Die Integrationshürde meistern
SAP als Fundament im E-Commerce mit Magento

Jeder Händler und Hersteller, der E-Commerce auf einem professionellen Niveau betreibt, kommt um ein Warenwirtschafts- bzw. ERP-System nicht umhin, in dem als führendes System die wesentlichen Produkt-, vor allem aber Preis- und Bestandsinformationen hinterlegt sind und das am Ende für alle Prozesse und deren Verknüpfung mit diesen Daten zuständig ist.
Je größer das Unternehmen und die E-Commerce-Lösung, desto umfangreicher und komplexer sind in der Regel auch die entsprechenden Backendsysteme (WaWi, ERP), wobei SAP hier lediglich als ein beispielhafter Vertreter zu sehen ist. Neben unzähligen Branchensystemen sowie auch Individualentwicklungen trifft man bei mittleren und größeren Unternehmen neben SAP unter anderem auf folgende Lösungen:
- Microsoft Dynamics / NAV
- Oracle Net Suite bzw. ERP Cloud
- Sage Intacct
- Workday
- Infor M3
In unserem Beitrag soll SAP als Synonym für ERP- bzw. Backend-Lösungen verstanden werden.
Jetzt ist es natürlich schon so, dass einige der Anbieter solcher ERP-Lösungen auch E-Commerce Produkte anbieten, wie das bei SAP beispielsweise auch der Fall ist. Das Walldorfer Unternehmen hat hierzu bereits im Jahr 2013 den Shopsoftware-Anbieter Hybris übernommen und die Lösung 2018 in die SAP Customer Experience Unit integriert. Inzwischen firmiert das E-Commerce-Angebot unter dem Label der SAP Commerce Cloud.
Daher stellt sich natürlich die Frage, warum es dann überhaupt Sinn machen kann, eine andere Technologie für den Commerce-Part zu verwenden. Denn natürlich kann es Vorteile haben, eine möglichst homogene IT-Landschaft mit möglichst wenigen, unterschiedlichen Dienstleistern zu betreiben, da hierdurch das Thema Kompatibilität verbessert und zum Teil auch Synergien genutzt werden können.
Auf der anderen Seite wird die Anbieterabhängigkeit, der sogenannte Vendor Lock-in, signifikant erhöht und zudem die Flexibilität entsprechend eingeschränkt. Gerade bei SAP-Lösungen sind die TCO (Total Cost of Ownership) nicht gerade kundenfreundlich und auch das Thema Time-to-Market ist immer wieder eine Hürde.
E-Commerce-Lösungen wie Magento sind grundlegend darauf ausgerichtet, eine möglichst schnelle Implementierung und einen entsprechenden schnellen Rollout zu ermöglichen. Zudem bestehen mitunter sehr deutliche Unterschiede im Bereich der Lizenz- und Implementierungskosten, wodurch sich für Unternehmen beim Einsatz eines “externen” Shopsystems wie Magento neben erhöhter Flexibilität auch signifikante Kosteneinsparungen realisieren lassen.
Bei den neueren SAP Systemen wie SAP C4/HANA bzw. S4/HANA werden Anforderungen des modernen E-Commerce bereits viel umfassender berücksichtigt, als dies bei älteren SAP Hybris Versionen der Fall ist. Allerdings zeigt sich in der Praxis, dass nur ein gewisser Teil der SAP Kunden auch solch neuere Systeme einsetzt.
Häufig stellt sich die Frage inwiefern grundlegende Anpassungen an der bestehenden SAP Systemlandschaft notwendig sind, um entsprechende Commerce-Lösungen aus dem selben Haus sinnvoll nutzen zu können. Da es nicht DAS eine SAP System gibt, sondern es sich hier in der Regel um eine gewachsene Infrastruktur aus unterschiedlichsten Tools, Add-ons und entsprechenden Anpassungen handelt und bei dem größere Erweiterungen häufig mit einer Operation am offenen Herzen gleichzusetzen sind – dies betrifft sowohl die damit verbundenen Risiken als auch entsprechende Kosten – stellt die Anbindung eines dedizierten “externen” Shopsystems häufig eine interessante und auch sinnvolle Alternative dar, die unter anderem folgende Vorteile bieten kann:
- Geringe bis keine Anpassungen am bestehenden SAP notwendig (Zeit und Kostenersparnis!)
