Gesundheitsdaten
Qualitätskatalysator in der Versorgung

Rufe nach einer besseren Datennutzung im deutschen Gesundheitswesen sind mindestens so laut wie jene nach einem wirksamen Datenschutz. Beides ist wichtig und muss miteinander in Einklang gebracht werden. Wie können wir Gesundheitsdaten also möglichst zielgerichtet und im Sinne einer besseren Versorgung einsetzen?
Eine Rückbesinnung auf den Mehrwert für den einzelnen Patienten könnte helfen, die richtigen Abwägungen im Umgang mit Gesundheitsdaten zu treffen. Dazu braucht es konkrete Beispiele. Eines ist der Einsatz robotischer Assistenzsysteme in der Gelenkchirurgie (Endoprothetik), die auf Basis von Computertomographie (CT) eine Patienten-individuelle OP-Planung und Durchführung sowie klinische Entscheidungsunterstützung bieten. Um wertvolle Informationen für Patient und Arzt entlang des gesamten Behandlungspfades bereitzustellen, kann diese Technologie in ein Datenökosystem eingebettet werden. Anhand dieses Beispiels wird deutlich: Die Nutzung von Gesundheitsdaten kann ein wichtiger Katalysator für Qualität in der Versorgung sein, denn Patienten, die einen Hüft- oder Kniegelenkersatz benötigen, können von besseren Behandlungsergebnissen1 und mehr Lebensqualität2 profitieren.
Qualitätsgefälle bei endoprothetischen Eingriffen in Deutschland
Gelenkverschleiß (medizinisch: Arthrose) ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen in Deutschland. Mehr als die Hälfte der über sechzig Jährigen leiden darunter.3 Geschädigte Gelenke sind nicht nur schmerzhaft, sondern beeinträchtigen auch die Beweglichkeit und die Lebensqualität der Betroffenen.
Ein künstlicher Gelenkersatz (Implantat) kann hier Abhilfe schaffen. In vielen deutschen Klinken gehört dieser operative Eingriff am Hüft- oder Kniegelenk zum medizinischen Alltag. Allein in 2019 wurden rund 450.000 solcher OPs vorgenommen.4 Erstaunlich ist: Trotz ihrer Häufigkeit variiert die Qualität der Eingriffe je nach Krankenhaus stark. Eine Studie zeigt, dass es in Deutschland beim Hüft- und Knieersatz eine zehn- bis zwölffach höhere Re-Interventionsrate in den Krankenhäusern mit den schlechtesten gegenüber jenen mit den besten Behandlungsergebnissen gibt.5 Während also viele Patienten nach der OP ein schmerzfreies Leben führen können, klagen andere in Folge über Schmerzen und sind dementsprechend mit dem Eingriff unzufrieden.6 Grund dafür ist zumeist eine Fehlpositionierung des Implantates bzw. des Gelenkersatzes – das zeigen unter anderem Daten der AOK.7 Komplikationen nach der OP sind nicht nur eine Belastung für den Patienten, sondern kommen auch dem Gesundheitssystem teuer zu stehen. So kostet etwa eine weitere OP zwischen 10.000 und 20.000 Euro – Reha und Nachsorge nicht inbegriffen. In Anbetracht der Qualitätsvarianz in der Gelenkchirurgie stellt sich die Frage, wie man zuverlässiger Behandlungserfolge erzielen kann. Eine Antwort hierauf lautet wenig überraschend: mit Daten.
Mit Daten zu mehr Behandlungserfolg in der Endoprothetik
Eine datenbasierte Entscheidungsunterstützung für Patienten und Ärzte entlang des gesamten Behandlungspfades kann dazu beitragen, dass der endoprothetische Eingriff personalisierter und präziser wird. Auf Basis von Daten gelingt eine Behandlung, deren Etappen – von der Diagnose, über den Eingriff selbst bis zur Nachsorge – individuell auf den Patienten zugeschnitten sind. Auch die Sichtweise des Patienten auf die Krankheit sowie die Therapie kann durch Daten eingefangen werden. Wie das konkret funktioniert, lässt sich am Beispiel der robotikassistierten Gelenkersatzchirurgie veranschaulichen.
