Mobile Nutzung vs. Mobile Performance

PWA und AMP – Der Missing Link für die Mobile Performance
Im Internet surfen, während man auf den Bus wartet, Onlineshopping-Angebote prüfen, während man beim Arzt im Wartezimmer sitzt und überall kleine Messages zwischendurch: Längst ist die Nutzung des mobilen Internet für uns alle zu einer Selbstverständlichkeit geworden – nicht nur bei den jungen Zielgruppen.
Erst kürzlich belegte beispielsweise eine Untersuchung von ARD und ZDF durch die GfK, wie stark „Web to go“ in der Bevölkerung inzwischen verbreitet ist: Im Jahr 2011 nutzten nur 20 Prozent aller Internet-User das Netz auch unterwegs. Inzwischen ist der Anteil auf 68 Prozent gestiegen. Jeder dritte Bundesbürger ist sogar täglich im mobilen Internet unterwegs. Und auch wenn es sich für den User nicht so anfühlt, Messenger-Dienste wie WhatsApp, die von 55 Prozent der Deutschen täglich genutzt werden, sind ebenfalls Teil der mobilen Internetnutzung.

Es gilt unter Experten als sichere Annahme, dass sich dieser Trend weiter fortsetzt. Nach einer Hochrechnung der Marktforscher von eMarketer nutzen im Jahr 2019 voraussichtlich 3,2 Milliarden Menschen das mobile Internet, was immerhin nahezu die Hälfte der Weltbevölkerung wäre (Prognose für Deutschland: 56,3 Millionen Nutzer). Hintergrund dieses Booms: In vielen Ländern, die lange als technologisch rückständig galten, lässt die Mediennutzung die Evolutionsstufen PC und Laptop einfach aus. Der Großteil der Menschen geht dort sofort mit dem Smartphone ins World Wide Web.

Paradigmenwechsel: „Mobile Only“
Vor diesem Hintergrund ist es keine Überraschung, wenn gerade viele Unternehmen ihre Strategie überdenken. Aus dem Motto „Digital First“, das den Wechsel von gedruckten zu den Online-Medien propagierte, wurde in den vergangenen Jahren zunehmend die Devise „Mobile First“ geformt. Inzwischen gibt es die ersten Markenartikler, die auch hier einen Schritt weiter denken und bereits das Motto „Mobile Only“ fordern. Tatsächlich richten Shopanbieter wie Zalando ihre Konzepte bereits strikt an der Usability des Smartphones aus. Und Snapchat und Instagram werden nicht die letzten Anwendungen bleiben, die mit großem Erfolg nur noch auf die Bedienung des mobilen Kanals setzen. Ein weiteres Beispiel: Die Super-App WeChat, die in China bereits den gesamten digitalen Alltag dominiert – und das mobil.
Dass zahlreiche deutsche Unternehmen heute tatsächlich nur über eine einfache Website verfügen, ist ein schwer verständlicher Anachronismus. Tatsache ist aber, dass es in den digital versierten Firmen heute vor allem darum geht, wie die mobile Performance verbessert werden könnte. Denn eine gute Lesbarkeit, eine intuitive und verständliche Navigation und – vor allem – kurze Ladezeiten entscheiden darüber, ob sich das eigene Webangebot am Markt durchsetzt. Bereits wenige Sekunden, in denen die Geduld des Users zu lange strapaziert wird, können zu einem Abbruch im Shoppingverhalten und den Wechsel auf andere Angebote führen.
AMP und PWA: Turbo für die Mobile Performance
Zwei technologische Entwicklungen werden deshalb seit einigen Monaten intensiv diskutiert und vorangetrieben: Accelerated Mobile Pages (AMP) und Progressive Web Apps (PWA). Beide Software-Innovationen sind dazu geeignet, die mobile Performance auf dem Smartphone entscheidend zu verbessern. Beide Anwendungen haben ihr Experimentierstadium verlassen und werden am Markt nach und nach eingeführt. Deshalb sollte man sich mit AMP und PWA, ihren Vor- und Nachteilen jetzt intensiver auseinanderzusetzen. Schon bald könnten sie in der mobilen Internetnutzung eine wesentliche Rolle spielen.
