Was Clubhouse mit der Corona-App zu tun hat
Und was man sonst dazu noch wissen sollte

Die neue App Clubhouse ging gerade zu Beginn des Jahres insbesondere in Deutschland durch die Decke und stand zwischenzeitlich auf Platz 1 der Downloadzahlen im Appstore von Apple. Die Verbreitung wäre sicherlich noch extremer, wenn es Clubhouse auch für Android gäbe. Bislang ist das Ganze nämlich “exklusiv” für iOS verfügbar. Das Teil trifft definitiv den Trend der Zeit und die Macher hinter der App scheinen einiges richtig gemacht zu haben. Clubhouse wirft aber auch einige massive Fragen auf…
FOMO-Effekt als “Brandbeschleuniger”
Mitte Januar begann der Hype um eine neue App namens Clubhouse. Eine App, die alles Bisherige in gewissen Teilen ad absurdum führt. Es geht nicht um irgendwelche Prol-Fotos beim Einkaufen oder im Urlaub. Es geht auch nicht um Likes oder Kommentare. Es geht quasi wieder “Back to the roots”, nämlich um das Gespräch. Clubhouse ist eine App, mit der man sich ausschließlich per Sprache in beliebigen Räumen – entweder 1:1 oder 1:many austauschen bzw. seine Message verbreiten kann. Der Spiegel umschreibt das Teil aus meiner Sicht ganz treffend wie folgt: “Bei Clubhouse wird miteinander geredet, live und ohne Bild. Man kann sich das als mehr oder weniger interaktiven Podcast vorstellen oder als virtuelle Onlinekonferenz, bei der manche ein Mikro haben und andere nicht.”1

Wie bereits eingangs erwähnt haben die Macher der App einiges richtig gemacht. Zum einen setzen sie auf den gerade in den letzten zwei Jahren massiv angewachsenen Audio-Trend durch Podcasts. Vorteil hierbei ist, dass man den Content quasi fast immer und überall konsumieren kann. Man muss nämlich “nur” zuhören. Das geht im Auto, in der U-Bahn und auch sonst – zumindest theoretisch – fast immer. Zum anderen scheinen sie in ihrer Schul- oder Studentenzeit in Marketing ganz gut aufgepasst zu haben. Das Thema künstliche Verknappung hat in der Vergangenheit bereits sehr häufig extrem gut funktioniert und auch die App praktiziert diesen Ansatz par Excellence. Der Drang von Menschen, besonders bei Dingen, die rar oder schwierig zu erreichen sind, ist dann meist besonders ausgeprägt. Im Marketing-Slang spricht man hierbei auch vom sogenannte FOMO- Effekt (= Fear of missing out), der die Angst, etwas wichtiges zu verpassen, beschreibt.

Bei Clubhouse kann nicht jeder der möchte “einfach so” dabei sein. Man kann sich zwar die App downloaden, daher auch die riesige Anzahl an Downloads, jedoch muss man von einem bestehenden Clubhouse User erst eingeladen werden, um teilnehmen zu dürfen. Jeder User hat dabei zu Beginn zwei Einladungen, die er an Bekannte weitergeben kann. Bei denen funktioniert das System dann wiederum genau so. Böse Zungen würde hier vermutlich von einem Schneballsystem sprechen. Dass das Ganze funktioniert, zeigt die aktuelle Entwicklung.
Ich habe mich auch Mitte Januar bei Clubhouse angemeldet, weil mich die App alleine schon von Berufs wegen interessiert und ich generell den Audio-Ansatz äußerst spannend finde. Zwischenzeitlich habe ich auch einige Clubhouse-Sessions gehostet bzw. war als Speaker mit dabei und ich muss schon sagen, dass das Ganze ein gewisses Suchtpotential hat. Zudem kommt man teilweise mit äußerst interessanten Leuten in Kontakt, die man sonst niemals “getroffen” hätte.
Clubhouse und der Datenschutz
Das heikle an der ganze Geschichte ist allerdings – und das muss man hier ganz klar erwähnen – das Thema Datenschutz, für das sich bei Clubhouse ganz vorsichtig formuliert scheinbar niemand interessiert bzw. bislang interessiert hat. Oder anders ausgedrückt und noch wahrscheinlicher: Das Thema wird auf Kosten des Datenschutzes größtenteils ausgeblendet – zumindest was Europa und die mit der DSGVO einhergehenden Vorgaben anbelangt.
Um bei Clubhouse teilnehmen zu können, muss ich mir zuerst die Clubhouse App im Appstore downloaden, was soweit erstmal kein Problem darstellt und auch inzwischen genügend Leute gemacht haben.
Ich kann die App allerdings dann nicht sofort nutzen, sondern muss mich um die Teilnahme bewerben – was gerade in der aktuellen Situation und aufgrund des aktuellen Hypes ewig dauern dürfte und zudem einen ungewissen Ausgang hätte. Die aktuell einzig sinnvolle und funktionierende Alternative in den “erlesenen Club” aufgenommen zu werden, besteht darin, von einem bestehenden Mitglied eingeladen zu werden. Um einen Interessenten einladen zu können, benötigt man lediglich seine Mobilnummer. Er bekommt dann eine Nachricht mit einem Einladungslink. Jetzt kommt der Knackpunkt: Wenn man den Link anklickt, erscheint eine Meldung, dass man an Clubhouse nur teilnehmen kann, wenn man der App Zugriff auf sein komplettes Adressbuch gibt. Macht man das nicht, war's das auch an der Stelle und man muss “draußen” bleiben.