Systeme für die roboterassistierte Gelenkersatzchirurgie werden aktuell in den drei Bereichen totale bzw. partielle Knie-Endoprothetik und totale Hüft-Endoprothetik eingesetzt. Die Technologie bietet eine CT-basierte, patientenindividuelle OP-Planung und -Durchführung sowie klinische Entscheidungsunterstützung. Ihr Herzstück ist der Roboterarm, der während der OP zum Einsatz kommt. Bei der Vorbereitung des Knochens für das Implantat steuert der Chirurg den Roboterarm in einem abgegrenzten Bereich, der zuvor im individuellen prä-operativen Plan festgelegt wurde. Das System hilft dem Chirurgen, sich ausschließlich innerhalb der Grenzen des geplanten Bereichs zu bewegen. Im Vergleich zur manuellen OP-Methode, deren Erfolg größtenteils von der „ruhigen Hand“ des Chirurgen abhängt, kann dank der haptischen Steuerungstechnologie des Roboterarms der Eingriff nicht nur knochen- und weichgewebesparender8,9, sondern auch präziser10,11 erfolgen. Um wertvolle Informationen für Patient und Arzt entlang des gesamten Behandlungspfades zu bieten, kann das robotische Assistenzsystem in ein Datenökosystem eingebettet werden, das aus einem Datenanalysetool* sowie einer digitalen Patientenplattform besteht.
Vor der OP
In Vorbereitung auf die OP können mit Hilfe einer digitalen Patientenplattform, auf die der Patient z. B. über eine nutzerfreundliche Smartphone-Applikation zugreifen kann, demografische Daten und Informationen zur Krankengeschichte (Anamnese) gesammelt werden. Über eben jene Plattform können auch prä-operative Patient Reported Outcomes (PROMs) erhoben werden, die dazu beitragen, den Zustand des Patienten besser zu verstehen und im Verlauf die Ergebnisqualität des Eingriffes aus der Patientenperspektive zu bewerten. Darüber hinaus kann – ebenfalls über die digitale Patientenplattform – eine patientenindividuelle Prähabilitation erfolgen. Analog zur Rehabilitation sollen so Kraft, Beweglichkeit und Ausdauer des Patienten bereits vor dem Eingriff aufgebaut werden, um das Komplikationsrisiko zu verringern. Hierzu müssen Aktivitätsdaten erfasst werden, die den Gesundheitszustand des Patienten dokumentieren. Diese Datenerfassung kann jedoch nur erfolgen, wenn der Patient die Applikation auf seinem Smartphone oder Wearable aktiviert und die entsprechenden Nutzungsrechte vergeben hat.
Vor dem Eingriff selbst wird zunächst eine CT des Gelenks durchgeführt. Auf dieser Grundlage werden dann ein virtuelles 3D-Modell der individuellen Anatomie des Patienten und ein personalisierter OP-Plan erstellt. Beides wird schließlich in die Software des robotischen Assistenzsystems eingespielt.
Während der OP
Der Chirurg führt die OP auf Basis des prä-operativen Plans und mit Hilfe des Roboterarms aus. Dabei kann der Operateur den Plan während des Eingriffs nach Bedarf auf Basis von live OPDaten anpassen, um das Implantat nicht nur in Abhängigkeit von der knöchernen Referenz, sondern auch unter der Berücksichtigung der Bänderspannung zu platzieren und neu auszurichten.
Nach der OP
Nach dem Eingriff können Daten zu post-operativen PROMs (patientenrapportierte Ergebnisnachverfolgung) sowie zur Zufriedenheit Aufschluss über den Ausgang des Eingriffs aus Sicht des Patienten geben. Zusammen mit Patientendaten zum Physiotherapieerfolg, zur Adhärenz (d. h. der Bereitschaft des Patienten, bei diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen mitzuwirken) und zum Aktivitätsniveau kann so der individuelle Behandlungserfolg sichtbar werden. Alle diese Daten können ebenfalls über die digitale Patientenplattform erhoben und DSGVOkonform mit dem Datenanalysetool verbunden werden. So werden die OP- und Prozessdaten mit jenen aus der Patientenplattform verknüpft sowie in einem intuitiv gestalteten Dashboard dargestellt und analysiert. Daraus ergibt sich ein umfassendes Bild zum Resultat des Eingriffes, das dem medizinischen Fachpersonal zur kontinuierlichen Verbesserung des Behandlungsansatzes und zum Benchmarking zur Verfügung gestellt werden kann.
Datennutzung muss Patientennutzen entsprechen
Gesundheitsdaten sind sensibel. Ihre Nutzung muss gerechtfertigt sein und höchsten datenschutzrechtlichen Standards entsprechen. Nichtsdestotrotz: Wenn es um diese Art von Daten geht, müssen wir auch hierzulande gleichermaßen Meister der Datennutzung und des Datenschutzes werden. Das sind wir vorrangig Patienten aber auch den Leistungserbringern und Kostenträgern schuldig.
