Was bleibt von der Homeoffice-Zeit?
Kommunizieren Sie asynchron und machen Sie weniger Meetings!

Die Covid-19-Zeit zeigt es ganz deutlich: Das, was wir aktuell von zuhause aus machen, ist nicht Remote-Arbeit. Es ist in erster Linie das Simulieren der bekannten Prozesse aus dem Büro. Damit die Arbeit aus dem Homeoffice wirklich klappt, müssen die Abläufe aus dem Büro auch “remote gedacht” werden, denn sie wurden nicht für verteiltes Arbeiten entwickelt. Ein erster Schritt dazu sollte die Umstellung der Kommunikation sein – nicht nur hin zu Chats und mehr Webmeetings.
Im folgenden Artikel beschreibt Martin Ruprecht, Agile Coach bei der TechDivision GmbH, wie die Umstellung auf asynchrone Kommunikation bei der TechDivision gelöst wurde.
Die Covid-19-Zeit hat viele Firmen gezwungen, komplett auf verteilte Arbeit umzustellen. Für uns als TechDivision bedeutete das: Wir, d.h. rund 120 Mitarbeiter, waren jetzt einige Wochen im Homeoffice – “remote only” also. Was in der Vergangenheit bei uns immer schon “mal möglich” war, wurde nun für alle Mitarbeiter ein fester Bestandteil des Arbeitsalltags. Wir betraten also kein Neuland. Wir haben schon Erfahrungen mit remote arbeiten gemacht. Auch unsere Infrastruktur ist darauf ausgelegt, dass Arbeiten auch außerhalb des Büros für alle möglich ist.
Wirklich neu war für uns jedoch, dass das komplette Unternehmen zeitgleich im Homeoffice ist und auch, dass die Unternehmensführung von zuhause aus erfolgen muss. Obwohl wir mit Remote-Arbeit Erfahrung haben, mussten wir dennoch recht schnell erkennen, dass die Arbeit mit dem gesamten Team aus der Ferne nicht dasselbe ist wie die Arbeit in einem Büro. Wir erledigen zwar dieselben Dinge, aber die Art und Weise, wie wir sie erledigen, ist anders. Sehr schnell haben wir gemerkt, dass der Versuch, den Büroalltag und die damit verbundenen Prozesse zu simulieren, ziemlich anstrengend ist und nicht die gewünschten Ergebnisse bringt:
- Die gleiche Anzahl an Meetings via Videochat abzuhalten, ist sehr zäh.
- Mit einer großen Anzahl an Teilnehmern in Webmeetings zu sein, reduziert die Qualität der Ergebnisse signifikant.
- Lange Videochats sind enorm ermüdend, insbesondere wenn diese nicht interaktiv gestaltet/moderiert werden.
- Der Einsatz von zusätzlichen Werkzeugen (z. B. ein Audiokanal) sorgt zwar für mehr Kommunikationsmöglichkeiten, wurde jedoch mit gemischten Gefühlen aufgenommen (“noch einen Kanal mehr, den ich verfolgen muss”).
- Von einem Meeting direkt zu einem anderen Meeting übergehen, ist sehr anstrengend. Es fehlt die kurze Abwechslung zwischen den Treffen, z. B. durch den Weg in einen anderen Raum oder zur Kaffeemaschine.
- Aufmerksamkeit einzelner (oder sogar aller) Teilnehmer ist nicht immer gegeben.
Den Büroalltag und die bestehenden Prozesse 1:1 in Form von vielen Webmeetings einfach zu übernehmen, ist auf Dauer sehr stressig und kontraproduktiv.
Durch Retrospektiven und Feedback vieler Kollegen wurde uns klar:
Im Homeoffice brauchen wir mehr Zeit und Raum für uns selbst, um Dinge auszuprobieren, nachzudenken – sowie eine andere Form der Kommunikation. Das kommt einem Wandel in unserem Denken gleich. Man spricht hier auch von einem sogenannten Mindset-Shift. Zum einen bedeutet das für uns alle, dass wir unsere Tage anders strukturieren sollten, um genau diese Zeit und den Raum für uns zu haben und zum anderen sollten wir die Art und Weise unserer Kommunikation umstellen und von nun an vermehrt asynchron kommunizieren.
Effektiv aus dem Homeoffice arbeiten, bedeutet einen Mindset-Shift: Wir brauchen mehr Zeit und Raum für uns, um Dinge auszuprobieren, nachzudenken und (asynchron) zu kommunizieren.
