Die datengetriebene Customer Journey

Obwohl Big Data in aller Munde ist, ist das Potenzial der Großen Daten im E-Commerce noch weitgehend unerschlossen. Emma Page, Regional Director für den DACH-Raum bei Pyramid Analytics, erklärt, wie Händler konkret von einem besseren Verständnis ihrer Kunden profitieren und damit die Customer Journey datengetrieben optimieren. Was es dazu braucht: Eine umfassende Strategie, die richtigen Werkzeuge und den Willen zur Flexibilität
Big Data ist seit längerem ein Buzzword. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte auf der letztjährigen CeBIT, Daten seien "die Rohstoffe des 21. Jahrhunderts". Doch wie bei vielen technologischen Trends stellt sich der Weg zur gewinnbringenden Nutzung deutlich komplexer dar, als zu Anfang gedacht. Mit einer durch Technologie drastisch vergrößerten Datenbasis geht der Bedarf nach neuen Methoden zur Datenanalyse einher. Das Potenzial dahinter ist riesig: Völlig neue Erkenntnisse können mit Daten in Zusammenhänge gesetzt werden, deren Erschließung vorher nicht möglich war oder ganz und gar unsinnig erschien.
Der E-Commerce – in der Regel gewillt, schnell auf neue Entwicklungen aufzuspringen – steht vor der Herausforderung, bedacht die richtigen Schlüsse aus dieser neuen Entwicklung zu ziehen. Während in großen Konzernen wie Amazon mittlerweile vermehrt und teilweise sehr erfolgreich an der Ausarbeitung und Umsetzung von Big Data-Strategien gefeilt wird, sind die Möglichkeiten größerer Datenmengen in kleineren Unternehmen und in vielen Marketingabteilungen noch weitgehend unerschlossen. Dabei liegt vor allem in der Analyse der Customer Journey großes Potenzial.
Big Data im E-Commerce – Bedeutung und Potenzial
Bevor es an die Wahl der richtigen Datenstrategie für die Optimierung der Customer Journey geht, ist es wichtig, zu verstehen, was der oft als Modewort verwendete Begriff Big Data eigentlich konkret bedeutet. Erst so wird im Umkehrschluss deutlich, an welchen Punkten entlang der Customer Journey Big Data Analyse ihren maximalen Nutzen entfalten kann.
Vorweg: Daten sind seit jeher die Grundlage für erfolgreiche Marketingstrategien. Ob in der Marktforschung und der darauf basierenden Entwicklung von zielgruppengenauen Ansprachen und Kampagnen, in der Auswertung von Kampagnenerfolgen oder in der Durchführung von CRM-Maßnahmen – die Liste an datengestützten Marketingaktivitäten ist lang.
Durch die technologische Entwicklung der letzten Jahre und neue Verarbeitungsarchitekturen eröffnen sich heutzutage jedoch Möglichkeiten, die bisher ungekannt waren. Gerade im E-Commerce steigt die Menge und Heterogenität der verfügbaren Daten sowie die Geschwindigkeit der Datenverarbeitung durch neue Analysetools und Verarbeitungsarchitekturen drastisch an. So ist es Online-Retailern mittlerweile möglich, die eigenen Transaktionsdaten über Cookies, Logins und eine steigende Zahl von Datenquellen externer Anbieter mit einer quasi unbegrenzten Zahl weiterer Datenquellen zu kombinieren.
Setzt man beispielsweise Natural Language Processing (NLP)-Analysen der Social-Media-Aktivitäten von Kunden mit externen Credit Scoring Modellen sowie Transaktions- und CRM-Daten aus dem eigenen Webshop in Beziehung, wird es sehr einfach, ein umfassendes Bild eines jeden einzelnen Kunden zu zeichnen und dessen Wert für das Unternehmen zu bestimmen. Mit einer umfassenden Big Data-Strategie sind nicht nur diese Analysen möglich, es können auch in Echtzeit die richtigen Reaktionen daraus abgeleitet werden. Konkrete Beispiele dafür sind weiter unten aufgeführt.
