Umtausch und Rückgaberecht – das müssen Betreiber von Onlineshops wissen

Der Kleiderkauf im stationären Handel führt seltener zur Reklamation. Wenn eine junge Dame ein rotes Kleid für einen Event kaufen möchte, kann sie es im Einzelhandel anfassen, anprobieren und in unterschiedlichen Lichtverhältnissen betrachten. Beim Onlinehandel ist das etwas anders.
Sollte das textile Objekt der Begierde doch nicht den Vorstellungen entsprechen, bietet das sogenannte „Fernabsatzgeschäft“ Onlinekäufern die Möglichkeit, ihre per Mausklick bestellte Ware zurückzuschicken. Was es mit dem Rückgaberecht auf sich hat und warum die Widerrufsbelehrung für Online-Shopbetreiber ausgesprochen wichtig ist, fasst E-Commerce-Experte und Geschäftsführer des Online-Buchhaltungstools Billomat Paul-Alexander Thies zusammen:
Theory first: Mythen und wahre Pflichten in Sachen Widerrufsbelehrung
Bevor es an die Praxis geht, ist es wichtig, dass Shopbetreiber sich mit den Begriffen Umtausch, Widerrufbelehrung und Rückgaberecht genauestens auskennen. Zwar kann die junge Dame ihr Kleid meistens auch im Laden um die Ecke innerhalb von 14 Tagen umtauschen. Juristisch gesehen haben Käufer im stationären Handel jedoch per se kein Recht auf Umtausch – für viele Verbraucher ist das also ein Shopping-Mythos. Die großen Handelsketten gewähren ihre Umtauschfristen rein aus Kulanz gegenüber ihren Kunden. Im Onlinehandel ist das Rückgaberecht dagegen gesetzlich geregelt. Damit Shopbetreiber über ihre Rechte und Pflichten Bescheid wissen, folgt hier ein kurzer Überblick über die rechtlichen Vorschriften:
Trotz Produktansicht in 360 Grad – analog schlägt digital
Shopbetreiber werden immer kreativer, damit ihre Kunden die klassische Einkaufserfahrung auch online nachempfinden können. Aber auch bei Zoomfunktionen, um etwa die Stoffbeschaffenheit zu zeigen, oder Videos mit 360 Grad Drehungen bleibt es dabei: Das haptische Erlebnis ist immer noch ein wichtiges Kriterium beim Einkaufen. Daher stärkt das Widerrufsrecht aus § 355 BGB die Bedürfnisse der Verbraucher. Da die junge Dame die bestellte Ware nicht wie im Laden begutachten konnte, hat sie dafür zwei Wochen in ihren eigenen vier Wänden Zeit. Allerdings kommen auch einige Pflichten auf Onlinehändler zu.

Telefon, Text oder Formular – keine Frist ohne Hinweis
Seit Juni 2014 regelt eine neue EU-Richtlinie die Rechte von Verbrauchern beim Shoppen im Netz. Demnach sind Betreiber von Onlineshops gesetzlich dazu verpflichtet, ihre Kunden angemessen über ihr Widerrufsrecht zu informieren. Das bedeutet, die junge Dame muss überhaupt wissen, dass sie zwei Wochen Zeit hätte, das Produkt zu begutachten und es umtauschen kann. Das bedeutet für Onlinehändler, dass die Käuferin auf der Webseite nicht lange nach dem Hinweis zur Umtauschfrist suchen sollte.
Wenn Onlinehändler keine Widerrufsbelehrungen auf ihrer Seite haben, hätte die Frau mit dem roten Abendkleid sogar die Möglichkeit, das Kleidungsstück selbst nach 12 Monaten und 14 Tagen nach Erhalt der Ware, zurückzusenden. Hinzu kommt, dass Händler mit Abmahnungen durch Juristen rechnen müssen. Was selbstverständlich nicht im Sinne des Onlinehändlers liegt. Ob per Mail, Fax oder in der mitgeschickten Rechnung: Shopbetreiber müssen ihre Kunden schriftlich über ihr Widerrufsrecht informieren.

