Wie Onlinehändler mit einer Multichannel-Strategie mehr Kunden begeistern

Der Onlinehandel boomt seit Jahren, jetzt droht er sogar am Einzelhandel vorbeizuziehen: Mittlerweile finden fast genauso viele Einkäufe online wie stationär statt. Tendenz steigend. Marktführer sind ganz klar Amazon, Otto und Zalando. Doch selbst die großen Online-Versandhändler setzen nicht ausschließlich auf online: Auch eigene stationäre Läden zu unterhalten, ist nach wie vor erfolgsversprechend. Von dieser Multichannel-Strategie können sich kleinere Händler etwas abschauen – indem sie ihr Offline- und Onlinegeschäft eng miteinander verzahnen und entsprechende IT-Lösungen einsetzen, in der die Kundenzentrierung oberste Priorität hat.
Zwei Drittel der Deutschen (67 Prozent) kaufen mindestens einmal pro Monat online ein, jeder fünfte Verbraucher (20 Prozent) sogar einmal pro Woche oder noch häufiger – das ergab eine aktuelle Studie des Marktforschungsunternehmens Nordlight Research. Damit erreicht der Onlinehandel in puncto Kauffrequenz mittlerweile fast das gleiche Niveau wie der stationäre Einzelhandel, ausgenommen sind nur noch die Lebensmitteleinkäufe.
Und in Zukunft wollen die Bundesbürger sogar noch häufiger online shoppen. Davon profitieren vor allem die großen Marktführer wie Amazon, Otto, Zalando und Co. Vor allem Amazon bedroht mit seinem Wachstum und seiner konsequenten Ausrichtung am Kunden Onlinehändler und stationären Handel gleichermaßen. Je nach Expertenmeinung entfallen bereits 30 bis 40 Prozent des gesamten Onlineumsatzes in Deutschland allein auf diesen einen Internethändler.
Online- und Offlinekanäle clever miteinander verzahnen
Doch auch der stationäre Handel hat nach wie vor Stärken. Eine Konsumentenumfrage der Location-Plattform Ground Truth ergab, dass Kunden vor allem Produktproben und die persönliche Beratung in Geschäften schätzen. Das machen sich Onlineriesen wie Amazon zunutze und setzen daher auf eine Verzahnung von Online- und Offlinehandel. So arbeitet Amazon schon lange an seinen stationären Shops wie „go“ – bald könnte der erste in Deutschland eröffnen – und künftigen „Whole Foods“-Läden. Ebenso setzt Otto mit seiner früher nur online vertretenen Modemarke Bonprix auf eine Multichannel-Strategie. Dazu eröffnete das Unternehmen kürzlich neben den stationären Geschäften einen Bonprix Pilot Store: Unter dem Motto „fashion connect“ bietet es Kunden smarte Fitting Rooms und weitere innovative Konzepte wie die erweiterte Bonprix-App, die als persönlicher digitaler Shopping Assistent dient.
Damit sind beide Versandhändler den kleineren Retailern voraus, denn bei den meisten sind Webshop und stationärer Laden immer noch nicht nahtlos zusammengewachsen. Doch nur wer dem Kunden ein ganzheitliches Einkaufserlebnis über alle Kanäle (Multichannel) und damit eine positive Customer Experience bietet, hat Chancen im hart umkämpften Wettbewerb. So haben bereits 81 Prozent der Millennials nach nur einem einzigen negativen Serviceerlebnis eine Marke nicht mehr gekauft, 84 Prozent würden ihre bevorzugte Markenpräferenz zugunsten eines besseren Services einer anderen Marke aufgeben. Zudem sind vor allem digital-affine Kunden wechselbereiter als andere Generationen und weniger markenloyal. Sie achten verstärkt auf die erlebte Marken- und Produkt-Erfahrung. Eine absolute Fokussierung darauf, was sich Kunden wünschen und wie sie Marken und Produkte erleben, ist also erfolgsentscheidend – sowohl für Onlinehändler als auch den stationären Handel.
Waren online ebenso wie offline erlebbar machen
Douglas hat zum Beispiel erst kürzlich sein Geschäftsmodell modifiziert und an die Bedürfnisse der Millennials angepasst: Das Unternehmen will mittels Multichannel-Strategie zur Schönheits-Plattform werden. So steht Kunden im Flagship-Store in Berlin künftig ein „Beauty Mirror“ zur Verfügung. Wer hineinsieht, kann verschiedenes Rouge oder Make-up virtuell ausprobieren, ohne sich tatsächlich schminken zu lassen. Das ermöglicht Software, die automatisch die verschiedenen Gesichtspartien erkennt und dem Nutzer Eyeliner, Lippenfarbe oder getönte Wangen verpasst. Kunden können sich außerdem direkt abfotografieren lassen, die Bilder auf Sozialen Netzwerken teilen und sich personalisierte Produktempfehlungen ansehen.
Auch bei Otto wird das Warenangebot von Bonprix sowohl physisch in Stores als auch im Webshop präsentiert: Das Offline-Erlebnis des Kunden soll so mit dem Online-Erlebnis verschmelzen. Dazu werden dem Shopbesucher physische Kleidungsstücke im Pilot-Geschäft nur in einer limitierten Ausführung gezeigt, weitere Modelle und Farben hingegen gibt es dann in der mobilen Bonprix-App. Per QR-Code und dem Smartphone können sich Kunden ausgewählte Kleidungsstücke dann in der Umkleidekabine bereitlegen lassen. Benötigen sie eine andere Größe, können sie diese über einen Touchscreen in der Kabine ordern. Bei Gefallen kann der Shopbesucher die Ware direkt in der Umkleidekabine per App und mobiler Zahlmethode bezahlen, ohne sich an einer Kasse anstellen zu müssen.
Derartige Szenarien zeigen, wie wichtig zusätzliche digitale Services und personalisierte Angebote sind, um Kunden positive Markenerlebnisse zu bieten und so wiederum stärker emotional zu binden.
Kundendaten liegen im Unternehmen verteilt
Doch wie kann es auch kleineren Retailern gelingen, Online und Offline näher zusammenzubringen und ihre Kunden auf allen Kanälen zu begeistern? Dazu braucht es nicht unbedingt ausgefallene und kostspielige Ideen. Der Schlüssel zur richtigen Multichannel-Strategie steckt in den eigenen Kunden- und Geschäftspartnerdaten. E-Commerce-Größen wie Amazon wissen das längst, ihnen liefern Daten wichtige Einblicke in Kunden und deren Kaufverhalten – auf deren Basis sie ihr Geschäft bestmöglich anpassen.
Die Krux dabei: Häufig kommen Kunden mit Händlern über eine Vielzahl verschiedener Kanäle in Kontakt, etwa beim Kauf direkt am PoS, per Klickverhalten im Webshop, über das Response-Verhalten des Kunden beim Erhalt von E-Mail-Newslettern, im direkten Telefonkontakt mit Call- oder Service-Center-Mitarbeitern. Alle Daten, die auf diesen Wegen entstehen, werden meist nicht zusammengefasst, sondern liegen dezentral über verschiedene Systeme hinweg im Unternehmen verteilt, wie in ERP-, CRM-, Call-Center, Loyality- und Webshop-Lösungen oder sogar bei externen Shopbetreibern. Doch diese Silohaltung der Daten macht es unmöglich, den jeweiligen Kunden mit seiner gesamten Interaktionshistorie zu erfassen, geschweige denn, ihn besser kennenzulernen. All diese Informationen in den verschiedenen Systemen müssen also unbedingt konsolidiert werden, um Interaktions- und Vertriebsstrategien stärker auf den Kunden ausrichten zu können. Passiert dies nicht, fehlt eine einheitliche Rundumsicht auf den Kunden und seine Bedürfnisse.
Retailer müssen ihre Kunden besser verstehen lernen
Um dieser Herausforderung zu begegnen, können sogenannte Customer Data Platforms (CDP) unterstützen. Sie fassen alle marketingrelevanten Daten, egal aus welchen unternehmensinternen oder externen Quellen oder Kanälen, zusammen, konsolidieren sie und stellen sie dem Marketing zur Verfügung. Ergänzt um Bewegungsdaten, also Transaktions- und Interaktionsdaten, entsteht mittels einer CDP ein einheitliches Profil zum jeweiligen Kunden und somit eine 360-Grad-Sicht auf dessen Bedürfnisse. Die verfügbaren Kunden- oder Geschäftspartnerdaten können dabei etwa aus E-Mails, dem Webshop oder aus der Shopping-App stammen.

