Warum der Durchbruch von Mobile Payment noch auf sich warten lässt
In den USA soll die Zahl der Mobile Payment-Nutzer in diesem Jahr auf 24 Prozent ansteigen und in Dänemark greift bereits jeder Dritte beim Bezahlen zum Smartphone. In Deutschland dagegen kommt Mobile Payment entgegen aller Prognosen nicht in Fahrt. Damit Bezahlen mit dem mobilen Endgerät auch hierzulande den Durchbruch schafft, müssen andere technische Standards, mehr Akzeptanzstellen und attraktive Bonussysteme her, meint André Boeder, Geschäftsführer von Paymorrow.
Die Verbreitung mobiler Endgeräte steigt immer weiter: Laut einer Bitkom-Studie nutzen schon acht von zehn deutschen ein Smartphone. Kein Wunder – schließlich vereinfachen die schlauen Telefone unser Leben in den verschiedensten Bereichen. Ob bei der Navigation zum neuen Trendlokal, bei der Tischreservierung oder der Essensbestellung nach Hause: das Smartphone ist der ideale Partner für den modernen Konsumenten. So haben die meisten Menschen ihr Smartphone auch immer bei sich.
Wenn man den schlauen Alleskönner in der Tasche hat, warum also noch zusätzlich das Portemonnaie mit sich herumtragen? Das Argument scheint schlüssig und zahlreiche Studien verkünden jetzt schon den künftigen Durchbruch von Mobile Payment weltweit. So prognostiziert beispielsweise das Informatikunternehmen GFT in seiner aktuellen Marktanalyse ein mobiles Transaktionsvolumen von mehr als eine Billionen US-Dollar für 2019 international. Tatsächlich nutzten in den USA im vergangenen Jahr bereits 12,7 Prozent der amerikanischen Smartphone-Besitzer regelmäßig mobile Bezahlverfahren. 2017 soll diese Zahl sogar auf 24 Prozent ansteigen. In Dänemark greift sogar bereits jeder Dritte beim Bezahlen zum mobilen Endgerät.
Ganz anders die Lage hingegen in Deutschland: Laut einer aktuellen Deloitte-Studie zücken hierzulande nur etwa vier Prozent der Konsumenten am POS ihr Smartphone. Mobile Payment läuft in Deutschland immer noch den Erwartungen hinterher. Haben wir also einfach auf das falsche Pferd gesetzt? Oder woran liegt es, dass der Durchbruch von Mobile Payment noch auf sich warten lässt?
Das Problem ist – wie so oft – vielschichtig
Betrachtet man sich die Situation in Deutschland genauer, so ist es, wie so oft, eine Kombination aus verschiedenen Komponenten: Angefangen bei mangelnden technischen Standards über fehlende Innovationsfreude bis hin zu fehlenden Anreizen für die deutschen Käufer und einer generellen Grundskepsis unter den Konsumenten.
Eine Umfrage der ING-DiBa Bank unter Konsumenten in 13 europäischen Ländern, Australien und den USA zum Thema Mobile Banking und Mobile Payment hat ergeben, dass 68 Prozent der Deutschen Sicherheitsbedenken gegen die Nutzung kontaktloser Zahlungen hegen. Europaweit haben allerdings nur 54 Prozent der Nutzer solche Befürchtungen. Betrachtet man ganz Europa, scheint es also einen Trend zum digitalen Bezahlen zu geben: Durchschnittlich 53 Prozent der europäischen Verbraucher nutzen der ING DiBa-Umfrage zufolge weniger Bargeld und damit mehr Mobile Payment als noch ein Jahr zuvor.
Vor allem Italien und die Türkei sind mit 66 Prozent vorn dabei, wenn es um moderne Zahlungsmethoden abseits von Bargeld geht. Und eben die Dänen: hier rollt der Rubel – auf dem Smartphone. Verantwortlich für die technische Umsetzung des Bezahlverfahrens in Dänemark ist die Danske Bank. Sie setzt als Schnittstelle auf Bluetooth Low Energy (BLE) statt auf das in Deutschland ausgerollte NFC (Near Field Communication). Mit Erfolg: Mehr als 3,5 Millionen Dänen nutzen Mobile Payment, mehr als 43.000 Shops akzeptieren mobiles Bezahlen und pro Jahr finden bereits 190 Millionen Transaktionen bargeldlos mit dem Smartphone statt.
