Kundenservice im digitalen Business: Mammutaufgabe oder Spielerei?

Einer der erfolgreichsten Unternehmer des digitalen Zeitalters, Amazon-Gründer Jeff Bezos, prägte den Ausspruch: „Die Kunden sind Götter.” Mit seinem Gespür für die Wünsche der Kunden und bedingungslosem Service machte Jeff Bezos den Online-Marktplatz Amazon zu einem Welterfolg. Ist Kundenservice wirklich der Schlüssel zu Reichtum und florierenden Umsätzen?
Der Kunde im digitalen Zeitalter
Der Begriff „Servicewüste“ gilt in Deutschland mittlerweile als überholt und erinnert eher an Behördengänge als an das digitale Business. Dennoch schneidet Deutschland im Ländervergleich in Sachen Kundenorientierung eher mittelmäßig ab. Ein Beispiel dafür ist das mittlerweile umstrittene deutsche Ladenschlussgesetz. Sollten sich deutsche Einzelhändler endlich an den liberalen Regelungen der europäischen Nachbarn orientieren? In Skandinavien, Großbritannien, Italien, Tschechien, Ungarn oder Portugal beispielsweise sind Sonntagsöffnungen nahezu ohne Einschränkungen möglich.
Auch die Digitalisierung unserer Lebensbereiche lenkt das Augenmerk verstärkt auf das Thema Kundenservice. Digitale Kommunikation, die jederzeit und an jedem Ort der Welt möglich ist, verändert auch unser Verhalten. Im beruflichen Kontext bedeutet das ständige Erreichbarkeit und kurze Reaktionszeiten in der Kundenkommunikation. Diese rasante Entwicklung und Schnelligkeit in der Kommunikation stellt besonders kleine und mittelständische Unternehmen vor große Herausforderungen.
Überschätzte Performance
Der Kundenmonitor Deutschland zeigte bereits im Jahr 2015, dass neue digitale Angebote wie Onlineshops und -portale die Kundenzufriedenheit verbessern können. „Viele Onlinekunden erwarten sofortige Hilfe bei Rückfragen und orientieren sich bei ihrer Kaufentscheidung an der Qualität des Kundenservice. Ein persönliches Gespräch und individuelle Beratung am Telefon oder über den Live-Chat bestimmen das Kauferlebnis. Das schafft Vertrauen und nach dem persönlichen Kontakt kaufen Kunden gern wieder beim selben Händler“, bestätigt Ina Kurz, Geschäftsführerin von telbes.
Eine aktuelle Infografik des Kundenserviceanbieters zeigt jedoch, welche Defizite in diesem Bereich zwischen Kunden und Unternehmern herrschen. Die Statistik, basierend auf 500 internationalen Unternehmen, belegt: 80 Prozent der Firmen glaubten, einen herausragenden Kundenservice zu bieten, aber nur acht Prozent ihrer Kunden wollten dies bestätigen.
Einer der Gründe dafür ist die lückenhafte Kommunikation, denn laut den Ergebnissen antworten nur 41 Prozent der Unternehmen überhaupt auf Kundenanfragen per E-Mail. Bei allen Bemühungen konnten nur 11 Prozent der Kundenservicemitarbeiter das Anliegen mit der ersten Rückantwort klären. Mit einer durchschnittlichen Antwortzeit von rund 16 Stunden mussten die meisten Kunden zwei Tage auf eine Reaktion warten. Auf Empfangsbestätigungen, die den Kunden automatisch signalisieren, dass ihre Frage bearbeitet wird, verzichten leider 90 Prozent der Firmen.
Unterschätzter Aufwand
Gründe für die chronische Überschätzung in Sachen Kundenservice liegen möglicherweise in der Zeitplanung. Viele kleinere Unternehmen ohne eigenes Support-Team, das sich tagtäglich den Fragen und Problemen der Kunden widmet, versinken regelrecht in Arbeit. Laut einer Studie des Händlerbundes behandelt die Mehrzahl der Händler das Thema Kundenservice noch immer nebenbei und mit sehr geringen Kapazitäten.
Obwohl die Bearbeitung der Anfragen nach den Aussagen der befragten Händler etwa zwei Drittel der Arbeitszeit in Anspruch nimmt, lassen nur 13 Prozent den Kundenservice von Fachkräften bearbeiten und lediglich ein Prozent lässt sich von externen Dienstleistern unterstützen. Die meisten Anfragen (56 Prozent) beziehen sich dabei auf Fragen zu den angebotenen Produkten und kommen per E-Mail oder telefonisch. Kunden wollen jedoch keinesfalls mit Standardantworten oder Robotern konfrontiert werden. Die Kommunikation erfordert trotz aller Schnelllebigkeit im digitalen Zeitalter Geduld und Einfühlungsvermögen.
Ein wichtiger Punkt, den Unternehmer während der Debatte um digitale Kommunikation und der Technisierung des Handels nicht aus den Augen lassen sollten: Knapp 60 Prozent der Kunden vermissen die persönliche Beratung beim Onlinekauf. Das bestätigt das Meinungsforschungsinstituts Ipsos in einer Studie mit rund 1.500 befragten Deutschen. „Einige der Barrieren des Onlinehandels lassen sich inzwischen mit technischen oder kommunikativen Lösungen mindern“, sagte Philipp Kunze, Senior Research Executive bei Ipsos Connect, zu den Ergebnissen.