Sowohl bei der Telefonnummer als auch bei den restlichen Daten in einem Adressbuch handelt es sich um personenbezogene Daten (was ja auch in der Natur der Sache liegt). Deswegen greift hier die DSGVO und diese besagt – wenn ich mich nicht irre – unter anderem, dass man zum einen die Einwilligung des Gegenüber zur Speicherung und ggf. Weiterverarbeitung der Daten einholen und protokollieren muss, zum anderen diese Daten auf Servern idealerweise in Deutschland – zumindest aber innerhalb der EU – abgelegt werden müssen.
Beide Fälle kann man bei Clubhouse nach meinem aktuellen Kenntnisstand klar verneinen! Insofern ist die App nicht DSGVO-konform und wäre demnach innerhalb der EU und damit auch in Deutschland nicht rechtmäßig.
Dies “schreckte” gefühlt gerade in den ersten Wochen aber kaum jemanden ab. So sind inzwischen neben diversen “altbekannten und/oder selbsternannten Influencern” aus unterschiedlichsten Bereichen, derzeit noch verstärkt aus dem Digitalumfeld, auch bereits eine Vielzahl an Politikern aller Couleur am Start – unter anderem auch unsere Digital-Ministerin Dorothea Bär.
Das Ganze führt zu so extremen “Auswüchsen”, dass Einladungen für Clubhouse insbesondere zu Beginn des Hypes auf Ebay verkauft wurden.

