Die wichtigsten Trends in den Bereichen E-Commerce, Fintech and Payments für 2017

Die Payment-Branche wird auch im nächsten Jahr dynamisch bleiben. Ralf Ohlhausen, Business Development Director der PPRO Group, fasst die 10 Top-Trends für 2017 zusammen.
1. Benutzerfreundlichkeit von Bezahlmethoden
Bezahlmethoden müssen künftig immer benutzerfreundlicher werden und sollten omnichannel funktionieren: Point of Sales, Internethandel und Shopping auf mobilen Geräten. Die Anbieter von Bezahlmethoden müssen ihre Produkte an alle Shopping-Umgebungen anpassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Insbesondere Anbieter von Online-Bezahlmethoden sollten ihre Produkte für alle Kanäle optimieren und auch zum Bezahlen über mobile Endgeräte bereitstellen.
2. Brexit
Der Brexit wird im Jahr 2017 ein wichtiges Thema für regulierte europäische Fintechs werden. Wenn Großbritannien offiziell seine Trennung von der EU erklärt, werden europäisch arbeitende Fintechs, die von der Finanzdienstleistungsaufsicht FCA im Vereinigten Königreich reguliert werden oder einen so genannten Passport für Europa besitzen, vermutlich neue Lizenzen benötigen. Die Gewinner des Brexit werden höchstwahrscheinlich Länder wie Luxemburg, Irland und Malta sein, die es Fintechs leicht machen, Finanzdienst-Lizenzen zu beantragen. 2017 wird daher das Jahr des großen Fintech-Auszugs aus Großbritannien werden.
3. Access to Account
Mit der neuen Zahlungsdiensterichtlinie PSD2 kommt auch das neue Konzept „Access to Account” (XS2A), das besagt, dass auch Drittparteien (Third Party Providers = TPPs) Zugriff auf Kundenkonten in der EU gewährt wird, um ihren Kunden Zahlungs- und Konteninformationsservices bieten zu können. Ähnlich wie die Entflechtung der Telekommunikationsanbieter oder Stromversorger von der zugrunde liegenden Infrastruktur, wird das mehr Wettbewerb bei den Mehrwertdiensten des Bankgeschäfts bringen.
Doch anstatt eine einheitliche Schnittstelle zur Anwendungsprogrammierung (API) zu abonnieren, wie es zum Beispiel die open banking platform (Offene Bankenplattform) in Großbritannien vorsieht, können die Banken im übrigen Europa eine eigene API bereitstellen. So können diejenigen Banken, die nicht mit TPPs zusammenarbeiten wollen, es diesen recht schwer machen, auf ihre Konten zuzugreifen. Allerdings ist zu erwarten, dass die meisten Banken ein Interesse daran haben werden, ihren Kunden die Nutzung zusätzlicher Dienstleistungen zu ermöglichen und sich daher an einer oder mehreren der aufkommenden „Open Banking API”-Initiativen beteiligen werden, die aktuell versuchen, hier einen De-Facto-Standard zu schaffen. Wenn Sie von XS2A betroffen sind, verfolgen Sie diese API-Initiativen genau.
4. Chatbots
Anfang 2016 haben sich die Internetgiganten innerhalb weniger Wochen überschlagen, ihre Chat-Programme mit einer API zu versehen, die es auch „nicht-Menschen“ – sogenannten Bots – ermöglicht, an einem Chat teilzunehmen. Vor allem Firmen sollen so als automatisierte Gesprächspartner mit ihren Kunden kommunizieren können, ohne dass diese dafür ihre favorisierten Chat-Apps verlassen müssen.
Im Gegensatz zu Apps, die für 99% aller Firmen nicht profitabel erzeugt, verbreitet und unterhalten werden können, werden solche Bots – ähnlich wie Websites – auf einem zentralen Server liegen. Damit sind sie leichter zu realisieren und zu verändern und bieten eine ideale Alternative zu Apps. Viele lässt dies glauben, das Chatbots damit „das größte Ding“ seit der Erfindung des Smartphones sein werden. Auf jeden Fall wird es nicht lange dauern, bis „Chatbot Payments“ als neue Mobile-Payment-Variante auftauchen werden. In China ist dies übrigens alles schon längst Realität: dort gibt es praktisch keine Firma ohne WeChat-Account, über den Kunden per WeChat Pay einkaufen können.
5. Mobiles Bezahlen
Das Jahr 2016 hielt schlechte Nachrichten für alle bereit, die dem mobilen Bezahlen skeptisch gegenüberstehen. Laut der Visa Digital Payments Study 2016 ist die Zahl der europäischen Konsumenten, die mobile Zahlungsmethoden verwenden, in nur einem Jahr um 200 Prozent gestiegen. Die erwähnte Skepsis könnte durch die Tatsache befeuert worden sein, dass mobile Zahlungsmethoden länger als ursprünglich vorhergesagt brauchten, um durchzustarten.