Eine dieser technischen Lösungen ist zum Beispiel ein guter Büroservice. Die Grafik zeigt, welche Aspekte die Kunden zu einem Kauf im Internet bewegen und welche sich hinderlich auswirken. Der fehlende persönliche Kontakt zum Unternehmen rangiert dabei auf dem vorderen Platz.

Praxistipps wie funktioniert gute Kundenbetreuung
Der Umgang mit Kunden im täglichen Geschäft scheint zunächst eine leichte und selbstverständliche Aufgabe zu sein. Schließlich ist jeder von uns mit guten Umgangsformen und den üblichen Kommunikationsregeln aufgewachsen. Tatsächlich verbirgt sich hinter dem Thema Kundenservice jedoch eine komplexe und sehr zeitaufwändige Angelegenheit.
Erst wenn die Kundenanfragen oder sogar Beschwerden unkontrolliert und gehäuft auf das Unternehmen einprasseln, stellen viele fest, welch große Herausforderung dahinter steckt. Immerhin bestätigt die letzte Jahresumfrage des Händlerbundes, dass knapp ein Viertel (24 Prozent) der über 500 befragten Onlinehändler den Kundenservice als eine der wichtigsten Herausforderungen im Jahr 2017 sehen. Wer übernimmt im Team welche Aufgaben? Wie werden Anfragen oder Retouren organisiert?

Checkliste für den Kundenservice
Erreichbarkeit:
Wie können Ihre Kunden Sie erreichen?
Bieten Sie Ihren Kunden mehrere Wege an, um mit Ihnen in Kontakt zu treten. Vor allem der Dialog über soziale Netzwerke oder Messenger wie Facebook oder WhatsApp wird von immer mehr Kunden genutzt. Onlinehändler sind sogar rechtlich verpflichtet, einen Weg für eine schnelle Kontaktaufnahme zu ermöglichen.
Tipp:
Schalten Sie auf Ihrer Webseite ein temporäres Fenster mit Ihren Kontaktdaten, das Sie immer dann aktivieren, wenn Sie gerade erreichbar sind.
Schnelligkeit:
Wie lang ist Ihre durchschnittliche Antwortzeit?
Verschaffen Sie sich einen Überblick und führen Sie eine einfache Statistik über Ihre Kundenkommunikation. So stellen Sie Stoßzeiten fest und können auf Veränderungen reagieren.
Tipp:
Die Durchschnittliche Antwortzeit laut einer Studie von SuperOffice beträgt übrigens 16 Stunden.
Beratung:
Welchen Mehrwert bietet Ihr Kundenservice?
Vor allem im Onlinebusiness kommt der persönliche Kontakt häufig zu kurz. Bieten Sie Ihren Kunden echte Beratung, indem Sie zuhören und den Kaufprozess begleiten. Etwa 60 Prozent der Kunden vermissen gegenüber dem stationären Handel die persönliche Beratung im Onlineshop.
Tipp:
Mit etwas Fingerspitzengefühl ergeben sich im Beratungsgespräch sogar Cross- und Upselling-Potenziale. Ihr Kunde wird dann aufgrund des persönlichen Kontakts gern wieder bei Ihnen kaufen.
Einfachheit:
Wie kundenfreundlich sind Ihre Prozesse?
Usability und Bequemlichkeit sind heute das A und O. Machen Sie es Ihren Kunden so leicht wie möglich und stellen Sie einen reibungslosen Bestellablauf und Versandprozess sicher. Onlinekunden wollen finden statt lange zu suchen.
Tipp:
Nehmen Sie regelmäßig selbst die Rolle des Kunden ein und durchlaufen den Kaufprozess. So finden Sie störende Elemente, die eventuell zu Kaufabbrüchen führen.
Information:
Was bieten Sie Ihren Kunden an?
Damit ihre Kunden Vertrauen in Ihr Angebot fassen und möglichst wenige Rückfragen aufkommen, sollten Ihre Produktinformationen und -fotos zwingend vollständig, aussagekräftig und wahrheitsgemäß sein; auch dürfen die verwendeten Materialien keine Urheberrechte verletzen. Selbst geringe Verstöße können zu einer Abmahnung führen.
Tipp:
Lassen Sie die Informationen auf Ihrer Webseite auf Rechtssicherheit prüfen.
Hand aufs Herz: Kunden können auch anstrengend sein. Ständige Erreichbarkeit, persönliche Beratung und kurze Reaktionszeiten im Kundenservice sind zwar selbstverständlich, aber nicht immer leicht umsetzbar. Vor allem große Player wie Amazon, Otto, Zalando & Co. machen vor, wie professioneller Kundenservice geht. Sie legen die Messlatte besonders für viele kleinere Händler sehr hoch. Wer sich im Krankheitsfall oder während der Urlaubszeit ein paar freie Tage wünscht, kann den Kundenservice mit Hilfe eines Dienstleisters auch völlig oder teilweise auslagern.
