Corporate Radio
Der Klassiker in neuem Gewand

Unternehmen, die heute ihre Mitarbeitenden im Rahmen der internen Kommunikation erreichen wollen, müssen sich einiges einfallen lassen. Und es muss längst nicht mehr unbedingt Bewegtbild sein, denn das gute alte Radio kehrt in neuem Gewand zurück.
Es sind genau zwei Mediengattungen, die in den vergangenen Jahren einen wahren Boom erlebten. Videos gehören heute zum Alltag der Menschen. Der Siegeszug von Plattformen, wie YouTube, Netflix und anderen Streaming-Portalen, spricht da eine eindeutige Sprache. Eine Entwicklung, die sich durch alle Alterskohorten verfolgen lässt. Doch auch das klassische Radio hat sich die Aufmerksamkeit in Form von Podcasts wieder erobert. Keine Audio-Plattform kann es sich heute leisten, Podcasts zu ignorieren.
Während der ersten Phase der Pandemie hat sich hier ein neues Format zu einem echten Hype entwickelt. Und davon kann das Corporate Radio profitieren.
Der Boom von Drop-In-Formaten während der Pandemie
Die Zugriffs- und Nutzerzahlen des frisch während der Pandemie gestarteten Angebots Clubhouse gingen sprichwörtlich durch die Decke. Unter reinen Marketinggesichtspunkten hatten die Entwickler auch alles richtig gemacht; Exklusivität übt immer eine starke Anziehungskraft aus. Um bei Clubhouse von Anfang an dabei zu sein, mussten die Nutzerinnen und Nutzer gleich zwei Hürden überwinden. Sie mussten ein iPhone von Apple besitzen und eine Einladung bekommen.
Das sorgt zwar für mediale Aufmerksamkeit, genügt auf Dauer allein aber kaum, um Menschen an eine Plattform zu binden. Und doch hat Clubhouse andere arrivierte Dienste wie Twitter dazu inspiriert, konkurrierende Formate („Twitter Spaces“) herauszubringen. Offensichtlich hatten die Clubhouse-Macher einen Nerv getroffen.
Clubhouse als Vorbild für Corporate Radio?
Während der ersten Lockdowns sahen sich viele Menschen einem völlig veränderten Alltag gegenüber. Social Distancing lautete das Gebot der Stunde: Die mehr oder weniger starke Verpflichtung zur Heimarbeit, geschlossene Gastronomie und Geschäfte brachten eine bisher so nicht gekannte Isolation mit sich. Da Menschen aber mit Menschen kommunizieren wollen, erschien das Drop-In-Format von Clubhouse ideal. Da es rein auf Audio basiert, musste niemand erst sein Outfit überprüfen, um mit anderen in Verbindung zu treten. Das kam auch Menschen entgegen, die ohnehin nicht so gern mit Videochats umgehen.
Ein großer Unterschied zu anderen Formaten: Der Einstieg war jederzeit möglich. Wer wollte, betrat einfach einen Audio-Room nach seinem Geschmack. Und konnte darin so teilnehmen, wie es den eigenen Vorlieben oder der aktuellen Stimmung entsprach: Aktiv als Teilnehmer des Gesprächs oder still, der Diskussion folgend.
Damit sind auch schon die bedeutsamsten Unterschiede zu einem Podcast beschrieben:
- Drop-In-Formate folgen in der Regel einem mehr oder weniger konzipierten Ablauf.
- Im Rahmen einer Professionalisierung entwickeln sich junge Formate schnell in Richtung eines Hochglanz-Produkts, das es qualitativ mit Radiosendungen aufnehmen kann.
- Die Möglichkeiten zur Interaktion sind nur dann gegeben, wenn eine aktive Teilnahme der Zuhörenden während der Aufzeichnung gegeben war. Raum für Spontanität ist so gut wie nicht vorhanden.
Diese Faktoren sollten bei der Betrachtung des Erfolgs von Clubhouse und ähnlichen Formaten mit einbezogen werden. Sind sie doch auch Elemente, die sich in einem Corporate Radio integrieren lassen.
Corporate Radio reizt mit vielen Formaten
Wie gerade erwähnt, tragen zum Erfolg von Drop-In-Formaten die Authentizität und die Spontanität bei. Und somit stehen auch die Chancen gut, dass sich die Mitarbeitenden in einem Unternehmen eher für ein solches Format begeistern lassen, als von einem – und sei er noch so gut produziert – Podcast, in dem beispielsweise der CEO sich zu Wort meldet.
Längst ist nicht ausgelotet, welche Formen sich hier etablieren können. An kreativen Ideen für Corporate Radio mit Drop-In dürfte kein Mangel herrschen, zumal sich das Format auch für Experimente jeder Art anbietet.
Denkbar ist beispielsweise eine Art von Morning Show, die die Mitarbeitenden auf den neuen Arbeitstag einstellt. Darin können wichtige Ereignisse eine Rolle spielen oder es werden verschiedene Standorte in die Sendung einbezogen. Wie bei Clubhouse können sich die Mitarbeitenden ganz nach eigener Vorliebe einbringen.
Auch das Experiment mit einer völlig freien Form wäre eine lohnenswerte Option: Ein Standort, eine Abteilung oder ein Team erhält Sendezeit, um über sich, Aufgaben, aktuelle Projekte und Herausforderungen zu informieren. In einer solchen Sendung dürften sich viele Anknüpfungspunkte für Mitarbeitende anderer Bereiche ergeben, die sich dann aktiv einbringen.
Den Austausch zwischen Mitarbeitenden und Management würden Townhall-Gesprächsrunden erleichtern. Gerade weil die Hürde des Gesichtszeigens entfällt, trauen sich hier dann möglicherweise auch Kolleginnen und Kollegen aus der Reserve, die dies in einer Videokonferenz nicht schaffen.