- Nutzung der SAP Standardschnittstellen mit der neuen E-Commerce Lösung
- Erhöhung der Flexibilität durch schlankere E-Commerce Lösungen
- Schnellere Time-to-Market durch Best-of-Breed-Ansatz
- Kosteneinsparungen durch faires Pricing (bessere Total-Cost-of-Ownership)
- Reduzierung des Vendor Lock-in (Anbieterabhängigkeit)
- Agiles Projektmanagement unterstützt Changemanagement im laufenden Projekt
- Einfachere und schnellere Reaktion auf neue Technologieanforderungen (z. B. Headless Commerce)
In unseren Digitalisierungsprojekten sehen wir daher sehr häufig einen Mix aus unterschiedlichen, spezialisierten Systemen mit denen man das Beste aus den jeweiligen Welten vereint. Ein typisches Setup kann dabei wie nachfolgend skizziert aussehen:
- SAP verwaltet als führendes System die Prozesse, Bestände, Preise und die grundlegenden Produkt- bzw. Artikelinformationen (z. B. die Artikelnummer) sowie die Kundendaten.
- Über ein Product Information Management System (PIM) wie beispielsweise Akeneo werden die Produktdaten kanalübergreifend gepflegt und ausgespielt. Hierzu zählen Dinge wie Attri- bute (Größe, Farbe, Einsatzgebiet etc.), Produktbeschreibungen und Kategorisierungen.
- Ergänzende Medien wie Bilder, Anleitungen, Datenblätter und Videos werden in einem sog. Digital Asset Management (DAM) abgelegt.
- Eine E-Commerce Lösung wie Magento bildet das Frontend (Schaufenster), stellt die ent- sprechenden Informationen aus den genannten System nach außen dar und ermöglicht den Checkout-Prozess.
- Dank universeller Standardschnittstellen können SAP, Magento, Akeneo über die gleiche Schnittstellentechnologie kommunizieren.
- Die Verbindung der unterschiedlichen Softwaretools übernimmt dabei eine Middleware, die in unserem Beispiel aus den beiden Komponenten Pacemaker (kümmert sich um Prozessmodel- lierung und Importe) sowie Bloodstream (Konvertierungstool mit dem die unterschiedlichen Datenformate aus ERP, PIM und DAM vereinheitlicht werden und so von den eingesetzten Tools verarbeitet werden können) besteht.

Praxis Beispiel
Die weltweit agierende, mittelständische Unternehmensgruppe Erhardt+Leimer GmbH steht seit über 100 Jahren für „Spitzentechnik an laufenden Bahnen“. Dieser Slogan gilt nach wie vor als Maßstab und dient den mehr als 1.600 Beschäftigten des Unternehmens, als anspornendes Leitmotiv.
Das Unternehmen gehört weltweit zu den führenden Anbietern im Bereich der Bahnregelung, Bahnsteuerung und Bahninspektion. Die bewährten Sensoren, Regler und Antriebe unterstützen Hersteller in der Textil-, Papier-, Wellpappen-, Druck- und Reifenindustrie sowie in vielen weiteren Industrien dabei, ihre Produktionsprozesse effizient zu gestalten. Mit 19 Tochtergesellschaften in Europa, Asien und Amerika sowie 115 Handelsvertretungen überall auf der Welt ist Erhardt+Leimer in den bedeutendsten Industrienationen präsent. Die Produktionsstandorte sind Deutschland, Italien, China, Indien und die USA.
Die Umsetzung der Vision eines globalen Webshops für Ersatzteile und Komponenten ist ein wichtiger Baustein der Digital-Strategie bei Erhardt+Leimer, der dazu beiträgt, die Kunden zu jeder Zeit und bestmöglich zu unterstützen.
