Warum das Jahresgespräch in der neuen Normalität keine Zukunft hat

Von Home-Office und Remote-Work-Konzepten bis Gig Economy: Unternehmen organisieren sich zunehmend dezentral, Arbeitnehmer werden flexibler und die einst so wichtigen Hierarchien verschwinden teilweise komplett. Um nicht nur jetzt Teil dieser neuen Arbeitswelt sein, sondern es auch dauerhaft bleiben wollen, müssen Unternehmen all ihre Prozesse einer Transformation unterziehen – und dazu gehört auch das Jahresgespräch mit den Mitarbeitern. In einer Zeit, in der die einzige Gewissheit in dem stetig voranschreitenden Wandel besteht, bleibt für eine solch antiquierte und steife Methode schlichtweg keinen Platz.
Die Krise als Katalysator
Bereits vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie erfreuten sich neue Arbeitsmodelle einer immer größer werdenden Beliebtheit. Im Rahmen einer Bitkom-Umfrage gaben 2019 beispielsweise vier von zehn Unternehmen an, dass einzelne Mitarbeiter ganz oder zumindest teilweise aus dem Homeoffice für sie tätig sind – fast doppelt so viele wie noch fünf Jahre zuvor. Parallel dazu hat auch die Anzahl der Freelancer von Jahr zu Jahr zugenommen: Während zur Jahrtausendwende gerade einmal 705.000 Freiberufler in Deutschland tätig waren, sind es 2019 schon weit über 1,4 Millionen.
Beide Konzepte resultieren aus den neuen Möglichkeiten, die die Digitalisierung und ihre globale Vernetzung mit sich bringen. Sie erlauben ein völlig neues Maß an Flexibilität – und zwar sowohl für die Mitarbeiter als auch für ihre Arbeitgeber. Während für die eine Seite die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben erleichtert wird, können Unternehmen profitieren, da in Spitzenzeiten schnell zusätzliche Kräfte verfügbar sind oder freiberufliche Experten auch nur für einzelne Projekte hingezogen werden können.
Bisher schritt diese Entwicklung in Richtung einer flexibleren Arbeitswelt zwar langsam, aber dennoch stetig voran. Bis zum Beginn der Krise. Sie sorgte dafür, dass die Zukunft vollkommen unverhofft eintrat, was Millionen Mitarbeiter von heute auf morgen ins Homeoffice zwang. Das Coronavirus hat damit quasi über Nacht bewirkt, was im Normalfall vielleicht erst in den nächsten fünf bis zehn Jahren flächendeckend in Deutschland und der Welt an der Tagesordnung gewesen wäre. Flexibles Arbeiten und die Fähigkeit, auch über große Entfernungen hinweg dauerhaft produktiv zu kommunizieren, gehören plötzlich nicht mehr zur Kür. Für Unternehmen, die trotz aller Widrigkeiten geschäftsfähig bleiben wollen, sind agile Arbeitsmodelle innerhalb der letzten Monate zum Pflichtprogramm geworden.
Die neue Realität
Unternehmen, die sich in dieser neuen Realität zurechtfinden wollen, anstatt den Kopf in den Sand zu stecken, müssen neue Prozesse etablieren, die sicherstellen, dass die Zusammenarbeit auch zeit- und ortsunabhängig funktionieren kann. Hierfür reicht es allerdings nicht aus, nur an einzelnen Stellschrauben nachzujustieren. Was es braucht, ist ein umfassendes Konzept, das auch den konstruktiven Kontakt zwischen den Mitarbeitern und ihren Vorgesetzten nicht ausschließt. Noch immer folgt das klassische Mitarbeitergespräch in vielen Unternehmen einem einfachen Prinzip: Einmal im Jahr wird jeder Angestellte zu einem Termin geladen, in dem er im Schnellverfahren anhand einer standardisierten Fragenkatalog Feedback zu allem erhält, das in den vergangenen zwölf Monaten gut oder auch weniger gut lief. Außerdem sollen in diesem Rahmen Ziele vereinbart werden, die es im neuen Jahr umzusetzen gilt.
In einer Zeit, als innerhalb der Teams noch klare, hierarchische Strukturen herrschten und alle Mitarbeiter täglich persönlich miteinander im Büro konfrontiert waren, mag das gut funktioniert haben. Doch nicht zuletzt durch die flexiblen Arbeitsmodelle, die in vielen Unternehmen jetzt dauerhaft eingeführt werden, entspricht das längst nicht mehr der tatsächlichen Arbeitsrealität. Wer in diesem Kontext nach wie vor auf ein jährliches Mitarbeitergespräch beharrt, verspielt gleich mehrfach wertvolles Potenzial.
Kontinuierliches Feedback ist unerlässlich
In diesem neuen, flexibleren Arbeitsmodell ist es wichtig, den Mitarbeitern mehr Verantwortung zu übertragen und ihnen dabei das nötige Maß an Vertrauen entgegenzubringen – allein schon, weil der Arbeitgeber durch die Distanz nicht alles kontrollieren kann. Das bedeutet aber nicht, dass die Mitarbeiter damit alleine gelassen werden sollen. Ganz im Gegenteil: Um ein realistisches Gefühl dafür zu bekommen, wie es in den Teams gerade läuft und wer in welchem Bereich besondere Talente aufweist, ist eine kontinuierliche Kommunikation unabdingbar.
Mit einer digitalen Lösung profitieren Führungskräfte zudem von einem 360-Grad-Blick auf die Leistungen, Expertisen und Kompetenzen von internen und externen Mitarbeitern. Sie können so passende Teams für neue Projekte zusammenstellen und dazu jeden einzelnen Mitarbeiter individuell fördern und bei seiner Weiterentwicklung unterstützen. Führungskräfte können außerdem Ziele für Mitarbeiter und Teams anlegen und gemeinsam daran arbeiten. Dadurch, dass jedes involvierte Teammitglied Zugriff auf die entsprechende Lösung hat, behalten alle gemeinsam den Fortschritt in Auge und sind in der Lage, regelmäßig Feedback zu geben, das anschließend automatisch in die Beurteilungen der Mitarbeiter mit einfließt.
Diese kontinuierliche Leistungsbeurteilung ist zudem ein nützliches Instrument für die Entscheidungsfindung auf Führungsebene, um unter anderem Gehaltserhöhungen, Beförderungen und Rollenwechsel fair, effizient und datengestützt zu gestalten. Das erhöht nicht nur die Zufriedenheit der Mitarbeiter, sondern sorgt auch dafür, deren Talente zu fördern und weiterzuentwickeln.
Auf diese Weise entsteht im Unternehmen eine offene und transparente Kultur, die auf die Weiterentwicklung jedes Einzelnen sowie auf die Produktivität und Leistungsfähigkeit des Unternehmens gleichermaßen einzahlt.

Autor
Elton Schwerzel
Leiter Talentsoft DACH-Team
Elton Schwerzel blickt auf mehr als 20 Jahre Berufserfahrung im Software-Sektor, u.a. in Management-Positionen bei SAP, OpenText und Workday, zurück. Der ausgebildete Fachinformatiker und Betriebswirt leitet das Talentsoft DACH-Team von Köln aus und verantwortet die strategische Entwicklung innovativer Software-Lösungen, wie zum Beispiel die Weiterentwicklung einer Lösung für kontinuierliche Mitarbeitergespräche – integriert in Microsoft Teams.