Ziele setzen und Ziele erreichen - mit OKR und 4DX

Fragt man Executives, was schwieriger ist, Strategie oder Execution, ist die Antwort laut John Doerr eindeutig: Execution! Das zuverlässige Verfolgen und Erreichen der Ziele. “Ideas are easy, execution is everything” heißt es in Doerrs berühmten Buch, dem ersten Buch zu OKRs, das es gab.
Was sind OKRs?
Objective und Key Results sind eine Methode, Ziele zu definieren und fortwährend und wirkungsvoll zu tracken, ob man auf dem richtigen Weg ist, diese Ziele auch zu erreichen. Berühmt wurde die Methode durch Google. Bei Google setzt man OKRs seit 1999 ein, also seit den frühesten Tagen, als Google noch ca. 30 Mitarbeiter hatte. Besagter John Doerr stellte als externer Berater den Google-Gründern die Methode vor, und die Legende sagt, die Sergey Brin und Larry Page meinten: Wir haben eh noch nichts, dann können wir genauso gut das ausprobieren.
Erfunden hat die ganze Sache mit den Objective and Key Results Andy Grove bei Intel. Basierend auf dem “Management by Objectives” von Management Guru Peter Drucker aus den 50er Jahren wollte Grove die Umsetzung von Strategie in den Griff kriegen. Dabei erfand er ein im Grunde simples System, das bis zum heutigen Tage hunderten, wenn nicht Tausenden von Organisationen hilft, Strategie in Execution umzusetzen.