Das Mobben von mobilen Zahlungsmethoden wurde auch zum Lieblingssport einiger Journalisten. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass die mobile Welt nun an einem Wendepunkt angekommen ist. Das hat auch zur Folge, dass Unternehmen wie Apple und Samsung sich jetzt ernsthaft mit mobilen Zahlungsmethoden auseinandersetzen, und man könnte darauf wetten, dass das Tempo dieses Wandels sich dadurch beschleunigen wird.
Noch im Jahr 2016 wurde ApplePay auf fast allen wichtigen Märkten eingeführt. Und zwar zu exakt dem Zeitpunkt, zu dem die Konsumenten – wie es scheint – beginnen, mobile Zahlungsmethoden zu akzeptieren. Wenn man bedenkt, wie oft Apple in der Vergangenheit richtig lag, insbesondere, was die Nutzererfahrung angeht, so hat man auch in diesem Fall allen Grund zum Optimismus. Das kann nur eine gute Sache sein – sowohl für mobile Bezahlmethoden als auch für den alternativen Bezahlmarkt als Ganzes.
Sieht man Mobile Payment in einem noch größeren Kontext, so kann die gesamte Branche hier ihre Lektion lernen. Ausnahmslos alle neuen Entwicklungen durchlaufen den gesamten „Hype-Kreislauf”, unter anderem auch das Stadium, das Gartner den „Tiefpunkt der Desillusionierung” nennt, in dem jeder auf frühe Fehler und Enttäuschungen verweist und alle der Meinung sind, „dass das nie funktionieren wird“. Als Branche sollten wir lernen, diesen Kreislauf als das zu nehmen, was er ist. Wir sollten an guten Ideen festhalten, selbst wenn sie den frühen Begeisterungsrausch zunächst anscheinend nicht rechtfertigen. Weil gute Ideen gut bleiben. Und niemand will als letzter auf den fahrenden Zug aufspringen, wenn plötzlich doch alles ineinandergreift und die Sache in Schwung kommt.
6. Instant Payments
Das Euro Retail Payments Board (ERPB), Nachfolger des SEPA-Rats, unternimmt derzeit große Anstrengungen, um sicherzustellen, dass SEPA nicht hinter den vielen nationalen Initiativen hinterherhinkt, die daran arbeiten, schnelleres und sogar sofortiges – instant – Bezahlen einzuführen. Es gibt bereits den Entwurf eines Regelwerks für SEPA Instant Credit Transfers (SCT Inst), mit dem sich die maximale Dauer, in der ein Betrag auf das Empfängerkonto überwiesen wird, von einem Geschäftstag auf nicht mehr als 10 Sekunden verringert.
Eine ähnliche sofortige Verfügbarkeit von Mitteln soll es auch für die SEPA-Lastschrift, für Kartenzahlung und andere Bezahlmethoden geben. Die Einführung von SCT Inst wird für alle Banken optional sein (zumindest vorerst) und sie könnte einige Zeit in Anspruch nehmen, doch die Zukunft des Bezahlens wird „instant“ sein – ebenso wie es für das Versenden von Nachrichten, den Kauf von Büchern und Musik und vielen anderen Dingen in unserem täglichen Leben schon selbstverständlich ist.
7. Blockchain-Technology
Die hinter den Bitcoins stehende Blockchain-Technologie wird 2017 mit Sicherheit für Furore sorgen. Die Blockchain ist eine Datenbank, in der z. B. sämtliche Bitcoin-Transaktionen verzeichnet werden. Sie besteht aus einer langen Kette von Datenblöcken, in denen eine oder mehrere Transaktionen zusammengefasst, verschlüsselt und dann fälschungssicher hinterlegt werden. Transaktionen gehen außerdem recht schnell – wenn auch nicht in Echtzeit – und sind günstig.
Ideen, wo man die Blockchain-Technologie ansonsten noch einsetzen könnte, werden gerade erst entwickelt. Grundsätzlich ist aber bereits jetzt klar: überall dort, wo Transaktionen getätigt werden müssen und bislang eine „Trusted Third Party“ (TTP) vonnöten ist, wird die Blockchain nicht weit sein, um diese kostengünstig und effizient zu ersetzen. Ein Beispiel sind smarte Verträge. Dabei übernehmen Computer (statt Notare als trusted third party) die Vertragsabwicklung, prüfen die Bedingungen live und können einzelne Bestimmungen automatisiert ausführen.
8. AML5
Es wurde viel darüber spekuliert, ob die fünfte Anti-Geldwäscherichtlinie kommen wird oder nicht. Sollte sie in der Form kommen, wie sie von der EU-Gesetzgebung vorgeschlagen wurde, hätte sie massive Auswirkungen auf E-Geld-Institute: Die schon jetzt geringen Limits für die Verwendung von E-Geld ohne schwerfällige Kundenidentifizierungsprozeduren (Know Your Customer = KYC) würden weiter eingeschränkt werden, so dass digitales Geld seine Vorteile gegenüber Banken für die meisten Konsumenten verlieren würde. Hoffen wir, dass AML5 in abgemilderter Form kommen wird und so die gesamte EMI-Branche vor dem Kollaps bewahrt.