Die Customer Journey wirklich verstehen – Silos aufbrechen
Innerhalb von Unternehmen verstehen die verschiedenen Abteilungen die Customer Journey völlig unterschiedlich. Das ist auch gut so – so sind je nach Abteilung doch unterschiedlichste Touch Points des Kunden ausschlaggebend. Während der Kundenservice das Kundenerlebnis in den Mittelpunkt stellt (oder stellen sollte), beschäftigt sich die IT-Abteilung vor allem damit, welche digitalen Kanäle auf welche Art und Weise genutzt werden. Marketing und Vertrieb hingegen haben die Kundenakquisition im Blick und steuern ihre Aktivitäten dementsprechend proaktiver. Jede Abteilung greift dafür auf andere Daten und Werkzeuge zurück. An den unterschiedlichen Herangehensweisen ist selbstverständlich nichts auszusetzen – im Gegenteil, all diese Ansätze sind notwendig und zielführend. Doch erst in ihrer Gesamtheit bilden sie die Customer Journey vollständig ab.
Problematisch wird es daher, wenn die Abteilungen nicht richtig ineinandergreifen und somit kritische Informationen unter- oder sogar verloren gehen. Alle verfügbaren Daten – aus eigenen Erhebungen genauso wie aus zur Verfügung stehenden externen Quellen – gilt es nun zusammenzuführen und sinnbringend miteinander in Beziehung zu setzen.
Dafür ist die Einrichtung eines sogenannten Data Warehouse notwendig. Das Data Warehouse ist – analog zum physischen Lagerhaus – die zentrale Sammlung aller dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Daten. Diese müssen nicht zwangsläufig nur aus unternehmenseigenen Quellen stammen, auch und vor allem Daten von Drittanbietern kommen hier zum Tragen. Beispiele hierfür sind Kundendaten aus Webshop-Transaktionen, in den Social Media Analytics angefallene Daten oder eben Web-Trackingdaten von Drittanbietern. Die Kombination all dieser Daten ermöglicht durch die zentrale Datenhaltung nicht nur eine verbesserte Übersichtlichkeit. Das Data Warehouse als Herz der Big Data Strategie liefert auf Abruf auch alle relevanten Informationen.
Im ersten Schritt müssen also Silos aufgebrochen und die Unternehmensdaten zentralisiert werden – nur so gelingt es, alle relevanten Touch Points in der Customer Journey abzubilden und eine Echtzeit-Reaktivität zu garantieren.
Die richtigen Werkzeuge
Entscheidend für den Erfolg der Big Data Strategie ist die Wahl des richtigen Front-Ends zur Auswertung der im Data Warehouse zusammengeführten Daten. Für eine durchweg flexible Arbeitsweise – und zur Umgehung der oben angesprochenen Silostrukturen – eignet sich eine Self-Service-Lösung. So können die Datenpflege, Datenanalysen und die Reporterstellung von jedem Mitarbeiter im Unternehmen übernommen werden. Unterschiedliche Zugriffsrechte für verschiedene Hierarchieebenen und Abteilungen garantieren zudem Compliance.
Agile Front-Ends setzen auf Diensten wie beispielsweise Microsoft SQL Server Analysis Services auf. Diese Dienste stellen die Datenbasis für sämtliche Reports und Analysen, die die Anwender im Front-End durchführen. So kann ein Multi-Channel-Händler beispielsweise in Echtzeit sehen, welche Produkte sich Online und welche im stationären Handel besser verkaufen. Warum also ein Produkt im Laden stehen lassen, welches Platz wegnimmt und sich nicht verkauft?
Auch eine einfache Bedienbarkeit ist für den Erfolg entscheidend; so können Nutzer zeitsparend und mit wenig Konfigurationsaufwand Analysen selbst erstellen und über Teams hinweg teilen. Die Möglichkeit zur Echtzeitkollaboration ist hier ausschlaggebend: Entscheidungen sollten immer auf Basis der aktuellsten Daten getroffen werden. Für eine optimale Bedienbarkeit sind vor allem dynamische und interaktive Echtzeit-Visualisierungen hilfreich. Diese versetzen Nutzer in die Lage, selbst komplexeste Analysen schnell zu erfassen und relevante Zusammenhänge auch abteilungsübergreifend zu verdeutlichen. Verhaltensmuster und Trends werden so sofort veranschaulicht und unterstützen bei der Entscheidungsfindung. Daraus kann immenser praktischer Nutzen resultieren.

