Nutzer*innen und Daten haben und auch erst einmal „nur“ diese mit an den Tisch bringen. Hinzu kommt, dass nicht selten derselbe Anwendungsfall je nach Kanal abweichende Anforderungen an die konkrete Form der Datenlieferung mit sich bringt, die vom Data-Team verstanden und verarbeitet werden müssen. Damit unser Händler nachhaltigen Erfolg durch Personalisierung erreicht, ist eine bereichsübergreifende Definition der Zielsetzung und Erfolgsmessung, der Arbeitsprozesse und der Verantwortlichkeiten unabdingbar. Dies braucht Zeit und die richtige Einstellung der beteiligten Personen – beides Schwerpunkte des Change Managements.
„Daten konsolidieren, schafft die Voraussetzung. Die wirksame Anwendung der Daten erfolgt dadurch nicht von selbst.“
So fördern Sie erfolgreich eine Datenkultur in Ihrem Unternehmen
Fazit: Für nachhaltigen Erfolg sollte das Mindset hinter den Silos und den daraus entstandenen Sichtweisen angegangen werden. Das übergreifende Ziel für Unternehmen muss die Etablierung des datengetriebenen Arbeitens oder auch datenbasierten Entscheidens sein, das Experten- und Expertinnenwissen zulässt, zu starkes Gruppendenken jedoch verhindert.
Der hierfür benötigte Wandel in der Unternehmenskultur ist in der Verantwortung der Unternehmensführung, da Change Management nachweislich nur funktioniert, wenn es – im Idealfall mit Unterstützung von externen Profis – von oben angestoßen wird.
Datenbasiertes Arbeiten beginnt mit dem Schaffen der Voraussetzungen. Folgende Schritte sind hierfür nötig:
- Anwendungsfälle definieren und priorisieren und daraus abgeleitet benötigte Datenquellen und Anforderungen an die Überlieferung der Daten identifizieren: Wo benötigt es eine konsolidierte Sicht auf Daten? In welchem konkreten Format (z. B. Positiv-/Negativlisten vs. Delta) sollen sie übermittelt werden?
- Ist- und Sollzustand der Systemlandschaft: Wo liegen aktuell die Hürden? Wie sieht ein realistisches und doch zukunftsorientiertes Zielbild aus? Wo werden welche Daten gespeichert und wie sehen Datenflüsse zwischen den Systemkomponenten aus?
- Datenmanagement etablieren: Wie sieht die Governance des neuen Daten Frameworks aus? Welche Prozesse ergeben sich daraus und wer ist jeweils verantwortlich?
Parallel startet die Arbeit am datengetriebenen Mindset:
- Sollte es ein Projektteam geben, ist dieses cross-funktional aufgesetzt. Alle (wirklich alle) Beteiligten werden über partizipative Methoden wie z. B. dem Gegenstromverfahren involviert. Anwendungsfälle, Priorität und Projektvorgehen zur Umsetzung werden gemeinsam, d. h. teamübergreifend, definiert und beschlossen.
- Zukünftige Verantwortungsbereiche werden so früh wie möglich besprochen. Benötigt es ein dediziertes Data-Team? An welchen (übergreifenden) Stellen wird zukünftig konzipiert und umgesetzt? Erfordert dies eine Veränderung des heutigen Team-Setups? Frameworks wie OKRs (Objective and Key Results) fördern den Reflex, messbar und datenbasiert zu denken.
- Ein Kommunikationsplan begleitet das Vorhaben und alle Beteiligten sind informiert und involviert. Schulungen zum neuen Setup und Tooling runden den Wissenstransfer ab.
„Das Mindset hinter Datensilos zu verändern erfordert Durchhaltever- mögen. Verantwortliche sollten also keinesfalls vorzeitig das Handtuch werfen.“
So gelingt der StartSie müssen nicht direkt in ein aufwändiges Datenkonsolidierungs-Projekt einsteigen. Schaffen Sie die ersten Ansätze einer Datenkultur im Kleinen, indem Sie sich eine Fragestellung vornehmen und den oben skizzierten 6-Punkte-Plan in abgespeckter Variante in einem Tagesworkshop abarbeiten. Der Rahmen:
Die Agenda:
Im Idealfall stellt sich heraus, dass der Anwendungsfall mit Behelfslösungen und/oder in abgespeckter Form bereits ohne strukturelle Änderungen umsetzbar ist. Warum versuchen Sie nicht die Durchführung eines Pilot-Ansatzes und generieren daraus weitere Anforderungen? Kommend von dem richtigen Daten-Mindset bilden diese Anforderungen eine solide Grundlage für ein realisierbares Vorhaben zur Auflösung von Datensilos. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg! |

Autorin
Saskia Roch
Geschäftsführerin von ECC NEXT
Saskia Roch ist Geschäftsführerin von ECC NEXT, eine auf datenbasierte Digitalberatung und Strategie spezialisierte Tochtergesellschaft des IFH KÖLN. Ihre Berufung und Leidenschaft ist es, Unternehmen bei der Initiierung und Durchführung von Digitalisierungsprojekten mit Pragmatismus und Objektivität zu unterstützen. Daten stehen dabei immer im Mittelpunkt und werden flankiert von langjähriger Erfahrung im digitalen Umfeld sowie Insights zu Herausforderungen und Lösungen aus unterschiedlichsten Branchen.
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