9. Paydirekt
Paydirekt ist eine Online-Zahlungsmethode, die Ende 2015 in Deutschland eingeführt wurde. Angekündigt als Antwort der deutschen Bankenbranche auf PayPal, hatte Paydirekt bisher damit zu kämpfen, auf dem Markt Fuß zu fassen. Das ewige Huhn-Ei-Dilemma jeder neuen Zahlungsmethode zu überwinden (und eigentlich jedes zweiseitige Geschäftsmodell), ist eine angsteinflößende Aufgabe, selbst wenn die vereinte Macht aller deutschen Banken hinter einem steht. Um Erfolg zu haben, muss Paydirekt benutzerfreundlicher werden – sowohl für den Kunden (idealerweise, indem keine Registrierung erforderlich ist) als auch für die Händler (idealerweise, indem Paydirekt Zahlungsdienstleistern erlaubt, in ihrem Namen zu arbeiten).
Insbesondere das Sammeln und Abgleichen von eingehenden Zahlungen ist ein Service, den mehr und mehr Händler ausgelagert haben. Leider ist das bisher bei Paydirekt noch nicht möglich, da Abwicklungsgebühren vermieden werden sollten, indem es nicht dem klassischen „4-Corner-Model“ folgt und dadurch den Händlerbanken keine Einkommensquelle bietet – außer durch das Erheben von Gebühren für eingehende Zahlungen auf das Händlerkonto. Paydirekt könnte eine äußerst interessante Online-Banking-Zahlungsmethode in Deutschland werden, aber der Dienst muss Wege auftun, um seine Teilnehmer zu vergüten, ohne den Händlern das Leben zu erschweren. Sonst wird es spüren müssen, dass heutzutage nichts zu groß ist, um unterzugehen.
10. P2P-Zahlungen
Person-to-Person oder Peer-to-Peer (P2P)-Zahlungslösungen schießen seit einiger Zeit in ganz Europa und dem Rest der Welt wie Pilze aus dem Boden. Viele sind jedoch auch schon wieder von der Bildfläche verschwunden, andere haben eine recht geringe Nutzerbasis. Das Problem ist hier die schiere Masse, die die wenigsten erreichen konnten, und daher schnell wieder eingegangen sind. Alle noch bestehenden Lösungen dieser Art werden typischerweise nur innerhalb einer in sich geschlossenen Gemeinschaft benutzt, in der es einfacher ist, einen ausreichend hohen Anteil an Teilnehmern zu gewinnen, um ein andauerndes Interesse an der Nutzung dieser Zahlungsmethode aufrechtzuerhalten.
Derzeit versucht das ERPB (Euro Retail Payments Board) die Zusammenarbeit bestehender und künftiger mobilen P2P-Zahlungslösungen zu fördern, um so ihre Interoperabilität auf europäischem Niveau zu gewährleisten. Die Vision dahinter ist, es jeder Person zu ermöglichen, eine paneuropäische mobile P2P-Bezahlung sicher und gefahrlos durchzuführen – mittels einer einfachen Methode und basierend auf Informationen, die die Gegenseite bereit ist zu teilen, um Zahlungen zu leisten. Das könnte schließlich zu einem Standard führen, der die Chance birgt, eine ausreichend große Menge von Personen zu erreichen, die sich gegenseitig bezahlen kann, ohne ellenlange IBANs kennen und benutzen zu müssen.
Fazit
2017 verspricht, erneut ein interessantes und dynamisches Jahr im Payment-Umfeld zu werden. Es gab selten Jahre, in denen sämtliche Aspekte – von Regulierung (PSD2, AML5) über Technologie (Blockchain, Chatbots, neue Zahlarten) bis zu politischen Veränderungen (Brexit, Instant Payments) – so geballt zusammenfallen, wie in 2017. Wir sind gespannt, welche Möglichkeiten es mit sich bringen wird.
Autor

Ralf Ohlhausen, Diplom-Mathematiker und Master of Telecommunications Business, verfügt über 25 Jahre Berufserfahrung in den Bereichen E-Commerce, Financial Services, mobile Telekommunikation und IT. Zuletzt war er als President Europe bei SafetyPay tätig; weitere Stationen seiner internationalen Karriere waren Führungspositionen bei Digicel, O2, British Telecom und Mannesmann-Kienzle. Seit Ende 2016 ist Ralf Ohlhausen Mitglied des European Retail Payment Board (ERPB) der Europäischen Zentralbank (EZB) und vertritt dort die Interessen der Electronic Money Association (EMA).
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