Erfolgsfaktor Wissen

Die Erfolgsbilanz von IT-Projekten ist ernüchternd. Die Erfolgsquote liegt, abhängig von der jeweiligen Untersuchung, nur zwischen 20 und 45%. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein komplett neues IT-Projekt, d.h. die Einführung einer neuen Technologie bzw. eines neuen Tools oder die Ablösung vorhandener Technologien durch eine neue Lösung handelt. Der Fokus liegt dabei darin, weg von klassischen, häufig monolithisch angelegten IT Infrastrukturen hin zu flexiblen Architekturen, welche die kurzen Halbwertszeiten von Prozessen und Features berücksichtigen, zu kommen. Hier spricht man dann häufig von sogenanntem Replatforming. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass gerade letzteres aus verschiedenen Gründen häufig eine noch größere Herausforderung darstellt als ein komplett neues Projekt “auf der grünen Wiese”. Im Prinzip kann man hier sehr gute Parallelen zum Hausbau ziehen, wonach sich ein Umbau bzw. die Renovierung eines vorhandenen Gebäudes häufig als anspruchsvoller herausstellt als ein kompletter Neubau.
Das Thema Wissensmanagement ist nicht neu und hat sich als Aufgabe gestellt, Daten, Informationen und daraus ableitend Wissen passend in Form und Zeit zur Verfügung zu stellen. Neu sind jedoch die heutigen Anforderungen, die gewachsene Bedeutung und die vorhandenen technischen Möglichkeiten. Dieser Artikel gibt einen Überblick über den Stand des Wissensmanagements. Dabei handelt es sich um einen Querschnitt aus Konzeption, Organisation und Technik. Nur wenn diese Elemente ineinandergreifen, dann können Unternehmen die Ressource Wissen zum eigenen Vorteil nutzen.
Modernes Wissensmanagement
Eine Definition von Wissensmanagement stammt von Probst u.a. [1]. Diese ist zwar schon älter, aber weiterhin gültig. Aktuelle technologische Ansätze werden in die Teilaspekte integriert:
- Wissensziele: Die Unternehmung muss festlegen, in welche Richtung das Know-how weiterentwickelt wird. Dabei muss prognostiziert werden, welches Wissen in der Zukunft benötigt wird.
- Wissenserwerb: Auf welche externen und internen Wissensquellen kann zurückgegriffen werden? Aktuelle Ansätze beschäftigen sich damit, aus unstrukturierten Daten Informationen zu extrahieren und diese als Basis für die Wissensgewinnung aufzubereiten.
- Wissensnutzung: Die Unternehmung muss ihre Mitarbeiter zur Wissensnutzung motivieren. Der Aufbau einer Wissensdatenbank ist erst nutzbringend, wenn die Mitarbeiter motiviert sind, diese zu nutzen und sie stetig weiter zu entwickeln.
- Wissensbewahrung: Ist Wissen nur in den Köpfen weniger Mitarbeiter vorhanden, so kann dieses schnell verloren gehen, zum Beispiel wenn diese das Unternehmen verlassen. Eine Verbreiterung der Wissensbasis vermeidet diese Probleme.
- Wissensverteilung: Das Wissen muss für alle Akteure zu erreichen sein, die es für die Erledigung ihrer Aufgaben benötigen.
- Wissensentwicklung: Es sind Maßnahmen zu definieren, welche neues Wissen generieren.
- Wissensbewertung: Wenn Wissen zu einem Produktionsfaktor wird, dann muss es auch Möglichkeiten der Bewertung geben. Der Wert moderner Unternehmen scheint dadurch erheblich beeinflusst zu werden.
Wissensmanagement kann zu zwei Kernkomponenten zusammengefasst werden: Erstens ist es die Generierung von neuem Wissen im Sinne eines Lernens in der Organisation und zweitens die Speicherung und Verfügbarmachung von Daten und Informationen, um daraus direkt Wissen abzuleiten. In den kommenden Textabschnitten werden einzelne Aspekte eines modernen Wissensmanagements herausgegriffen und vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen erläutert.
