Product Experience Management (PXM)
The next big Thing im E-Commerce?

Am 08. und 09. März fand in Paris die Unlock Konferenz des PIM-Anbieters Akeneo statt. Mehr als 1.000 internationale Teilnehmer waren vor Ort, um sich zu Neuigkeiten rund um Akeneo PIM sowie das Thema Produktdatenmanagement zu informieren und auszutauschen. Im Fokus des Events stand allerdings ein neues Hype-Thema, das aus unserer Sicht das Potential hat, zum nächsten großen “Ding” im Digital-Umfeld zu werden – Product Experience Management (PXM).
Was es damit auf sich hat und warum sich nahezu jedes Unternehmen, das sich mit Digitalisierung beschäftigt, damit intensiv auseinandersetzen sollte, versuchen wir in diesem Artikel zu erläutern.
Unterschiedlichste Studien zeigen, dass einer der wichtigsten Erfolgstreiber und zugleich auch einer der größten Differentiatoren sowie einer der größten Hebel für resilienten Digital Commerce das Thema der (Einkaufs-)Erlebnisse oder neudeutsch Experience ist – und zwar nicht nur im B2C-Umfeld, sondern immer stärker auch im B2B-Kontext.
Digital Experience ist die Basis für (digitale) Resilienz
Der Begriff Resilienz leitet sich vom Lateinischen “resilire” (für Zurückspringen oder Abprallen) ab und umfasst dabei Begriffe wie Anpassungsfähigkeit, Widerstandsfähigkeit sowie Selbsterhaltung. Ursprünglich war damit die physikalische Fähigkeit eines Körpers gemeint, nach Veränderung der Form wieder in seine Ursprungsform zurückzuspringen. In wirtschaftlich herausfordernden Zeiten mit erhöhter Dynamik – wie dies aktuell der Fall ist – ist das Thema der Resilienz wichtiger denn je.
Dies sehen auch bekannte Analystenhäuser wie z. B. IDC genau so. Unter Resilienz verstehen die Analysten von IDC in diesem Kontext widerstandsfähigen und zukunftsfähigen digitalen Handel. Dies ist dann der Fall, wenn jedes Unternehmen bzw. jede Organisation den E-Commerce als Ganzes begreift, indem Reibungsverluste reduziert, kanalübergreifend verkauft und ein einzigartiges Einkaufserlebnis geboten wird.
Resilienz hat auch viel mit Reife zu tun und häufig mangelt es gerade im Commerce-Umfeld eben an dieser Reife aufgrund folgender Problematiken:
- übermäßige Abhängigkeit von einem Kanal
- schlechte Produktinhalte
- viele Reibungsverluste
- statische Segmentierung
- isolierte Systeme (Silos)
Mangelnde Reife wird auch im Jahr 2023 einer der Hauptgründe für den Anstieg der IT- und Cloud-Kosten sein.
Unternehmen − unabhängig von Branchen und Größen − können ohne eine skalierbare und möglichst offene Systemarchitektur für den digitalen Handel sowie einer angemessenen Datenverwaltung nicht die nötigen Daten sammeln und einsetzen. Die Konsequenz daraus:
- Unternehmen sollten in Software investieren, die Ihnen hilft, in Zeiten hoher Dynamik und Komplexität die Führungskräfte und ihre Teams dabei zu unterstützen, effizienter und effek- tiver arbeiten zu können und verstärkt datengetriebene Entscheidungen zu treffen.
- Der Versuch “quick and dirty” Übergangslösungen bereit zu stellen, anstatt eine langfristige IT- und Datenstrategie anzustoßen, bedeutet aufgrund von Reibungsverlusten, Produktivitätsblockaden und Opportunitätskosten in den meisten Fällen langfristig mehr Aufwand, Stress und Zeitverlust.