Unser Gesundheitssystem steht vor immensen Herausforderungen. Der demografische Wandel oder auch die Covid-19-Pandemie setzen der nachhaltigen Finanzierbarkeit des deutschen Gesundheitswesens zu. Das sollte jedoch nicht zu Lasten der Patientenversorgung gehen. Vielmehr ist es gerade in diesen Zeiten wichtig, beständig die Qualität der Versorgung zu verbessern. Mehr Fokus auf Qualität kann nämlich nicht nur Kosten im Gesundheitswesen sparen, da Folgenbehandlungen oder lange Klinikaufenthalte vermieden werden können, sondern auch zur Zufriedenheit des einzelnen Patienten beitragen, der so schnell wie möglich wieder in sein normales Leben zurückkehren kann.
Am oben skizzierten Beispiel aus der Endprothetik wird deutlich, dass für mehr Qualität (und Kosteneffektivität) die Auswertung von Daten essenziell ist. Sie liefern wertvolle Erkenntnisse für eine personalisierte Behandlung, die Ergebniskontrolle (auch aus Sicht des Patienten) und das Benchmarking unter Leistungserbringern. Der Einsatz für mehr Qualität muss vom Gesundheitssystem aber auch anerkannt und incentiviert werden. Mit den Qualitätsverträgen zwischen Kliniken und Krankenkassen gibt es in Deutschland bereits ein geeignetes Instrument, das auch in der endoprothetischen Gelenkversorgung Anwendung findet. Ziel von Qualitätsverträgen ist es, zu erproben, ob sich durch die Vereinbarung von Anreizen mit höherwertigen Qualitätsanforderungen und unter Einsatz innovativer Technologie eine Verbesserung der stationären Versorgung erreichen lässt. PROMs aber auch klinische Daten werden unter anderem hier als Bewertungsmaßstab herangezogen. Derzeit sind Qualitätsverträge auf vier Leistungsbereiche beschränkt – im nächsten Jahr sollen weitere vier hinzukommen. Für eine flächendeckende Qualitätskultur bedarf es jedoch einer Ausweitung dieser Verträge auf ein größeres Leistungsspektrum.
Mit mehr Qualitätsmessung und Nutzung dieser Daten in Echtzeit zur Entscheidungsunterstützung schaffen wir im deutschen Gesundheitssystem eine Basis für eine kontinuierliche Versorgungsoptimierung, einen gesunden Wettbewerb um die beste Qualität sowie mehr Transparenz im Sinne des Patienten, der die Klinik mit den besten Behandlungsergebnissen ausfindig machen kann.

Autorin
Sophie Meiser
Managerin Government Affairs bei Stryker
Sophie Meiser ist studierte Politologin mit Fokus auf Gesundheitspolitik. Nach Stationen im Bundesministerium für Gesundheit, bei der Bayer AG und dem europäischen Medizintechnikverband MedTech Europe ist sie seit 2021 bei dem Medizintechnologieunternehmen Stryker als Managerin Government Affairs für Deutschland tätig.
Disclaimer:
Ein Chirurg muss sich immer auf sein eigenes professionelles klinisches Urteilsvermögen verlassen, wenn er entscheidet, ob er ein bestimmtes Produkt bei der Behandlung eines bestimmten Patienten verwendet. Stryker erteilt keine medizinischen Ratschläge und empfiehlt, dass Chirurgen in der Anwendung von Produkten geschult werden, bevor sie sie in der Chirurgie einsetzen.
Die dargestellten Informationen sollen die Breite des Produktangebots von Stryker aufzeigen. Ein Chirurg muss immer die Packungsbeilage, das Produktetikett und/oder die Gebrauchsanweisung lesen, bevor er eines der Produkte von Stryker verwendet. Die Produkte sind möglicherweise nicht in allen Märkten erhältlich, da die Produktverfügbarkeit von den regulatorischen und/oder medizinischen Gegebenheiten in den einzelnen Märkten abhängt. Bitte wenden Sie sich an Ihren Vertriebsmitarbeiter, wenn Sie Fragen zur Verfügbarkeit der Produkte in Ihrer Region haben.
*Der Zugriff auf das Datenanalysetool oder die Datenanalysemöglichkeiten erfordert den Abschluss einer separaten Vereinbarung. Die Verfügbarkeit des Datenanalysetool oder der Datenanalysemöglichkeiten kann je nach Land variieren. Bitte sprechen Sie mit Ihrem Vertriebsmitarbeiter, um weitere Informationen zu erhalten.