Krise als Weckruf
Warum Unternehmen auf digitale Technologien und Führungsstärke setzen sollten

Herausforderungen als Chance – wie Unternehmen jetzt ihre Resilienz stärken
Charles Darwins Axiom des „survival of the fittest“ unterliegt im Deutschen einem folgenschweren Übersetzungsfehler: Am Ende setzt sich nicht zwangsläufig die stärkste oder intelligenteste Spezies durch. Sondern diejenige, die sich am besten anpassen kann. Eine Beobachtung, die auch im digitalen Zeitalter nicht an Aktualität eingebüßt hat. Im Geschäftskontext gilt deshalb: Die Digitalisierung des Kundenerlebnisses und Führungsstärke sind die Säulen, die Unternehmen flexibel machen – und damit krisenfest und fit für die Zukunft.
Lieferkettenengpässe, COVID-19-Pandemie, Fachkräftemangel, Inflation – zum „New Normal“ gehört auch die Krise als Dauerzustand. Und damit sind wir bereits in den ersten Sätzen bei einem der beliebtesten Buzzwords der vergangenen zwei Jahre angekommen: Resilienz. Die Fähigkeit, Strukturen und Prozesse schnell und flexibel an Herausforderungen und Veränderungen anzupassen, ist angesichts des rasanten Wandels sowohl in Hinblick auf die technologische Entwicklung als auch der globalen Krisen für Unternehmen heute überlebenswichtig.
Es hat sich ausgefaxt
Nach mehr als zwei Jahren Pandemie sollte klar sein, dass Digitalisierung mehr als Remote Work und Videocalls mit Kunden und Kundinnen bedeutet. Die charmanten ad hoc-Lösungen, mit denen so mancher Shop und viele Unternehmen umgehend auf die veränderten Umstände reagiert haben, müssen in eine sinnvolle und belastbare Digitalstrategie überführt werden. Die nächsten Herausforderungen klopfen bereits an die Tür. Ein solides digitales Fundament erlaubt es, schnell und flexibel zu reagieren und sich an neue Dynamiken anzupassen.
Insbesondere die Nähe zu der eigenen Kundschaft ist ein entscheidender Resilienz-Faktor. Auch wenn Messen und Konferenzen zunehmend wieder vor Ort stattfinden – der digitale Kundenkontakt wird bleiben und weiter wachsen. Auch im B2B informieren sich Einkäufer*innen zunehmend online, bevor sie überhaupt mit einem Unternehmen in Kontakt treten. Einige Transaktionen finden inzwischen sogar rein über digitale Kanäle statt. Die Herausforderung liegt weniger darin, die Nähe zur langjährigen Stammkundschaft zu pflegen. Um den Geschäftserfolg zu steigern, braucht es Wachstum – und damit neue Kundinnen und Kunden. Ihre individuellen Bedürfnisse und Anforderungen im digitalen Raum zu verstehen und mit der richtigen Ansprache zum richtigen Zeitpunkt auf dem richtigen Kanal zu punkten, setzt die entsprechenden digitalen Marketingtechnologien voraus.
Unternehmen brauchen Digital Literacy und Maturity
Klar ist aber auch: Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Der digitale Reifegrad eines Unternehmens bemisst sich nicht an der Masse eingesetzter Technologien, sondern an der richtigen Auswahl. Zur Grundausstattung einer erfolgreichen digitalen Kundenstrategie gehören beispielsweise Analyse- und Targeting-Lösungen. Was Sales-Mitarbeiter*innen im Gespräch am Messestand in Erfahrung bringen – Was benötigt ein Kunde oder eine Kundin? Welche Herausforderungen gibt es? – kristallisieren moderne Analyse-Tools aus dem Browsing-Verhalten auf den digitalen Kanälen eines Unternehmens heraus. Targeting-Lösungen sorgen dann dafür, dass das richtige Angebot bei den richtigen Kunden und Kundinnen ankommt – und zwar genau zum richtigen Zeitpunkt und auf dem richtigen Kanal. Dank KI und Automatisierung funktioniert das sogar weitestgehend von selbst, sodass auch kleinere Unternehmen ohne riesige IT- und Marketing-Teams von den entsprechenden Technologien profitieren.