Im Büro kann ich schnell zu den Kollegen gehen. Ich sehe, was er/sie gerade macht und abhängig davon können wir Dinge sofort besprechen oder man kommt später noch einmal wieder. Obwohl wir auch in der Coronakrise ein gemeinsames Verständnis über unsere (Team-)Arbeitszeiten haben, kann ich im Homeoffice nicht davon ausgehen, dass mein Kollege gerade an seinem Arbeitsplatz daheim ansprechbar ist, sondern möglicherweise momentan in etwas anderes vertieft ist. Im Gegensatz zum Büro sehe ich nicht, was mein Kollege gerade macht.
"Räumlich verteilte Zusammenarbeit geht nicht nur in Videokonferenzen, sondern muss auch und zuerst bedeuten, schriftlich und asynchron zu kommunizieren." - Marcus Raitner
Genau hier setzt die asynchrone Kommunikation an: Durch das zeitversetzte Bearbeiten und Voranbringen von Themen können sich Kollegen ihren aktuellen Tätigkeiten widmen, ohne dabei abgelenkt zu werden. Diese Form der Kommunikation hat klare Vorteile, sie ist zeit,- orts- und personenunabhängig. Man kann kommunizieren, wann man will und so viel man will, denn man ist nicht von der gleichzeitigen Verfügbarkeit der Gesprächspartner abhängig.

Definition von synchroner Kommunikation
Synchrone Kommunikation bedeutet, dass der Austausch zur gleichen Zeit stattfindet und deshalb unmittelbar auf Anfragen oder Beiträge reagiert wird. Das Problem dabei ist, dass diese Anfragen in der synchronen Kommunikation oft mit der aktuellen (produktiven) Arbeit konkurrieren. So wird man entweder aus dem fokussierten Arbeiten “herausgerissen” oder verbringt seinen Tag in einem “Meeting-Marathon”. Ein klassisches Beispiel für synchrone Kommunikation (auch über die Entfernung) ist ein Telefonat.
Was kommuniziere ich asynchron, was synchron?
Es gibt keine Schablone, mit der sich bestimmen lässt, was asynchron und was synchron kommuniziert werden soll. Das liegt in der Natur der Sache. Das Zusammenarbeiten ist nun mal komplex – gerade in Zeiten von Corona.
Generell empfiehlt es sich, einen Großteil an Arbeit asynchron zu erledigen, denn das erlaubt den Leuten, sich selbst zu organisieren. Das Verteilen von Informationen, ein gemeinsames Brainstorming, die Vorbereitung auf ein Meeting oder das Stellen eines Antrags kann genauso asynchron erfolgen wie die schriftliche Zusammenarbeit an einem Dokument mit Kollegen. Durch diese Arbeitsweise werden alle einbezogen, auch die Kollegen, die sich in Meetings seltener zu Wort melden.
Die synchrone Kommunikation hat allerdings auch ihre Berechtigung. Wenn ein Thema für die Beteiligten wirklich relevant ist und wenn umgekehrt die Teilnehmer relevant für das Thema sind, kann ein persönliches (Remote-)Treffen passend sein. Das könnte zutreffen, wenn es zum einen eine Entscheidung gibt, die rechtzeitig getroffen werden muss oder wenn wir zum anderen von emotionalen Informationen sprechen, die mitgeteilt werden müssen. Für agile Teams, die bspw. nach Scrum arbeiten, sind regelmäßige Meetings fest eingeplant. Sie unterstützen damit die produktive Zusammenarbeit im Team.
Welche Kommunikationsform man wann anwendet, sollte in einem Team Agreement festgehalten werden.
Ein erster Schritt könnte sein, dass man sich im Team genau überlegt, was synchron und was asynchron erfolgen kann. Die Ergebnisse sollten als sog. “Team Agreement” festgehalten werden. Das Gleiche kann anschließend teamübergreifend – ja sogar unternehmensweit – erfolgen.
Quick-Check: Was wird für asynchrone Kommunikation benötigt?
- Ein Agreement darüber, was wie kommuniziert wird (Was ist unser “Default Mode of Communication”?), kann Klarheit über die Kommunikationswege schaffen und die asynchrone Kommunikation unterstützen und vorantreiben.
- Jedes Team sollte sich über die Erwartungshaltung von Reaktionszeiten unterhalten und diese auch weiter kommunizieren. Es ist schwer, der eigenen Arbeit nachzukommen, wenn das Gefühl vorhanden ist, dass auf jede Nachricht im Chat oder E-Mail sofort eine Antwort folgen muss.
- Klarheit darüber, was einen Notfall ausmacht und wie in einem solchen Fall die Kollegen erreicht werden können.
