Strategisch, "blended" und zielgerichtet: So funktioniert Learning & Development künftig

Vernetzte Informationsquellen, aufschlussreiche Daten sowie immer leistungsstärkere digitale Kommunikationstools verändern Arbeitsabläufe und treiben die Digitalisierung voran. Auch unternehmenseigene Trainingsstrategien sind an diese Entwicklung anzupassen. „Menschen befähigen statt Wissen eintrichtern“ lautet dabei die Devise – auch in Marketing und Vertrieb. Wie Unternehmen ihre Mitarbeiter und Vertriebler nachhaltig und effektiv fördern und was Unternehmen dabei beachten sollten, erläutert Rubén Leites García von STAGG & FRIENDS.
Nach der ersten Schockstarre zu Beginn der Restriktionen im Frühjahr und einer gewissen Rat- und Tatlosigkeit suchten fast alle Unternehmen Alternativen zu abgesagten Präsenzveranstaltungen. So entstanden im Fast-Forward-Modus digitale Trainingsangebote. Ob Vertriebstrainings, abteilungsübergreifender Austausch per Videokonferenz, virtuelle Lernangebote externer Dienstleister oder spezifische Trainings über unternehmenseigene Plattformen – fast ausnahmslos findet Fortbildung aktuell digital statt.
Diese rasante Transformation ins Digitale ist richtig und wichtig, denn Qualifikation und Wissen stärken Unternehmen von innen heraus und verschaffen ihnen – gerade in Krisenzeiten – einen Vorsprung gegenüber dem Wettbewerb.
Digitale Trainings und Learnings waren schon vor Corona auf dem Vormarsch und haben – vor allem in größeren Unternehmen – einen Teil der klassischen Präsenztrainings ersetzt oder ergänzt. Die Vorteile liegen auf der Hand: Sie sind flexibel anwendbar, sparen Reisekosten und können den einzelnen Mitarbeiter zielgerichtet genau dort unterstützen, wo er Hilfe dringend und akut benötigt.
Die Vorzüge digitalen Lernens sind so evident, dass diese Art der Kompetenzerweiterung auch noch dann Bestand hat, wenn Kontakt- und Reisebeschränkungen wieder der Vergangenheit angehören werden: Drei von vier Personalentwicklern gehen laut LinkedIn Learning Report davon aus, dass auch nach der aktuellen Krise die Anzahl der Präsenzveranstaltungen sinken wird und stattdessen E-Learning und virtuelle Schulungen wichtiger werden. 61 Prozent planen, künftig auch mehr in E-Learning zu investieren als bisher.
Interdisziplinarität fördern
Doch wie gelingt es, das Thema Weiterbildung im Unternehmen strategisch aufzuhängen und Mitarbeiter mit modernen, digitalen Trainingsmaßnahmen fit für zukünftige Herausforderungen zu machen? Bestehende Fortbildungsmaßnahmen digital aufzubereiten ist dabei nur ein technischer Teilaspekt. Ebenso wichtig ist es, Qualifizierungsmaßnahmen interdisziplinär zu planen und umzusetzen: Alle Führungsebenen sollten dazu mit ins Boot geholt und der Mehrwert von Weiterbildung im gesamten Management verankert werden. Mitarbeiter benötigen ausreichend großzügige Zeitfenster für ihre persönliche Fortbildung und entsprechenden Support für Rückfragen und Feedbacks.
Die richtigen Fragen stellen
Bei der Planung von Trainings stehen die Mitarbeiter und ihre konkreten Bedürfnisse im Fokus – nur so lassen sich passgenaue Lösungen entwickeln. Was in der Theorie einfach klingt, gestaltet sich in der Praxis durchaus herausfordernd: Laut der aktuellen bitkom-Studie Weiterbildungsreport 2025 misst ungefähr die Hälfte der Führungskräfte dem Thema Fortbildung im eigenen Unternehmen eine strategische Bedeutung bei, wenn es darum geht, Mitarbeiter fit zu machen für die Zukunft. Interessant: Rund 80 Prozent der Teilnehmenden auf Geschäftsführungsebene sind davon überzeugt, dass Weiterbildung aktuell strategisch eingesetzt wird. Aber nur 42 Prozent der Belegschaft teilen diese Ansicht. Folglich hakt es in vielen Fällen bei der konkreten Umsetzung oder der Abstimmung zwischen Mitarbeitern und Unternehmensführung.