Trends, die die Resilienz im digitalen Handel beeinflussen
Ausgangssituation | Trend | Konsequenz |
---|---|---|
Eine markeneigene Website | Allgegenwärtigkeit von Kanälen | Data-Journey Mapping |
Customer Journey Mapping | Datengetriebene Personalisierung => Data-Journey Mapping | Data-Journey Mapping |
Veraltete Strategie, geringe Automatisierung | Zukunftssicherer digitaler Handel | Komplexe Strategien, hohe Automatisierung |
B2B oder B2C, konsolidiertes Fulfillment | Radikales Experimentieren | B2B2C und B2X, verteiltes Order Management |
Transaktionaler Handel | Aufmerksamkeitsökonomie treibt Handel | Erlebnisorientierter Handel |
Quelle: IDC
Empfehlungen für zukunftssicheren Digital Commerce
1. Inkrementelle Einführung einer Microservice-Architektur
Beginnen Sie hier mit den Produkten: Priorisieren Sie demnach das Thema PIM als Fundament für erfolgreichen (Online-)Handel. Verfolgen Sie dann erst die unterschiedlichen Erfahrungen und Kanäle:
- Modularer Handel ist von zentraler Bedeutung, in einer Zeit in der über unterschiedlichste Kanäle eingekauft wird: Durch die Umgehung von allgemeinen, starren Vorgaben ermöglichen Headless-Commerce-APIs, dass über jeden Kanal d. h. jede Webseite/Webshop, jeden Sensor, jede mobile App etc. der Verkauf möglich wird.
- Sie wissen nicht, wo Sie mit Microservices anfangen sollen? Gehen Sie zurück zu den Grundlagen und konzentrieren Sie sich auf die Bereitstellung einer konsistenten Produkterfahrung (PX) mit einem entsprechenden PIM-System als Fundament für den digitalen Erfolg.
- Microservicebasierter Headless Commerce ermöglicht es Unternehmen, die jeweils passgenauesten Lösungen für PIM und OMS sowie für Web- und Mobilerlebnisse zu finden und einzusetzen.
Versuchen Sie, Microservices schrittweise einzuführen, anstatt sie komplett zu übernehmen und zu ersetzen. ICD empfiehlt, diese Reise mit einem Headless-PIM- oder OMS-System zu beginnen. Diese Produkte beeinflussen den sensibelsten Teil des Kundenerlebnisses – wenn das Produkt an- kommt und anhand der von den Marketingteams festgelegten Kundenerwartungen bewertet wird.
2. Einführung eines robusten Handelsmodells, das PXM als Fundament für die Erfassung, Organisation und Syndizierung von Produktdaten nutzt
Unabhängig davon, wie Ihr Unternehmen Kundendaten verwaltet, werden Produktdaten aus nachfolgenden Gründen immer eine sicherere und zum Start bessere Investition darstellen:
- Sie haben die Kontrolle über das Produkt und die Daten über das Produkt. Auch wenn Sie das gerne möchten: Kundschaft können Sie nicht kontrollieren – unabhängig davon wie viele Daten Sie erfassen.
- Produktdaten sind verhältnismäßig einfach zu erfassen und zu pflegen, solange Sie über das richtige PIM/PXM verfügen.
- Ein erster Fokus auf bestmögliche Produktdaten liefert den zusätzlichen Vorteil, dass er potenziell die Rücksendequoten reduzieren kann, da qualitativ hochwertige, konsistente Produktinformationen realistische Erwartungen wecken, wodurch die Käufer*innen immer wissen, was sie bekommen.

Im Rahmen des Resilient-Commerce-Modells hat ein produktbezogener Ansatz folgende Vorteile:
- Erstellung und Syndizierung eines soliden, passgenauen, angereicherten Produktkatalogs im Rahmen einer Strategie für unterschiedlichste Kanäle.
- Ein produktzentrierter Ansatz ist grundsätzlich nachhaltiger als ein kundenzentriertes Modell, da Sie die Produktdaten und damit die Darstellung der Produkte kontrollieren; zudem unterliegen Produkte im Allgemeinen nicht irgendwelchen Launen!
- Die Commerce-Technologie stellt die Umgebung für die Transaktionen bereit, präsentiert die Produkte und unterstützt den Verkauf.
- Qualitativ hochwertige Produktdaten und Darstellungen sowie eine positive öffentliche Meinung über Ihr Unternehmen führen zu einem Gefühl von hervorragender Kommunikation, Service und Vertrauen.
3. Vermeiden Sie es, die Kundenerfahrungen bis ins kleinste Detail zu steuern; dies kann paradoxerweise zu Frustration und Reibung in der Customer Journey führen.
- Konzentrieren Sie sich erst auf Ihre Produkte! Versuchen Sie, das Produktverhalten zu beobachten, anstatt sich auf Kunden und Kundinnen zu fixieren (Beispiele: Analyse der besten Verkäufer, Verweildauer auf bestimmten Produkt-Landingpages, Verkaufsrate usw.)
- Denken Sie daran, dass Personalisierung und andere datengesteuerte Erlebnisse nicht immer und vor allem nicht uneingeschränkt geschätzte Features sind.