So lernen Händler ihre Zielgruppe(n) besser zu verstehen: Basierend auf diesen Erkenntnissen können sie personalisierte Angebote machen, ganze Marketingkampagnen planen oder eben eine neue Verkaufsstrategie oder neue, auch digitale Geschäftsmodelle aufsetzen, um Kunden sowohl offline als auch online stärker zu binden.

Wie wichtig es ist, die komplette Interaktion und Kommunikation mit den Kunden zu messen und dem Marketing zentral zur Verfügung zu stellen, bestätigt auch eine Analyse von Wavemaker. Die Untersuchung ergab, dass jeder Deutsche im Schnitt sechs Touchpoints bis zum tatsächlichen Kauf eines Services oder eines Produkts benötigt. Nur ein einziges Massenmailing reicht schon lange nicht mehr aus. Händler müssen den richtigen Augenblick abpassen, bevor sie Kunden das richtige Angebot unterbreiten. Ein erfolgreicher Kaufabschluss gelingt nur, indem das wahrgenommene Kundenerlebnis an allen sechs Kontaktpunkten gemessen und eine positive Erfahrung sichergestellt wird. In der Regel sind die Daten auch schon vorhanden, sie werden nur nicht genutzt.
Mit der richtigen Technologie zur ernsthaften Konkurrenz
Mit der richtigen Technologie und dem Wissen aus den vorhandenen Daten ist es gar nicht so schwer, es den Großen wie Amazon, Otto & Co. gleichzutun. Wichtig ist vor allem, dass Retailer die wachsenden Erwartungen auf Kundenseite erkennen und eine ganzheitliche positive Customer Experience erzeugen. Händler sollten also spätestens jetzt den Grundstein für ihre Multichannel-Strategie legen, um nicht von digital-affineren Versandriesen zurückgedrängt zu werden.
Autor
Christian Bernius
Head of Sales & Marketing CDH-Solutions bei der Uniserv GmbH
Christian Bernius ist Head of Sales & Marketing CDH-Solutions bei der Uniserv GmbH.
Uniserv ist Experte für erfolgreiches Kundendatenmanagement. In seinen Customer-Data-Management- und Data-Quality-Lösungen für Kundenstamm- und Bewegungsdaten vereint Uniserv Datenqualitätssicherung und Datenintegration zu einem ganzheitlichen Ansatz.