Umgang mit fiesen Kunden
Unabhängige und transparente Bewertungen spielen auch im Kundenservice eine wichtige Rolle. Immerhin bieten sie mehr Transparenz und stärken gleichzeitig das Vertrauen potenzieller Neukunden. Diese Punkte sind Argumente für die Verwendung von Kundenbewertungen. Das Wort “fair” wird leider nur selten mit Kundenbewertungen in Verbindung gebracht. Eine Studie mit 1.013 Onlinehändlern ergab, dass 95 Prozent der befragten Händler mit unfairen Kundenbewertungen zu kämpfen haben. Als unfair gelten dabei unwahre, unsachliche und teils beleidigende Aussagen.
Besonders dreist sind die Beispiele, in denen ein schlechter Kundenservice bescheinigt wird, obwohl dieser nie in Anspruch genommen wurde. Händler ärgern sich nicht nur über die unnötigen Negativbewertungen sondern spüren, dass sie sogar dem Geschäft schaden. Den Ergebnissen nach wirken sich unfaire Bewertungen vor allem negativ auf das Image (76 Prozent) aus. Des Weiteren sind Zeitverlust (60 Prozent) durch die zusätzliche Kommunikation mit dem Kunden und der Sichtbarkeitsverlust (50 Prozent) durch das verschlechterte Ranking ein Problem.
Wenn die Kundenkommunikation eskaliert
Als Händler muss man sich jedoch dem Problem und den Kunden gegenüber nicht geschlagen geben. Um die Bewertung aus der Welt zu schaffen, hilft oft schon der persönliche Kontakt zum Kunden, den 71 Prozent der Händler suchen. Aber auch das öffentliche Kommentieren und Richtigstellen hilft bei zwei Drittel (66 Prozent) der Befragten. Wenn die Bewertung absolut unhaltbar und mit dem Kunden kein ruhiges Wort mehr zu wechseln ist, gibt es in letzter Not rechtliche Mittel, die den Betroffenen bei unfairen Kundenbewertungen helfen können. Diese sollten allerdings nur dann zum Einsatz kommen, wenn die Bewertung wirklich als geschäftsschädigend eingestuft wird. Gerade einmal sechs Prozent der Händler nutzen rechtliche Mittel und greifen lieber zu Maßnahmen wie Kontensperrungen oder Erstattungen.
Rechtlich betrachtet lassen sich Bewertungen in Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung unterscheiden. Letztere unterliegt dem Recht auf freie Meinungsäußerung und ist von einer Anfechtung ausgeschlossen. Bei Tatsachenbehauptungen wie beispielsweise: „...der Kundenservice ist unter der Nummer nicht erreichbar...“ werden objektive Umstände in der Wirklichkeit beschrieben, die sich durch Zeugen oder Sachverständige bestätigen bzw. widerlegen lassen. Bei nachweislich unwahren Tatsachenbehauptungen hat der Händler einen gesetzlichen Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung. Diesen kann er gerichtlich geltend machen und die Entfernung des Kommentars verlangen.
Meinungsfreiheit geht vor
Meinungsäußerungen sind entweder als Werturteile – wie beispielsweise die Aussage „unfreundlicher Service“ – oder als Pauschalbehauptungen, wie z. B. „alles billiger Kram“, zu werten. Derartige subjektive Kundenbewertungen kann der Verkäufer nicht entfernen lassen. Auch polemische Werturteile fallen im rechtlichen Sinne unter die Meinungsfreiheit des Kunden und sind nicht anfechtbar. Anders verhält es sich bei Beurteilungen, die als Schmähkritik gelten. Diese Form der Meinungsäußerung zielt darauf ab, die Person des Verkäufers zu diffamieren, herabzusetzen und zu beleidigen. Unter die Schmähkritik fallen demnach Aussagen, die als Beleidigung und Beschimpfungen des Verkäufers gelten wie „Idiot“ oder „Betrüger“. In strafrechtlicher Hinsicht haben Händler dann die Möglichkeit, ihren Handelspartner wegen Beleidigung bzw. übler Nachrede oder Verleumdung anzuzeigen.
Letztlich bleibt zu hoffen, dass alle eingangs erwähnten Tipps und Verhaltensweisen dafür sorgen, dass Kundenbeziehungen freundlich, fair und erfolgreich ablaufen. Das Thema Kundenservice sollte im täglichen Alltagsstress immer als menschliche Aufgabe verstanden werden, bei der Fehler und Missverständnisse zwar passieren können, aber kein Weltuntergang sein müssen. Miteinander reden zuhören und verstehen – das Leben könnte so einfach sein!
Autorin

Yvonne Bachmann ist seit 2013 als Rechtsanwältin für den Händlerbund tätig. Dort berät sie Onlinehändler in Rechtsfragen und berichtet auf dem Infoportal OnlinehändlerNews regelmäßig zu Rechtsthemen, welche die E-Commerce-Branche bewegen. Außerdem ist sie eine bundesweit gefragte Referentin, Interviewpartnerin und Gastautorin.