Onboarding in Zeiten von Corona
Wie gestalte ich die Einarbeitung neuer Mitarbeiter Remote?

Seit mehreren Monaten arbeiten viele Menschen aufgrund der aktuellen Coronakrise im Homeoffice. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, das Onboarding neuer Mitarbeiter in dieser Krise fortzuführen. Funktioniert Onboarding auch remote aus dem Homeoffice? Und wenn ja, wie? Antworten auf diese Fragen können auch über die Coronakrise hinaus Anwendung finden, z. B. wenn Unternehmen das Remotearbeiten als Learning aus der Krise mitnehmen und Mitarbeiter vermehrt aus dem Homeoffice arbeiten lassen oder sich gar für die Einstellung von Remote- Teams entscheiden.
Das Onboarding neuer Mitarbeiter ist in den meisten Firmen ein längerer Prozess, der bereits weit vor dem ersten Arbeitstag des neuen Kollegen beginnt. In diesem Artikel wollen wir die Herausforderungen aller Beteiligten an der Einarbeitung in dieser speziellen Zeit genauer betrachten und Lösungsansätze vorstellen, die sich nahtlos in die bestehenden Prozesse integrieren lassen.
Mit einem sicheren Gefühl starten können
Die ersten Schritte im Remote-Onboarding unterscheiden sich kaum vom Onboarding im regulären Büroalltag. Noch vor dem ersten Arbeitstag des neuen Kollegen muss das vollständige Equipment (Hardware und Software) bestellt und mit den notwendigen Zugängen ausgestattet werden. Die erste kleine Herausforderung kann die Übergabe des bereits konfigurierten Equipments und des obligatorischen Willkommenspakets sein, wenn man sich nicht persönlich treffen kann. Die Zustellung per Post kann hierbei die Lösung sein. Sie sorgt für ein sicheres Gefühl beim neuen Teammitglied, denn die Ausrüstung ist vorhanden, um am ersten Tag gleich starten zu können. Auch wenn noch gar nicht klar ist, wann die Arbeit wieder aus dem Büro erfolgen kann, sollte bereits zu diesem Zeitpunkt der Arbeitsplatz des neuen Teammitgliedes organisiert und eingerichtet werden. Zugleich sollte noch vor dem ersten Arbeitstag in der neuen Firma kommuniziert werden, wie Homeoffice praktiziert wird und wie die Einarbeitung von zuhause aus ablaufen wird. Auch das hilft, Ängste abzubauen und Sicherheit zu gewinnen.
Aufbau einer Vertrauensbasis
Am ersten Arbeitstag des neuen Teammitglieds sollte nochmals über den Ablauf des Onboardings gesprochen und Fragen geklärt werden. Aus Sicht des Unternehmens gilt es zu verdeutlichen, dass genug Zeit für die Einarbeitung zur Verfügung gestellt wird und keine acht Stunden produktive Arbeit in den ersten Wochen erwartet werden. Die größte Herausforderung im Remote-Onboarding ist sicherlich der Aufbau einer Vertrauensbasis ohne gemeinsame Treffen, dem fehlenden gemeinsamen Gang zur Kaffeemaschine oder Aktivitäten nach Feierabend. Damit diese Vertrauensbasis entstehen kann, ist es notwendig, sich gegenseitig besser kennenzulernen. Neben der einfachen Vorstellung untereinander (“Ich heiße Martin, bin Agile Coach und arbeite seit 2018 hier”) gibt es ein schönes und sehr einfaches Format, das hier helfen kann: “Die Betriebsanleitung für mich”. Dazu trifft sich das Team im Videochat und jeder beantwortet für sich diese Fragen:
- Was kann ich gut?
- Über was kann man mit mir gut sprechen?
- Was mag ich gar nicht?
Anschließend werden die Antworten dazu laut vorgelesen. Dadurch ist das erste Eis schon gebrochen, das Team spricht miteinander und meistens ist auch der ein oder andere Lacher garantiert.