Wissensbewertung – Der Weg zum intellektuellen Bilanzwert
Mit der zunehmenden Bedeutung von Wissen stellt sich auch die Frage nach der Bewertung. Die Bewertung immaterieller Güter steckt noch in den Kinderschuhen und wird unter dem Stichwort Wissensbilanz diskutiert. Die klassischen Ressourcen und kapitalgebundenen Produktionsfaktoren eines Unternehmens werden durch Bilanzierung auch für externe Partner deutlich. Der zunehmenden Bedeutung des Faktors „Wissen“ – gerade in Unternehmen und Organisationen deren Leistungsfähigkeit auf einem Vorhandensein und dem effektiven Nutzen dieser Ressource beruhen – wird diese Art der Bilanzierung zunehmend nicht mehr gerecht. Die Wissensbilanz ist ein Instrument zur Darstellung und Entwicklung des intellektuellen Kapitals eines Unternehmens. Dazu werden die komplexen Zusammenhänge zwischen den Geschäftsprozessen, organisationalen Zielen und dem intellektuellen Kapital abgebildet. Die Wissensbilanz erfüllt zwei Funktionen:
- Sie dient der Kommunikation gegenüber Externen, um die Leistungsfähigkeit der Organisation aus dieser Sichtweise zu beschreiben.
- Sie ist Bestandteil der Entscheidungsgrundlage für das Management zur Entwicklung des intellektuellen Kapitals. Beispielsweise kann der Bedarf an Weiterbildungen der Mitarbeiter daraus abgeleitet werden. Sie liefert also einen wichtigen Beitrag zur Organisationsentwicklung.
Die Wissensbilanz wirkt somit extern und intern. Strukturell wird das Kapital in Human-, Struktur- und Beziehungskapital unterteilt (Bild 1): Das Humankapital umfasst die Kompetenzen, Fähigkeiten und Motivation der Mitarbeiter, das Strukturkapital beinhaltet die Strukturen und Prozesse, welche die Produktivität der Mitarbeiter sicherstellt und das Beziehungskapital stellt die Beziehungen zu den externen Akteuren dar [2].

Wissensverteilung und Wissensnutzung
Modernes Wissensmanagement soll nicht papiergebunden oder mit Karteikarten ablaufen, sondern durch IT unterstützt werden. Die wesentlichen Anforderungen an derartige Werkzeuge sind:
- Administration: Verwaltung, Pflege, Klassifikation und Repräsentation von begrifflichem Wissen.
- Übernahme von Wissen: Die dafür notwendigen Daten sollten nach Möglichkeit direkt aus den Tools zur Bearbeitung der Geschäftsprozesse übernommen werden.
- Präsentation: Die Darstellung und die Aufbereitung der Informationen in unterschiedlichen Perspektiven müssen möglich sein. Für einen Überblick genügen hoch verdichtete Informationen, während für eine tiefergehende Beschäftigung Detailinformationen notwendig sind.
- Verknüpfung: Die Verbindung von Inhalten ist zu unterstützen. Damit werden die bereitgestellten Informationen einem größeren Anwendungsbereich zugänglich. Neue Erkenntnisse können sich aus der Verbindung von Inhalten ergeben.
Ein typischer Ansatz für den Aufbau eines softwaregestützten Systems zum Wissensmanagement sind Dokumentenmanagementsysteme (DMS). Deren Hauptaufgaben sind bekanntermaßen das Erfassen, Verteilen, Ablegen, Bearbeiten und Archivieren von Dokumenten. Ebenso ist für eine schnelle Informationsbereitstellung eine effizient arbeitende Suche notwendig. Die Nutzung eines DMS löst die papiergebundene Bearbeitung mit dem Ziel einer vollständig digitalen Bearbeitung ab. Wie der folgende Abschnitt zeigt, verändern moderne DMS nicht nur bestehende Geschäftsprozesse, sondern führen teilweise zu einer vollständigen Neuausrichtung (digitale Transformation).
Dokumentenmanagementsysteme als Werkzeuge
Der Einsatz eines DMS bietet folgende Vorteile:
- Struktur und Transparenz aller Dokumente nehmen erheblich zu
- Prozesse können einfacher und schneller erledigt werden
- Zusammenarbeit der betreffenden Mitarbeiter wird unterstützt
- orts- und zeitunabhängige Verfügbarkeit aller prozessrelevanten Dokumente
- Minderung des Pflegeaufwands
- lückenlose Nachvollziehbarkeit von Änderungen und der Arbeit mit den Dokumenten (Revisionssicherheit).
Diese Aufgaben ergeben sich primär aus einem Wechsel des Trägermediums vom Papier zum digitalen Dokument.