Erhardt+Leimer ist langjähriger SAP-Kunde. Dennoch hat man sich am Ende für Magento als Shoplösung mit nachfolgender Begründung entschieden:
”Wir haben uns aufgrund der guten TCO sowie der sehr hohen Flexibilität für Magento als globale E-Commerce-Lösung entschieden. Diese Entscheidung hat sich aufgrund einiger Änderungsanforderungen bereits recht früh im Entwicklungsprozess als absolut richtig erwiesen.”
Tobias Högg (Head of Digital Marketing, Erhardt+Leimer)
Wie kann man ein SAP-System technisch am Besten an eine Shoplösung wie Magento anbinden?
Eine pauschale Aussage ist hier weder möglich noch sinnvoll, da es hier auf eine Vielzahl von Parametern ankommt. Dazu zählt unter anderem die jeweilige SAP Version, entsprechende Mengengerüste beispielsweise in Bezug auf Bestellvolumen und -häufigkeiten, die Notwendigkeit von Echtzeit-Abfragen (z. B. Verfügbarkeiten und Preise) und vielem mehr.
Auf Seiten von Magento profitieren Kunden von der enormen Flexibilität der E-Commerce-Plattform, mit der eine nahtlose Integration von Drittsystemen wie SAP problemlos möglich ist. Magento bietet mit seinem Service Layer eine sehr umfangreiche Schnittstellenbasis für REST und SOAP Webservices über die alle relevanten Entitäten wie z. B. Preise, Kundendaten, Bestellungen angesprochen werden können.
Wie bereits skizziert, bietet SAP abhängig von der eingesetzten Version verschiedene Möglichkeiten, um eine Verbindung mit dem Service Layer von Magento herzustellen. Beispielsweise lassen sich SAP und Magento über den Netweaver Gateway oder durch SAP Webservices problemlos miteinander verbinden. Darüber hinaus stehen unter anderem noch folgenden Ansätze zum Austausch unterschiedlichsten Daten zur Verfügung:
SAP Process Integration (SAP PI)
Hierbei handelt es sich um ein System, das zur Kommunikation eines SAP-Systems mit Fremdsystemen konzipiert wurde. Um Informationen an ein System zu schicken bzw. Informationen von Fremdsystemen zu empfangen verwendet SAP PI sowohl die Programmiersprache ABAP als auch Java-Stacks sowie unterschiedliche Adapter. Diese Adapter sorgen vor der Kommunikation zwischen den Systemen für eine eventuelle Konvertierung auf das zu verwendende Format des Zielsystems.
SAP PI lässt sich aber auch ausschließlich auf dem Java Stack betreiben. Hierbei sollte man sich allerdings überlegen, ob es nicht sinnvoller ist, die zusätzliche Process Orchestration Komponente zu aktivieren.
SAP Process Orchestration (SAP PO)
Bei der SAP Process Orchestration handelt es sich um eine Kombination aus verschiedenen SAP-Lösungen mit dem Ziel, Logiken, Anwendungen und Integrationen zur Verfügung zu stellen, die benötigt werden, um sämtliche Lücken zwischen dem eigenen SAP-System und allen Erweiterungen zu schließen.

SAP IDoc
Hierbei handelt es sich um ein SAP spezifisches Werkzeug bzw. Datenformat, mit dem man Geschäftsprozesse mit externen Partnern in SAP integrieren kann. IDoc ist eine Abkürzung für ‚Intermediate Document‘, das man frei übersetzt als Austausch-Dokument bezeichnen kann. Der Zweck eines IDoc besteht darin, Daten oder Informationen von SAP in andere Systeme zu übertragen und umgekehrt. Die Übertragung von SAP zu Nicht-SAP-System erfolgt über ein sogenanntes EDI-Subsystem (EDI = Electronic Data Interchange).
IDoc stellt eine Vielzahl unterschiedlicher, vordefinierter Typen für unterschiedlichste Geschäftsprozesse zur Verfügung, die unternehmensinterne SAP-Container für den Austausch von Dokumenten wie z. B. Rechnungen, Lieferscheine oder Bestellungen darstellen.