Intern und extern nutzbar sind beispielsweise Vorstellungen von Kund*innen oder Partnerunternehmen, wobei dann gern externe Vertreter mit einbezogen werden können. Schließlich wäre auch der Einsatz für das Employer Branding eine Überlegung wert. Das Unternehmen stellt sich selbst vor und lässt Mitarbeitende zu Wort kommen. Oder die Firma lädt zu den inzwischen sehr beliebten „Ask Me Anything“-Runden ein, in denen Interessierte sich über das Unternehmen informieren.
Technisch leicht integrierbar
Wie jedes andere Kommunikationsmittel in der Corporate Communications hat auch das Radio zwei Hürden zu überwinden, um erfolgreich zu sein. Zum einen muss es überhaupt die Aufmerksamkeit der Zielgruppe erringen. Und das ist bei internen Maßnahmen alles andere als trivial. Denn die Zeiten, in denen Mitarbeitende sich aktiv mit einem Kommunikationsmittel auseinandersetzen, nur weil es vom Arbeitgeber kommt, sind lange vorbei. Das sieht teilweise bei externer Kommunikation anders aus, wenn das Unternehmen ein entsprechendes Standing bei seinen Zielgruppen besitzt – interessant genug erscheint, um die Inhalte zu kommunizieren.
Die zweite Hürde, die völlig unabhängig von der jeweiligen Zielgruppe besteht, ist der möglichst einfache Zugang. Je mehr Hindernisse zu überwinden sind, bevor ein Medium konsumiert werden kann, umso schlechter wird die Reichweite. Audio-Formate sind hier relativ anspruchslos. Auf nahezu jedem aktuellen Smartphone ist ein Medienplayer installiert, mit dem sich Audio- streams abrufen lassen. Die Einrichtung anderer Software ist nicht notwendig. Außerdem hat das Smartphone – das statistisch inzwischen fast jeder Deutsche besitzt – auch alle Voraussetzungen an Bord, um selbst aktiv und kreativ zu werden.
Zudem lassen sich solche Streams auch technisch verhältnismäßig leicht in anderen Apps und Services integrieren. Unternehmen, die bereits auf eigene interne Apps setzen, können diese recht unkompliziert um eine Audio-Komponente erweitern. Audio kann aber auch in andere Kanäle – z. B. Slack, Teams oder ähnliche Tools für die Zusammenarbeit – eingebunden werden.
Es bleiben Herausforderungen
Die zu lösenden Aufgaben zur Produktion eines Corporate Radios sind insgesamt überschaubar und recht unkompliziert umzusetzen. Herausforderungen lauern hier an anderer Stelle. Wie erwähnt leben die Formate von der Spontanität, d.h. die Ausstrahlung muss live erfolgen. Doch genau das lässt sich in der Regel kaum in den Alltag aller Mitarbeitenden integrieren. Die Aufzeichnung und damit spätere Bereitstellung als Podcast nähme den Sendungen aber viel von der Authentizität. Ein möglicher Ausweg bestünde darin, bei besonders wichtigen Ausstrahlungen zumindest eine knappe schriftliche Zusammenfassung auf anderem Weg anzubieten.
Nicht so ohne weiteres lösbar und damit eine Problematik, die so in Kauf zu nehmen ist: Audio- Formate und Tools sind nur eingeschränkt barrierefrei. Dessen sollten sich die Macher bewusst sein.
Schließlich ist auch daran zu denken, dass beim Betrieb solcher Systeme personenbezogene Daten anfallen. Technisch ist es ohne weiteres möglich, zu erkennen, welche Person sich zu welchem Zeitpunkt eingewählt hat, um eine Sendung zu verfolgen. Im Unternehmensumfeld ruft dies häufig negative Assoziationen in Richtung eines Überwachungsinstruments hervor.
Deswegen ist es mehr als ratsam, bereits in den ersten Planungen die Mitarbeitervertretung mit einzubeziehen, um sich so auch die Unterstützung eines wichtigen Multiplikators in einem Unternehmen zu sichern. In der Kommunikation der Vorteile des neuen Corporate Radios und dessen Unbedenklichkeit in Hinblick auf die Rechte der Mitarbeitenden wäre ja auch bereits ein Thema für eine der ersten Sendungen gefunden.
Corporate Radio kann durch die Nutzung von Interaktion genauso bunt, vielfältig, fesselnd und aufregend werden, wie es die Welt der Podcasts heute schon ist. Allerdings sollte auch deutlich geworden sein, dass sich Corporate Radio in dieser Form nicht für die Vermittlung von Informationen eignet, die alle Mitarbeitenden erreichen sollen und müssen. Für solche Inhalte müssen andere Kanäle gewählt werden.

Autor
Ulf-Jost Kossol
Head of People Experience bei T-Systems MMS
Social Media Enthusiast, der nicht aufgibt, an das vernetzte Unternehmen zu glauben! Nach 14-jähriger Offizierslaufbahn bei der Bundeswehr mit nebenberuflichen Gründungen in der new economy und dem frühen Web2.0 Zeitalter Wechsel zu T-Systems Multimedia Solutions als Senior Consultant für Social Business. Seit 2012 tätig als Managing Consultant (Head of) People Experience.
T-Systems MMS zeigt mit seiner Beratungs- und Technikkompetenz neue Wege und Geschäftsmodelle in den Bereichen Industrial IoT, Customer Experience, New Work sowie Digitale Zuverlässigkeit auf.
www.t-systems-mms.com
Ulf-Jost.Kossol(at)t-systems.com
https://twitter.com/TSystems_MMS