Zusätzlich bieten moderne DMS weitere Ansatzpunkte zur Optimierung der zugrundeliegenden Geschäftsprozesse. Zeitgemäße DMS sind in der Lage, die Dokumente aus einer Vielzahl von Quellen teilweise automatisch zu übernehmen. Direkt können bereits digital vorliegende Dokumente aufgenommen werden. Dokumente im Papierformat können über einen Scanner mit Optical-Charakter-Recognition (OCR) eingespeist und digital verarbeitet werden. Aus anderen Systemen können Dokumente über definierte Schnittstellen, wie zum Beispiel über die Formate des Electronic Data Interchance (EDI), ohne manuelle Bearbeitung und Systembrüche übernommen werden. Dazu gehören zum Beispiel Verkaufsrechnungen, Bestellunterlagen, Versandmitteilungen, Kontoauszüge usw. Gelingt es, das DMS in die Workflows des Unternehmens einzubinden, dann können umfassende Aufgaben automatisiert werden und sofern die Dokumente verschlüsselt werden, erreicht man auf diese Weise auch entsprechende Revisionssicherheit.
Ein Beispiel für einen solchen Workflow, welcher nur mit einem DMS gemeistert werden kann, ist die automatisierte Rechnungsbearbeitung. Das Eintreffen der Rechnung stellt das auslösende Ereignis für den folgenden Rechnungsprüfprozess dar. Traditionell kann die Rechnung auf dem Papierweg zugehen und über den Prozess OCR-Scannen im DMS landen. Verbesserungen sind der elektronische Rechnungseingang in Form eines papierersetzenden Dokumentes bzw. die Übermittlung mit Hilfe eines definierten Datenaustauschformates. Die Workflow-Software, in diesem Fall die EPR-Software, ist dabei für die Steuerung des Workflows „Rechnungsprüfung“ zuständig, während das DMS alle Aufgaben rund um das Dokument übernimmt. In der Praxis kann sich das zum Beispiel wie folgt abbilden:
Als anpassbare ERP-Lösung wird vielfach Microsoft DynamicsNAV [3] eingesetzt. Um die Funktionen eines DMS zu gewährleisten ist der Einsatz weiterer Software notwendig. Hier gib es unterschiedliche Optionen, zum Beispiel die Software-Suite ELO Digital Office [4], die Software-Komponente EASY for Dynamics NAV [5] für eine direkte Integration in den Workflow-Client oder die Softwarelösungen des Unternehmens Docuware [6]. Zusätzliche Schnittstellen, unnötige Systembrüche und weitere Softwaretools werden vermieden, wenn sich die ERP- und DMS-Software direkt integrieren. Dieses gewährleistet zum Beispiel die Software EASY for Dynamics NAV. Auf diese Weise werden die Geschäftsprozesse unmittelbar in der ERP-Software erfasst. Daraus entstehende Dokumente werden mittels Drag & Drop in das DMS übernommen (Bild 5).

Im Falle der Integration von EASY in Dynamics NAV gelangen die Dokumente also auf zwei alternativen Wegen in das DMS. Zum einem direkt über die ERP-Client-Software, in Form von automatisch generierten Dokumenten und zum anderen über externe Schnittstellen, wie zum Beispiel über den Weg des Dokumenten-Scans. Eine aktive Importüberwachung sorgt dafür, dass durch das DMS generierte Dokumente – zum Beispiel aufgrund der Erledigung eines Geschäftsprozesses– automatisch im DMS laden. Damit fungiert das DMS als zentrales Archiv und sorgt für eine vollständige Nachvollziehbarkeit der Schritte eines abgeschlossenen Geschäftsprozesses. Durch diese direkte Anbindung des DMS an den ERP-Client wird das DMS automisch zu einem digitalen Ordner für die einzelnen Geschäftsprozesse.
Auch die Suche nach Dokumenten kann vollständig im ERP-Client vorgenommen werden. Die Anwender brauchen sich trotz Einsatzes eines DMS nicht mit einer weiteren Software vertraut machen (Bild 3).

Durch diese Integration der Tools entstehen Vorteile auf dem Weg zu einem Werkzeug für das Wissensmanagement zur Nutzung im operativen Tagesgeschäft. Zu nennen sind konkret:
- Anzeige relevanter Belege im Kontext eines Vorgangs im ERP-System
- medienbruchfreie Integration von Belegen aus angrenzenden Anwendungen
- intelligente Dokumentensuchfunktionen innerhalb des ERP-Systems
- revisionssichere Archivierung von Belegen gemäß rechtlichen und steuerlichen Anforderungen.