- Wesentliche Informationen sollten zur Verfügung gestellt werden, z. B. Informationen aus regelmäßigen Firmenmeetings auch im Nachgang in einer geeigneten Form für Mitarbeiter, die nicht teilnehmen konnten.
Mehr schriftliche asynchrone Kommunikation bedeutet, eure Meetings werden sich verändern!
Simuliert man den Büroalltag zuhause, merkt man früher oder später, dass diese Arbeitsweise sehr anstrengend ist. Vor allem die vielen Meetings können nicht im gleichen Maße wie im Büro abgehalten werden. Die schriftliche asynchrone Kommunikation hilft dabei, Meetings vorzubereiten, nachzubereiten, effizienter und teilweise sogar ganz überflüssig zu machen. Wie sieht das in der Praxis aus?
Vorbereitungen
Die Vorbereitung auf ein Meeting wird wichtiger denn je – und zwar in schriftlicher Form. Die Zeiten, in denen sich erstmal alle Teilnehmer des Meetings zu Beginn des Treffens von einer Person aufklären/abholen lassen, sollten vorbei sein! Bereits im Vorfeld sollte allen Teilnehmern der Grund für das Meeting klar sein und es sollten sich alle in einer durchdachten, schriftlichen Form an der Vorbereitung beteiligen. Das ermöglicht eine ganzheitliche Betrachtung eines Themas vor dem eigentlichen Termin und spart Zeit.
Diese Fragen können und sollten schriftlich geklärt werden:
- Was ist die konkrete Zielsetzung des Meetings?
- Was sind Vorschläge?
- Was sind Einwände?
- Was sind konkrete Fragen?
Diese Fragen können Einstiegspunkte für eine erste schriftliche Diskussion sein, z. B. in Confluence oder einem Google-Dokument. Auf diese Art und Weise können (Team-)Entscheidungen herbeigeführt werden. Das gemeinsame Treffen dient dann nur noch zur gemeinsamen Entscheidung.
Status-Meetings sind meist Zeitfresser
Meetings, in denen alle Teilnehmer einmal reihum den aktuellen Status zu einem Projekt, einer Abteilung oder einem Team abgeben, sind meist ziemliche Zeitfresser. Diese Informationen können auch einfach in anderer, asynchroner Form verteilt werden, z. B. mithilfe einer gemeinsamen Confluence-Seite oder eines geteilten Google-Dokuments.
Vorsicht Stolperfallen
- Asynchrone Kommunikation ist explizit nicht E-Mail – Es ist zwar Standard, jedoch nur das zweitbeste Tool dafür. Eine reine E-Mail-Kommunikation ist für zwei Personen und kleinere Gruppen möglich, jedoch nicht für mehrere Empfänger – da wird es schnell unübersichtlich. Andere Tools, z. B Confluence oder Google Docs (sog. Collaboration-Tools) sind dafür gemacht, auch bei der Nutzung von größeren Gruppen übersichtlich zu bleiben.
- Schriftlich streiten/Endlosdiskussionen – Schriftliches Streiten oder langwierige Diskussionen als Kommentare in Jira-Tickets bzw. Wiki-Seiten sind nicht zielführend. Meist wäre man besser beraten gewesen, wenn man sich einfach eine halbe Stunde zusammengesetzt hätte, um das Thema zu lösen.
- Bei der Nutzung von Chats gibt es oft die Erwartung, dass man sie hauptsächlich synchron nutzt – auf eine Frage folgt unmittelbar eine Antwort. Das hat auch seine Berechtigung. Schwierig wird es jedoch, wenn dies nicht "aktiv" beschlossen wurde. Da die Kommunikation über dieses Medium sehr schnell gehen kann, ist dies meistens eine Ablenkungen der produktiven Arbeit und somit nicht asynchron.
Mögliche Werkzeuge, die asynchrones Arbeiten unterstützen
Mit den folgenden Tools haben wir positive Erfahrungen gemacht. Pro Kategorie gibt es sicher noch viele weitere gute Tools, daher sollen die genannten nur exemplarisch zu verstehen sein. Wir freuen uns über jeden Hinweis und Tipp zu einem Tool, das die Teamzusammenarbeit unterstützt.
Online-Whiteboards
Dokumentation und Kommunikation
- Google Docs bzw. Google G-Suite als Komplettlösung
- Confluence
- Chat
- Slack
- Google Chat
- Skype
- Microsoft Teams
Projektmanagement/Aufgabenmanagement
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte: mit visueller Kommunikation Onlinemeetings verbessern
Die Abstimmung via Chat und Videokonferenz funktioniert seit jeher innerhalb unserer Teams und auch die Kommunikation zwischen den Standorten Kolbermoor, München, Leipzig und Hamburg klappt meist problemlos. Damit das auch weiter so bleibt, haben wir für Videokonferenzen eine Liste mit “Good Practices” zusammengetragen, die wir gerne teilen möchten:
- Wir schalten alle die Kamera an.
