Mentale Gesundheit in einer hybriden Arbeitswelt
Führungskräfte sollten das Wohlergehen ihrer Mitarbeitenden als höchste Priorität betrachten

Zwei Jahre Pandemie liegen hinter uns. Zwei Jahre im Homeoffice, voller Zoom-Call-Marathons und wenig direktem Kontakt zu Kollegen und Kolleginnen. Zwei Jahre, in denen wir uns an die neue Normalität gewöhnt haben. Für viele Angestellte geht es jetzt allerdings zurück an den Schreibtisch im Büro, zumindest für einige Tage in der Woche. Die neue Normalität heißt „hybrides Arbeiten“ und birgt ebenso Herausforderungen für Führungskräfte.
Das Ende der Homeoffice-Pflicht stellt für viele Angestellte einen zusätzlichen Stressfaktor dar. Durchgängig hohe Inzidenzen und unsichere Bedingungen lassen eine Rückkehr ins Büro wenig verlockend erscheinen. Wer sich hingegen entscheidet, weiterhin im Homeoffice zu arbeiten, könnte befürchten, den Anschluss zu Kollegen und Kolleginnen vor Ort zu verlieren. Depressionen und Angstzustände haben sich während der Pandemie verstärkt, der Krieg in der Ukraine und die aktuellen Prognosen der Klimaforscher kommen erschwerend hinzu. Die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden rückt daher immer weiter in den Vordergrund. Führungskräfte sind jetzt mehr denn je gefordert, einen positiven Einfluss auf die mentale Gesundheit ihrer Angestellten zu nehmen.
Mental Health ist Führungsaufgabe
Um es kurz zu machen: Es ist entscheidend für Führungskräfte, dass sie einer ausgewogenen Work-Life-Balance einen hohen Stellenwert beimessen. Dabei hilft eine mitarbeiterzentrierte Geschäftsstrategie, mit der Stressfaktoren wie Überforderung, eine zu hohe Arbeitsbelastung sowie undeutliche oder widersprüchliche Vorgaben vom Unternehmen von vornherein vermieden werden. Einer zusätzlichen Belastung der mentalen Gesundheit wird somit vorgebeugt. Besonders Mitarbeitende im Kundenservice fühlen sich stark belastet – laut einer Umfrage1 sehen sich weniger als 30 % der Supportmitarbeiter*innen in der Lage, ihre Arbeit in zufriedenstellendem Maße zu verrichten.
Damit es nicht zu Kündigungswellen und belastungsbedingten Ausfällen kommt, müssen Unternehmen ihre Mitarbeitenden unterstützen, wo sie können und die dafür benötigten Ressourcen bereitstellen. Einige Firmen sind bereits dabei, genau das zu tun. So gewährt Microsoft seinen Mitarbeitenden beispielsweise zusätzliche Urlaubstage, um pandemiebedingten Stress zu senken und Zendesk hat den „Recharge Friday“ eingeführt: Jeder zweite Freitag im Monat ist für alle Angestellten frei und kann genutzt werden, um neue Energie zu schöpfen und sich mehr um das eigene Wohlbefinden zu kümmern. Auch eine Erhöhung der „Kindkrank-Tage“ für Eltern und kleine Aufmerksamkeiten, wie Wellness-Gutscheine oder monetäre Ausgleiche für erhöhte Nebenkosten im Homeoffice, können eine große Wirkung erzielen. Um auch auf lange Sicht einen positiven Effekt auf das psychische Wohlbefinden der Mitarbeitenden zu haben, braucht es allerdings längerfristige Strategien.