Mit dem Wissen über die Lieblingsthemen eines jeden im Team lassen sich Gespräche leichter starten, die Sorge “worüber soll ich überhaupt mit meinem neuen Team sprechen” gibt es nicht mehr. Ein weiterer Baustein für eine gemeinsame Vertrauensbasis können gemeinsame virtuelle Kaffeepausen oder auch ein kurzes Spiel, z. B. https://skribbl.io/, zwischendurch sein.
Wirklich im Team arbeiten
Nachdem der erste Tag gelungen ist, steht das Team mit dem neuen Mitglied vor der nächsten Herausforderung: Wie kann ein Teamgefühl entstehen, wenn jeder von seinem Homeoffice aus arbeitet? Ein klar definierter Tagesablauf ist dabei sehr hilfreich und beginnt mit einem gemeinsamen Start. Für Teams, die nach Scrum arbeiten, kann dazu das “Daily Standup Meeting” als Startpunkt gewählt werden. Wer nicht nach Scrum arbeitet, kann sich überlegen, ob ein kurzes tägliches Meeting nicht Sinn macht, um gemeinsam den Tag zu starten und zu planen. Was gemeinsam beginnt, sollte auch gemeinsam beendet werden. Ein gemeinsames Ende kann nicht nur genutzt werden, um kurz zu reflektieren (“Was haben wir heute geschafft? Was war gut? Was war weniger gut?”), sondern auch um gemeinsam ein Feierabendgetränk zu sich zu nehmen.
Eine weitere Frage, die sich in den ersten Tagen einstellen wird, adressiert den gemeinsamenWissensaufbau. Für den neuen Kollegen ist es aktuell nicht möglich, einfach mal über die Schulter eines Teammitglieds zu schauen. Ebenso ist es schwierig, den richtigen Zeitpunkt für Fragen herauszufinden, denn man sieht in der Regel nicht, ob der Rest des Teams gerade in Arbeit vertieft ist oder nicht. Abhilfe kann hier eine Agenda für jeden Tag in Form eines Stundenplans bieten. Das gibt dem neuen Kollegen zum einen Sicherheit darüber, was ihn in den nächsten Tagen erwartet und zum anderen kann sich das Team gezielt auf Themen zum Wissenstransfer vorbereiten. Den eigenen Bedürfnissen angepasst, kann der Stundenplan in mehrere Kategorien eingeteilt werden. Der hier gezeigte, beispielhafte, Stundenplan ist in drei Kategorien eingeteilt:
- Selbstständiges Lernen nach Lernplan (in grün dargestellt)
- Interaktion mit dem Team, z. B. Regeltermine (in pink dargestellt)
- Schulung/gemeinsames Arbeiten mit dem Team (in blau dargestellt)

Die einzelnen Teile des Stundenplans können auch verschoben oder getauscht werden. Je nach Lerntyp können einzelne Lerninhalte auch komprimiert werden. Die Summe der Stunden pro Woche sollte jedoch nicht zu stark abweichen. Zu allen Lernblöcken soll ein Lernziel vorhanden sein.
Durch die gezielte und geplante Form der fachlichen Einarbeitung sollte für das neue Teammitglied schnell klar sein, was alleine erledigt werden kann. Erste, kleine (vorbereitete) Aufgaben, die bereits ab dem ersten Tag erledigt werden können, helfen enorm dabei, zufrieden die ersten Tage zu beenden und fördern auch das Teamgefühl, denn jeder trägt etwas zur Fertigstellung des Produkts bei.
Das bewährte Konzept eines Mentors oder Teambuddys kann ebenfalls mit in den Stundenplan aufgenommen werden.
Durch gemeinsames, regelmäßiges Feedback zusammenwachsen
Nachdem die erste Woche vorüber ist, geht es darum, das bisher Umgesetzte zu reflektierenund Feedback einzuholen. Ein Termin für eine sogenannte Retrospektive ist passend, um sich zu fragen
- Was lief in den ersten Tagen/der ersten Woche gut?
- Was lief in diesem Zeitraum weniger gut und sollte anders gemacht werden?
- Was hat gefehlt und könnte ausprobiert werden?
Dadurch schafft man nicht nur die Möglichkeit, die Erwartungen aller abzugleichen, sondern kann auch gleich Änderungen für die kommenden Wochen besprechen. Es bietet sich an, solche Termine besonders in der Anfangszeit regelmäßig und in kurzen Abständen, z. B. alle zwei Wochen, durchzuführen.
Die Einarbeitung aus dem Homeoffice erfordert neben viel Kommunikation und einer geplanten Herangehensweise auch eine besondere Art darüber zu denken. Dieses Mindset ist wichtig, denn ohne soziale Interaktion, dadurch, dass alle im Homeoffice sind, ist es noch wichtiger, ganz genau zuzuhören, ehrlich zu sein, Ängste zu akzeptieren und Verständnis zu zeigen, dass so mancher Ablauf im Remote-Setup einfach länger dauert.
Die Idee zu diesem Artikel entstand in einem Meetup aus der Reihe New Work Rosenheim.
Eine Aufzeichnung des Treffens kann hier nochmals angesehen werden: https://vimeo.com/423339912.
Welche Erfahrungen haben Sie mit Remote-Onboarding gemacht? Haben Sie weitere Anregungen bzw. Verbesserungen?
Schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an marketing(at)techdivision.com.
Autor
Martin Ruprecht
Agile Coach bei der TechDivision
Martin Ruprecht arbeitet als Agile Coach bei der TechDivision GmbH. Er hilft dabei, das Unternehmen weiter zu transformieren und weiterzuentwickeln. Martin hält regelmäßig Vorträge und Workshops auf Konferenzen zu den Themen Agile Produktentwicklung, Remote Arbeit und Zusammenarbeit in agilen Teams. Seine Leidenschaft gilt der Frage, welche Methoden die Zusammenarbeit in agilen Teams zu Begeisterung und Höchstleistung führen.
m.ruprecht(at)techdivision.com
https://twitter.com/mrupilo