Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!?

Die grauenhafte Floskel »Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit« hat sich in unserer Vortragslandschaft zu einem Quasistandard am Ende von Präsentationen etabliert. Denkst du dir gerade »Ist doch nicht so schlimm; machen doch alle«? Lass mich das mit einer Gegenfrage beantworten: Hast du schon einmal einen Werbespot gesehen, der mit »Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit« endet? Hast du schon einmal ein Theaterstück besucht, das mit diesen Worten endet? Hast du schon einmal einen Roman gelesen, der mit diesen Worten endet? Nein, natürlich nicht. Aber bei Präsentationen gehört das doch dazu – oder? Nein.
Plattitüden-Poker olé – oje
Die ubiquitäre Verwendung dieser Floskel war mir ehrlich gesagt immer schon ein Rätsel. Wieso sollte meine Präsentation auf die gleiche Art und Weise enden wie die meisten anderen? Ich habe andere Ziele, Inhalte und Botschaften; daher kann mein Vortrag doch nicht das gleiche Ende haben. Darüber hinaus ist der Schluss einer Präsentation die Phase, in der wir unserem Publikum nochmals unsere Kernbotschaft(en) einhämmern. Unsere abschließende Message an das Publikum kann daher nicht »Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit« sein. Das macht keinen Sinn. Warum nutzen wir diese Chance nicht für eine motivierende, initiierende oder inspirierende Message an die Zuhörer? Wir sollten nicht vergessen: Der erste Eindruck zählt und der letzte Eindruck bleibt. Daher sollten wir die fantastische Chance, die uns die Schlussphase bietet, ergreifen – und sie nicht mit leeren Phrasen ersticken.
Implizite Botschaft: Sorry für die Unannehmlichkeiten
Erschwerend kommt hinzu, dass die Bedeutungslosigkeit der abgedroschenen Floskel »Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit« stets von einer negativen Selbstkritik der Vortragenden begleitet wird. Wir vermiesen uns mit dieser hohlen Phrase daher nicht nur den Schluss unserer Präsentation, sondern diskreditieren damit indirekt unsere Leistung. Stellen wir uns vor, wir hätten diese Plattitüde am Ende einer Präsentation noch nie gehört und würden uns kritisch damit auseinandersetzen: Was sagt uns der Vortragende damit implizit? An alle die noch da sind: »Vielen Dank, dass Sie nicht eingeschlafen sind, dass Sie sich mein Geschwafel angehört haben, dass Sie den Raum nicht verlassen haben (wirklich anständig von Ihnen) und dass ich Sie eine Stunde lang verbal belästigen durfte und nun nach all dem Gerede mit nichts um die Ecke komme, das uns weiterbringt.«
Mit anderen Worten: Ich weiß, es war langweilig und hat Sie nicht interessiert; aber es ist vorbei und Sie haben es tatsächlich überstanden. Nochmals sorry für den verursachten Aufwand, die langweilige Präsentation und die in Summe ergebnislose Zeitverschwendung. Und – by the way – nochmals Danke für Ihren Anstand und Ihr Durchhaltevermögen. Das gleicht dem Abschluss eines grandiosen Date mit einer interessanten, sexy Person, die dich mit nach Hause nehmen möchte, mit den Worten »Vielen Dank, aber ich bin jetzt echt müde«; angesprungen wie ein Tiger, gelandet wie ein Bettvorleger. Daher: Lasst uns diese geistlose Floskel doch einfach aus unseren Präsentationen streichen.
Old habits die hard
Ganz so schnell und einfach lässt sich diese schlechte Angewohnheit leider nicht ablegen: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und verteidigt seine gelernten Routinen bis aufs Blut. »Kann doch nicht sein, dass wir seit Jahrzehnten so einen Schwachsinn machen. Darüber hinaus ist es doch in unserer hektischen individuumsorientierten Zeit nicht mehr selbstverständlich, dass mir irgendjemand seine Aufmerksamkeit schenkt«. Das sehe ich anders: Erstens bin ich davon überzeugt, dass man dem, der wirklich etwas zu sagen hat, auch heute noch zuhört und zweitens sehe ich nicht ein, dass ich meine Präsentation mit einer Allerweltfloskel am Ende versaue, nur weil sich möglicherweise ein paar Leute im Publikum befinden, die den Anspruch haben, ich müsste mich für deren Aufmerksamkeit bedanken. Und falls uns wirklich nichts Besseres einfällt, als eine Präsentation mit den Worten »Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit« zu beenden, dann ist das ein sicheres Indiz dafür, dass unser Vortrag keinen ausreichenden Mehrwert für das Publikum bringt. Die Konsequenz: Präsentation überarbeiten oder absagen. Damit meine ich nicht, dass die Inhalte nicht kommuniziert werden sollen, aber offensichtlich ist die vorliegende Präsentation nicht dazu geeignet; sei es, weil die Inhalte eine andere Kommunikationsform erfordern oder weil die Präsentation – aus welchen Gründen auch immer – ihr Ziel verfehlt.