Die richtigen digitalen Tools sind starke Enabler, die Unternehmen resilienter machen. Doch Technologie- Lösungen alleine sind keine Heilsbringer – man muss sie auch bedienen können. Automatisierung und KI machen digitale Technologien zwar smart, einen menschlichen Realitätscheck können sie jedoch nicht leisten. Frei nach dem Motto „Ein Haufen Daten hat die gleiche Nähe zu Wissen wie ein Haufen Steine zu einem Haus“ gilt: Wer keine klaren Ziele und Anforderungen formuliert, hat am Ende zwar intelligente Werkzeuge an der Hand. Falsch eingestellt liefern diese jedoch einen Haufen Daten statt der präzisen Insights, die das Unternehmen wirklich weiterbringen. Einhergehen mit der Implementierung digitaler Technologien sollte also in jedem Fall eine genaue Prüfung der bestehenden Strukturen und Prozesse sowie eine präzise Definition der unternehmerischen Ziele.
Führungsstärke braucht Empathie
Die Digitalisierung des eigenen Unternehmens bedeutet Umbrüche. Damit wird ganz sicher nicht jede*r Mitarbeiter*in auf Anhieb glücklich sein. Umso mehr kommt es auf entschlossene Pioniere und Pionierinnen an. Führung braucht Entscheidungsstärke und die Fähigkeit, sich gegen Widerstände durchzusetzen. Das bedeutet jedoch nicht, rücksichtslos durchzuregieren. Transparente Kommunikation und ein offener Umgang mit Rückmeldungen aus dem Team sind entscheidende Faktoren guter Führung – und zwar nicht nur in Bezug auf den digitalen Wandel.
Unsere Fehlerkultur braucht ein Update
Führungsstärke bedeutet zudem nicht, unfehlbar zu sein. Wir erleben einen rasanten Wandel, oft fehlt schlicht die Zeit, jedes Detail bis zur absoluten Gewissheit auszutüfteln. Das heißt nicht, völlig kopflos in hektischen Aktionismus zu verfallen. Doch nach Analyse und Diskussion muss man auch ins Handeln kommen.
Natürlich kann dabei etwas schiefgehen. In einer Zeit der Umbrüche hat niemand das Patentrezept. Gut so! Präzision bis zur Perfektion hat in Deutschland Tradition. Grundsätzlich ist das eine tolle Einstellung, doch damit einher geht z. T. eine lähmende Angst, Fehler zu machen. Wir sollten die Unsicherheiten rund um den rasanten Wandel auch als Chance sehen, zu einer neuen Fehlerkultur zu finden. Entscheidungen werden immer mit dem Wissen getroffen, das man zum Zeitpunkt der Entscheidung hatte. Hinterher ist man immer schlauer. Und genau das ist der Knackpunkt: Wer sich für Fehler kasteit, blickt nur in die Vergangenheit. Viel lohnender ist der Blick nach vorn: Was hat nicht funktioniert und warum? Ob nur einzelne Teile optimiert werden müssen oder gleich ein ganz neuer Ansatz nötig ist – Fehler sind Erfahrungswerte und bringen uns dem Ideal näher. Diesen Mut sollten wir uns öfter erlauben!
Nur ein ganzheitlicher Ansatz sorgt für Resilienz
Digitale Customer-Experience-Technologien sind ein entscheidender Faktor resilienter Unternehmen. Doch wie immer kommt es auch hier auf die Balance an: Die intelligentesten Tools bleiben nutzlos, wenn der Faktor Mensch nicht Teil der Gleichung ist. Die digitale Transformation muss deshalb unbedingt mit einem Wandel des Führungsstils einhergehen. Viele Unternehmen haben das bereits verstanden und sind diesbezüglich auf einem sehr guten Weg. Gerade angesichts des sich abzeichnenden Fachkräftemangels sind diese Unternehmen klar im Vorteil, wenn es darum geht, motivierte Mitarbeiter*innen zu gewinnen – und damit ihren Wettbewerbsvorteil auszubauen. Ich bin überzeugt: Wenn Mensch und Maschine sich sinnvoll ergänzen, sind deutsche Unternehmen gut für künftige Krisensituationen aufgestellt.

Autor
Hartmut König
Head of Strategy und CTO, Central Europe, bei Adobe
Hartmut König ist ausgewiesener Experte für digitales Marketing, Customercentric IT und effiziente Transformationsprozesse im Unternehmen. Seine Vision ist es, die neuen Möglichkeiten aktueller und zukünftiger Technologien in Zeiten digitaler Transformation in begeisternde Kundenerlebnisse zu übersetzen. Seine Karriere bei Adobe begann Hartmut König bereits 2004 und ist heute als Head of Solutions & Strategy und als Chief Technology Officer Central Europe für die Lösungen der Experience Cloud verantwortlich.
https://business.adobe.com/de/
https://de.linkedin.com/in/hartmutkoenig