Ohne Kommentar keine Rückerstattung – neue Rechte für Onlinehändler
Mit der Einführung der EU-Verbraucherrechterichtlinie kommen auch einige Vorteile auf Shopbetreiber zu. Während die junge Frau mit dem roten Kleid davor ihre Ware noch kommentarlos zurückschicken konnte, muss sie nun nach § 355 Abs.2 BGB ausdrücklich erklären, dass sie auf ihr Widerrufsrecht zurückgreift. Laut Gesetz können Kunden dies per E-Mail oder per Telefon erledigen. Hinzu kommt, dass auf der Webseite ein Kontaktformular für das Widerrufsrecht eingerichtet werden muss.
Somit haben nicht nur Shopbetreiber neue Pflichten, sondern die Gesetzeslage verlangt auch von den Verbrauchern mehr Eigenverantwortung. Das bedeutet, dass Unternehmen nicht alle Retouren akzeptieren müssen. In der Praxis kommen allerdings viele E-Commerce-Händler ihren Kunden entgegen. So schicken Onlineshops wie H&M oder Zalando in ihren Paketen einen Rücksendeschein mit. Mit diesem Dokument machen ihre Kunden „Gebrauch von ihrem Widerrufsrecht“, was den Unternehmen aus Kulanzgründen ausreicht.
Beim Lebensmittelhändler Lidl können die Kunden ihren Widerruf per Brief, Telefax oder E-Mail tätigen. Zudem hat das Unternehmen ein Widerrufsformular für seine Kunden vorbereitet. Wichtig ist, den Kunden den Alltag mit dem eigenen Onlineshop so leicht wie möglich zu machen, auch wenn die Gesetzeslage den Kunden in die Pflicht nimmt.
Ab in die Praxis – die richtige Formulierung wählen
Genug von der Theorie, auf gehts in die Praxis. Wie können Onlinehändler nun ihre Widerrufsbelehrung erstellen? Zwar gibt es durch die Änderung eine Musterwiderrufsbelehrung vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, die einheitlich für die gesamte EU gilt – samt praktischer Gestaltungshinweise.
Doch leider können Händler sie nicht bequem aus dem Internet herunterladen, da sie nicht zu pauschalisieren ist. Jeder Betreiber muss die Formulierung seinem eigenen Onlineshop entsprechend anpassen. Händler können nach dem Baukastenprinzip ihre entsprechende Belehrung zusammenstellen, allerdings gibt es dabei 40 bis 50 Varianten. Was unabhängig vom Geschäftsprinzip abgedeckt werden muss, ist:
- Der Einstiegmit dem Hinweis zur Belehrung:
„Sie haben das Recht, binnen vierzehn Tagen ohne Angabe von Gründen diesen Vertrag zu widerrufen.“ Quelle: H&M
- Wann die Frist genau beginnt:
„Die Widerrufsfrist beträgt vierzehn Tage ab dem Tag, an dem Sie oder ein von Ihnen benannter Dritter, der nicht der Beförderer ist, die letzte Ware in Besitz genommen haben bzw. hat.“ Quelle: H&M
- Wie Kunden von ihrem Widerruf Gebrauch nehmen können:
„Am einfachsten machen Sie von Ihrem Widerrufsrecht Gebrauch, indem Sie den Rücksendeschein in Ihrem Paket ausfüllen und die Ware an uns zurückzuschicken. Verwenden Sie dazu das beiliegende vorbezahlte Rücksendeetikett. Anleitungen dazu finden Sie auf dem Lieferschein in Ihrem Paket.“ Quelle: H&M
- Die Folgen des Widerrufs:
„Wir erstatten unverzüglich die von Ihnen erhaltenen Zahlungen in vollem Umfang, keinesfalls jedoch später als 14 Tage nachdem Sie uns über den Widerruf informiert haben.“ Quelle: Tchibo
- Die Regelung der Versandkosten:
„Sie haben die Waren unverzüglich und in jedem Fall spätestens binnen vierzehn Tagen ab dem Tag, an dem Sie uns über den Widerruf dieses Vertrags unterrichten, an uns … zurückzusenden oder zu übergeben. Die Frist ist gewahrt, wenn Sie die Waren vor Ablauf der Frist von vierzehn Tagen absenden. Wir tragen die Kosten der Rücksendung der Waren.“ Quelle: Lidl
- Und wie genau das Geld zurückerstattet wird:
„Wir verwenden die gleiche Zahlungsmethode, die Sie für Ihre Bestellung genutzt haben. Es entstehen Ihnen keine zusätzlichen Kosten.“ Quelle: H&M
- Die Vorgehensweise bei einem Wertverlust:
„Sie müssen für einen etwaigen Wertverlust der Waren nur aufkommen, wenn dieser Wertverlust auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Waren nicht notwendigen Umgang mit ihnen zurückzuführen ist.“ Quelle: Lidl
Hierbei handelt es sich um Formulierungen von großen E-Commerce-Händlern. Allerdings zeigt die Praxis, dass es für Shopbetreiber überaus wichtig ist, sich von einem Anwalt beraten zu lassen, um Abmahnungen zu vermeiden.