Zunächst einmal: AMP ist eine Open-Source-Technologie von Google. Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass mobile Web-Inhalte weitaus schneller als bislang ausgeliefert werden können. Schon länger macht die Suchmaschine mit sanftem Druck darauf aufmerksam, dass mit jeder Sekunde, die eine Mobile Site zum Laden benötigt, die Conversion Rate sinkt. Vor über zwei Jahren führte Google deshalb den Mobile-Friendly-Index ein – seitdem wird im Ranking abgestraft, wessen mobile Seite zu lange Ladezeiten hat. Vor gut einem Jahr verschärfte Google dann die Gangart. Auf der Digital-Marketingkonferenz Pubcon in Las Vegas kündigte das Unternehmen an, dass der Mobile Index den Desktop Index ablösen werde. Google checkt also nicht mehr, ob es zur Desktop-Seite eine mobile Seite gibt, sondern sieht sich in erster Linie die mobile Variante an.
Ein Beispiel: Mit der Initiative „Zahl einfach mobil“ schlossen sich Berliner Handelspartner und Mobilfunkanbieter bereits im vergangenen Jahr zusammen, um gemeinsam den Rollout des mobilen Bezahlens in Berlin voranzutreiben. 750 Händler – darunter GALERIA Kaufhof und REWE – sprangen auf den Zug auf und belohnten Erstnutzer mit einer Gutschrift in Höhe von zehn Euro. Trotz aller Bemühungen ist es um das Pilotprojekt aber erstaunlich ruhig geworden. Ähnlich verhält es sich mit der „Bargeldlos bezahlen“-Initiative von Aldi Nord. Kurz gesagt: NFC kommt in Deutschland aktuell nicht so richtig in die Gänge.
AMP: Kurze Ladezeiten für viel Content
Bei AMP handelt es sich um eine spezielle Programmierung mobiler Webseiten, die zu schnelleren Ladezeiten führt, weil nur sofort geöffnet wird, was auch sofort auf dem Screen gelesen werden kann. Dieser Seiten-Turbo eignet sich vor allem für Publisher oder Unternehmen mit umfassenden Inhaltsangeboten. Zahlreiche Verlage testen derzeit AMP, darunter beispielsweise die FAZ, Zeit Online, Spiegel Online, Bild, Welt und Sport1. Nach Angaben von Google experimentieren auch große Unternehmen wie Zalando, eBay und Comdirect damit. Gerade Shops, die in ihrer Darstellung auf Inhalte setzen, können damit die User Experience steigern.
Wir bei Zone haben AMP bereits mehrfach eingesetzt. So haben wir für den Versicherungskonzern Swinton Insurance Accelerated Mobile Pages implementiert, um die Performance für die Nutzer des mobilen Internetangebots zu steigern. Zunächst haben wir die Landing-Pages über das CMS AMP-fähig gemacht und umgestellt. Dadurch wurden unter anderem strengere Regeln für das Markup erzeugt, Rich-Text-Inhalte und Symbolleistenelemente, die Funktionen wie Bilder einschränkten, wurden passgenau zugeschnitten. Die Performance war daraufhin tatsächlich so überzeugend, dass der Kunde weitere Seiten in Auftrag gab. Inzwischen wurden wir gebeten, auch andere Websites daraufhin zu überprüfen, ob dort die Anwendung von AMP zum Einsatz kommen könnte.
Das Beispiel zeigt: An den Accelerated Mobile Pages wird man nur noch schwer vorbeikommen. Zumal Google ein massives Interesse daran hat, das Thema zu pushen. Denn der Suchmaschinen-Konzern will mit AMP auch Plattformen wie Facebook Paroli bieten. Dort arbeiten bereits zahlreiche Publisher mit dem Tool „Instant Articles“, das ebenfalls dazu führt, dass Seiten mit viel Content in Sekundenbruchteilen geladen und angesehen werden können. Will Google weiter erste Anlaufstelle im Web bleiben und seine User nicht an die Social-Media-Plattform verlieren, muss er ihnen eine ähnliche Experience bieten. Gleichzeitig treiben andere App-Entwickler das Thema AMP voran. Denn wenn Apps auf andere Webseiten verlinken, soll das Ergebnis möglichst schnell sichtbar sein. Deshalb werden in vielen Apps inzwischen bereits Funktionen implementiert, die weiterführende Links darauf checken, ob es sie auch als AMP-Version gibt, um im Zweifel dann diese zu laden.