- Eine schlecht gemachte Personalisierung kann nach hinten losgehen; Kunden und Kundinnen kontrollieren einen Großteil ihrer Erfahrungen selbst; wenn Ihr Customer Experience Design entsprechend Präferenzen und Kontrollmöglichkeiten sowie eine gewisse Transparenz nicht berücksichtigt, wird Ihr Unternehmen dadurch ungewollt Kundschaft verlieren.
- Die Gesetzgebung wird verlangen, dass automatisierte Produktempfehlungen in Zukunft eine Opt-Out-Option anbieten müssen; versuchen Sie, dies möglichst von Beginn an zu berücksichtigen.
Komponenten für bestmögliche Digital Experience
Digitale Erfahrungen (Digital Experiences) beziehen sich dabei auf die Interaktion zwischen Nutzer*innen und einem Unternehmen, die durch digitale Technologien und Touchpoints ermöglicht werden. Websites, mobile Apps, E-Commerce-Websites, Social-Media-Inhalte sowie verschiedenste Smart Devices bieten der Kundschaft, Partnern oder Mitarbeitenden, die mit einer Organisation interagieren, im Idealfall ein durchgängiges und bestmögliches, digitales Erlebnis.
Digital Experience kann dabei in drei aufeinanderfolgenden Wellen betrachtet werden:
1. Customer Experience (CX)
Inzwischen gibt es unterschiedliche Ausprägungen von Experiences, wobei bislang sehr häufig von Customer Experience (CX) gesprochen wird. Darunter versteht man, wie Kundschaft eine Marke oder ein Unternehmen wahrnimmt. Der Begriff bezieht sich dabei auf das Gesamterlebnis im Umgang mit der Marke oder dem Unternehmen über alle relevanten Touchpoints hinweg. Die Customer Experience beginnt demnach mit dem ersten wie auch immer gearteten Kontakt eines Interessenten und/oder Kunden mit einer Marke bzw. einem Unternehmen und wird unter anderem durch folgende Kontaktpunkte beeinflusst:
- Webauftritt (Webseite und/oder Onlineshop)
- Social Media Profile
- Kundensupport bzw. Kundenservice
- Offline-Kontakte z. B. durch Besuch einer Filiale
- Gelieferte Bestellungen und/oder Retouren
Wie bereits erwähnt, stellt die Customer Experience Unternehmen insofern vor größere Herausforderungen, weil es hier um die Kundschaft und das Kundenverhalten geht, das zwar gemessen werden kann und bei dem durch Ansätze wie Personalisierung versucht werden kann, den Kunden zu beeinflussen. Aber am Ende ist es immer nur ein Versuch, da die Kundschaft zuletzt immer selbst entscheidet und damit selbst im Fahrersitz bleibt.
Für eine umfassende Digital Experience ist nach unserem Verständnis neben der Customer Experience allerdings noch eine weitere Komponente notwendig, die als Fundament für umfassende Digital Experience über alle relevanten Touchpoints hinweg betrachtet werden muss. Die Rede ist hier von der noch relativ neuen Disziplin namens Product Experience (PX).
2. Employee Experience (EX)
Employee Experience Management (EEM oder EXM) wurde von Kaveh Abhari als ein Ansatz zur Schaffung positiver Erfahrungen für Mitarbeitende konzipiert, der zu positiven Kundenerfahrungen führt, indem er deren Erlebnisbedürfnisse ebenso betont wie das Erlebnismarketing für externe Kundschaft. Ähnlich wie beim internen Marketing handelt es sich bei EEM um einen internen Ansatz, bei dem die Mitarbeitenden (interne Kundschaft) vor der externen Kundschaft im Mittelpunkt stehen. EEM basiert auf dem Ziel, ein wünschenswertes Kundenerlebnis zu schaffen, wann immer Mitarbeitende mit Kunden und Kundinnen interagieren oder ihnen Informationen und Dienstleistungen zur Verfügung stellen. Ein weiteres Anliegen ist die Nutzung der Mitarbeitenden für die Erfüllung von Markenwertversprechen. EEM geht über das übliche Personalmanagement hinaus, indem es die Erfahrungen der Mitarbeitenden in Form von beruflicher und persönlicher Entwicklung belohnt.
