Anforderungen und Trends bei Lieferoptionen in europäischen Bestellprozessen

Online Shopping boomt wie nie zuvor in Europa. Damit werden etwa 80% der Erlöse im europäischen Onlinehandel in Deutschland, Großbritannien und Frankreich erzielt. Der Warenkorb ist dabei der zentrale Anlaufpunkt für die Online-Shopper in allen Ländern. An welche Standards haben sie sich gewöhnt? Was muss ein Warenkorb enthalten, um den Kunden zufrieden zu stellen? Oft hängt die Bestellung auch von den Lieferbedingungen ab und hier zeigt sich: In jedem Land stellen die Kunden unterschiedliche Anforderungen.
Der Bestellprozess ist der wichtigste Vorgang im Onlinehandel, denn hier entscheidet sich, ob der Nutzer tatsächlich zum Kunden wird. Dabei laufen die Prozesse stets sehr ähnlich ab, egal ob in Deutschland oder bei unseren europäischen Nachbarn. Allerdings haben sich in allen Ländern auch einige Besonderheiten herauskristallisiert. Dem Warenkorb kommt in allen Nationen eine besondere Bedeutung zu, da hier der Kunde in den Prozess geleitet und „zur Kasse“ gebeten wird. Zudem ist die Lieferung ein zentraler Aspekt beim Onlineshopping, schließlich wollen die Kunden ihre Bestellung möglichst schnell, sicher und kostengünstig vor der Tür stehen haben. Die UX Agentur eResult hat europäische Bestellprozesse im Detail analysiert und stellt ausgewählte Ergebnisse aus dieser Studie vor.
Standards im Warenkorb einhalten und Sicherheit vermitteln
„Andere Länder – andere Sitten“, dieses Sprichwort lässt sich nicht unbedingt auf den „Standard-Warenkorb“ übertragen. Viele Elemente gleichen sich zwischen den Ländern. Sieben Komponenten können für Deutschland, Frankreich oder Großbritannien als Standard identifiziert werden:
So sind Produktabbildungen im Warenkorb in allen Ländern Pflicht! Ebenso die Möglichkeit des Änderns der Artikel im Warenkorb. In 93% der Warenkörbe in Deutschland, 95% in Frankreich und 85% in Großbritannien kann der Kunde zumindest die Menge der Artikel ändern. Im Vergleich zu 2012 lässt sich feststellen, dass im UK das Ändern von Artikeln heute deutlich häufiger ermöglich wird. Leider lässt sich zumeist auch nur die Menge ändern: Attribute wie z. B. Größe und Farbe können oft nur auf der Produktdetailseite ausgewählt werden. Will der Nutzer etwas ändern, muss er den Warenkorb verlassen.
Der Nutzer wird aus dem Prozess „gerissen“. Hier ist es grundsätzlich zu empfehlen, weitere Änderungen zuzulassen, um den Nutzer in den Bestellprozess zu begleiten. Auch Produktempfehlungen lassen sich in der Hälfe der Warenkörbe finden. Allerdings muss hier stark zwischen den Branchen unterschieden werden: In Frankreich beispielsweise werden deutlich häufiger Empfehlungen im Techniksegment abgegeben, als im Modebereich. Diesen Trend findet man in allen drei Ländern.
Nicht unwichtig sind daneben Hilfe-Angebote im Warenkorb. 69% der Shops bieten mindestens eine der untersuchten Hilfestellungen (E-Mail, Telefon, Live-Chat) an. Auffällig ist, dass seit 2012 der Trend dahin geht, dass der „heiße Draht“ zum Anbieter immer wichtiger zu werden scheint. In Frankreich wird vor allem auf Hotlines gesetzt. 85% der Shops platzieren eine Telefonnummer im Warenkorb, in Deutschland sind es 63%. Live-Chats sind in allen Ländern mehr und mehr im Kommen: Zwar boten „nur“ 17% aller untersuchten Shops diese Funktion im Warenkorb an, aber dies wird sich in Zukunft verstärken. Aktuell ist es nicht unüblich, dass ein Live-Chat auch erst nach dem Start des eigentlichen Checkouts eingeblendet wird, um den User im Prozess zu unterstützen.
Gutscheincodes im Warenkorb einzulösen ist allen Ländern eine Standardfunktion, aber insbesondere in Frankreich ist es absolute Pflicht. Während in den anderen beiden Ländern Gutscheincodes auch häufig noch später im Bestellprozess eingegeben werden können, geht das in Frankreich fast nur im Warenkorb. 80% der französischen Shops ermöglichen die Eingabe der Codes ausschließlich im Warenkorb.