Quelle: Pyramid Analytics
Der konkrete Nutzen von Big Data im E-Commerce
Wurden früher fast ausschließlich Transaktionsdaten erhoben, ist es mit Big Data möglich, das Kundenverhalten und das Engagement mit dem Unternehmen abzubilden, um zu reagieren, bevor kleinere Probleme dazu führen, dass Kunden sich vom Unternehmen abwenden. Wie die Churn-Rate mit Big Data konkret reduziert werden kann, zeigt das folgende Beispiel:
Ein unzufriedener Kunde beschwert sich telefonisch beim Kundenservice, weil sein Produkt einen Defekt aufweist und bisherige Emails zum Thema zu langsam beantwortet wurden. Musste sich der Kundenservice bisher weitgehend auf die Ausführungen des Kunden verlassen, um zu entscheiden, welches Vorgehen das richtige zur Problembehebung war, bietet Big Data nun deutlich bessere Möglichkeiten. Mithilfe des richtigen Front-Ends greift der Mitarbeiter in Sekundenschnelle auf alle über den Kunden zur Verfügung stehende Daten zurück.
So sieht er anhand einer simplen Visualisierung, dass der Kunde seit Jahren regelmäßig Käufe über den Webshop tätigt (Transaktionsdaten), vorherige Anrufe mit dem Kundenservice immer zu seiner Zufriedenheit verlaufen sind (CRM-Daten) und der Kunde sich auch in sozialen Medien gegenüber seinen vielen Followern (Klout Score) äußerst positiv über das Unternehmen geäußert hat (NLP-Analyse). So kann der Mitarbeiter datengestützt noch während des Telefonats die Entscheidung treffen, neben einer Erstattung für das defekte Produkt zusätzlich einen Gutschein für den nächsten Kauf auszustellen. Der Kunde ist zufriedengestellt, doch noch wichtiger: Er wird als wichtiger Influencer auch in Zukunft gegenüber seinen vielen Followern gut von dem Unternehmen sprechen.
Auch die strategische Planung von Marketingkampagnen profitiert von der Verhaltensanalyse. Hier entfällt das Gießkannenprinzip: Die Ansprache wird durch präzises Echtzeit-Targeting genauer denn je, Streuverluste sinken. Durch eine Personalisierung und Regionalisierung des Webshops in Echtzeit können beispielsweise komplett unterschiedliche Produkte eingeblendet werden, angepasst an die stundenaktuellen Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe. Marketingbudgets können punktgenau allokiert werden, "blinde Flecken" werden reduziert oder entfallen gänzlich. Marketingkampagnen können in Echtzeit ausgewertet und nochmals evaluiert werden. So kann schnellstmöglich reagiert werden, falls gewisse Maßnahmen nicht den gewünschten Effekt haben. Das spart Zeit und eliminiert unnötige Marketingspendings.
Mit Predictive Analytics können zudem präzise Absatzvorhersagen getroffen werden. Damit lässt sich der Einkauf, die Logistik und das Onlineangebot so konzipieren, dass zu jedem Zeitpunkt nur die Produkte angeboten werden, die auch profitabel nachgefragt werden.
Fazit
Big Data Analytics bietet großes Potenzial zur Optimierung der Customer Journey im E-Commerce. Moderne Trackingtechnologien bilden schon heute die einzelnen Touch Points hinreichend ab – für ein ganzheitliches Bild der Customer Journey müssen diese jedoch sinngebend in Beziehung zueinander gesetzt werden. Ausschlaggebend für den Erfolg im hart umkämpften E-Commerce ist die ganzheitliche Sicht in einer umfassenden Strategie.
Der Trend zur Datenanalyse wird so bald nicht abreißen – ganz im Gegenteil, durch immer neue technologische Entwicklungen stehen uns jeden Tag mehr Daten zur Verfügung. Gleichzeitig ändern sich das Kundenverhalten und die Ansprüche immer schneller, der Convenience-Druck steigt, neue Technologien wie Chatbots und Sprachassistenten sind auf dem Vormarsch. Der E-Commerce muss mithalten – das geht nur mit genauester Kenntnis der Kunden sowie derer Bedürfnisse und Verhaltensweisen.
Autorin

Emma Page ist bei Pyramid Analytics zusammen mit ihrem Team für die Marktentwicklung in Deutschland, Österreich und der Schweiz zuständig. Zuvor war sie während 15 Jahren in verschiedenen Sales und Business Development Funktionen für Microsoft, IBM und zuletzt Evernote tätig. Sie hat an der Hochschule für Wirtschaft Zürich Betriebsökonomie studiert.
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