Corporate Digital Responsibility
Interview mit Jakob Wößner von Weleda

Einen Zusammenhang zwischen Naturkosmetik / anthroposophischen Arzneimitteln und digitaler Transformation herzustellen, fällt auf den ersten Blick nicht leicht. Dennoch hat sich das Naturkosmetik- und Pharmaunternehmen Weleda im Vergleich zu vielen anderen Unternehmen bereits früh mit CDR auseinandergesetzt. Wie kam es dazu, dass Weleda eines der ersten Unternehmen war, das einen digital-ethischen Ansatz verfolgt und bereits seit 2018 ethische Prinzipien für die digitale Transformation etabliert hat? Wir haben bei dem Verantwortlichen für Digitale Transformation, Jakob Wößner, nachgefragt und auch darüber gesprochen, wie die Mitarbeiter*innen in der Strategieumsetzung mitgenommen werden.
Hallo Jakob, bitte stelle Dich und Dein Unternehmen Weleda kurz vor.
Sehr gerne! Mein Name ist Jakob Wößner und ich darf als Manager für Organisationsentwicklung und Digitale Transformation Weleda genau in diesem Bereich unterstützen, was enorm spannend aber auch herausfordernd ist, jedoch auch großen Spaß macht.
Weleda feiert dieses Jahr 100. Geburtstag. Als weltweit führender Hersteller von zertifizierter Naturkosmetik und anthroposophischen Arzneimitteln wissen wir, wie Nachhaltigkeit geht. Unser vielfältiges Produktportfolio umfasst über 120 Naturkosmetikprodukte und rund 1000 Arzneimittel, welche ganzheitlich zur Gesundheit und zum Wohlbefinden des Menschen beitragen. Die Grundlage dafür bilden fast 1000 natürlich und nachhaltig hergestellte Substanzen. Aus diesem von der Anthroposophie inspirierten Menschenbild und Naturverständnis leitet sich auch unsere Vision ab: Wir wollen einen Beitrag leisten für eine Welt, in welcher Gesundheit und Schönheit von Mensch und Natur heute und morgen immer wieder neu entstehen, ganz nach unserem Grundsatz: Entfalten von Gesundheit und Schönheit im Einklang mit Mensch und Natur.
Um unserem Anspruch als nachhaltiger und sozialer Arbeitgeber gerecht zu werden, sehen wir es als unsere Aufgabe, unseren Mitarbeitenden die bestmögliche Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Deshalb bieten wir flexible Arbeitsformen an, denn die Vereinbarkeit von Familie, Privatleben und Beruf wie auch eine gesunde Work Life Balance sind für uns zentral. Unsere offene und moderne Führungs- und Kommunikationskultur nach unserem Führungsverständnis: „Vorbild sein, Vertrauen schenken, Verantwortung übernehmen“ leben wir aktiv. Auch die kollegiale Zusammenarbeit, sei es im Team oder auch bereichsübergreifend, liegt uns sehr am Herzen.
Wie bereits erwähnt spielt das Thema Nachhaltigkeit und hier insbesondere durch eine neue Klimaschutzstrategie eine enorm wichtige Rolle. Daher investieren wir auch 1% des jährlichen Umsatzes in Klimaschutzprojekte, Bodengesundheit und den Erhalt der Biodiversität. So schaffen wir einen positiven Beitrag für Mensch und Natur.
Ihr habt Euch bei Weleda bereits sehr früh mit dem Thema Corporate Digital Responsibility auseinandergesetzt. Was waren hierfür die Beweggründe?
Angefangen hat es im Jahr 2018, als wir unseren Strategieprozess für den Digitalbereich gestartet haben. Schnell kam dann die Frage auf, ob Weleda überhaupt eine Digitalstrategie benötigt. Hierzu haben wir einen Fragenkatalog mit über 50 Fragen rund um das Thema Digitalisierung erstellt, wie z. B. „Wie sehen wir Digitalisierung?“, “Wer wollen wir im Digitalumfeld sein?“, „Wie schaffen wir es, das Thema Digitalisierung mit unseren Werten zu verbinden?“ etc.. In diesem Prozess haben wir dann recht schnell festgestellt, dass Digitalisierung auch für uns als Unternehmen zukünftig immer wichtiger sein wird, das Ganze aber in Einklang mit unseren Werten passieren muss.
