Marketing der Zukunft: Programmatic Advertising

Programmatic, Programmatic Advertising, Programmatic Buying, „Real Time Bidding“ (RTB) … all das sind Buzzwörter, von denen einige Agenturen und Werbetreibende nicht genug bekommen können. Viele deutsche Unternehmen wissen jedoch noch nicht, wie viel Wert man aus einer programmatischen Werbestrategie schöpfen kann. Wenn man sich genauer mit dem Thema auseinandersetzt, ist es erstaunlich, wie man, indem Programmatic in die Werbestrategie eingebaut wird, nicht nur zeitsparend, sondern auch kostensparend agiert. Ich würde Programmatic folgendermaßen definieren: Es ist der automatisierte Kauf und Verkauf sowie die Optimierung digitaler Werbeflächen in Echtzeit. Durch die Verarbeitung von proprietären Kundendaten werden Kampagnen personalisierter und sprechen Zielgruppen dynamisch an. Mit dieser Form von granularem Targeting werden unserer Erfahrung nach mehr Conversions generiert.
“Beim Programmatic Advertising kann die Versuchung groß sein, alles den Algorithmen zu überlassen. Die eigentliche Effizienz liegt jedoch im Zusammenspiel von Mensch und Maschine.”
Situationsbeschreibung
Die kostenlose Nutzung von Inhalten im Internet wird von Werbung finanziert. Zu aufdringliche oder nicht zielgruppengerechte Werbung bringet dieses Modell jedoch in Gefahr und favorisiert die massive Nutzung von Adblockern. Programmatic bietet Lösungen für dieses Problem an und erlaubt es Werbetreibenden, interessierte User präziser zu targeten, wobei mit den Wiederholungen der Werbeaussendungen nicht übertrieben wird.
Aktuell nutzen 45 Prozent der Deutschen Programmatic Advertising als ihre wichtigste Mediaeinkaufs-Strategie und hinken somit zwar Ländern wie den USA oder dem Vereinigten Königreich hinterher, jedoch ist die Tendenz steigend. Denn im mobilen Umfeld, z. B. Mobile Display-Advertising, ist Programmatic in Deutschland bereits bei fast 60 Prozent angelangt.1
Auch die Qualität der deutschen programmatischen Akteure ist sehr hoch. Nichtsdestotrotz bleiben auch noch einige misstrauische beziehungsweise vorsichtige Akteure übrig.
Beim Programmatic Advertising kann die Versuchung groß sein, alles den Algorithmen und Maschinen zu überlassen. Was Programmatic jedoch eigentlich effizient macht ist das Zusammenspiel von Mensch und Maschine. Trader, die Werbeflächen-Einkäufer und Werbekampagnen-Optimierer, können mithilfe der Automatisierung von Prozessen viele wertschöpfende Aufgaben übernehmen. Damit die Medienexperten voll und ganz im Dienste der Kampagnen-Performance arbeiten und ihr kreatives und analytisches Potenzial komplett ausschöpfen können, ist die Zusammenarbeit mit Maschinen essenziell. Gerne sprechen wir, wenn wir von der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine reden, von „Programm- able“, einem Phänomen, das sich am programmatischen Markt schnell verbreitet. Dem 100-prozentigen maschinellen Einkauf wird ein Ende gesetzt, denn Programmable adressiert den Kernpunkt der Problematik: Kontrolle des Werbedrucks und vor allem Management der Affinität zwischen einer Message und der Person, an die sie adressiert ist. Das Ziel ist es, der digitalen Werbung die „helfende“ Rolle, die sie immer hätte haben sollen, zurückzugeben.
Auf was genau soll man also beim Programmatic Advertising achten? Wie kann man diese Art von Medieneinkauf erfolgreich in seine Werbestrategie integrieren?
Definition wichtiger Begriffe
- Interstitial: Online-Werbeformat im Vollbildmodus beim Konsultieren oder Wechseln einer Webseite. Ausgestrahlt auf Desktop, Mobile, mobilen Apps und Tablet.
- Fireplace: Online-Werbeformat bestehend aus einer Kombination von Werbemitteln: ein Skyscraper, also vertikaler Banner, rechts und links und ein großer Banner in der Mitte.
- TrueView: Online-Videowerbeformat auf YouTube. Das Werbevideo wird vor dem ursprünglich gewünschten Inhalt angezeigt und kann oft nach fünf Sekunden übersprungen werden.
