Mehr Nachhaltigkeit und persönliche Beziehungen
Warum der Einzelhandel seinen Kund*innen mehr als Convenience bieten muss

Gar nicht so einfach, sich im konstanten Buzz zu behaupten. Viele Einzelhändler setzen deshalb auf Convenience und Personalisierung, um bei ihren Kund*innen zu punkten und sich von der Masse abzuheben. Doch die zunehmende wirtschaftliche Ungewissheit und der wachsende Druck, Konsum und Umweltbewusstsein miteinander zu vereinen, stellen Einzelhändler vor Herausforderungen. Convenience und Personalisierung allein reichen nicht mehr aus, um Kund*innen langfristig zu binden – insbesondere Millennials formulieren hier klare Erwartungen an den Einzelhandel.
Angebote, Service und Zeitersparnis sollen Hand in Hand mit einem hohen Verantwortungsbewusstsein in ethischen und Umweltfragen gehen – fragt man Millennials. Mit einer „Geiz ist geil“ -Mentalität und 0815-Produkten können Einzelhändler schlicht nicht mehr punkten – heute zählen Wiedererkennungswert und Zufriedenheit. Ein klares Bekenntnis zu Werten, die ihnen wichtig sind, belohnen insbesondere Millennials mit hoher Markentreue.
Nachhaltigkeit und Ethik werden zu tragenden Säulen des Geschäfts
Aktuelle Adobe-Studien zeigen: Zwar legen Menschen aller Altersgruppen höheren Wert auf Nachhaltigkeit, doch gerade unter Millennials ist das Umweltbewusstsein besonders hoch. Fast zwei Drittel (63 Prozent) der Millennials versuchen, so oft wie möglich Produkte in recycelbaren oder kompostierbaren Verpackungen zu kaufen, 81 Prozent sind zudem der Meinung, dass Einzelhändler entsprechende Incentives setzen und Handling und Versand einschränken sollten.
Kein Wunder also, dass Marken ihre Geschäftspolitik und Lieferketten zunehmend transparenter kommunizieren. Doch Obacht: Nachhaltigkeit und Vielfalt sollten im 21. Jahrhundert eine Selbstverständlichkeit sein. Offensiv mit entsprechenden Bemühungen zu werben, stößt deshalb schnell unangenehm auf. Sowohl Kund*innen als auch Mitarbeiter*innen merken schnell, wenn sich eine Marke entsprechende Werte auf die Fahne schreibt, jedoch nicht nach ihnen handelt. Erst wenn Nachhaltigkeit und Inklusion fester Bestandteil der Unternehmens-DNA geworden sind und von allen – von der Geschäftsführung bis zu den Mitarbeiter*innen – mitgetragen werden, wird die Botschaft glaubwürdig.
Der Einzelhandel muss mit herausragenden Kundenerlebnissen punkten
Nicht erst seit Ausbruch der COVID-19-Pandemie ist Konsument*innen klar, dass unser aller Verhalten Auswirkungen auf die Umwelt hat. Dennoch wünschen sich mehr als zwei Drittel (69 Prozent) der Millennials sowohl on- als auch offline weiterhin personalisierte Einkaufserlebnisse. Egal ob auf dem Smartphone oder Tablet, dem Laptop oder in der Filiale, ganz gleich ob in den sozialen Netzwerken, in E-Mailnewslettern oder im Onlineshop – nahtlose Kundenerlebnisse und eine fließende Integration jedes einzelnen Geräts und jedes Kanals sind für Einzelhändler heute Pflicht, wollen sie bei Millennials punkten.
Das gilt nicht nur für die Form, sondern auch für den Inhalt der Markenkommunikation. Mit generischen Massen-E-Mails kann heute keine Marke mehr punkten. Wer jedoch auf kontextbezogene Inhalte setzt und seine Kund*innen entsprechend ihrer Bedürfnisse und Interessen anspricht – und das zum richtigen Zeitpunkt auf dem richtigen Kanal –, kommt, im wahrsten Sinne des Wortes, an.
Möglich machen das Künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML). Die smarten Helfer unterstützen Marken dabei, ihren Kund*innen jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Die KI kann auf Grundlage des individuellen Kaufverhaltens, saisonaler Schwankungen und weiterer Variablen präzise vorhersagen, was sich Kund*innen wünschen – oft sogar, bevor diese sich dessen überhaupt selbst bewusst sind. Für Marken eröffnet das die Möglichkeit, in Echtzeit mit entsprechenden Angeboten auf die Bedürfnisse ihrer Kund*innen einzugehen.
Klar ist aber auch: Die Privatsphäre der Kund*innen muss in jedem Fall gewahrt bleiben. Die meisten Technologien setzen hier auf Privacy-by-Design, sodass der Balanceakt zwischen personalisierten Erlebnissen und aufdringlicher Markenkommunikation zum Kinderspiel wird.
Persönliche Beziehungen bevorzugt: Warum Kund*innen lieber direkt bei Marken als auf Marktplätzen einkaufen
Auf den ersten Blick mag es erstaunlich wirken: Kund*innen kehren traditionellen Marktplätzen wie Amazon zunehmend den Rücken und kaufen lieber direkt bei Marken ein. Deutlich mehr als drei Viertel (80 Prozent) der Konsument*innen zieht den direkten Einkauf in der Filiale oder im Onlineshop einer Marke vor – sofern diese authentisch herüberkommt.
Das trifft insbesondere auf jüngere Käufer*innen zu. 70 Prozent der Millennials bevorzugen es, direkt im Shop einer Marke statt auf einer Vermittlerplattform einzukaufen. Für Marken ein klares Signal: Kund*innen sind tendenziell bereit, etwas höhere Preise zu bezahlen und dafür kleine und lokale Unternehmen zu unterstützen – nicht nur während des Lockdowns.
Größere Marken sollten sich deshalb genau anschauen, was kleine und lokale Unternehmen so attraktiv für Konsument*innen macht. Transparenz, ein hohes Verantwortungsbewusstsein sowie die Fähigkeit, schnell und unkompliziert auf die Bedürfnisse ihrer Kund*innen einzugehen, kommen gerade bei Millennials sehr gut an.

Autor
Axel G. Heyenga
Industry Strategy Director (Global Automotive & EMEA Retail) bei Adobe
Axel Heyenga ist ein internationaler Management-Experte mit mehr als 20 Jahren Erfahrung in Vertrieb und Marketing in und über verschiedene Branchen und Rollen hinweg. Er verfügt über umfassende Erfahrung in den Bereichen Geschäftsentwicklung, Vertrieb, Beratung, B2B- und B2C-Marketing sowie im Management von Geschäftsstrategien. In den letzten fünf Jahren hat Axel Unternehmen vor allem in Bezug auf Herausforderungen und Lösungsansätze zur Digitalen Transformation beraten. Zudem unterstützt er Unternehmen und Marken beim Aufbau und der Umsetzung einer zielgerichteten Digital-Strategie. Als Industry Strategy Director für EMEA treibt er die branchenspezifischen Strategien und die Vordenkerrolle in der Automobilindustrie für Adobe voran.