OData (Open Data Protocol
Daten aus verschiedenen Quellen nutzen zu können, erfordert einen hohen Grad an Flexibilität. Hierfür bietet das OASIS Konsortium, zu dem SAP und auch Adobe als Mitglieder zählen, mit dem Open Data Protocol (OData) ein standardisiertes Protokoll für das Entwickeln und Konsumieren von RESTful-APIs.
Das heißt das Open Data Protocol (OData) ist ein Webprotokoll für das Anfragen und Aktualisieren von Daten; es nutzt Webtechnologien wie HTTP, Atom Publishing Protocol (AtomPub) und JSON bzw. baut auf diesen auf und ermöglicht dadurch den Zugriff auf Informationen aus diversen Anwendungen und Services. Die OData-Services lassen sich problemlos auf verschiedenen Plattformen nutzen und ermöglichen dadurch das Erstellen plattformübergreifender Webanwendungen und mobiler Anwendungen.
SAP RFC (Remote Function Call)
RFC ist der Überbegriff für die SAP-eigenen Protokolle und Schnittstellen mit denen Funktionen in einem entfernten System aufgerufen werden. Dabei ist die Kommunikation sowohl zwischen SAP-Systemen als auch zwischen einem SAP-System und einem Nicht-SAP-System möglich. Letzteres verwendet hierbei typischerweise eine von SAP bereitgestellte RFC-Bibliothek für die jeweilige Ablaufumgebung bzw. Programmiersprache. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig. Daten können in ein oder aus einem SAP-System transportiert werden und so in nahezu jedem beliebigen Umfeld verfügbar gemacht werden. Ein wichtiger Anwendungszweck ist die Abwicklung von Transaktionen über Systemgrenzen hinweg, z. B. für die Replikation/Synchronisation von Datenbeständen.
Middleware Lösungen
Zur Anbindung von SAP an eine E-Commerce-Plattform wie Magento können darüber hinaus auch unterschiedlichste 3rd-Party Lösungen – häufig spricht man hier von Middleware-Lösungen – eingesetzt werden. Eine solche Lösung bietet beispielsweise die Firma Proclane (früher HONICO) mit der Software IntegrationMan an. Hierbei handelt es sich um eine flexible, SAP-zertifizierte Plattform, die für die Integration von uneinheitlichen Systemen entwickelt wurde. Über einen entsprechenden Shop-Konnektor ermöglicht der IntegrationMan die Kommunikation zwischen SAP und dem jeweiligen Shopsystem. Dafür muss die Software in die vorhandene Systemlandschaft integriert werden. Der IntegrationMan sorgt dann dafür, dass die Prozesse systemübergreifend ausgeführt werden.
Eine weitere Lösung zur Anbindung von SAP an Magento bietet die Software Pacemaker, die vom Magento Enterprise Partner TechDivision entwickelt wurde. Hierbei handelt es sich ebenfalls um eine Middleware-Lösung, mit der Prozessmodellierung und die Steuerung und Abwicklung von Importprozessen aus Drittsystemen wie einem SAP in Magento ermöglicht werden.
Was sind die größten Herausforderungen bei einem Integrationsprojekt und wie können diese gelöst werden?
Ganz grundsätzlich ist es von großer Bedeutung, dass bei einem entsprechenden Integrationsprojekt von Beginn an mit größtmöglicher Transparenz und Offenheit vorgegangen wird und eine umfassende und vor allem laufende Kommunikation unter allen relevanten Stakeholdern stattfindet. Eine zentrale Anforderung besteht bei einem Integrationsprojekt immer darin, alle Projektbeteiligten frühzeitig abzuholen, ein gemeinsames Verständnis vom jeweiligen Status Quo zu erlangen und natürlich auch frühzeitig entsprechende Ziele sowie etwaige Zukunftsszenarien abzustimmen.
Zudem ist es bei einem Integrationsprojekt von zentraler Bedeutung, dass – unabhängig von den jeweiligen Technologien – Vertreter aus beiden Welten, d. h. sowohl von der ERP-Seite als auch der E-Commerce-Seite, von Beginn an in ein Integrationsprojekt involviert sind.