Um eine gute Kommunikation zu gewährleisten, sollten Führungskräfte aufmerksam zuhören und lernen, was Mitarbeiter benötigen und wünschen. Und: Damit die Strategien und Maßnahmen letztlich praxistauglich und qualitativ bei Arbeitsabläufen und Aufgaben unterstützen, gilt es, im Vorfeld die richtigen Fragen zu stellen. Im Vertrieb könnten diese lauten: Welche für deinen Arbeitsablauf relevanten Informationen, Prozesse und Systeme benötigst du? Oder bei neuen Mitarbeitern: Hast du im Onboarding alle notwendigen Informationen, Zugänge, Hardware und entsprechende Orientierung erhalten, um deine Arbeit perfekt zu erledigen und dich mit der Marke und dem Unternehmen vertraut zu machen? Fühlst du dich bereit, die Marke nach innen und außen zu repräsentieren?
Unternehmenseigene Daten sind dabei eine geeignete Grundlage, um Missstände zahlenmäßig zu erfassen. Weiterhin spielen Methoden wie Design Thinking, Co- Kreation, User Research, Prototyping oder Journey Maps zukünftig eine größere Rolle um herauszufinden, wo der Schuh drückt.
Ist die Aufgabenstellung erst einmal definiert, geht es an die konkrete Umsetzung. Dafür muss das Rad aber nicht jedes Mal neu erfunden werden.
Wissensflut vs. Lernstrategie
Google, YouTube, LinkedIn oder unternehmenseigene Datenquellen – kontextbezogener Content ist im Netz jederzeit zugänglich. Auch Fortbildungsinhalte stehen im Web in großer Fülle zur Verfügung und werden immer häufiger genutzt, besonders seit viele Menschen Corona-bedingt im Homeoffice arbeiten. So haben Nutzer im Mai 2020 fünfmal so viele Stunden mit den Weiterbildungsangeboten auf LinkedIn Learning verbracht wie im Vorjahreszeitraum. Vor allem Personen aus den Bereichen Verwaltung, Vertrieb und Human Resources bilden sich über diese Art digitale Lernlösungen weiter.
Informationen sind in Form von Datenbanken und Studien allgegenwärtig und Anwendungsanweisungen stehen in Form von Tutorials stets parat. Die Kunst ist es, aus der Flut an Informationen, die zu einem selbst und den Unternehmenszielen passenden herauszufiltern. Die wichtigste Erkenntnis im Zuge der Digitalisierung von Arbeitsprozessen ist daher, dass Qualifizierung nicht mehr als reine Wissensvermittlung (Content Dumping) zu verstehen ist, sondern als Performance- Support, um Mitarbeiter im laufenden Arbeitsprozess zu unterstützen. Sie müssen nicht mehr selbst alles wissen, sondern es genügt zu wissen, wo und wie sie Unterstützung finden.
Externe Online-Weiterbildungsangebote können sinnvoll sein, wenn Menschen ganz allgemein zu einem klar definierten Thema Support suchen, etwa Tipps und Tricks, um sich im Homeoffice effektiv zu organisieren oder um neue Funktionen eines Programmes zu erlernen. Die Ergebnisse des bitkom-Weiterbildungsreports zeigen jedoch auch, dass insbesondere die kostenfreien Angebote oft nicht zufriedenstellend sind. Umso wichtiger ist es für Unternehmen, selbst Weiterbildungsmaßnahmen für ihre Mitarbeiter zu entwickeln und sie zentral und von allen Endgeräten aus zugänglich zu machen, beispielsweise über eine interne App oder webbasierte Plattform.
Digitales Lernen: den passenden Schuh finden
So offensichtlich die Vorteile unternehmenseigener digitaler Trainings sind, so groß ist die Herausforderung, in der Vielfältigkeit der Möglichkeiten das passende Maßnahmenpaket zu schnüren. Die Bandbreite digitaler Trainingstools ist enorm: Vom Einsatz kleinster Microlearning-Einheiten, zugeschnitten auf den einzelnen Mitarbeiter, bis hin zur Umsetzung ganzer Konferenzen – rein digital, versteht sich. Der Trend geht aktuell eher zum Lernen in kleinen Häppchen. Mitarbeiter können einzelne Fortbildungsbausteine nach Bedarf über das Smartphone oder den PC abrufen. Auch die bitkom-Studie unterstreicht diesen Trend. Fast 60 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass Lernformate aufgrund einer geringeren Aufmerksamkeitsspanne kürzer werden, der Kostendruck steigt und Präsenzveranstaltungen seltener werden.