Jetzt kann man hier natürlich eine endlose Diskussion beginnen. Ich finde das Ganze insofern “interessant”, weil das Datenschutzthema in Deutschland gefühlt über allem steht. In der Konsequenz wird dann beispielsweise eine Corona-App gelauncht, die dadurch so “kastriert” wird, dass sie ihren eigentlichen Zweck aus meiner Sicht nicht oder kaum erfüllen kann, obwohl die technischen Möglichkeiten hierzu gegeben wären. Auf der anderen Seite werden vom Kultusministerium cloudbasierte Tools, die nachweislich funktionieren und bei denen Unternehmen wie Microsoft oder Google es sich schlicht gar nicht erlauben können, den Datenschutz mit höchster Priorität zu behandeln, per se verboten oder nur aufgrund der Corona- Situation ausnahmsweise geduldet.
Kleine Randnotiz: Ich muss auch immer schmunzeln, wenn ich im Supermarkt an der Kasse stehe und vor mir beim Zahlen ganz bereitwillig und arglos eine Payback- oder sonstige Loyalty-Card gezückt wird, da ich hier einfach mal behaupte dass einige dieser Leute auch gegen die Corona- App und deren Nutzung aufgrund der Datenschutz-Thematik Sturm laufen…. In manchen Teilen leben wir für meinen Geschmack schon in einer seltsamen Welt!
Vielleicht hat der Hype um Clubhouse aber auch aus Datenschutz-Gesichtspunkten etwas positives – nämlich dass man das Ganze ggf. nochmals überdenkt und nachschärft. Ich bin definitiv für entsprechenden Datenschutz. Allerdings bin ich auch der Meinung, dass es gerade bei Themen wie unserer Gesundheit hier Sonderregelungen braucht und wir uns nicht alleine durch den Datenschutz komplett an die Kette legen lassen dürfen.
Das steckt hinter Clubhouse
Für alle Interessierten an der Stelle noch ein paar Hintergrundinfos zu Clubhouse: Die App startete im April 2020 und sorgte gerade zu Beginn in den USA und hier insbesondere durch die Corona- Situation für einige Furore. Auf Businessinsider findet man zu den Gründern der App folgendes:
“Gegründet wurde Clubhouse vor knapp einem Jahr von den beiden Stanford-Absolventen Paul Davison und Rohan Seth. Davison hat eine Silicon-Valley-Karriere wie aus dem Bilderbuch hinter sich: Von der Beratungsfirma Bain & Company wechselte er kurz zu Google, dann zu Metaweb Technologies, das später von Google übernommen wurde. Danach arbeitete er als „Entrepreneur in Residence” beim Facebook-Investor Benchmark Capital. Mit dessen finanzieller Unterstützung gründete er eine Netzwerk-App, mit der sich Menschen in der Nähe finden lassen konnten. Highlight, so der Name des Dienstes, wurde von Pinterest übernommen, Davison ging mit dorthin. Rohan Seth arbeitete länger bei Google und gründete dann die von Khosla Ventures finanzierte App-Schmiede Memory Labs, die er an die Immobilienplattform Opendoor verkaufte, wo er bis Ende 2019 arbeitete.”
Zum finanziellen Background kann man in der Wirtschaftswoche folgendes nachlesen: “Der Wagnis- Kapitalgeber Andreessen Horowitz, der auch früh in Silicon-Valley-Stars wie AirBnB, Facebook, Instagram, Lyft und Twitter investiert hatte, steckte im Mai 2020 zwölf Millionen Dollar in Clubhouse. Damit wurde das Start-up mit 100 Millionen Dollar (aktuell 82,78 Mio Euro) bewertet – zu einem Zeitpunkt, als nur 1500 Nutzer die Anwendung aktiv dabei waren. Darunter befanden sich aber schon prominente User wie der Rapper Drake, der Comedian Kevin Hart und die USSchauspielerin Tiffany Haddish.”
Im Dezember 2020 wurden rund 600.000 Mitglieder bei Clubhouse genannt. Für einen Invite-Only- Club, der bis dahin mit Ausnahme der US Tech-Szene (hier dürfen natürlich so Leute wie der Digital- Marketing Guru Gary Vaynerchuk nicht fehlen), sowie diversen Celebrities unter dem Radar gelaufen ist, eine echte Ansage. Wäre interessant, wie viele User die App mittlerweile hat. Alleine in meinem Umfeld ist gefühlt da inzwischen fast jeder dabei – oder möchte zumindest dabei sein.
Aktuell ist die App ja “nur” für iOS verfügbar. Das wird sich auf absehbare Zeit aber vermutlich ändern, wenn man einen Blick auf die Stellenausschreibungen von Clubhouse wirft:

Wenn die App dann auch für Android zur Verfügung steht, dürfen die Betreiber vermutlich nochmals ein kleines Server-Upgrade buchen, oder aber der Hype geht genauso schnell vorbei, wie er gekommen ist.

Zwischenzeitlich haben nämlich sowohl Twitter als auch Facebook entsprechende “Clubhouse- Klone” angekündigt und man kann davon ausgehen, dass die beiden Unternehmen nicht kleckern werden, wenn das Ganze bei denen entsprechende Relevanz besitzt. Die hierzu notwendigen Möglichkeiten dürften in jedem Fall vorhanden sein…
China inside
Es gab ja bereits zu Beginn des Clubhouse-Hypes einige Gerüchte, wonach Technologien aus China verwendet werden bzw. die technologische Basis bilden. Dass dies nicht nur Gerüchte sind, hat jetzt ein Forscherteam der Universität Stanford anhand umfassender Analysen belegt. Die Infrastruktur, die von Clubhouse verwendet wird, wird von der Firma Agora.io mit Sitz in Shanghai bezogen.