Auf Kundenseite sind das die Digital-Unit, die IT und hier insbesondere die für SAP/ERP zuständige Abteilung, der entsprechende SAP/ERP Integrationspartner sowie der E-Commerce Integrationspartner
Ein allgemeingültiger Ansatz für die technische Anbindung des ERP-Systems mit einer E-Commerce-Plattform ist hier aus unserer Sicht kaum machbar, da jede ERP-Landschaft anders aufgebaut ist und die Prozesse im Detail immer Unterschiede zu sogenannten Standards zeigen. Auch spielen unterschiedlichste Systeme und Komponenten in der Systemlandschaft eine entscheidende Rolle. Wichtig sind unter anderem folgende Fragestellungen:
- Welches System und welche Version werden sowohl auf ERP als auch E-Commerce-Seite im Detail eingesetzt?
- Welche Systeme gibt es bereits neben dem ERP oder soll es in Zukunft geben? (PIM, DAM, CRM, ...)
- Welche grundlegenden Möglichkeiten der Anbindung von Drittsystemen bestehen?
- Von welchen Mengengerüsten und welchen Aktualisierungsintervallen sprechen wir? D. h. reicht der Austausch von Daten zwischen den Systemen in einem bestimmten Turnus (z. B. jede Stunde) aus oder müssen Daten jeweils in Echtzeit kommuniziert werden?
- Wie sind die Stakeholder technologisch und hinsichtlich Manpower jeweils aufgestellt?
- Wie sehen etwaige Zukunftsszenarien aus? Ist beispielsweise die Ausdehnung auf neue Märkte (ggf. mit weiteren – im “Worst Case” anderen – Systemen) geplant? etc.
Unterschiedlichen Releasezyklen zwischen SAP und einem Webshop
Hier liegt sicherlich einer der zentralen Unterschiede zwischen klassischen Backendsystemen wie einem SAP und dem Digital Commerce Umfeld. Bei Letzterem gibt es aufgrund der enormen Dynamik im Markt sowie laufend neuen Technologien und Tools entsprechend kürzere Releasezyklen, als im Bereich der Backendsysteme. Dies liegt sicherlich auch daran, dass diese wiederum so tief in die Unternehmensprozesse eingreifen, dass kurzfristige Änderungen keinen Sinn machen. Entsprechende Prozesse in den ERP Systemen sind in der Regel für einen langen Zeitraum ausgelegt, und es hängen zu viele Abhängigkeiten am ERP Prozess.
Hinzu kommt, dass im E-Commerce Umfeld eine agile Projektentwicklung und entsprechendes Projektmanagement aufgrund der enormen Dynamik in der heutigen Zeit meist die einzig sinnvolle Vorgehensweise darstellt, während man im ERP Umfeld normalerweise von längeren Entwicklungszyklen und häufig langfristig bestehenden Prozessen ausgeht.
Bei einem Integrationsprojekt muss daher sichergestellt werden, dass die unterschiedlichen Releasezyklen sowie generell die unterschiedliche “Pace” bei Backendsystemen im Vergleich zu Commerce-Lösungen möglichst problemlos abgebildet werden können. D. h. es muss sichergestellt sein, dass die E-Commerce-Plattform in der Regel in kurzen Zyklen aktualisiert wird (Continuous Integration und Continuous Delivery) während das Backendsystem in der Regel über einen längeren Zeitraum ohne großes Updates bzw. Releases auskommt.
Konfliktpotential durch unterschiedliche Sprache zwischen ERP- und E-Commerce-Umfeld
Gerade zu Beginn eines Integrationsprojektes stellt man sehr häufig fest, dass man zwar auf der jeweils anderen Seite IT-Profis am Tisch sitzen hat, die meist jedoch eine komplett andere Sprache mit anderem Vokabular und anderen Fachbegriffen verwenden.