Obgleich der Trend situationsbedingt diese Richtung einschlägt: Fortbildung muss und sollte nicht unbedingt ausschließlich digital stattfinden sein. So ist es durchaus sinnvoll, auch die persönliche Erfahrung innerhalb eines Unternehmens zu fördern und beispielsweise interdisziplinäre Teams zum gemeinsamen Austausch zusammenzubringen. Auch andere Präsenzveranstaltungen wie Seminare oder Kongresse werden nach Ende der Kontaktbeschränkungen wieder an Bedeutung gewinnen, da der direkte Kontakt nach wie vor wichtig ist und sich nicht komplett digital ersetzen lässt. Es gibt einige Lerninhalte die lediglich real erfahren werden können und sollen. Bei der Präsenzveranstaltung geht es nicht 'nur' um den persönlichen Kontakt mit Menschen, sondern um Inhalte, die am besten real gezeigt, erfahren und übermittelt werden können.
Hybrides Lernen: ein Erfolgsmodell
Digital oder analog? Das sollte keine Entweder-Oder-Entscheidung sein, denn für beides gibt es gute Argumente. Das Lernmodell ‚Blended Learning‘ verknüpft Bestandteile des digitalen Lernens mit traditionellen Präsenzformen. Treffen sich die Teilnehmer live und in Farbe, stärkt dies zum einen die Motivation und den Lernerfolg und kommt dem Bedürfnis nach persönlichen Begegnungen und direkten Gesprächen nach. Zudem gibt es bestimmte Lerninhalte, die ausschließlich real und live erlebt werden können und eben nicht digital. Erfahrungen zeigen, dass rein digitale Lernformen ohne gesprächsbasierende Stoffvermittlung weniger erfolgreich sind als hybride Lernmodelle. Digitale Elemente in Form von kleineren Trainings-Kampagnen oder E-Learnings ermöglichen es – etwa über spielerische Ansätze wie Quizzes und Games – die Lernerfahrung im Anschluss oder zur Vorbereitung selbständig, im eigenen Tempo und an einem selbst gewählten Ort zu erweitern oder zu festigen. Ein digitales Lernangebot, das immer verfügbar ist, unterstützt die Eigeninitiative und die individuellen Bedürfnisse der Lernenden.
Ein gelungenes Beispiel für eine Blended Learning-Strategie ist das Weiterbildungsprojekt der Hessischen Landesfeuerwehrschule (HLFS), bei dem ein Teil der bisherigen Präsenzschulungen aufgrund von mangelnden Platzkapazitäten auf ein Blended Learning-Konzept umgestellt wurden. Die theoretischen Anteile des Lehrgangs werden als E-Learning mittels interaktiver Medien in Online-Phasen vermittelt, die praktischen Anteile finden weiterhin in Präsenzphasen vor Ort in der HLFS statt. Mit ihrem neuen Weiterbildungskonzept kann die HLFS rund zwei bis drei Präsenztage pro Lehrgang einsparen. Das eLearning-Journal zeichnete das Projekt jüngst mit dem eLearning Award 2020 aus.
Nachhaltige Performance-Verbesserung
Für einen langfristigen Erfolg eines Unternehmens ist es entscheidend, dass es gelingt, eine auf die Bedürfnisse des Einzelnen abgestimmte Weiterbildungs- und Learning-Strategie zu entwickeln, eine positive Lernkultur zu fördern und regelmäßig zu evaluieren, wie zufrieden die Mitarbeiter mit den wahrgenommenen Weiterbildungen sind.
Eine durchdachte L&D-Strategie, menschlicher Support und ein Blended Learning-Ansatz sorgen dafür, dass auch der soziale Aspekt des Lernens nicht zu kurz kommt. Letztlich gilt: Nur durch bewusste und nachhaltige Investition in Aus- und Weiterbildung, können Unternehmen auch in Zukunft qualifizierte Angestellte und geschultes Vertriebspersonal sicherstellen, welches in der Lage ist, schnell und flexibel auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren.

Autor
Rubén Leites García
STAGG & FRIENDS
Rubén Leites García verantwortet bei STAGG & FRIENDS seit 2016 das gesamte ‚Digital Experience und Learning & Development‘ -Team. Mit seinen fundierten Kenntnissen im Bereich Learning & Development entwickelt er moderne Trainingsstrategien und kreiert Lernerlebnisse mit messbarem Lernerfolg.