Hier sind wir dann relativ schnell auf das Thema der digitalen Verantwortung und in der Konsequenz auf Corporate Digital Responsibility aufmerksam geworden. Uns wurde klar, dass dies der Schlüssel zum Erfolg für uns als Unternehmen sein wird. Durch Corporate Digital Responsibility können wir das Thema Digitalisierung vorantreiben, aber dabei stets im Einklang mit unseren Werten bleiben. Denn Digitalisierung hat immer zwei Seiten. Es ist unser Anspruch, darüber transparent zu diskutieren und kommunizieren.
Wir haben das Ganze daher auch in unserer Digitalstrategie im Leitbild verankert, dass wir uns bei Mensch und Natur über entsprechende Verantwortung hierbei abheben möchten.
Bitte skizziere uns doch kurz, was Corporate Digital Responsibility für Dich persönlich, aber auch für Weleda genau bedeutet und welche Komponenten hier für Dich beinhaltet sind.
Für mich ist das Wichtigste, dass man verbindliche Strukturen hat, um mit sogenannten Dilemmata umzugehen. Dies bedeutet, dass wir bei uns im Unternehmen Strukturen geschaffen haben, dass CDR Wirken kann, relevant ist und entsprechenden Durchgriff hat.
Nichts ist aus meiner Sicht schlimmer, als dass man sich zu Werten committed, diese dann aber nicht nachhaltig oder nicht in der entsprechenden Art und Weise im Unternehmen verankert. Von daher ist es zentral, dass Projekte nach Werten beurteilt werden, aber auch, dass sich Entscheidungen sowie auch die Kommunikation an Werten orientieren.
Ganz zentral ist für mich, dass Corporate Digital Responsibility nicht als aufgesetztes Marketing- Thema, sondern als zentral und strukturell verankertes und nachhaltiges Thema gesehen wird. CDR wird nur dann erfolgreich sein.
Zuletzt hat man ja häufiger von Corporate Social Responsibility gesprochen und gehört. Ist CDR jetzt nur „alter Wein in neuen Schläuchen“ oder steckt da mehr dahinter. Wie grenzen sich CSR und CDR aus Deiner Sicht voneinander ab?
Die beiden Themen sind eine Untermenge der Unternehmensverantwortung. Dementsprechend ist Corporate Responsibility die Überdisziplin unter der sich Corporate Social Responsibility und Corporate Digital Responsibility einordnen lassen. Bei beiden Themen gibt es aus meiner Sicht durchaus Überschneidungen und bestimmte Punkte daraus bedingen sich auch gegenseitig bzw. sind voneinander abhängig oder verstärken bzw. schwächen sich gegenseitig.
Für mich ist dabei aber viel interessanter, sich anzusehen, wie sich CSR über die Jahre entwickelt hat und auf dieser Basis abzuleiten, wie sich demnach CDR entwickeln kann bzw. vermutlich auch entwickeln wird. Zudem finde ich es sehr spannend zu sehen, wie sich CDR im Vergleich zu CSR zukünftig verbindlich in Unternehmen verankern wird.
Warum sollten sich Unternehmen mit dem Thema CDR beschäftigen? Es gibt hier inzwischen ja auch diverse Beratungshäuser, die das Ganze pushen. Geht es hier nur um Geschäftemacherei oder hat das Ganze weitaus mehr Impact bzw. Bedeutung?
Für mich ist die zugrunde liegende Disziplin hier ganz allgemein verantwortungsvolles Wirtschaften. Wenn ich als Unternehmen diesen Anspruch an mich selber formuliere, dann ist es für mich eine Selbstverständlichkeit, sich des Themas CDR anzunehmen. Denn gerade im Digitalumfeld habe ich häufig eine viel größere Indifferenz oder auch Informationslücke zu dem, was verantwortungsvoll ist. Zudem ist es aus meiner Sicht auch so, dass die Effekte bzw. insbesondere ein möglicher Schaden, den ich im Digitalumfeld in kurzer Zeit und auch mit wenigen Mitteln anrichten kann, größer sind, als dies im klassischen Umfeld der Fall ist. Insofern ist es aus einer Verantwortungsperspektive und nach meinem Dafürhalten für jedes Unternehmen inzwischen eine Pflichtdisziplin, sich diesen Konsequenzen und Auswirkungen bewusst zu stellen. Ich glaube darüber hinaus auch, dass sich am Ende des Tages ein verantwortungsvolleres Angebot – wie auch immer dies aussehen mag – durchsetzen wird. Für mich ist hier einer der Klassiker die Diskussion über die Corona-Warn-App und mögliche Datenschutzrisiken etc.. Ich habe Medieninformatik mit einer Vertiefung im Bereich verteilter Systeme studiert und kann demnach recht gut beurteilen, was hier „unter der Haube“ passiert, was für einen „Normalbürger“ ansonsten nicht ganz so einfach sein dürfte. Hier spielt das Thema Aufklärung für mich eine zentrale Rolle und hier kommt dann auch CDR wieder zum Tragen.