Es fängt schon bei dem Geschäftsmodell an:
- Handelt es sich um haptische Güter oder digitale Produkte?
- Ist es eine Dienstleistung oder ein Kaufvertrag?
- Erfolgt eine regelmäßige Lieferung oder ist es eine einmalige Abwicklung?
Daher ist es wichtig, an dieser Stelle nicht zu sparen und Experten zu konsultieren.
Das Muster-Beispiel – so sieht ein Widerrufsformular aus
Doch einen Aspekt können sich Online-Shopbetreiber sparen: die Formulierung für das Widerrufsformular. Mit der europaweiten Ausweitung der Widerrufsbelehrungspflicht müssen Händler ihren Kunden nun laut § 356 BGB ein Formular zur Verfügung stellen. In dieser Hinsicht können Unternehmen sich nach dem folgenden Muster richten. Es sollte klar ersichtlich auf der Webseite des Shops eingerichtet sein.

Der Fall des Widerrufs tritt ein: Wie geht es nun weiter?
Das ideale Szenario tritt ein: Der Onlineshop weist auf das Widerrufsrecht hin. Daraufhin beruft sich die Käuferin auf ihr Recht und sendet das bestellte Kleid innerhalb der gesetzlichen Frist zurück. Ab da startet für den Onlinehändler eine Frist von 14 Tagen, um das Geld für das rote Kleidungsstück zu erstatten. Einige Shopbetreiber, wie z. B. Amazon, räumen ihren Kunden eine längere Rückgabefrist für ihre Produkte ein. Auf ihren Seiten können die Nutzer 30 Tage lang die Ware umtauschen. Das bedeutet, Onlinehändler können auch über die vorgeschriebenen Fristen hinausgehen. Damit können sie ihre Nutzerfreundlichkeit steigern.
Die Grenzen der Retouren – Ausnahmen bestätigen die Regel
Obwohl das festgelegte Widerrufsrecht den Onlinehandel vereinfachen soll, gibt es selbstverständlich auch einige Ausnahmen. Nehmen wir das Beispiel der jungen Dame und des roten Kleides. Sollte sie sich für eine individuelle Anfertigung entscheiden, bei der der Händler ein maßgeschneidertes Kleidungsstück allein für diese Kundin herstellt, ist der Onlineshop nicht dazu verpflichtet, die Ware zurückzunehmen. Das Argument lautet: Der Betreiber kann das Produkt nicht einfach weiterverkaufen.
Genauso verhält es sich mit den nachfolgenden Waren, deren Originalverpackung geöffnet wurde:
- Verschweißte Produkte wie CDs und DVDs
- Verderbliche Güter wie Lebensmittel
- Und vor allem Waren, die aus Hygiene- und Gesundheitsgründen nicht zurückgenommen werden können – das umfasst Bademode und Unterwäsche sowie Kosmetikartikel, die mit einer Versiegelung geschützt werden

Der Unterschied zwischen Anprobieren und Ausprobieren – wann haftet der Kunde?