Strategien zum Erhalt der mentalen Gesundheit
Dauerhaftes Umdenken und eine Weiterentwicklung in der Mentalität sowie der Kultur eines Unternehmens sind notwendig, um abseits von einmaligen Boni einen nachhaltigen Effekt zu erzielen. Dabei ist Flexibilität ein zentrales Element. Während der Pandemie wurde es deutlicher sichtbar als je zuvor: es braucht keine strikte Einhaltung von Arbeitszeiten, um Ziele zu erreichen und Erfolge zu erzielen. Der Wunsch sowie die Notwendigkeit flexibler Arbeitszeitmodelle sind während der Pandemie noch einmal verstärkt worden. Viele Berufstätige wollen diese Flexibilität nun nicht mehr aufgeben. Unternehmen müssen lernen, ihren Angestellten zu vertrauen und es ihnen selbst überlassen, ein Gleichgewicht zwischen Arbeitszeit und Zielsetzungen zu definieren. Am Ende des Tages kommt es auf die persönliche Leistung an – nicht darauf, wann und wo diese erbracht worden ist. So können sowohl Frühaufsteher als auch Nachteulen ihrem persönlichen Rhythmus folgen – natürlich stets in Absprache mit den Kollegen und Kolleginnen. Auch strikte Vorgaben, an wie vielen oder an welchen Tagen Mitarbeitende im Büro zu erscheinen haben, sollten der Vergangenheit angehören. Durch flexible Arbeits(zeit)modelle wird mentale Gesundheit ganz natürlich zum festen Bestandteil der Unternehmensphilosophie.
Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter hat eigene Ängste, Bedürfnisse und Wünsche. Deswegen müssen Unternehmen ihre Führungskräfte schulen und befähigen, sich ganz individuell auf diese Bedürfnisse einzustellen. Unternehmensrichtlinien, die das Wohlbefinden fördern und Stress abbauen, können Mitarbeitende ermutigen und dabei unterstützen, sich um ihre eigene Gesundheit zu kümmern. Beispiele dafür wären Gesundheits- und Wellness-Trainings, Sonderurlaub für pflegende Angehörige oder „Zoom-freie“ Tage, an denen Mitarbeitende sich eine Auszeit von der Kamera nehmen können.
Kommunikation und Empathie als Schlüssel zu mentaler Gesundheit
Die Ursachen für Stress, soziale Ängste und mentales Unwohlsein könnten unterschiedlicher nicht sein – und sowohl im Privatleben als auch im Arbeitsumfeld ist es für die mentale Gesundheit unabdingbar, darüber zu reden und sich auszutauschen. Unternehmen sollten eine Umgebung schaffen, in der Mitarbeitende sich ermutigt und sicher fühlen sowohl berufliche Belastungen als auch Dinge, die außerhalb der Arbeit ihre Aufmerksamkeit erfordern, offen anzusprechen. Das kann eine Community für Eltern sein, eine bestimmte Ansprechperson im Unternehmen, eine wöchentliche Sprechstunde oder eine Sorgen-Hotline. Auch sogenannte Employee Resource Groups oder Empathie-Kreise können Mitarbeitenden als sicherer Ort dienen, um über ihre Bedürfnisse zu reden und sich auszutauschen. Ein solcher Austausch ist auch außerhalb des Arbeitsplatzes wichtig für das eigene Wohlbefinden – sowohl vor Ort als auch digital. Es ist wichtig, dass diese Möglichkeiten sowohl im Büro als auch im Homeoffice zur Verfügung stehen, sodass alle Mitarbeitenden integriert sind. Auch digitale Angebote wie Mental-Health-Apps eignen sich zur emotionalen Unterstützung – insbesondere für Mitarbeitende, die lieber privat mit professionellen Coaches oder Therapeut*innen sprechen möchten.
Führungskräfte sollten ihren Angestellten deutlich machen, dass es kein Zeichen von schlechter Arbeitsmoral ist, mehr als nur eine Verpflichtung zu haben. Und sie sollten ihren Angestellten zeigen, dass sie ein Recht auf Feierabend und Freizeit haben. In dieser Beziehung haben die Franzosen die Nase vorn: in Frankreich ist es verboten, Mitarbeitenden nach der üblichen Arbeitszeit noch E-Mails zu schicken. Doch brauchen wir wirklich ein Gesetz, das uns bestätigt, dass wir uns unsere Auszeit tatsächlich verdient haben?