Insofern macht es Sinn, möglichst zu Beginn eines Projektes im Rahmen eines sogenannten Stakeholder Alignment Termins ein gemeinsames Verständnis zu den jeweiligen Begrifflichkeiten und Besonderheiten herzustellen. Wir haben hierzu mit einem gemeinsamen Glossar recht gute Erfahrungen gesammelt. Dort werden die jeweiligen Begrifflichkeiten und Fachtermini mit entsprechender Erläuterung aufgeführt. Während des Projektes können alle Projektbeteiligten bei Unklarheiten dort nachschlagen, wodurch die Wahrscheinlichkeit, dass man auch wirklich vom Selben spricht, signifikant erhöht wird. Nachfolgende Beispiele sollen diese Wording-Problematik etwas verdeutlichen:

Zum Beispiel der Bestände bzw. Verfügbarkeiten eine kleine Erläuterung: In SAP bzw. einem ERP-System bedeutet ein vorhandener Bestand nicht zwingend, dass dieser auch verfügbar ist. Es könnte hier nämlich beispielsweise eine Reservierung vorliegen. Dieser Umstand hat mitunter signifikante Auswirkungen auf den Webshop.
Lösungsansätze und Erkenntnisse
Der Erfolg von Magento beruht insbesondere auf folgenden zwei Säulen: Die Software ist Open Source, d. h. der Quellcode ist offen und kann bei Bedarf jederzeit geprüft, angepasst und erweitert werden und jede Entität in Magento über entsprechende Schnittstellen ist von außen ansprechbar. Dadurch besteht auf Seiten der E-Commerce-Plattform größtmögliche Flexibilität, was die Anbindung beliebiger Drittsysteme anbelangt.
Wir haben in bisherigen Integrationsprojekten mit OData oder dem Einsatz der TechDivision Pacemaker Middleware Lösung sehr gute Erfahrungen gesammelt. Durch den SAP Konnektor für Pacemaker wird ein Großteil der in den meisten Shopprojekten benötigten Standardanforderungen bereits abgedeckt, so dass hier primär nur noch auf SAP Seite entsprechende Anpassungen erforderlich werden.
Nachfolgende Vorgehensweise hat sich hierbei als sehr zielführend herausgestellt:
In einem ersten Schritt wird ein Anforderungsworkshop mit allen relevanten Stakeholdern durchgeführt. Darin enthalten ist unter anderem das bereits skizzierte Alignment mit einem entsprechenden Glossar, um ein gleiches Verständnis aller Beteiligten sicherstellen zu können. Im Workshop werden folgende Fragen bearbeitet:
- Welche Anforderungen sind konkret mit welcher Priorisierung umzusetzen?
- Welche Stakeholder werden dazu benötigt und wann?
- Wie kann ein konkreter Lösungsansatz mit abgestimmter Architektur aussehen?
Die Erfahrung hat gezeigt, dass Preise dabei sehr häufig ein Knackpunkt sind, insbesondere im B2B Umfeld, bei dem meist komplett kundenindividuelle Preise zum tragen kommen. In einem bekannten SAP Kalkulationsschema werden alle Preise berechnet und durchlaufen. In diesem Schema werden Zwischensummen, Rabatte auf unterschiedlichen Bereichen etc. berücksichtigt.
Hier ergibt sich die Herausforderung, dass der SAP Standardbaustein “Sales Order Simulate”, eine mitunter sehr lange Laufzeit hat. Abhängig von den jeweiligen Parametern können hier viele Sekunden vergehen, bis am Ende ein entsprechender Preis “ausgespuckt” wird. Im E-Commerce Umfeld ist dies häufig nicht tragbar, weil der Kunde sofort seinen entsprechenden Preis sehen möchte.
Der SAP Partner KENTIVO hat hierfür einen speziellen Service “Pricing” implementiert, der sich ausschließlich um Preisberechnungen in Echtzeit kümmert und dafür sorgt, dass kundenindividuelle Preise instant und unter Berücksichtigung etwaiger Rundungsproblematiken ausgegeben werden.
Best Practice
Die EGLO Gruppe mit Firmensitz in Pill (Tirol), rund 70 Gesellschaften in über 50 Ländern weltweit und Produktionsstätten in Ungarn, China und Indien, produziert mehr als 80.000 Leuchten pro Tag. Obwohl die Wahrscheinlichkeit, dass man Leuchten von EGLO bei sich Zuhause oder in der Arbeit nutzt, sehr hoch ist, ist der Hersteller der Leuchten den Wenigsten bekannt. Genau vor diesem Dilemma sah sich EGLO.
