Arbeitnehmer & -geber: Gemeinsame Interessen in Einklang bringen
Interview mit Claire Rosenthal (Head of People, Leapsome)

Die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden nachhaltig erfüllen: Das ist der Anspruch an die Arbeitgeber der Zukunft. Der Fachkräftemangel sorgt dafür, dass es zu einem Muss wird, sich am Bedarf der Talente auszurichten – ohne dabei die Interessen des eigenen Unternehmens zu vergessen. Wie kann das gelingen und was haben New Work, Digitale Empathie und People Enablement damit zu tun?
eStrategy-Content-Managerin und -Redakteurin Eva Hausruckinger hat mit Leapsome Head of People Claire Rosenthal darüber gesprochen.
Hallo Claire, „New Work“ ist in aller Munde. Was ist das genau?
Was viele nicht wissen, ist, dass es sich bei „New Work“ gar nicht um ein neues Phänomen handelt. Was heutzutage als „New Work“ bezeichnet wird, hat seine Wurzeln in den Vereinigten Staaten der 80er Jahre. Der Sozialphilosoph Frithjof Bergmann war einer der Ersten, die den Begriff „New Work“ prägten. Er plädierte für ein Gegenkonzept zur damaligen Arbeitskultur, in der es vor allem um Produktivität und Effizienz ging. Die Arbeitskultur, die ihm vorschwebte, sollte vielmehr den Menschen und die Sinnhaftigkeit der Arbeit in den Fokus rücken.
40 Jahre und eine weltweite Pandemie später stehen wir wieder vor der Frage: Wie sieht die Zukunft des Arbeitens aus? Die Pandemie war zweifelsohne eine Zäsur, die eine gesellschaftliche Debatte darüber entfachte, wie unsere Arbeitskultur im neuen Normal aussehen könnte. Denn wir haben gelernt, dass Remote-Arbeit in vielen Bereichen großartig funktioniert. Managende und Führungskräfte haben erkannt, dass sie ihren Teams vertrauen können und dass vieles ohne permanente Kontrolle sogar besser funktioniert. Vor allem aber wissen wir, dass in unserer modernen Arbeitswelt, in der Kreativität und permanentes Lernen die Grundlage für Innovation und Fortschritt bilden, Produktivität und Effizienz Hand in Hand gehen mit einem Fokus auf jeden einzelnen Menschen.
Moment. Geht es nun um Produktivität und Effizienz oder um Freiräume und Selbstverwirklichung?
Sowohl als auch! Es ist ein weit verbreitetes Missverständnis, dass Freiräume nicht strukturiert werden können. Es geht genau darum, Mitarbeitenden Orientierungshilfe und Unterstützung zu bieten. Welche Ziele sollen sie erreichen? Was müssen sie dafür lernen und wissen? Was können sie schon, was fehlt? Wollen sie sich eventuell in eine ganz andere Richtung weiterentwickeln? Organisationen können ihren Mitarbeitenden heutzutage sehr individuell und gezielt unter die Arme greifen, beispielsweise mit datenbasiertem konstruktivem Feedback. Erst dann ergeben Freiräume und Selbstverantwortung überhaupt Sinn. Versetzen Organisationen ihre Mitarbeitenden nicht in die Lage, Mehrwert für sich selbst und die Organisation zu erbringen, fühlen sie sich schnell überfordert oder gestresst.
Wieso ist „New Work“ so stark in den öffentlichen Diskurs gerückt?
Einerseits liegt das an makroökonomischen Verschiebungen: Bis zum Jahr 2030 könnten hierzulande laut des Instituts der Deutschen Wirtschaft rund fünf Millionen Fachkräfte fehlen. Der Wettbewerb um Talente verschärft sich also. Zudem haben die Generation Z und Millennials, welche die Babyboomer als bis dato größte Gruppe auf dem Arbeitsmarkt abgelöst haben, ein anderes Mindset. Die jüngeren Generationen streben nach Karrieren mit Sinn und einer guten Work-Life-Balance. Vor allem aber möchten sie sich am Arbeitsplatz entfalten und weiterentwickeln. Es ist schön zu sehen, dass viele Unternehmen die Zeichen der Zeit erkennen und HRProzesse auf diese Bedürfnisse einstellen. Sie haben verstanden, dass es hier nicht um einen Obstkorb oder Kickertisch geht, sondern darum, Mitarbeitende bestmöglich zu unterstützen – und zwar so, dass sich jede und jeder Einzelne individuell entwickeln kann. Denn letztendlich kommt diese Weiterentwicklung der Organisation als Ganzes zu Gute.