- Konversionsfunnel: Marketingbegriff, der die Customer Journey eines Users von Device zu Device und Website zu Website beschreibt, bis er schlussendlich konvertiert (etwas kauft, auf einen Banner klickt, die beworbene Seite besucht …)
- Brand-Safety: Im digitalen Werbebereich bedeutet dies, sicherzustellen, dass die Marke eines Werbetreibenden nicht in Umfeldern auftaucht, die dem Image seiner Marke schaden könnten.
- Pre-Bid-Integration: Werbealgorithmus, der den potenziellen Wert einer Impression feststellt.
- First-Click- und Last-Click-Methode: Je nach Methode schließt man entweder aus dem ersten oder aus dem letzten Klick eines Users auf einer Webseite seine Conversion.
1. Ganzheitliche Onlinemarketing-Strategie
Programmatische Kommunikation sollte aufgrund ihres individualisierenden Charakters wie eine werbende Inszenierung, ein Storytelling, gesehen werden. Denn Programmatic adressiert die gesamte User-Journey, vom Branding, also Aufmerksamkeit und Interesse wecken, bis zur Performance, also Generierung von Conversions und Loyalität. Dies funktioniert, indem man die User mit verschiedenen Formaten, wie Interstitial, Fireplace oder TrueView, auf verschiedenen Devices, wie Mobile, Tablet oder Desktop, begleitet. Mit dieser Art von Cross-Device Advertising wird eine Zielgruppe über alle Geräte hinweg maßgeschneiderter Werbung ausgesetzt. Hierfür sollte übrigens ein einheitliches Frequency- Capping angewendet werden, was heißt, dass Nutzer nicht zu oft mit dem gleichen Werbemittel konfrontiert werden. Um Markenpräferenz herzustellen, wird ein User also beispielsweise am Anfang seines Konversionsfunnels mit einem Video einer Marke konfrontiert, nachdem er die Internetseite besucht hat. Damit diese Präferenz aufrecht erhalten wird, wird ihm am nächsten Tag ein Banner dieser Seite präsentiert. Schließlich wird er einer Werbung am Mobilgerät ausgesetzt, um seine Konversion zu finalisieren. Bei der ganzheitlichen Onlinemarketing-Strategie mit Programmatic Advertising liegt die Schwierigkeit also darin, dem User vom Branding bis hin zur Performance eine Geschichte zu erzählen, um Markenpräferenz herzustellen.
2. Datennutzung
Was bei der Datenverarbeitung im Zusammenhang mit Programmatic Advertising beachtet werden muss, ist, diese beiden Elemente als engste Verbündete zu sehen. Denn ohne Nutzerdaten kein Programmatic. Was hier wichtig ist, ist sich nicht nur auf Third-Party-Daten, also unpersönliche, von Unternehmen gesammelte Daten, zu verlassen, sondern auch proprietäre Daten zu verarbeiten und sogenannte Second-Party-Data von starken Partnern. Mit einer exklusiven Partnerschaft dieser Art kann man Zugriff auf qualitative, segmentierte und maßgeschneiderte Daten bekommen. Diese Art von Zusammenarbeit ist in Programmatic besonders wichtig, vor allem wenn einem diese Daten auf transparente Weise zur Verfügung gestellt werden, indem man zum Beispiel direkt seine Codes exklusiv in die Partnerseite integriert.
Ein weiterer Vorzug, der bei der Sammlung und Verarbeitung von Userdaten nicht vergessen werden darf, ist die Mitarbeit von qualifizierten Data-Scientists, Data-Engineers und Data-Analysts, die genau wissen, wie man aus welchen Daten das meiste herausholen kann. Ein weiterer wichtiger Aspekt bezüglich Daten ist selbstverständlich: User-Daten nicht zu missbrauchen, also Datenschutz sowie Datensicherheit und Privatsphäre der Nutzer ernst zu nehmen und restriktive Datenschutzregelungen und Privatsphäre-Einstellungen zu beachten. Andernfalls ist hier das Vertrauen der Zielgruppen schnell erlöscht und rechtliche Folgen sind vorprogrammiert.
3. Markenimage und Kontext der Werbeausstrahlung schützen
In den letzten zwei Jahren haben wir uns von einem „assistierten und intermediären“ Markt, in dem Programmatic an Dritte abgegeben wurde, zu einem „assistierten desintermediären“ Markt entwickelt, in dem Markenstrategien viel mehr Bedeutung besitzen. Morgen werden wir bei den größten Werbetreibenden in die Phase „autonom desintermediär“ übergehen, also ein hybrides Modell mit vertraglichen Bindungen, aber auch Beratung und Technologie. Wichtig ist es, sich begleiten zu lassen und nicht alles Operationelle an andere zu delegieren, um eine strenge Kontrolle über das Ausstrahlungsuniversum der Werbung und die benutzten Brand-Safety-Technologien zu behalten.
