Mit „smarten“ Daten zu optimierten Marketing-Spendings

3,5 % des Unternehmensumsatzes fließen durchschnittlich in Werbung und Marketing. Unternehmen müssen dabei nicht nur bestimmen, wie viel Geld sie investieren, sondern auch, in welche Maßnahmen die Mittel fließen sollen. Dazu greifen Entscheider*innen üblicherweise auf statistische, rein korrelationsbasierte Analysemodelle zurück. Sie basieren auf Beobachtungen, die zu falschen Beschlüssen führen können. Die kausale Datenanalyse demonstriert dagegen, wie sich durch die Kombination von (Experten-)Wissen und Daten prognostizieren lässt, welchen Effekt gezielte Eingriffe (Interventionen) in Marketing-Entscheidungen haben.
Bei der Ausgestaltung von Marketingmaßnahmen vertrauen die meisten Unternehmen heute auf die Datenanalyse, um herauszufinden, welche Maßnahmen bzw. Strategien erfolgreich sein werden. Dabei kommen meist korrelationsbasierte Ansätze zum Einsatz. Allerdings sind diese in ihrer Natur rein beobachtend. Um den Effekt von Maßnahmen vorherzusagen, eignen sie sich nur bedingt. Aber: Menschen suchen immer nach Kausalität. Die Statistik liefert jedoch nur beobachtungsbasierte Korrelationen. Marketing-Entscheider neigen dann dazu, diese kausal fehlzuinterpretieren und falsche Schlüsse daraus zu ziehen. Die Folgen: Über- oder Unterschätzung von Erfolgen geplanter Marketingmaßnahmen und dadurch ineffizienter Budgeteinsatz.
Korrelationsanalysen unterscheiden nicht zwischen Ursache und Wirkung
Warum ist das so? Kausalität und Korrelation sind zwei verschiedene Konzepte. Eine Korrelation beschreibt lediglich eine Beziehung zwischen mehreren Merkmalen, sagt jedoch nichts über die Wirkrichtung des Zusammenhangs aus. Die Kausalität dagegen beinhaltet eine konkrete Ursache- Wirkung-Beziehung. Sie gibt nicht nur Antworten auf die Frage „was kommt häufig gemeinsam vor?“, sondern auch „was bedingt was?“.
Eine Analyse, die nur die Daten betrachtet, kann nur Korrelationen feststellen, jedoch keine Aussage über Kausalitäten treffen. Beim Planen einer Maßnahme möchte die Marketing-Entscheiderin jedoch auf die Welt einwirken – sie will intervenieren. Dazu muss mindestens sie selbst die Ursache-Wirkung-Beziehungen kennen, um Korrelationsanalysen korrekt interpretieren zu können. Idealerweise aber sind die Ursache-Wirkung-Beziehungen bereits ein Teil des Algorithmus, um menschliche Fehlinterpretationen ausschließen und mit größerer Komplexität umgehen zu können.
Auch Black-Box Ansätze stoßen an ihre Grenzen
Gerade bei zunehmender Komplexität liegt der Einsatz von Machine Learning nahe. Beim Machine Learning kommen häufig sogenannte Black-Box-Modelle zum Einsatz. Diese verfügen, bevor sie mit Daten trainiert werden, über kein oder nur Basiswissen über das zu lösende Problem. Vielmehr erlernen sie die relevanten Strukturen selbst. Darin liegt ihre große Stärke. Denn damit können sie Use-Cases bewältigen, bei denen es Menschen nicht möglich ist, die relevanten Strukturen zu benennen. So zum Beispiel bei der Klassifikation von Bilddaten wie Handschrift- oder Tieraufnahmen.
Diese große Stärke ist aber zugleich auch eine gravierende Schwäche: Viele dem Menschen offensichtlich bekannte Zusammenhänge lassen sich kaum oder nur über Umwege in die Black- Box Ansätze einpflegen. Dabei sind es aber eben jene Ursache-Wirkung-Zusammenhänge, die für korrekte Analyseergebnisse so wichtig sind.
Mit kausalem Schlussfolgern zu smarten Daten
Eine Lösung dieser Probleme bietet künstliche Intelligenz (KI) in Form kausaler Datenanalysen. Die große Stärke dieser Art des Schlussfolgerns: Man kombiniert Daten mit Expertenwissen über Ursache-Wirkung-Zusammenhänge, um nicht nur passiv-beobachtende Vorhersagen zu treffen, sondern vorauszusehen, welchen Effekt gezielte Eingriffe, also Interventionen, auf das System haben werden. Durch diese Kombination verwandelt kausale KI reine Daten in smarte Daten. Mit kausaler Datenanalyse können nun wiederum quantitative Root-Cause-Analysen oder Was-Wäre-Wenn-Auswertungen durchgeführt werden, um strategische Entscheidungen im Marketing auf stabile Beine zu stellen und darauf eine erfolgreiche Produktpolitik zu begründen.