Das Bessere ist der Feind des Guten
Wenn wir nicht vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit schreiben, was denn dann? Mein genereller Rat ist, den Schluss der Präsentation für eine motivierende, bestärkende oder initiierende Botschaft zu nutzen, die zur Situation passt: Das kann im Falle einer Angebotspräsentation beispielweise ein Mission-Statement, ein ehrlich gemeintes »Vielen Dank für Ihr Vertrauen« oder ein »Gerne unterstützen wir Sie als vertrauensvoller und zuverlässiger Partner auf Ihrem Wachstumskurs« sein. Falls die Präsentation motivierender Natur ist eignet sich eine knappe Message, die den Kern der Botschaften nochmals zusammenfasst; zum Beispiel: »Lasst uns Vorbilder sein: offen, mutig und entschlossen«, »Schlimmer als falsch zu entscheiden ist nur nicht zu entscheiden« oder »We can, we want and we will!«.
Diese Musterformulierungen sind natürlich keine allgemeingültigen Empfehlungen, die wir gedankenlos übernehmen können – damit würden wir den verhaltensinduzierten Fehler des Vielen-Dank-für-Ihre-Aufmerksamkeit-Syndroms wiederholen: Es handelt sich immer um eine Einzelfallentscheidung! Diese Erkenntnis ist die zentrale Säule eines wirkungsvollen Abschlussstatements, mit dem wir die Chance nutzen, die uns diese Präsentationsphase bietet: Unsere Kernbotschaften als letzte bleibende Message bei unserem Publikum zu verankern; das ist deutlich besser und zielorientierter als »Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit«.
Das Beste kommt zum Schluss
Wie machen wir das? Wir leiten den Schluss mit einer kurzen Zusammenfassung des Vortrags ein, die in die Kernbotschaft unserer Präsentation übergeht. Nach einem kurzen Applaus leiten wir in den Frage- und Antwortteil über. Die Struktur zur Vorbereitung eines Schlusses könnte zum Beispiel so aussehen:
- Das bringt mich zum letzten Teil meiner Präsentation …;
- Wie Sie meiner Präsentation entnehmen können, zeigen Punkt 1, Punkt 2, Punkt 3 auf, dass …;
- Abschließend möchte ich nochmals betonen … (hier knüpfen wir die Kernbotschaften unserer Präsentation an);
- Applaus abwarten und
- überleiten in den Frage- und Antwortteil.
Ich erläutere dies nochmals anhand eines Beispiels: Kürzlich war ich Gastredner auf einem Forum zur digitalen Transformation in der öffentlichen Verwaltung. Wie bekannt sein dürfte, ist Deutschland in diesem Feld – insbesondere unter Berücksichtigung des Entwicklungsstands und der Wirtschaftskraft – noch schlecht aufgestellt. Damit habe ich den letzten Teil der Präsentation eingeleitet (1) und nochmals die wesentlichen Aspekte vorgestellt (2). Für die Kernbotschaft (3) der Präsentation habe ich mir eine Erfolgsstory ausgesucht, die zu meiner gewünschten Abschlussmessage passt und motivierende Elemente für die Zuhörer enthält. Darin ging es um die Krise, in die Microsoft zur Boom-Zeit des Internet beinahe geschlittert wäre, da das Unternehmen die Anfänge mehr als verschlafen hat – für Bill Gates war das Internet nur ein Hype, dem das Unternehmen daher keine große Beachtung schenkte. Als er jedoch bemerkte, dass er sich fundamental getäuscht hatte, verordnete er Microsoft eine grundlegende Change-Management-Kur.
Obwohl viele dachten, es wäre bereits zu spät, hat sich das Unternehmen in kurzer Zeit neu ausgerichtet und zählt heute weiterhin zu den Schwergewichten der IT- und Internetbranche. Meine abschließenden Worte an das Publikum nach der Story waren: »Meine Damen, meine Herren, die Moral von der Geschichte bringt mich zum Schluss meines Vortrags: Wir sind noch nicht dort, wo wir gerne sein möchten, aber auch wir werden das schaffen. Denn …« Dann machte ich eine kurze Pause und klickte zur letzten Folie der Präsentation, auf der in großen Lettern stand: »Der frühe Vogel fängt den Wurm, aber die zweite Maus kriegt den Käse«. Die Zuhörer waren begeistert und nach einem kurzen, kräftigen Applaus (4) habe ich in den Frage- und Antwortteil übergeleitet (5). Die Geschichte und das Statement haben sich bei beim Publikum eingebrannt und den Kern meiner Präsentation fest bei ihnen verankert. Diesen Effekt hätte ich mit »Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit« niemals erzielt; schlimmer noch, ich hätte meine Präsentation mit einer unpersönlichen und wirkungslosen Floskel beendet.

Autor
Prof. Dr. Peter Daiser
Professor, Redner und Berater
Prof. Dr. Peter Daiser hat viele Jahre erfolgreich in der Strategie- und Krisenberatung bei namhaften Consultingunternehmen gearbeitet. Mit seinen Teams musste er stets in kurzer Zeit komplexe Probleme analysieren, kreative Lösungen finden, wirkungsvolle Storys entwickeln und überzeugend präsentieren. Heute lehrt und berät er zu den Themen »Digitale Transformation«, »Management« und »Rhetorik« und unterstützt Organisationen bei wichtigen Deals und Präsentationen.