Führungskräfte sollten nicht nur informieren und aufklären, sondern ihren Teams vor allem mit Empathie und Einfühlungsvermögen begegnen. Dabei ist es weniger bedeutend, dass sie für alles direkt eine Antwort oder eine Lösung parat haben. Wichtig ist, dass auch Ungereimtheiten offen kommuniziert werden, wodurch weniger Raum für Unklarheiten und Spekulationen bleibt. Mitarbeitende erkennen dann, dass ihre Fragen und Sorgen ernst genommen werden und sie damit nicht allein sind. Für eine offene Kommunikation kann auch ein Helpdesk eine gute Unterstützung sein. Helpdesk-Systeme stärken die Kundenzufriedenheit, können aber ebenso die Moral der Mitarbeitenden stärken und ein besseres Support-Erlebnis bieten.
Hilfe zur Selbsthilfe
In Zeiten des hybriden Arbeitens, in denen man bei Problemen nicht mal eben an die Tür der HR-Abteilung klopfen kann, bietet ein interner Helpdesk mit Wissensdatenbank eine wichtige Unterstützung: Er dient als zentrale Stelle, an der Mitarbeitende teamübergreifend rund um die Uhr Fragen und Antworten austauschen können und wichtige Informationen teilen sowie erhalten können. So fühlen Mitarbeitende sich verbunden, unterstützt und einbezogen – auch wenn sie in den eigenen vier Wänden sitzen und nicht gemeinsam im Büro.
Work-Life-Balance statt „Always-on“-Kultur
Die letzten zwei Jahre waren nicht einfach, sowohl für Angestellte als auch für Arbeitgeber. Eine gesunde Work-Life-Balance ist in solchen Zeiten besonders wichtig. Unternehmen sollten ihre Mitarbeitenden dabei unterstützen, die richtige Balance zu finden. Dies gelingt, wenn sie beispielsweise „Always-on“-Kulturen unterbinden – diese tun weder der mentalen Gesundheit noch der Arbeitsleistung einen Gefallen. Wenn die Pandemie uns eines gelehrt hat, dann, dass das psychische Wohlbefinden auch im Arbeitsalltag kein Tabuthema sein sollte und in jeder Lebenssituation einen festen Platz hat. Unternehmen sollten ihren Mitarbeitenden genügend Freiraum und Flexibilität bieten, sich selbst zu verwirklichen und ihr mentales Wohlbefinden zu erhalten. In unserem „New Normal“, der hybriden Arbeitswelt der Zukunft, werden uns die Erkenntnisse der letzten zwei Jahre zweifellos nützlich sein. Was zählt, ist, dass wir sie nutzen, um der mentalen Gesundheit am Arbeitsplatz den Stellenwert beizumessen, den sie verdient.

Autorin
Tanja Hilpert
Regional Vice President DACH bei Zendesk
Tanja Hilpert ist seit Januar 2022 als Regional Vice President, DACH bei Zendesk. In dieser Funktion leitet sie das regionale Vertriebsteam von Zendesk und ist für die Wachstumsstrategie von Zendesk in der Region verantwortlich. Dabei unterstützt sie Unternehmen aller Größenordnungen.
Mit mehr als 20 Jahren Erfahrung in der IT-Branche ist Tanja fest davon überzeugt, dass die Grundlage für alle erfolgreichen Unternehmen die Menschen sind, die diesen Erfolg, die Kultur und die Werte schaffen. Tanja Hilpert kam von Securitas Deutschland zu Zendesk, wo sie als Head of Solutions tätig war. Davor war sie als Regional Vice President Retail bei Salesforce beschäftigt.
Zendesk startete im Jahr 2007 die Customer Experience-Revolution, indem es Unternehmen weltweit ermöglichte, guten Kundenservice auch online zu bieten. Heute ist Zendesk ein führender Anbieter für Service – für jeden, überall.
http://www.zendesk.de
https://www.linkedin.com/in/tanja-hilpert-7771633/
Literatur & Links
[1] Zendesk CX Trend Report 2022: https://www.zendesk.de/customer-experience-trends/