- Wir verwenden unsere echten und vollständigen Namen im Chat und in den Videokonferenzen.
- Wir haben alle ein funktionsfähiges Mikrofon, schalten es jedoch nur dann ein, wenn wir etwas sagen wollen – ansonsten ist es stummgeschaltet.
- Wir minimieren mögliche Ablenkungsquellen und schenken dem Onlinemeeting unsere maximale Aufmerksamkeit.
- Wir fassen uns kurz und gehen wertschätzend mit unserer Zeit und der Zeit der anderen um.
- Wir beginnen pünktlich und hören pünktlich auf. Ein Timekeeper kann helfen, die Zeit im Auge zu behalten.
- Alle sind verantwortlich für die Ergebnisse des Treffens.
- Zu Beginn des Meetings klären wir, wie wir diskutieren und wie wir unterbrechen bzw. signalisieren, dass wir gerne etwas sagen möchten, z. B. mit Handzeichen, einer Nachricht im Chat, einfach losreden oder ganz anders?
- Wir bewerten das Meeting am Ende und geben Feedback dazu.
Zusätzliche visuelle Kommunikation bereichert jedes Onlinemeeting
Vor allem bei mehreren Teilnehmern ist Punkt 8 enorm wichtig. Handzeichen sind in Meetings im Büro üblich, um zu signalisieren, dass man etwas sagen möchte. Die meisten Videochat-Tools bieten eine Kachelansicht an, um alle Teilnehmer gleichzeitig zu sehen. Durch diese Ansicht kann jeder Meeting-Teilnehmer sehen, ob jemand aus dem Teilnehmerkreis die Hand hebt und damit ankündigt, etwas sagen zu wollen. Diese visuelle Kommunikation ist wichtig, denn dadurch erkennt der Sprecher, aber auch alle anderen Teilnehmer, dass jemand aus dem Teilnehmerkreis etwas sagen möchte. Das Gespräch oder die Diskussion bleibt im Fluss. Das haben auch die Hersteller der Videochat-Tools erkannt und Features wie “Hand heben” eingebaut, das bei Nutzung eine Hand über dem eigenen Bild erscheinen lässt. Es gibt jedoch nicht nur die Hand als Symbol, das visuell genutzt werden kann. Wir haben, inspiriert von Lisette Sutherland, einen Satz von Icons mit Symbolcharakter erstellt, um noch weitere Situationen in Onlinemeetings zu unterstützen.

Ausgedruckt und zugeschnitten können diese Kärtchen genutzt werden, um zum Beispiel freundlich darauf hinzuweisen, dass man langsam zum Punkt kommen sollte – ohne dabei ins Wort zu fallen. Mit den Kärtchen kann man zeigen, dass es noch weitere Fragen zu einem Thema gibt oder dass man dem vom Kollegen angesprochenen Punkt zustimmt. Auch Kudos, also Lob, lässt sich so leicht ausdrücken. Abwechslung und Auflockerung sind mit diesen einfallsreichen Icons auf jeden Fall garantiert.

Wir haben unsere Symbolkarten unter die Creative Commons Lizenz gestellt, wodurch diese frei und kostenlos verwendet und sogar angepasst werden können. Hier können Sie sich die Karten downloaden, an Kollegen, Freunde und Bekannte weitergeben und sie gemeinsam im nächsten Onlinemeeting ausprobieren: TechDivision Zeichen-Karten.
Gibt es noch mehr Icons, die wir bereitstellen sollten oder haben Sie weitere Anregungen bzw. Verbesserungen?
Schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an marketing(at)techdivision.com
.
Autor
Martin Ruprecht
Agile Coach bei TechDivision
Martin Ruprecht arbeitet als Agile Coach bei der TechDivision GmbH. Er hilft dabei, das Unternehmen weiter zu transformieren und weiterzuentwickeln. Martin hält regelmäßig Vorträge und Workshops auf Konferenzen zu den Themen Agile Produktentwicklung, Remote Arbeit und Zusammenarbeit in agilen Teams. Seine Leidenschaft gilt der Frage, welche Methoden die Zusammenarbeit in agilen Teams zu Begeisterung und Höchstleistung führen.
m.ruprecht(at)techdivision.com
https://twitter.com/mrupilo