PWA: Installation und Updates werden überflüssig
Während AMP also ein klarer Fall für die Gegenwart ist, handelt es sich bei PWA eher um ein Zukunftsprojekt. Allerdings eines, das schon bald auf breiter Front zum Einsatz kommen könnte. Denn nicht wenige sehen in den Progressive Web Apps das App-Modell von Morgen. Um dies nachvollziehen zu können, lohnt sich ein Blick in die jüngere digitale Vergangenheit. Als Apple vor rund zehn Jahren das erste iPhone in die Läden brachte, wollte es noch mit seinen eigenen Apps den Markt dominieren. Native Apps von Drittanbietern waren gar nicht vorgesehen. Erst kurz nach dem Launch änderte der Konzern seine Meinung und ließ fremde Entwickler zu, worauf sich die Stores als zentraler Vertriebsweg für Apps durchsetzten. Wenig später zog Google mit seinem Android- und Microsoft mit dem Windows-Store nach.
Die Progressive Web Apps sind auf diese Stores nun aber nicht mehr angewiesen. Sie können sofort über den Webbrowser, der auf jedem Smartphone installiert ist, aufgerufen werden. Sucht also ein User nach einer Anwendung und wird ihm auf Google daraufhin eine PWA angezeigt, kann er diese sofort auf seinem Handy ausführen; ein Store-Besuch wird überflüssig. Man braucht PWA also nicht installieren und auch keine Updates downloaden.
Dies ist aber nicht der einzige Vorteil von PWA. Denn wie AMP trägt auch diese technische Neuerung dazu bei, die Performance auf den mobilen Seiten noch einmal deutlich zu steigern. PWA, übrigens ebenfalls eine Initiative von Google, verbindet die reibungslose Funktionalität einer „herkömmlichen“, nativen App, mit dem offenen Standard des Webs. Sie sind damit in mancher Hinsicht getunte, mobil nutzbare Webangebote, die sich an das jeweilige Endgerät und den verwendeten Browser anpassen. Für viele stellen sie damit bereits die Zukunft der mobilen App-Nutzung dar.
Unterstützt werden PWA bislang allerdings nicht von allen Browsern. Apple ziert sich noch ein wenig. Dort läuft die App zwar, der Support über Safari ist allerdings ausbaufähig. Ohnehin steht Apple der Initiative reserviert gegenüber. Denn bislang verdient der Konzern beim Verkauf seiner Apps im eigenen Store kräftig mit. Doch die Entwicklung ist nicht aufzuhalten: Soeben kündigte Appy Pie, der führende App-Hersteller in Großbritannien, an, Progressive Web Apps in seine App-Baukästen zu integrieren. Wenn der Benutzer also eine App erstellt, kann er dies nicht nur für die etablierten Betriebssysteme tun, sondern auch gleich eine PWA erstellen.
„Mobile Only“ mag heute noch vielen als gewagte Prognose erscheinen. Tatsache aber ist: Jede Anwendung, die die mobile Performance erhöht, wird sich durchsetzen. AMP und PWA gehören dazu.
Autor

Felix Holzapfel ist Jahrgang 1978, hat an der Fachhochschule Köln studiert und seine Karriere als Webdesigner angefangen. Im Jahr 2002 gründete Holzapfel die deutsch-amerikanische Digital-Agentur conceptbakery. Die Agentur galt als Pionier für alternative Marketingstrategien und avancierte schnell zu einer der führenden Social Media Agenturen in Deutschland (lt. Top-10-Ranking BVDW). 2016 fusionierte conceptbakery mit der britischen Agentur Zone, die heute zur Cognizant Gruppe gehört. Seither ist Holzapfel CEO in Deutschland und Teil des „International Committee“. Er ist gefragter Referent und Autor zahlreicher Branchenhandbücher für digitale Markenführung, darunter „Digitale Marketing Evolution: Wer klassisch wirbt, stirbt“.
hallo(at)zonedigital.com
(+49) 221 292 832 - 0