Deutschland hingegen hat sich als das Land mit der höchsten Gütesiegel-Dichte herausgestellt. 83% der deutschen Betreiber platzieren Gütesiegel (primär EHI Retail Institute und Trusted Shops) und positive Testergebnisse im Warenkorb. So soll Vertrauen beim Kunden geschaffen werden. Bei französischen und britischen Shops findet man diese Art der vertrauensbildenden Maßnahmen eher dahin gehend, dass auf sichere Verbindungen hingewiesen wird. Im UK zeigt sich zudem immer mehr, dass der Call-To-Action Button, der in den Bestellprozess führt, mit dem Zusatz „secure“ versehen wird.
Eine weitere Besonderheit ist die Funktion der „Direktbestellung“, die in Großbritannien quasi nicht bekannt und in Frankreich nur vereinzelt zu finden ist. Direktbestellungen bezeichnen die Möglichkeit über die Eingabe der Artikel- oder Katalognummer ein Produkt direkt in den Warenkorb zu legen. 43% der deutschen Anbieter ermöglichen Direktbestellungen. Hier von einem Standard in deutschen Warenkörben zu sprechen, ist noch nicht möglich. Allerdings kann im Allgemeinen davon ausgegangen werden, dass Nutzer in Deutschland an diese Funktion gewöhnt sind. Darüber hinaus ist es in allen Ländern durchaus üblich, anfallende Lieferkosten und die Lieferbarkeit anzuzeigen. Aber auch hier gibt es Unterschiede, denn gerade das Thema Lieferung hat in Frankreich und Deutschland einen deutlich größeren Stellenwert als im Vereinten Königreich.
Dies lässt sich auch in der Abbildung erkennen, die den Warenkorb des britischen Anbieters newlook.com zeigt. Dieser Warenkorb ist ein sehr gutes Beispiel dafür, was ein Warenkorb enthalten muss und wodurch er sich zusätzlich auszeichnen kann. Neben Live-Chat, Abbildungen, Empfehlungen etc. können hier viele Attribute der Produkte (z. B. Größe, Farbe) direkt im Warenkorb geändert werden. Ein besonderes Augenmerk sollte hier auch auf die Lieferoptionen gelegt werden. Es ist durchaus unüblich für Großbritannien, dass diese hier schon so prominent platziert werden. Für den Kunden ist es nur positiv, denn er ist bereits jetzt über anfallende Kosten für verschiedene Optionen informiert. Ein Clou: Der Shop hat bestimmte Bestellwerte, ab denen kostenlos geliefert wird, was an zwei Stellen prominent kommuniziert wird. So wird der Kunde zusätzlich animiert, vielleicht doch noch ein weiteres Produkt zu bestellen, um in den Genuss einer kostenlosen Lieferung zu gelangen.
Das sind die Standardelemente im Warenkorb:
Produktdarstellungen, Ändern von Artikeln, Anzeige der Lieferbarkeit, Kaufempfehlungen, Angabe der Versandkosten, Hilfe (E-Mail, Telefon, Chat), Gutscheine.
Deutsche Besonderheiten sind zudem Gütesiegel und Direktbestellungen.
Die richtigen Lieferoptionen anbieten und Erwartungen erfüllen
Lieferoptionen sind allgemein ein interessantes Thema innerhalb des Bestellprozesses, denn diese haben direkte Auswirkungen auf die Bestellung. Jeder Kunde hat einen bestimmten Wunsch, wann und wo sein Paket ankommen soll, aber welche Wünsche und Erwartungen sollte ein Shopbetreiber unbedingt erfüllen?
Eine alternative Lieferadresse, die von der Rechnungsadresse abweicht, ist als Standard in den drei Ländern zu sehen. In Frankreich muss diese angeboten werden. Hier kann man sich das Paket auch gerne ins Büro bringen lassen. Eine weitere Übereinstimmung zwischen den Ländern ist, dass 24-Stunden-Service oder Overnight-Expresszustellungen eher eine untergeordnete Rolle spielen. Deutlich weniger als die Hälfte der Shops boten einen 24-Stunden-Service in den Ländern an, bei Overnight-Zustellungen sind es nur 23% der Anbieter. Das war es dann aber auch schon mit der Ähnlichkeit zwischen den Ländern.