Werbetreibende haben sich weiterentwickelt und verlangen mehr Transparenz, was Datensammlung und algorithmische Modelle betrifft. Sie suchen an ihre Brand-Safety-Problematiken angepasste und personalisierte Antworten und Technologien, indem sie vertrauenswürdige Dritte vor der Kaufentscheidung von Werbeflächen integrieren, die die Performanzen der Partner prüfen und ihre Marke schützen. Diese Pre-Bid-Integrationen werden zu neuen Standards des Mediaeinkaufs, genauso wie die Transparenz der Werbeausstrahlungen, die eigentlich sowieso kein Thema sein sollte. Wichtig ist es auch, den Schutz des Markenimages und des Ausstrahlungskontexts immer wieder überprüfen und aktualisieren zu lassen.
4. Marketingkanäle messen und steuern mit inkrementeller Berechnung
Wie sollen mit fast 66 Millionen Internetnutzern in Deutschland Marketingkanäle gemessen und zukünftige Kunden identifiziert werden? Eine gute Idee ist es, Werbung beziehungsweise Werbekampagnen inkrementell zu berechnen. Man muss also erkennen können, wann Internetnutzer auch ohne die Werbung konvertiert hätten und wann wirklich durch Ads Conversions generiert wurden. Gemessen wird dies mit der richtigen Technologie, bei der vor allem First-Click- und Last-Click-Methoden von Bedeutung sind, die nicht an die tatsächliche Performance-Bewertung von Werbekampagnen angepasst sind. Bei dieser Art von inkrementeller Berechnung bedient man sich der A / B-Tests, bei denen eine Gruppe, der eine Werbekampagne angezeigt wurde, und eine andere Gruppe, die diese Kampagne nicht zu sehen bekam, verglichen werden.
Somit kann das Nutzer-Engagement genau bewertet und der ROI („Return on Investment“) gezielt verbessert werden. Diese Infos werden dann in prädiktive Modelle injiziert, damit der Kaufalgorithmus für die Marke, den Internetnutzer und den Publisher Wert schöpfen kann. Werbeempfängliche User können zielsicher getargetet werden, während andere Nutzer der Kampagne nicht ausgesetzt werden, da sie ohnehin an der Marke interessiert sind und mit Werbung vom Kauf eher demotiviert werden.
Schlussfolgerung
Wenn Sie also Programmatic in Ihre digitale Werbestrategie einbauen wollen, ist es wichtig, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, neugierig zu sein und sich an Programmatic-Advertising-Experten zu wenden. Mit Halbherzigkeit ist hier wenig zu erreichen, denn Programmatic hat sich bereits bewiesen.
Behalten Sie die Stichwörter Storytelling, maßgeschneiderte Userdaten, Brand-Safety und Performance-Berechnung im Kopf und probieren Sie Programmatic einfach mal aus. Unternehmen, Werbetreibende und Publisher können davon profitieren, jedoch muss es richtig gemacht werden. Werbetreibende sind mittlerweile sehr reif, Menschen und maschinelle Algorithmen arbeiten komplementär zusammen und der internationale programmatische Markt wächst und wächst.
Autor

Als MBA-Absolventin arbeitete Ekaterina im Online-Advertising in der Gamingbranche, unter anderem fünf Jahre bei Bigpoint in Hamburg, bevor sie zu Mobile DSPs nach Berlin wechselte. Sie bringt die Fähigkeiten, die sie als Country Manager bei Fiksu erlangt hat, zu Tradelab mit. Sich der Programmatic-Mechanismen bewusst, bietet sie mit Tradelab neue Möglichkeiten auf dem deutschen Markt als Business Development Director. Tradelab ist eine europäische „Programmatic Media Buying Plattform“, die ihre Büros im September 2017 in Berlin eröffnet hat. Die proprietäre Multi-Device-Plattform für Agenturen und Marken wurde 2011 von Yohann Dupasquier und Charles Gros in Paris gegründet.
Der Text ist unter der Lizenz CC BY-SA 3.0 DE verfügbar.
Lizenzbestimmungen: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/
Der Artikel wurde im “Handbuch: Handel mit Zukunft” veröffentlicht. Das komplette Dokument steht hier zum Download zur Verfügung.