Was ist ein gutes Objective?!
Ein Objective soll qualitativ, motivierend und inspirierend sein. Es ist das Ziel, das wir erreichen wollen. “Die Kunden mit neuen Features begeistern”, “Eine überragende User Experience in unserem Shop bieten”, “Den Markt für Toaster dominieren”. Die Gretchenfrage ist nun: Woran merkt und misst man, dass man Kunden begeistert, dass die User Experience überragend ist, was heißt es, den Toaster-Markt zu dominieren?
Hier kommen die Key Results ins Spiel. Die Key Results definieren, wie wir das Objective verstehen und v.a. wie wir meinen, es zu erreichen. Die überragende User Experience könnten wir z. B. mit folgenden Kriterien definieren, also Key Results, die wir erreichen wollen:
- Abbruchrate bis zum 31.3. von 60% auf 30% senken.
- Eine Verbesserung in den wöchentlichen Nutzerumfragen von 3.5 auf 4.5 (von 5) bis Ende Q1.
- Reduktion der clientseitigen JavaScript-Browser-Errors auf 0 bis 15.2. (Anmerkung: Wir haben festgestellt, dass wir hier zu viele Fehler haben, die die Kunden unzufrieden machen!)
Die Formel von Andy Grove lautet: We will {Objective} as measured by {Key Results}. Und Key Results sind am besten formuliert mit: Wir ändern X von Y auf Z bis Zeitpunkt T. Key Results zeigen uns und messen, ob wir unserem Ziel, dem Objective, näherkommen. Sie zwingen uns, genau zu definieren, was Zielerreichung für uns bedeutet und welche Faktoren die relevantesten sind. Wie heißt es so schön im Google-OKR-Playbook: “Wenn du deine OKRs in 5 Minuten runtergeschrieben hast, sind sie vermutlich nicht gut. Denk nach!”
Meist, wenn auch nicht immer, werden OKRs für drei Monate gewählt. Und auf keinen Fall mehr als fünf. Fokus ist Trumpf. Oft setzen Unternehmen auch Jahres-OKRs, die dann in Quartals-OKRs ausdifferenziert werden. Dabei werden OKRs von den meisten Unternehmen so genutzt, dass die volle Zielerreichung extrem schwer ist – man nennt das Stretch-Goal. Im obigen Beispiel etwa: Die Abbruchrate auf 50% oder 40% zu senken, halten wir für gut möglich, um aber auf 30% runterzukommen? Da müssen wir uns ernsthaft etwas einfallen lassen.
In der Folge gilt dann auch eine Bewertung 70% Erreichung des Key Results – auch davon sollte es maximal fünf pro Objective geben – auch als Erfolg. Der Sinn von Stretch-Goals: Wenn man etwas erreichen will, was (knapp) außerhalb des Möglichen scheint, strengt man sich mehr an.
Uns hat beim Nachdenken über gute OKRs ein ähnliches, alternatives System geholfen, das wir gleich beschreiben wollen, nämlich die vier Disziplinen der Execution (The 4 disciples of execution, 4DX).
Was ist 4DX?
Eine in den USA verbreitete, hier weniger Bekannte Methode nennt sich “The 4 disciplines of execution”. Auch hier geht es, wie bei OKR, darum, Ziele sinnvoll zu setzen und wirkungsvoll zu verfolgen. Die vier Disziplinen sind:
Fokussiere auf das Allerwichtigste. “Focus on the wildly important.” Handle mit Bezug auf die Lead Measures. “Act on the Lead Measures.” Führe ein unwiderstehliches, überzeugendes Score Board “Keep a compelling score board.” Etabliere einen Rhythmus der Verantwortlichkeit “Create a cadence of accountability.”
Wie bei OKR geht es erst einmal darum, ein wahrhaft lohnenswertes Ziel auszusuchen, ein wildly important goal (WIG). Weniger ist mehr, ist auch hier die Devise. Während OKR für die Anzahl der Objectives 2-5 empfiehlt, sagt 4DX: Maximal 2 WIGs. Denn zu mehr kommt man im täglichen Wirbelsturm der operativen Tätigkeiten – dem “Whirlwind” – ohnehin nicht, das zeigen Studien.
Lead Measures versus Lag Measures (4DX)
Ein sehr interessanter Aspekt an 4DX ist die Unterscheidung zwischen Lead und Lag Measures. Freilich ist die Einteilung in frühe versus späte Indikatoren nicht neu. Man weiß immer schon, dass z. B. Kundenzufriedenheit (früher Indikator) Entwicklungen zeigen kann, bevor diese sich im Umsatz (später Indikator) schmerzhaft auswirken.
Bei 4DX geht es aber explizit darum, für die Lag Measures, um die es uns geht, gute Lead Measures zu finden; solche, auf die wir Einfluss nehmen können. Ein Beispiel: Sie wollen abnehmen! Ihr Ziel ist 10 kg Gewichtsabnahme, das ist das Lag Measure. Aber was müssen Sie tun, um 10 kg abzunehmen? Welches sind die Maße, die prädiktiv sind für Gewichtsabnahme, aber auch direkt aktiv beeinflussbar? Das sind Kalorieneinnahme und körperliche Aktivität.
Wir setzen unsere Ziele also nicht für das Lag Measure Gewichtsabnahme, weil dabei unklar bleibt, was wir machen sollen. Wir setzen sie für die Lead Measures, weil uns das zum Ziel führt: Jeden Tag nur noch 2000 Kalorien zu sich nehmen und jeden Tag 1h leichter Sport mit Puls 120. Diese beiden Metriken kann man einfach tracken und aktiv beeinflussen. Die Verbesserung im Lag Measure, das eigentlich Ziel, wird dann folgen.
Noch konkreter als OKR lässt uns 4DX also nach Metriken suchen, die auf das Lag Measure einzahlen und die wir beeinflussen können, mit denen wir einen Hebel haben, das WIG zu erreichen.
In die Verantwortung nehmen!
Genau wie bei OKR gibt es bei 4DX ein wöchentliches Meeting, in dem Team oder Abteilung prüfen, wie erfolgreich sie auf die Lead Measures eingezahlt haben und worauf sich jede/r für die Folgewoche committet: In OKR auf die Key Results, in 4DX auf die Lead Measures.
Und in beiden Ansätzen wird eine Visualisierung verwendet, also z. B. eine einfache Ampel, ob man die Key Results schon erreicht hat, damit allen sofort und einfach klar ist, wo man steht. In 4DX heißt diese Visualisierung “Score Board”.
Ein einfaches Beispiel aus unserer Praxis: Wir wollen online mehr Sichtbarkeit erreichen (wer will das nicht). Unser Lag Measure ist also eine Verbesserung der Besucheranzahl auf unserem Content Hub. Man könnte jetzt diskutieren, ob Besucherzahl nur eine Vanity-Metrik ist, weil sie für sich selbst nicht direkt einen Impact hat: Besucher kaufen nicht unbedingt, Besucher teilen nicht unbedingt Content mit anderen usw. Wir könnten also mehr Besucher haben, ohne dass sich sonst etwas Positives für uns tut.
Wir führen solche Diskussionen und haben uns dann aber für das Lag Measure Besucherzahl entschieden. Sie werden, wenn Sie OKR oder 4DX ausprobieren, merken, dass v.a. die Diskussionen darüber, was gute Ziele sind und was gute Metriken dafür sind, das Wertvolle sind. Ein einfaches richtig oder falsch gibt es da letztlich nicht wirklich.
Gut, ein Lead Measure, das sich mehrere von uns aus dem Lag Measure Besucherzahl abgeleitet haben ist: Guten Content online bringen, also z. B. Blogposts oder den Artikel, den Sie gerade lesen. Wir gehen davon aus, dass das prädiktiv ist für das Lag Measure (guter Content bringt auf Dauer mehr Besucher) und wir können aktiv Einfluss nehmen, indem wir uns aus dem täglichen Wahnsinn von Projekten, Lockdown und Co. die Zeit bewusst nehmen, Blogposts zu schreiben. Eine Sache, die sonst fast immer unter die Räder kommt.
Wie wir OKR und 4DX verheiraten und nutzen
Wir haben für uns und bei Kunden mit beidem gearbeitet, 4DX und OKR. Wir kamen an einen Punkt, wo wir Aspekte aus beiden Systemen mergen wollten. Zum Beispiel setzen wir uns qualitative Ziele als WIGs, das ist in 4DX mehr quantitativ vorgesehen, während in OKR die Objectives immer qualitativ sind. Gleichzeitig statten wir das WIG aber mit einem quantitativen Lag-Measure- Ziel aus. Beispiel: Wir wollen auf dem Markt als Experten wahrgenommen werden (qualitativ). Lag Measure: Einladungen zu Konferenzen, Panels etc.