Auch der Durchbruch von NFC lässt auf sich warten
Das nächste für Deutschland spezifische Problem ist die Technik: Meine Prognose ist, dass sich das hochgepriesene NFC hierzulande beim Mobile Payment vorerst nicht als Standard etablieren wird. Anders als beim kontaktlosen Bezahlen zum Beispiel mit der Kreditkarte, erweist sich NFC angesichts der vielen unterschiedlichen Android-Geräte im Markt als nicht stabil genug – die Benutzer von Apple Smartphones werden zudem fast ganz davon ausgeschlossen. Bislang dürfen nur Apples hauseigener Bezahldienst Apple Pay und die vorinstallierte Wallet-App den NFC-Chip des iPhones nutzen, Dritt-Apps bleiben ausgesperrt.
Apropos Apple: Der Technikgigant rollt sein Payment-Angebot in immer mehr Ländern aus – zuletzt auch in Russland. Von Deutschland ist aber bislang keine Rede. Der Hemmschuh hier: die deutschen Banken. Zu viele, zu heterogen, zu kleinteilig. Die Verhandlungen ziehen sich, eine Einigung ist derzeit nicht in Sicht. Ob und wann eine Einführung von Apple Pay in Deutschland folgen wird, ist nach wie vor ungewiss. Außerdem ist Deutschland noch immer ein Bargeld- und Lastschrift-Land und daher für das auf Kreditkarten basierende Apple Pay kein einfacher Schritt.
Einheitliche Lösungen sind gefragt
Das Problem ist hierzulande aber auch fehlende Verbraucherfreundlichkeit. Es braucht händlerübergreifende Lösungen, die sowohl auf iOS als auch auf Android-Geräten funktionieren und über einen einfachen Anmeldeprozess verfügen. Aktueller Stand in Deutschland ist dagegen folgender: Zahlreiche Handelsketten bieten als Einzelanbieter eigene Mobile Payment-Lösungen an. Bei der Umsetzung setzen sie allesamt auf Drittanbieter und schaffen damit eigene Insellösungen.
Das funktioniert wie folgt: Die Apps greifen auf ein hinterlegtes Bezahlsystem zurück und ermöglichen das mobile Bezahlen nach einer einmaligen Registrierung. Der Vorteil für die Verbraucher: Mit zahlreichen Bonussystemen und Incentives sinkt die Hemmschwelle zum mobilen Bezahlen. Der Nachteil: Konsumenten können mit ihrer App und Registrierung meist nicht zu den Mitbewerbern aus dem Lebensmitteleinzelhandel gehen.
Jede Insellösung benötigt eine eigene App inklusive des gesonderten Registrierungsverfahrens – es sei denn, die Unternehmen gehören zur gleichen Gruppe, wie es beispielsweise bei EDEKA und seinem Tochterunternehmen Netto der Fall ist. Erste Versuche, hierzulande eine flächendeckende Lösung umzusetzen und gemeinsam weiter zu kommen waren bisher leider zum Scheitern verurteilt.
Ein Beispiel: Mit der Initiative „Zahl einfach mobil“ schlossen sich Berliner Handelspartner und Mobilfunkanbieter bereits im vergangenen Jahr zusammen, um gemeinsam den Rollout des mobilen Bezahlens in Berlin voranzutreiben. 750 Händler – darunter GALERIA Kaufhof und REWE – sprangen auf den Zug auf und belohnten Erstnutzer mit einer Gutschrift in Höhe von zehn Euro. Trotz aller Bemühungen ist es um das Pilotprojekt aber erstaunlich ruhig geworden. Ähnlich verhält es sich mit der „Bargeldlos bezahlen“-Initiative von Aldi Nord. Kurz gesagt: NFC kommt in Deutschland aktuell nicht so richtig in die Gänge.