Das Handelsblatt2 schreibt hierzu: “Hinter Agora steht CEO Zhao Bin, der sich auf Englisch Tony nennt. Er gehört zu den Vorreitern von Audio- und Video-Übertragungen per Internet. Der an der Peking- Universität ausgebildete Entwickler war 1997 Teil des Gründungsteams des Konferenzdienstes Webex. 2008 wechselte er dann als Technikchef zu Chinas erstem Livestreaming-Dienst YY.
Dann wollte er eine eigene Firma aufbauen. Sein Ziel sei immer gewesen, Menschen ein umfassendes Zusammenleben online zu ermöglichen, wie das gemeinsame Singen von Karaoke-Liedern, Freunde treffen oder Partys veranstalten. „Der richtige Zeitpunkt kam, als der Smartphone- Absatz in China rasant stieg“, beschrieb Zhao später sein Kalkül.
2014 gründete er mit Freunden Agora. Das Ziel der Firma beschreibt Zhao: „Agora gibt Entwicklern die Möglichkeit, eine Welt zu erschaffen, in der jeder einfach mit jedem in Echtzeit in Interaktion treten kann.“
Nach Ansicht der Forscher entsteht daraus ein großes Datenschutzproblem (Standford-Analyse im Original). Denn die chinesische Regierung hat weitreichenden Zugriff auf IT-Firmen im Land und kann die Herausgabe von Daten verlangen.
In einem Dokument, das Agora bei der US-Behörde Securities and Exchange Commission einreichen musste, räumte das Unternehmen selbst sogar ein, dass es nach chinesischen Gesetzen zur Kooperation mit Sicherheitsbehörden verpflichtet werden kann, „um die nationale Sicherheit zu schützen oder bei der Ermittlung krimineller Handlungen zu helfen“.
In Kombination mit den bereits skizzierten Datenschutzthemen ist dies ein Grund die Verwendung der App noch genauer zu prüfen.
Der FOMO-Effekt macht bei Unternehmen nicht halt
Ähnlich wie bei Usern verhält sich der “Fear of Missing Out Effekt” auch auf Unternehmensseite. So hat die Drogeriekette DM als eines der ersten Großunternehmen im deutschsprachigen Raum jetzt einen Cloubhouse Account gestartet. Im Interview mit der Lebensmittelzeitung3 erläutert dm-Chef Christoph Werner die Überlegungen dahinter:

“Interessant ist die App mit Blick auf Multiplikatoren und Politiker, um mit diesen ins Gespräch zu kommen. Bei vielen Gesprächsrunden macht es Spaß, einfach das Mäuschen im Raum zu sein und zuzuhören. Deshalb werden auch wir uns hier eine Bühne schaffen. In der kommenden Woche legen wir mit einem eigenen Account dm@Clubhouse los. Durch den direkten Dialog mit unseren Kunden und Interessierten möchten wir die Plattform für spannende Themen rund um dm-Drogeriemarkt, unser soziales und gesellschaftliches Engagement, unsere Services und Partnerschaften nutzen. Wir wollen Experten virtuell zusammenbringen und den Zuhörern die Chance geben, mitzuwirken, Fragen zu stellen und spannende Talks mit Gästen zu erleben.”
Im Clubhouse-Account von dm unter dm @ Clubhouse liest man hierzu folgendes:
“Durch einen direkten Dialog mit unseren Kunden und Interessierten möchten wir eine Plattform für spannende Themen rund um dm-drogerie markt, soziales und gesellschaftliches Engagement, unsere Services und Partnerschaften/ Kooperationen geben. Wir bringen Experten “virtuell” zusammen und geben interessierten Zuhörern die Chance mitzuwirken, Fragen zu stellen. Folgt uns hier und erlebt bald spannende Talks mit tollen Gästen.
Es bleibt spannend – insbesondere auch wie das Thema Datenschutz hier weitergeht und vor allem auch, wie das Geschäftsmodell von Clubhouse am Ende genau aussehen wird. Beobachten sollte man die App in jedem Fall. Panikmache bzw. vorschnelle Clubhouse Engagements sind aus unserer Sicht aufgrund der genannten Punkte aber sicherlich Fehl am Platz.

Autor
Josef Willkommer
Chefredakteur eStrategy-Magazin
Als Mitgründer und Geschäftsführer der TechDivision GmbH, einer der führenden Magento- und Digitalisierungsdienstleister im deutschsprachigen Raum, beschäftigt sich Josef Willkommer seit vielen Jahren sehr intensiv mit E-Commerce, Digitalisierung und Online-Marketing. Darüber hinaus ist er als Chef-Redakteur des eStrategy-Magazins sowie als Autor diverser Fachbeiträge rund um E-Commerce und Digitalisierung auch journalistisch tätig. Neben diversen Beratungs- tätigkeiten für unterschiedlichste Unternehmen trifft man ihn bei diversen Fachkonferenzen zudem als Speaker zu E-Commerce-und Digitalisierungsthemen.
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