Zusammenfassung: DMS und steuernde Workflowsysteme bilden heute idealerweise eine Einheit und sorgen damit für eine lückenlose Nachvollziehbarkeit eines Geschäftsprozesses. Damit geht automatisch eine Verbeiterung der Wissensbasis im Unternehmen einher. Unternehmen, welche heute ein DMS aktiv nutzen möchten bzw. sich für eine Auswahl der passenden Softwarekomponenten entscheiden, sollten darauf achten, dass eine umfassende Toolintegration möglich ist. Nur dann decken die Systeme alle operativen Anforderungen ab, sind jedoch auch gleichzeitig geeignet im Sinne einer strategisch nutzbaren Wissensbasis zu fungieren.
The Big Picture
Wissensmanagement ist nach heutigem Verständnis ein essenzieller Bestandteil auf dem Weg zum so genannten Digitalen Unternehmen als Gesamtkonzept (Bild 4). Dazu gehören im Einzelnen [7]:
- Lieferanten: Zulieferer können an die eigenen IT-Systeme angebunden werden. Bestellungen, Lieferdokumente und Zahlungsabwicklung können papierlos erfolgen. Von digital integrierten IT-Systemen spricht man dann, wenn die Daten über definierte Schnittstellen ausgetauscht werden.
- Kunden: Es können Vereinfachungen bei Bestellungen, Lieferdokumenten und der Zahlungsabwicklung erreicht werden. Die digitale Anbindung der Kunden kann im Idealfall die gesamte Costomer Journey, d. h. von der Produktauswahl über den Kaufprozess bis hin zum Bereitstellen von Service nach dem Kauf umfassen.
- Geschäftsprozesse: Die Digitalisierung greift direkt in die Geschäftsprozesse ein und verändert diese im Sinne der Digitalstrategie.
- DigitaleDaten: Es sind die Daten aus unterschiedlichsten Quellen zu integrieren.
- Mitarbeiter: Das Ziel ist der vernetzte, voll digitalisierte Arbeitsplatz jedes Mitarbeiters bis hin zum vernetzen Roboter der Zukunft durch Nutzung künstlicher Intelligenz.
- Digitalisierte Maschinen und Roboter: Mit Fortschritt der Digitalisierung werden auch die verwendeten Werkzeuge „intelligenter“. Diese Systeme werden nun auch durch Software gesteuert und zunehmend vernetzt.
Die Digitalisierung ist kein abschließendes Ziel für ein Unternehmen, sondern der Weg. Wie weit ein Unternehmen bereits gekommen ist, lässt sich anhand von so genannten Reifegraden bestimmen
Fazit und Ausblick
Die Theorie zum Wissensmanagement ist schon ein alter Hut. Aber erst jetzt ist die Technik auch umfassend in der Lage, die Ideen in die Praxis zu bringen. Das gilt auf allen Ebenen. Mittels Software kann man direkt aus den Geschäftsprozessen die relevanten Daten und Dokumente extrahieren (Wissensquellen), diese speichern (Wissensverwaltung), die gewünschten Informationen filtern (Wissensextraktion) und für eine Entscheidung aufbereiten bzw. diese auch automatisiert zu treffen (künstliche Intelligenz). Durch das Zusammenwirken der Technologien können Unternehmen, deren Geschäftswelt auf Informationen beruht, tatsächlich Wettbewerbsvorteile generieren. Voraussetzung ist dabei die Entwicklung einer Vision und darauf aufbauend ein Gesamtkonzept.
Quellen:
[1] Probst, G. et al.: Wissen managen: Wie Unternehmen ihre wertvollste Ressource optimal nutzen, Gabler, Wiesbaden, 1997
[2] Leitfaden „Wissensbilanz - Made in Germany“
[3] https://dynamics.microsoft.com/de-de/nav-overview/
[4] https://www.elo.com/
[5] https://easy-software.com/de/software/dokumentenmanagementsystem/integrationen/microsoft-navision-schnittstelle/
[6] https://docuware.com/de/
[7] Appelfeller, W. und Feldmann, C.: Das digitale Unternehmen, Springer Gabler, 2018

Autorin
Elena Bochkor
Wirtschaftsinformatikerin, LARInet
Elena Bochkor beschäftigt sich als Wirtschaftsinformatikerin mit den Fragen eines ökonomischen Einsatzes der IT. Mit Ihren Unternehmen LARInet begleitet sie ihre Kunden auf dem Weg der Digitalen Transformation.