Erzielt eine Gutscheinaktion den gewünschten Erfolg?
Soweit die Theorie. In der Praxis haben zum Beispiel Unternehmen aus der Automobilindustrie diesen Ansatz bereits erfolgreich umgesetzt. Ein weiterer Use Case demonstriert nun, welchen Nutzen kausale KI für Marketingentscheidungen haben kann. Es soll verifiziert werden, ob ein Lebensmitteleinzelhändler seinen Umsatz durch die Nutzung von Gutscheinen steigern kann.
Kausalmodell definiert Beziehungen zwischen verschiedenen Parametern
Im Gegensatz zu rein korrelationsbasierten Ansätzen können in kausalen Modellen Beziehungen zwischen den Modell-Parametern definiert werden. Aus diesem Grund eignen sich diese Modelle auch für Schlussfolgerungen zu unterschiedlichen Strategien, wie sie auch dieser Use Case mit der Gutscheinaktion „ja“ oder „nein“ betrachtet.
Steigert der Lebensmittelhändler nun seinen Umsatz, indem er seinen Kunden Gutscheine zur Verfügung stellt? Und lohnt sich am Ende diese Maßnahme oder wurde der Umsatz auf Kosten der Profitabilität gesteigert? Zur Modellierung des Verhaltens der Haushalte sollen im Folgenden diese Daten von Einzeleinkäufen in stark vereinfachter Form zur Verfügung stehen: Haushaltseinkommen, generierter Umsatz und ob ein Gutschein eingesetzt wurde oder nicht.
Irregeleitete Korrelation
Ein Blick auf die Korrelationsmatrix offenbart eine negative Korrelation zwischen Gutscheinnutzung und generiertem Umsatz. Bedeutet dies nun automatisch, dass Gutscheinaktionen dem Umsatzergebnis schaden? Nicht unbedingt, denn in diesem Beispiel ist der Effekt darauf zurückzuführen, dass die von den Daten beschriebenen Haushalte umso öfter einen Gutschein nutzen, je niedriger das Haushaltseinkommen ist. Und zugleich, so das Beispiel, führt ein hohes Haushaltseinkommen durch eine entsprechende Auswahl hochpreisiger Waren auch zu höherem Umsatz im Geschäft.
Genau diese Zusammenhänge vermag eine korrelationsbasierte Analyse nicht aufzulösen. Überspitzt formuliert: Für sie ist es a priori keineswegs abwegig, dass man das Einkommen ei- nes Haushalts verringern könnte, in dem man Gutscheine in den Briefkasten wirft. Mit einem kausalen Modell sind derartige Fehlinterpretationen ausgeschlossen. Es prognostiziert den Effekt korrekt: eine Gutscheinaktion führt in diesem Beispiel tatsächlich zu einer Umsatzsteigerung.
Kausale KI als Sparringspartner für den Menschen
Doch sind damit alle Wechselwirkungen berücksichtigt? Im obigen Beispiel wurde vereinfachend angenommen, dass in beiden Szenarien die Käuferstruktur gleich ist. Doch inwiefern verschieben bestimmte Marketingmaßnahmen die Kundenstruktur? Welche Effekte treten praktisch ein und welche sind lediglich Theorie?
An diesen Fragen wird die interaktive Natur der kausalen KI deutlich: ihr Einsatz bedeutet den kontinuierlichen Austausch zwischen Data Science und Use-Case-spezifischem Expertenwissen, um bekannte Zusammenhänge zu modellieren, neue Hypothesen zu formulieren und diese schließlich zu testen. So werden aus präzisen Vorhersagen über Erfolg und Misserfolg angedachter Marketingmaßnahmen wertvolle Handlungsempfehlungen fürs Unternehmen.

Autor
Dr. Theo Steininger
CEO bei Erium
Dr. Theo Steininger ist Experte für KI-Anwendungen und Machine Learning in komplexen Prozessen mit kleinen Datensätzen. Als promovierter Astrophysiker hat er bereits während seiner Zeit an der Technischen Universität München und am Max-Planck-Institut für Astrophysik viel Erfahrung mit Statistik und Künstlicher Intelligenz gesammelt. Heute wendet er sein Wissen in der Industrie an, um Unsicherheiten in der Fertigung und im Forecasting zu reduzieren.
https://erium.de/
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