Den Zeitraum für unsere Zielsetzungen zurren wir, wie die meisten bei OKR, auf drei Monate fest – bei 4DX geht es nicht selten um längere Zeiträume. Und das Bauen eines “compelling Score Board” hat uns Spaß gemacht, mehr noch als OKR legt 4DX wert darauf, dass das Score Board fokussiert, übersichtlich und motivierend ist. Wie ein Score Board bei einem Sport-Event: Man sieht auf einen Blick, ob man gewinnt oder (noch) nicht. “Make it a winnable game” ist ein Mantra aus 4DX. Aufwändige Tools? Nein, Google Spreadsheets reichen dafür völlig.
Wir nennen unsere Verbindung aus OKR und 4DX (zugegeben ohne Sinn und Verstand, denn die Abkürzung macht keinerlei Sinn): OKX. Also sinngemäß so in etwa “OKR mit 4DX”.
Skalieren mit OKR und 4DX
Interessant wird die ganze Sache natürlich dadurch, dass Ziele nicht unabhängig vom Rest der Organisation gesetzt werden können. Über kurz oder lang kommt man also dazu, ein kaskadiertes System zu etablieren, auf dem “obere” Ziele (auf Org-Ebene) heruntergebrochen werden in “mittlere” Ziele auf Abteilungs- oder Team-Ebene und vielleicht in persönliche Ziele. Wichtig dabei: Die Zielerreichung darf nicht Gegenstand der Performancebewertung sein, denn man setzt sich keine Stretch-Goals, wenn das Nicht-Erreichen bedeutet, dass man keine Gehaltserhöhung bekommt.
Das heißt, wir sprechen in unserer Unit mit dem C-Level, um die Ziele aneinander anzupassen. Das bedeutet aber nicht ein einfaches “Top-Down”, also dass die Ziele von oben nach unten sickern, sondern vielmehr ein gemeinsames Erarbeiten. Denn Teams wissen meist selbst am besten, wie sie auf übergeordnete Ziele einzahlen können. Manager, die das ihren Teams nicht zutrauen, müssen über ihre HR-Strategie nachdenken... Haben sie nur Arbeitsbienen, keine denkenden Menschen und Profis eingestellt?
Mit dem Skalieren über Teile oder die ganze Organisation stellt man Fokus und Alignement her, wie das kaum anders möglich wäre. Alle Ziele sind transparent, alle WIGs, alle Objectives, alle Lead und Lag Measures sind abgeglichen und in den Gesamtzusammenhang gestellt. Diese Transparenz und Interaktion führt dazu, dass wirklich alle am selben Strang ziehen, und man genau weiß, wo man steht.

Probieren Sie es aus Ziele setzen, verfolgen und erreichen ist ein Schlüssel zum Erfolg. Letztlich geht es um ein gutes Gleichgewicht von qualitativen und quantitativen Zielen, um Metriken und Ansätze, die uns dem Ziel näher bringen, und sicher auch um Disziplin, um Alignement, um Fokus. Sowohl OKR als auch 4DX sind erprobte, gut beschriebene Systeme, um genau das zu erreichen. Allein die Einigkeit, welche Ziele die wichtigsten sind, ist Gold wert. Je nach Studie können 25 bis 60 Prozent der Mitarbeiter die Unternehmensziele nicht nennen. Ein “Alles ist wichtig” hilft da nicht. Transparenz, Fokus und Alignement müssen im Kern jeder Organisation verankert sein.

Egal, ob Sie mit OKR, 4DX oder einem anderen Ansatz in Richtung Zielerreichung gehen, ohne Transparenz, Fokus und Alignment wird einfach zu viel Energie verschwendet, zu viel Impact verfehlt und zu viel Frustration und Verwirrung im Unternehmen erzeugt.
Dabei ist der erste Schritt ganz einfach: Setzen Sie sich in der geeigneten Gruppe (Team? Abteilung? C-Level? Standort? Division?) zusammen und bringen Sie aufs Papier oder Whiteboard, was die wenigen wichtigen Ziele sind, die es zu erreichen gilt – und woran man merken würde, dass man den Zielen näher kommt. Und dann geht eine Lernreise los, die sich für alle Beteiligten und die ganze Organisation immer auszahlt.
Haben wir Ihr Interesse geweckt? Besuchen Sie unser Tages-Training zu OKR und 4DX und lernen Sie, wie man Ziele für Teams und über die ganze Organisation hinweg sinnvoll setzt und erfolgreich erreicht.
Autor
Sacha Storz
Agile Coach bei TechDivision
Sacha Storz ist Agile Coach bei der TechDivision GmbH und gestaltet im Transformationsteam die Weiterentwicklung der Unternehmenskultur bei der TechDivision. Darüber hinaus ist er als Coach und Consultant in der Beratung tätig und hält seit mehreren Jahren Workshops und Talks etwa auf Konferenzen wie Agile World, Manage Agile, Agile HR, REConf und dem Global Scrum Gathering.
www.techdivision.com
s.storz(at)techdivision.com
twitter.com/st0rz
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