Zwar darf die junge Dame das rote Kleid in Ruhe betrachten und es zur Anprobe anziehen. Doch sollte sie das Kleid so behandeln, als würde es ihr bereits gehören, etwa eine schöne Partynacht damit haben und es dann zurückschicken, liegt das Recht auf der Seite des Shopbetreibers. Sollte der Wert der Ware durch das Verhalten des Kunden sinken, muss dieser für den Ersatz aufkommen. So heißt es im § 360 BGB:
„soweit er die Ware in einer Art und Weise genutzt hat, die über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht, und wenn er zuvor vom Unternehmer auf diese Rechtsfolge hingewiesen ... und über sein Widerrufs- oder Rückgaberecht belehrt worden ist."
Auch bei den Kosten für die Retoure gibt es gesetzliche Regelungen. Wobei auch hier wieder viele Anbieter ihren Kunden zum König machen, indem sie die Ausgaben komplett übernehmen. Wichtig ist, dass Onlinehändler darauf hinweisen, dass der Kunde die Rücksendungskosten tragen muss. Wenn die junge Dame mit dem Kleid darüber nicht informiert ist, kann sie diese Lücke nutzen und die Kosten auf den Händler übertragen. Sollte im Onlineshop der Hinweis enthalten sein, besteht die Herausforderung für Shopbetreiber darin, die tatsächliche Nutzung des roten Kleides zu beweisen. Daher müssen sie alle eingegangen Rücksendung genau prüfen, um im Schadensfall sofort handeln zu können.
Der letzte Kundenkontakt – wer trägt die Portokosten bei der Rücksendung?
Hier gibt es seit der Gesetzänderung eine erfreuliche Regelung für Shopbetreiber: Unabhängig vom Kaufpreis der Ware tragen Verbraucher die Rücksendungskosten. Die meisten Onlinehändler stärken allerdings ihre Kundenbindung, indem sie die Portokosten freiwillig erlassen. Aktuelle Studien zeigen, dass vor allem die Modeindustrie eine hohe Reklamationsrate aufweist. Sobald die junge Dame darüber informiert ist, dass sie die Kosten für die Rücksendung selber tragen muss, tendiert sie eher dazu, dass Kleid zu behalten. Das ist ein Vorteil für den Shopbetreiber, aber da große Händler die Kosten übernehmen, gewöhnt sich die Mehrheit der Kunden an diesen Luxus. Aus diesem Grund sollten Onlinehändler darüber nachdenken, die Gebühren trotzdem zu übernehmen.
Fazit: Im Zeichen der Kundenfreundlichkeit – Onlinehändler sollten trotz der Gesetzeslage Kulanz walten lassen
Die Gesetzte haben die Rechte und Pflichten von Käufern und Verkäufern im digitalen Warenhandel gestärkt. Wichtig ist, dass Onlinehändler keine Kosten sparen, wenn sie ihre Widerrufsbelehrung formulieren. Damit schützen sie sich vor Abmahnungen, die im Nachhinein zu weiteren Ausgaben führen und ersparen sich einiges an Ärger.
Der Kunde bleibt König und das Zauberwort für die richtige Bindung zwischen Anbieter und Käufer lautet: Kulanz.
Obwohl die gesetzliche Lage viele Vorteile für Shopbetreiber bietet, werden Verbraucher von großen Marken wie H&M, Amazon und Zalando verwöhnt. Für kleinere Shops heißt es, dass sie die Rückgabefrist von 14 Tagen oder die Portokosten für Rücksendungen ihrer Kunden übernehmen sollten, um sich im E-Commerce-Wettkampf zu behaupten.
Autor

Ganz gleich ob Gründer, Startup oder Freelancer, als Geschäftsführer des webbasierten Rechnungsprogramms Billomat möchte Paul-Alexander Thies das Thema Buchhaltung so einfach wie möglich gestalten. Mit seiner Leidenschaft für strategische Unternehmens- und Produktentwicklung gründete Thies bereits während seines Studiums ein Unternehmen. Heute blickt der Vollblut-Onliner auf über neun Jahre Erfahrungen als Führungskraft zurück und konnte viele Unternehmen wie Groupon, Payleven (Rocket Internet) und Travador mit aufbauen. Seine Leidenschaft für den E-Commerce-Bereich sowie seine Motivation für den Zukunftsmarkt FinTech führen ihn nun zu Billomat.