In Frankreich wird zu 90% über den Logistikpartner informiert, zumeist sind diese Colissimo und Chronopost. In Deutschland geben immerhin 70% der Shops Auskunft über den Versender: DHL und Hermes sind die wichtigsten Logistikpartner. Im UK darf der Kunde indes verzweifelt auf die Suche gehen: Gerade einmal 10% der Shops informieren über den Logistikpartner. Eine weitere Auffälligkeit ist der Ort der Lieferung: In Frankreich ist das System von Paketshops/Packstationen, sogenannten Point Relais/Relais Colis, extrem verbreitet. Die Lieferung dorthin ist ein „Must Have“. Auch in Deutschland zeigt sich der Trend, dass Pakete verstärkt an Stationen (DHL) oder Shops (Hermes) geliefert werden können. Vor allem im Techniksegment wird diese Option heute deutlich häufiger angeboten. Im UK ist diese Art des Versandes hingegen völlig unbekannt, da auch ein entsprechendes System kaum existiert.
Dafür setzt man auf der Insel vermehrt darauf, Artikel an die entsprechende Filiale zu senden. War dies 2012 erst bei 33% der Shops möglich, kann der Kunde heute schon bei 65% der Shops sein Paket in der Filiale vor Ort abholen. Bei dieser Option hinken deutsche und französische Shops noch hinterher. Ebenso bei einer weiteren kundenfreundlichen Option: der Angabe eines Wunschtermins. Kunden können angeben, wann sie ihr Paket geliefert bekommen möchten: An welchem Tag oder sogar zu welcher Tageszeit (das kostet allerdings meistens extra). 35% der britischen Betreiber bieten diese Möglichkeit bereits an, diese Anzahl hat sich seit 2012 nochmals erhöht. Auch deutsche Anbieter haben diese Möglichkeit so ein wenig für sich entdeckt:
Der Anteil stieg von 2 auf 13%. In Frankreich hingegen müssen die Kunden wohl noch sehr lange auf einen „flächendeckenden“ Wunschtermin warten, denn dort bietet keiner der untersuchten Shops diese Option an.
Trends für die Zukunft
Bei den Lieferoptionen zeigen sich starke länderspezifische Besonderheiten, die auch in den nächsten Jahren Bestand haben werden. In Deutschland werden die Lieferung an Packstationen und Paketshops sowie ähnliche Services weiter zunehmen, um den Kundenanforderungen nachzukommen. Ebenso scheint die Angabe des Wunschtermins im Trend zu liegen und das nicht nur auf der Insel. Betreiber, die ihren Kunden größtmöglichen Service bieten wollen, werden neben einem vielfältigen Angebot auf diese Optionen setzen müssen. Grundsätzlich müssen landestypische Vorlieben auch in Zukunft berücksichtigt werden.
Im Warenkorb haben sich in den letzten Jahren einige Standards etabliert und verfestigt. Nutzer haben sich an diese Elemente, wie z. B. Produktabbildungen oder die Anzeige der Lieferbarkeit, gewöhnt und erwarten diese auch in Zukunft. Dazu ist es wichtig, Kontakt und Hilfe-Angebote sichtbar zu platzieren. Besonders der direkte und schnelle Kontakt über Chat und Hotline wird immer wichtiger. Auch hier kann es besonders vorteilhaft werden, ein vielschichtiges aber unaufdringliches Hilfe-Angebot zu errichten, um den Nutzer zufriedenzustellen. Alles in allem sollten Shopbetreiber Standards kennen und in ihren Bestellprozess integrieren, um den Erwartungen der Nutzer zu entsprechen. Wünsche, Erwartungen und Gewohnheiten der Nutzer sollten berücksichtigt werden, denn der Wettbewerb ist nur einen Klick entfernt. Bestenfalls können durch nutzerfreundliche Gestaltung und zusätzliche Features die Erwartungen noch übertroffen werden, um Kunden langfristig an den Shop zu binden.
Quellen
Die Erkenntnisse basieren im Wesentlichen auf folgenden Studien:
- Europäische Bestellprozesse im Wandel: Standards, Trends und Good Practices in Deutschland, Frankreich und Großbritannien, eResult GmbH, 2014
- Europäische Bestellprozesse im Vergleich: Standards, Statistiken und Good Practices in Deutschland, Frankreich und Großbritannien, eResult GmbH, 2013.
Die Studien sind erhältlich unter: www.eresult.de/studien_artikel/studienbaende.html

Autor
Elske Ludewig M.A.
Elske Ludewig ist Principal UX-Consultant & Teamleiterin bei eResult, dem Full-Service UX-Dienstleister aus Göttingen (weitere Standorte in Hamburg, Köln und Frankfurt/Main). Frau Ludewig leitet qualitative und quantitative Studien mit dem Schwerpunkt E-Commerce und beschäftigt sich intensiv mit der zielgruppengerechten Gestaltung von entscheidungs- und kaufrelevanten Prozessen.
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