Eine globale Umfrage zu den Trends im Bereich Humankapital, die auf mehr als 7.000 Antworten aus über 130 Ländern basiert, beschreibt den Paradigmenwechsel folgendermaßen: „Nach drei Jahren des Kampfes um das Engagement der Mitarbeitenden, sehen Führungskräfte die Notwendigkeit, die Organisation neu zu gestalten.“ In einer IDC-Umfrage vom Juli 2021 gaben 85 % der Befragten an, dass ein verbessertes Mitarbeitererlebnis und ein höheres Mitarbeiterengagement zu einem besseren Kundenerlebnis, einer höheren Kundenzufriedenheit und höheren Umsätzen führen.1

letzten 5 Jahren
3. Product Experience (PX)
Bei der dritten und aktuellsten Experience-Welle geht es, wie der Name bereits vermuten lässt, um Produkte und Produktdaten. Der enorm große Vorteil im Vergleich zur Customer Experience liegt hierbei in der Tatsache, dass es sich um Daten handelt, die zum einen relativ leicht erheb- und pflegbar sind und diese zum zweiten vollständig der Kontrolle des Unternehmens unterliegen, d. h. hier bleibt das jeweilige Unternehmen im Fahrersitz und kann die Product Experience damit nahezu vollständig selbst kontrollieren.
Bei Product Experience Management (PXM) handelt es sich um die hohe Kunst, jede Nachricht, Anzeige und jedes Angebot auf den jeweiligen Kanal und Touchpoint abzustimmen und gleichzeitig absolut genaue und transparente Produktdaten zu liefern. Gute PXM-Praktiken erfordern jedoch die richtigen Tools und das richtige Know-how. Sobald diese vorhanden sind, können Sie Ihre Produkte auf jedem Kanal und in jedem Markt bestmöglich darstellen und so ein einzigartiges Produkterlebnis bieten, das zu höherer Kundenzufriedenheit und damit erhöhtem Vertrauen, höheren Warenkörben, einer höheren Wiederkaufsrate sowie niedrigeren Retourenquoten führt, wodurch zusätzlich positiver Impact auf das Thema der Nachhaltigkeit erzeugt wird.
Product Experience | Customer Experience |
---|---|
Aktivierung & Business Apps | Engagement |
Plattform/DB für Produktdaten | Plattform/DB für Kundendaten |
Produktdaten | Kundendaten |
Mögliches Tool: Akeneo Product Cloud | Mögliches Tool: Adobe Experience Cloud |
=> Digital Experience (Plattform) |
Vereinfacht formuliert, kann für die Bereitstellung bestmöglicher Digital Experience folgende Formel verwendet werden:

Auswirkungen von guter Digital Experience

Fazit
Product Experience Management ist das Fundament für digitalen Erfolg in der Zukunft, welches durch nachfolgende Ansätze schrittweise eingeführt bzw. umgesetzt werden kann:
- Schrittweise Einführung einer modularen Commerce-Technologie (API first)
- Steigerung von Umsatz und Reichweite durch Syndizierung, die sicherstellt, dass konsistente, akkurate Produktinhalte immer dort verfügbar sind, wo Kundschaft einkauft (Ubiquität der Kanäle)
- Schaffung eines stabilen Fundaments für Customer Experience, Marketing und E-Commerce indem Sie sich auf Ziele und Komponenten konzentrieren, die Sie selbst kontrollieren können (Produkte)
- Entwicklung einer größeren digitalen Reife, beginnend mit den Produkten
- Schaffung bestmöglicher Kundenbeziehungen, selbst bei noch niedrigem digitalen Reifegrad
- Verbesserung der Kundenbindung durch Einführung und Nutzung intelligenterer Technologien und Prozesse
- Senkung der Betriebskosten durch Automatisierung von Promotion- und Vertriebs-Aktivitäten mit PXM

Autor
Josef Willkommer
Chefredakteur eStrategy-Magazin
Als Mitgründer und Geschäftsführer der TechDivision GmbH, einer der führenden Adobe-Partner in der DACH-Region, beschäftigt sich Josef Willkommer seit vielen Jahren sehr intensiv mit E-Commerce, Digitalisierung und Online-Marketing. Darüber hinaus ist er als Chefredakteur des eStrategy-Magazins sowie als Autor diverser Fachbeiträge rund um E-Commerce und Digitalisierung auch journalistisch tätig. Neben diversen Beratungstätigkeiten für unterschiedlichste Unternehmen trifft man ihn bei diversen Fachkonferenzen zudem als Speaker zu E-Commerce- und Digitalisierungsthemen an.