Einzelkämpfer als Chance für die gesamte Branche
Trotz aller Nachteile: Genau in diesen Einzelkämpfern wie der EDEKA-Gruppe liegt bisher die einzige Chance für die gesamte Branche. Denn mit ihren Insellösungen leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Verbreitung mobiler Bezahllösungen und zur Akzeptanz von Smartphones als einen Bestandteil des Bezahlprozesses im stationären Handel. Gelingt es also den einzelnen Anbietern, die Käufer für mobile Bezahlmethoden zu gewinnen, dann steigt damit auch der Druck auf die Technologie- und Payment-Anbieter, sich endlich auf eine einheitliche Lösung zu einigen.
Ich denke also nicht, dass es an technischen Standards mangelt. Hier gäbe es beispielsweise mit BLE (Bluetooth Low Energy) bereits einen verbreiteten Standard, der sowohl für iOS als auch Android-Geräte funktioniert. Selbst ein QR-Code reicht aus, um die Zahlung sicher abzuwickeln. Was es aber braucht, ist die Zusammenarbeit der Händler und der Technologie-Anbieter.
Mobile Payment birgt Vorteile für Händler und Kunden
Für den Händler kann das Mobile Payment schließlich zahlreiche Vorteile bieten. Neben geringeren Kosten im Vergleich zum Beispiel zur Kreditkartenzahlung stehen hier Bonussysteme und der zielpersonengenaue Kundendialog im Vordergrund.
So können ins Mobile Payment Rabattaktionen oder andere Kaufanreizsysteme mit eingebunden werden, eine entsprechende App bietet dem Händler einen weiteren Kommunikationskanal zum Kunden. Ferner ist der Kunde über sein Smartphone einfacher für den Händler wiederzuerkennen, was Rückschlüsse auf das Kaufverhalten zulässt. Diese Vorteile könnte der Händler zum Teil an seine Käufer in Form eines Bonusprogramms oder mit Rabatten bei Nutzung von Mobile Payment weitergeben. Ähnlich wie es Payback Pay bereits praktiziert. Denn beim Thema Mobile Payment ist es wie mit allen anderen Innovationen: Entweder sie bieten den Kunden einen echten Mehrwert oder sie laufen Gefahr verschmäht zu werden.
Payback zeigt, wie es funktionieren kann: Mit dem Bonusprogramm bietet das Unternehmen Konsumenten echte Incentives – die Hemmschwelle zur Anwendung des neuen mobilen Bezahlprogramms wird dadurch massiv gesenkt. Ein weiterer Pluspunkt: Aufgrund ihrer Erfahrung mit den Angeboten von Payback sind die Kunden bereits mit dem Unternehmen vertraut. Das Modell skaliert also.
Fazit
Netto, EDEKA und Co. gehen mit ihren stabilen Insellösungen bereits mit gutem Vorbild voran. Dank ihrer Bonussysteme und zahlreichen Incentives für die Kunden senken sie zudem die allgemeine Hemmschwelle bei Nutzern, mobile Lösungen zu benutzen. Um aus dem Scheinriesen also ein echtes Schwergewicht zu machen, braucht es jetzt vor allem eines: Alle Beteiligten – Banken, Händler und Dienstleister – müssen zu einer gemeinsamen, offenen Lösung bereit sein. Um mobiles Bezahlen endlich voranzutreiben und stark zu machen, brauchen wir eine flächendeckende, einheitliche und verlässliche Lösung. Nicht nur Dänemark zeigt, dass es geht!
Autor
André Boeder ist Inhaber und Geschäftsführer der Paymorrow GmbH, Hamburg. Zuvor war er neun Jahre lang Geschäftsführer des E-Payment-Anbieters ExperCash. Im Onlinehandel ist Boeder bereits seit 2000 tätig. Paymorrow zählt im deutschsprachigen Raum zu den führenden Anbietern von Zahlungslösungen im Internet und ist spezialisiert auf die Bezahlformen Rechnungskauf und SEPA-Lastschriftverfahren.