Wie seid Ihr an das Thema herangegangen? Was waren hier konkret Eure ersten Schritte und Learnings und was würdest Du Unternehmen empfehlen, die sich mit der Thematik zukünftig auseinandersetzen möchten?
Als erste Schritte haben wir bei uns einige grundlegende Prinzipien definiert. Hierzu haben wir 2018 in der Literatur recherchiert und für uns in einer Arbeitsgruppe mit einigen Kolleg*innen eine Art Digital-Kodex für uns entwickelt. In der Folge sind wir dann mit einem agilen Mindset rangegangen und haben unsere so erarbeitete Prinzipien quasi im Daily-Business erprobt. Funktioniert das so, wie wir uns das in der Theorie überlegt haben? Fehlt hier etwas ganz Zentrales? Müssen wir irgendwo nachjustieren?
Wir waren dann enorm positiv überrascht, welch insgesamt positive Resonanz dies bei uns im Unternehmen hervorgerufen hat. Als wir damals unsere Digitalstrategie vorgestellt haben, war der Saal brechend voll, was schon mal entsprechende Relevanz signalisiert hat. Natürlich war das Spektrum der Feedbacks auf unsere Digitalstrategie enorm breit gefächert: von sehr großer Skepsis bis hin zu fast schon überschwänglichem Enthusiasmus war da so ziemlich alles mit dabei. Als wir dann allerdings das Thema CDR adressiert und vorgestellt haben, ist die Stimmung plötzlich nahezu ganzheitlich umgeschlagen, weil die Zuhörer dadurch gemerkt haben, dass wir uns mit Digitalisierung nicht um ihrer selbst willen beschäftigen, sondern das Ganze sehr rational und von allen Seiten betrachten und hier sehr bewusste und abgewogene Entscheidungen getroffen werden. Dies hat in unserem internen Change-Prozess enorm viel Kraft und Akzeptanz ausgelöst.
Das ist eine Facette von CDR, die man erstmal nicht auf dem Schirm hat, die aber mitunter sehr hilfreich und interessant sein kann und an der sich auch andere Unternehmen, die das Thema Digitalisierung auf der Agenda haben, orientieren und daran ausrichten können. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass man durch CDR einen ganz anderen Rückhalt innerhalb des Unternehmens bei der Digitalisierung erhalten kann, was wir so eigentlich weder erwartet noch geplant hatten. Es hat uns aber in jedem Fall geholfen und tut dies immer noch.
Wie wird Euer Engagement innerhalb von Weleda – aber auch von außen – gesehen? Betreibt Ihr hier Marketing nach Extern, dass Euch ethisch saubere Digitalisierungsansätze wichtig sind?
Wie bereits erwähnt, wird das Ganze intern sehr positiv gesehen. Als Marketing nach Extern würde ich das Ganze eher nicht betrachten, sondern eher als eine Art Inspiration. Weleda hat seit der Gründung 1921 einen gewissen Auftrag: gesellschaftlich relevante Themen frühzeitig anzugehen. Damals waren das natürlich ganz andere Themen, aber es gibt hier durchaus Parallelen. Heute ist die Zeit der Digitalisierung und wir sehen uns da durchaus als ein Beispiel, wie man dieses Thema richtig angehen und unter Berücksichtigung stark verankerter Unternehmenswerte zeitgemäß abbilden kann. Dies spiegelt sich auch in unseren Öffentlichkeitsmaßnahmen wieder. Wir haben beispielsweise unseren Kodex, den Leitfaden und die Prozesse komplett öffentlich zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus sind wir auf diversen Veranstaltungen, Messen und Kongressen vertreten und arbeiten auch mit Verbänden zusammen am Thema CDR. Dabei geht es für uns immer um das Thema, wie man Werte digital denken und in der Folge dann vor allem aber auch umsetzen kann. Insofern sind wir hier mit dem Thema nach außen schon präsent und aktiv. Allerdings ist uns hier wichtig, das mit einem gewissen Fingerspitzengefühl zu machen.