Mit Leapsome habt ihr euch dafür „People Enablement“ auf die Fahne geschrieben. Eine Eins-zu-eins-Übersetzung ins Deutsche ist gar nicht so einfach. Was verbirgt sich hinter diesem noch recht jungen Phänomen?
Unsere Plattform für People Enablement ist ein digitales Toolkit für die Befähigung und Förderung von Mitarbeitenden. Helfen Unternehmen ihren Mitarbeitenden dabei, ihr Potenzial zu entfalten, sind sie nicht nur zufriedener, sondern auch produktiver. Zudem bestätigen zahlreiche Studien, dass zufriedene Mitarbeitende seltener ausfallen, während mangelnde berufliche Perspektiven zu mehr Fluktuation führen. Leapsome hilft Organisationen, ihre Mitarbeitenden zu binden und die Zeit, die Menschen am Arbeitsplatz verbringen, sinnvoll zu gestalten – auf einer digitalen Plattform.
Wie genau funktioniert das?
Wir setzen dafür auf eine benutzerfreundliche und flexible All-in-one-Lösung für OKRs, Feedback, Mitarbeiter- und Entwicklungsgespräche, Engagement-Umfragen, Lernpfade sowie Lohnund Gehaltsmanagement. Zudem vereinfacht Leapsome das Onboarding neuer Mitarbeitender und die Unterstützung von Remote-Teams. Durch den modularen Aufbau können sich Organisationen flexibel für einzelne oder alle Funktionen entscheiden. Sie können auch auswählen, welche und wie viele Mitarbeiter*innen die Plattform nutzen. Der Preis variiert dabei nach der Anzahl der Mitarbeitenden und Module. Einige unserer Kunden sind zunächst mit einzelnen Modulen und Mitarbeitenden gestartet und haben Leapsome dann rasch in der vollen Funktionalität implementiert. Der Clou an unserer Plattform ist die intelligente Verknüpfung der einzelnen Module: Beispielsweise kann ich Mitarbeitenden dank fortschrittlicher Personalanalysen und 360°- Reviews datengestütztes Feedback geben und sie entsprechend ihrer abgebildeten Leistung und ihres Fortschritts vergüten. Das ist fair.
Und inwiefern hängen People Enablement und die sich ändernden Bedürfnisse jüngerer Generationen zusammen?
Arbeitszeit und Lebenszeit rücken für die Gen Z und Millennials näher zusammen. Im Laufe des Lebens verbringen Menschen im Schnitt über 80.000 Stunden am Arbeitsplatz. Millennials und Gen Z berufen sich darauf, dass Arbeitszeit schlussendlich auch Lebenszeit ist. Sie fordern ihre Unternehmen auf, dies zu respektieren und wollen entsprechend unterstützt und wertgeschätzt werden. People Enablement ist für Organisationen die effektivste Lösung, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Individuelle Lernpfade, wertvolles Feedback basierend auf erbrachten Leistungen, gemeinsam definierte OKRs und transparente Vergütungs- und Beförderungsentscheidungen sind dank intelligenter Software ganz einfach abbildbar. Automatisierte Prozesse vereinfachen viele Arbeitsschritte, damit Personaler*innen die Zeit gewinnen, sich um die Belange der Mitarbeitenden zu kümmern. Das erhöht die Mitarbeiterzufriedenheit, sorgt dafür, dass alle Teammitglieder zum Erreichen der Unternehmensziele beitragen und steigert die Produktivität.
Das heißt, es geht gar nicht um ein Gegeneinander von Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden, sondern darum, die gemeinsamen Interessen durch Digitalisierung und Automatisierung in Einklang zu bringen?
Genau, Einklang ist das richtige Wort. Der Staffelstab wird gerade von einer Generation zur nächsten gereicht. Die „New Work“-Debatte ist nichts anderes als ein Roundtable, an dem alle Akteure ihre Karten auf den Tisch legen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Wer glücklich und zufrieden ist, arbeitet produktiver, ist seltener krank und bleibt länger beim gleichen Arbeitgeber – eigentlich ganz logisch. People Enablement ist der Schlüssel für Organisationen, um diesen Einklang zu erreichen.
Vielen Dank für das Gespräch, Claire!

Interviewpartnerin
Claire Rosenthal
Head of People & Culture bei Leapsome
Claire Rosenthal ist Head of People & Culture bei Leapsome, einer People- Enablement-Plattform. Sie arbeitet mit ihrem Team daran, Menschen in ihrer Arbeitszufriedenheit und Produktivität zu stärken.