Aus diesem Grund führte das Consultingteam des Magento Enterprise Partners TechDivision bereits Ende 2016 die ersten Gespräche mit EGLO, wie man genau diesen Zustand bestmöglich ändern könne. Im Mai 2017 wurde der erste Strategieworkshop abgehalten, bei dem die Möglichkeiten einer eigenständigen EGLO B2C-Marke beleuchtet wurden. Diese Workshops wurden von der TechDivision eConsulting vorbereitet und durchgeführt. Ergebnis war, dass EGLO eine B2C-Marke benötigt, um eine breitere Kundenschicht ansprechen zu können.
Im ersten Schritt beschloss man, die vorhandene Website abzulösen. EGLO hat sich in diesem Fall nicht für ein herkömmliches Content-Management-System entschieden, sondern setzt von Beginn an auf die E-Commerce-Plattform Magento Commerce. Ist der Einsatz einer E-Commerce-Plattform als Basistechnologie sinnvoll, wenn zu Beginn gar kein E-Commerce vorgesehen ist? Mittel- und langfristig betrachtet kann dieser Ansatz große Vorteile mit sich bringen, wenn zum einem Produkte mit entsprechenden Kategorisierungen im Vordergrund stehen und zum anderen das Thema E-Commerce zu einem späteren Zeitpunkt relevant werden kann.

Gerade in der heutigen Zeit sollten sich Unternehmen unabhängig von Branche und Ausrichtung diese Option offen halten. Durch den Einsatz einer E-Commerce-Plattform wie Magento behält man sich alle Möglichkeiten offen. 2019 wurde die technologische Basis durch eine Vielzahl an eigenständigen Ländermandanten gelegt, für die im Laufe dieses Jahres die E-Commerce-Funktionalitäten sukzessive freigeschaltet werden. Bis Mitte 2020 wurden darüber hinaus – auch aufgrund der Corona-Situation – in einigen Ländern bereits erste E-Commerce Ansätze mit der neuen Plattform innerhalb weniger Tage sukzessive ausgerollt.
Als Backend- und führendes System setzt EGLO bereits seit längerem auf SAP. Die Produktdaten werden in Akeneo PIM gepflegt und an die jeweiligen Kanäle ausgegeben. Die nachfolgende Architektur-Skizze verdeutlicht die bei EGLO eingesetzte IT-Infrastruktur:

Insbesondere mittlere und große E-Commerce Plattformen, müssen sich dabei fast immer mit den Problemen langlaufender und konkurrierender Prozesse wie z. B. dem Im- und Export von großen Datenmengen auseinandersetzen. Auch bei EGLO existieren komplexe Prozesse und eine dementsprechend heterogene Systemlandschaft. Die Middlewarelösung Pacemaker unterstützt EGLO dabei, die Prozesse zu modellieren, sichert dadurch die Verfügbarkeit der Plattform auf höchstem Niveau und sorgt für stets valide und konsistente Daten für deren Besucher. Ein SAP-Plugin für Pacemaker sorgt dabei für den reibungslosen Austausch der Daten mit dem ERP-System.

Autor
Josef Willkommer
Chefredakteur eStrategy-Magazin
Als Geschäftsführer der TechDivision GmbH, einer der führenden Magento- und E-Commerce-Agenturen im deutschsprachigen Raum, beschäftigt sich Josef Willkommer seit vielen Jahren sehr intensiv mit E-Commerce und Online-Marketing. Darüber hinaus ist er als Chefredakteur des eStrategy-Magazins sowie als Autor diverser Fachbeiträge rund um E-Commerce und Online-Marketing auch journalistisch tätig. Neben diversen Beratungstätigkeiten für unterschiedlichste Unternehmen trifft man ihn bei diversen Fachkonferenzen auch als Speaker zu E-Commerce- und Online-Marketing-Themen.
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