Wenn Du Eure bisherige „CDR-Reise“ betrachtest, würde mich interessieren, wo Du Euch hier aktuell einordnen würdest. Seid Ihr bereits am Ziel angekommen und falls das nicht der Fall ist, wie sehen hier Eure Pläne für die Zukunft aus?
Der aktuellste Schritt, den wir hier Anfang 2021 vollzogen haben, ist der, dass wir das Thema CDR unternehmensweit verbindlich strukturell verankert haben. Dies bedeutet, dass wir in einer entsprechenden Leitlinie, die im gesamten Unternehmen gültig ist, Werte, Prozesse und Verantwortlichkeiten festgeschrieben haben. Darüber hinaus haben wir ein sogenanntes CDR Councils eingeführt, das über die eingangs erwähnten Dilemmas sowie die entsprechenden Werte berät und bei dem wir aktuell dabei sind, das Ganze weiter zu integrieren, zu stabilisieren und zu etablieren.
Ich glaube, dass wir hier soweit wie kaum ein anderes Unternehmen im deutschsprachigen Raum sind. Da wir das Ganze nicht auf so Dinge wie KI, Daten oder ähnliches eingegrenzt haben, sondern einen umfassenden Anspruch bei diesem Thema haben, der von den Mitarbeiter*innen über so Dinge wie Arbeitsplatzgestaltung und Arbeitssicherheit bis hin zu Gesundheit reicht. Das heißt, wir versuchen das Thema komplett als Querschnitt zu denken. Ich denke auch, dass uns dies die nächsten ein bis zwei Jahre noch intensiv begleiten wird, bis sich das Ganze zu einer Art Selbstläufer entwickelt hat.
Wie sollte man sich als Unternehmen organisatorisch aufstellen, um das Thema CDR bestmöglich abbilden zu können? Ist hierzu eine eigene Abteilung nötig? Wieviel Man- bzw. Woman-Power sollte man hier einplanen? Gibt es aus Deiner bisherigen Erfahrung irgendwelche Dinge, die man von Beginn an grundlegend berücksichtigen sollte?
Bei mir kommt vor der Strukturfrage zuerst die Emotionsfrage. Ich meine damit: Gibt es bei mir im Unternehmen jemand, der für das Thema brennt und das Ganze vorantreiben möchte und dies auch kann? Das ist für mich die wichtigste Eingangsgröße. Aus meiner Sicht braucht es in jedem Fall diese eine Person, die hier die Fackel hochhält, sich des Themas annimmt und das ins Unternehmen trägt und als eine Art Botschafter agiert. Dabei spielen Austausch und Vernetzung eine wichtige Rolle, weil CDR ein crossfunktionales Thema darstellt, das möglichst umfänglich ins Unternehmen integriert sein muss.
Wenn man einen solchen Ansatz wählt, dann sollte das Thema dedizierter Kapazitäten auch eher überschaubar bleiben, weil man das Ganze idealerweise mit anderen Dingen quasi bereits mitdenkt. Das sollte aus meiner Sicht der Grundduktus sein, dass man dieses „Digital“ nicht als separates, nebenstehendes sieht, sondern, dass man bei anderen Aktivitäten auch immer gleich mitdiskutiert, was dies konkret in Bezug auf Digitalisierung bedeutet und welche Konsequenzen sich hier gegebenenfalls ableiten lassen.
Insofern wäre meine Empfehlung, das Thema nicht aus einer Abteilungs- oder Teamdenke heraus anzugehen, sondern von Beginn an einen ganzheitlichen und unternehmensweiten Ansatz zu verfolgen, bei dem es nicht heißt, dass X oder Y dafür verantwortlich ist, sondern bei dem CDR fester und integrativer Bestandteil im gesamten Unternehmen wird. Dadurch sollte das Ganze aus meiner Sicht wesentlich erfolgversprechender funktionieren.
Bei der Einführung neuer Ideen, Tools und Ansätze geht ja durchaus auch mal etwas schief. Was war für Dich einer der größten, besondersten etc. Fuckups im Zuge Eurer CDR-Initiative und was sind hier Deine Learnings daraus?
Beim Thema Learnings würde ich konkrete Relevanz anführen. Man hat am Ende zwar Werte, die sich im besten Fall ganz nett anhören. Aber was heißt das jetzt ganz konkret in der praktischen Umsetzung? Dies ist vermutlich auch dem geschuldet, dass es sich bei CDR sicherlich auch in einem gewissen Maße um eine theoretische Disziplin handelt, die konkrete Problemstellungen benötigt. Erst wenn man diese hat und konkrete und nachvollziehbare Beispiele hat – wir haben im Prinzip auf einem leeren Blatt Papier begonnen und die konkreten Themen kamen dann erst nach und nach zum Vorschein – findet man aus meiner Sicht einen besseren und vor allem leichteren Einstieg.
Inzwischen gibt es vom BVDW die sog. CDR Building Bloxx. Kannst Du uns dazu ein paar weitergehende Infos liefern? Was ist das genau und wofür dient dieses Tool?
Meiner Meinung nach ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich ein einheitlicher Standard in Bezug auf CDR etabliert, an dem man sich dann orientieren kann. Ein solcher Standard ist für mich von zentraler Bedeutung, wenn es um eine möglichst breite Akzeptanz in Unternehmen geht und man zudem auch überprüfen möchte, wie ernst das Thema im eigenen Unternehmen gesehen wird und wo man sicher hier aktuell einordnet. Bei der Sondierung möglicher Standards bin ich auf den BVDW aufmerksam geworden, die hier an solchen Standards arbeiten, die zudem für mich sehr praxisorientiert erscheinen. Bei den CDR Building Bloxx handelt es sich um ein praxisorientiertes Framework, das Wirtschaft, Politik Wissenschaft und Gesellschaft dabei unterstützt, ein gemeinsames Verständnis von Corporate Digital Responsibility sowie einheitliche Standards zu deren Umsetzung in Organisationen zu entwickeln und dabei von unterschiedlichsten Unternehmen nach dem Modus „Aus der Praxis und für die Praxis“ entwickelt wurde bzw. nach wie vor wird.
Genau ein solches Rahmenwerk hat hier in der Vergangenheit für mich gefehlt, um die unterschiedlichen Stakeholder und deren Interessen und Schwerpunkte miteinander zu verzahnen und entsprechende Leitplanken zur Orientierung zu geben, um CDR am Ende des Tages im eigenen Unternehmen zu beschleunigen.
Ich finde folgende Satz sehr passend: „Wenn man Veränderung möchte, muss man ein Teil davon sein!“ Genau aus diesem Grund engagieren wir uns mit Weleda beim BVDW auch im Rahmen der CDR Building Bloxx und finden es für uns sehr spannend, dadurch mit unterschiedlichsten Unternehmen in Kontakt zu kommen, sich zum Thema CDR auszutauschen und den notwendigen Dialog anzustoßen. Gerade, wenn man an Tech-Schwergewichte wie Google, Microsoft oder Adobe denkt und dort entsprechende Hebel ansetzt und vor allem dann auch umlegt, entstehen auch ganz andere Möglichkeiten der Gesamtgestaltung und daher sehe ich es auch in unserer Verantwortung, gerade bei diesem Thema einen Diskurs zwischen Technologie und Nicht-Technologie-Unternehmen zu führen, der am Ende allen Beteiligten weiterhilft.
Gibt es für Dich inzwischen CDR Best Practices oder – neben Weleda – andere Unternehmen, die das Thema aus Deiner Sicht entsprechend gut adressieren? Falls ja, kannst Du uns hierzu ein paar konkrete Beispiele nennen welche Unternehmen das sind und was diese aus Deiner Sicht besonders gut machen?
Es gibt inzwischen eine immer größere Anzahl an Unternehmen unterschiedlichster Branchen und Größen, die sich mit dem Thema CDR intensiv beschäftigen. Dazu gehören so bekannte Unternehmen wie die BARMER, OTTO, Microsoft oder Adobe, die inzwischen eine Vielzahl äußerst vielversprechender Ansätze entwickelt haben. Darüber hinaus bekomme ich immer häufiger mit, dass sich mehr und mehr Unternehmen im Zuge von Themen wie KI oder der immer weiter zunehmenden Datenmengen mit Corporate Digital Responsibility auseinandersetzen. Insofern würde ich behaupten, dass das Thema mittlerweile bereits deutlich größer ist, als dies die allgemeine Wahrnehmung vermuten lässt.
Aktuell sehe ich hier häufig, dass Unternehmen das Ganze für sich relativ isoliert betrachten. Ich bin der Meinung, dass dies nur übergreifend im Austausch und interdisziplinär die wirkliche Kraft entfalten kann, wie dies auch beim Thema Nachhaltigkeit der Fall ist. Ein Unternehmen alleine wird hier global betrachtet wenig bewirken. Interessant wird das Ganze, wenn eine entsprechende Vernetzung beginnt, weil dadurch eine ganz andere Dynamik entstehen kann.
Wie beurteilst Du CDR im internationalen Kontext? Ist das Ganze ein Thema das bislang überwiegend im deutschsprachigen Raum adressiert wird oder handelt es sich hier um ein deutlich weitreichenderes Thema? Gibt es hier im internationalen Kontext Länder, die sich hier besonders hervortun und ggf. auch bereits deutlich weiter sind als beispielsweise wir in Deutschland?
Ich weiß, dass das Thema bei Adobe beispielsweise aus den USA getrieben wird und den Weg „über den großen Teich“ gefunden hat. In UK ist das Thema beispielsweise inzwischen auch mit einer recht aktiven Community vertreten. Was bei uns gerade in Deutschland aus meiner Sicht etwas besonderes ist, ist ein recht stark verankertes Werte- und Sicherheitsbedürfnis. Von daher glaube ich, dass das Thema bei uns auf recht fruchtbaren Boden fällt. Zudem kann ich mir durchaus vorstellen, dass CDR unsere Datenschutz- und Datensicherheitslähmung aufheben oder aber zumindest positiv beeinflussen kann und wir dadurch zukünftig in vielerlei Hinsicht profitieren können. Bei uns geht es primär um verantwortungsvolle Digitalisierung und einen verantwortungsvollen Umgang mit Daten. In der Vergangenheit ist man hier mitunter recht schnell in die Verbots- oder Reglementierungsschiene abgebogen. Hier glaube ich, dass CDR zukünftig zu einem sinnvolleren Umgang und Einsatz von Daten führen kann. In anderen Kulturräumen ist es aus meiner Sicht auch durchaus möglich, CDR mit einer komplett anderen Grundhaltung zu denken.
Werfen wir mal einen Blick in die Glaskugel: Wo steht Corporate Digital Responsibility in 1, 3 und 5 Jahren in Deutschland?
Kurz- und mittelfristig sehe ich, dass das Thema in Unternehmen nahezu aller Branchen und Größen auf der Agenda landet, durch entsprechende Initiative initialisiert und in den Unternehmensalltag integriert und verankert wird. Langfristig bedeutet für mich mehr als sechs Jahre und da sehe ich das Thema als eigenständiges Thema eigentlich nicht mehr, weil es bis dahin für mich selbstverständlich geworden ist.
Vielen Dank für das Gespräch, Jakob!

Interviewpartner
Jakob Wößner
Manager Organizational Development and Digital Transformation bei Weleda AG
Jakob Wößner ist in der Organisationsentwicklung und Digitalisierung der Weleda AG – Hersteller für Naturkosmetik und Arzneimittel – tätig. Innovative digitale Werte für die Weleda mit einer angemessenen agilen Organisation für den nachhaltigen Erfolg sind dabei sein Schwerpunkt. Er studierte Medieninformatik an der Universität Ulm und war zwölf Jahre in der Strategie- und Organisationsberatung bei MHP – A Porsche Company in Ludwigsburg tätig.
Für die Zukunft hat sich Weleda wesentliche Ziele für die digital-ethische Transformation gesetzt. Jakob Wößner sieht unter anderem die strukturelle Verbindlichkeit der digitalen Transformation innerhalb des Unternehmens als eine wichtige Stoßrichtung für das neue Jahr an. Seine Tätigkeit als Verantwortlicher für Digitale Transformation sei keine alleinige Zuständigkeit, sondern ein Querschnittsthema, das viel Austausches bedürfe. Eine interne Plattform mit Schnittstellen zu Projektboards und Abteilungen sei bereits entwickelt. Die Maßnahmen der Digitalstrategie müssten im Unternehmen nun mit Verantwortungen, Regelwerken, Kommunikation und Schulungen verankert werden. Diese seien nur erfolgreich, wenn sie unternehmensweit und abteilungsübergreifend angewendet werden, betont Wößner. Sobald die interne Verankerung erfolgt sein wird, möchte das Unternehmen seine CDR-Aktivitäten auch nach außen hin stärker kommunizieren. Ebenfalls nach außen möchte Weleda seine CDR-Positionierung im Jahr 2021 für Impulsanstöße und offenen Austausch nutzen, um die Entwicklung von CDR mit zu begleiten.