Der Bot, mehr als ein lustiger Avatar

Seit nun auch Google Home auf dem Markt ist, erobern sprachgesteuerte Systeme den Massenmarkt. Sie ebnen damit auch einer automatisierten Kundenkommunikation den Weg. Chatbots, die für Nutzer allzeit und immer öfter auf allen Kanälen verfügbar sind, werden in wenigen Jahren ganz normal sein.
Schon im Oktober vergangenen Jahres hatte Google seine Antwort auf Alexa vorgestellt. Es verging dann aber doch noch ein knappes Jahr, bis Google Home, so der Name des vernetzten Lautsprechers, serienreif war und in Deutschland in die Regale von Media Markt und Saturn kam. Seit Anfang August ist die stylish designte Dose jetzt im stationären und im Onlinehandel erhältlich. Rund 150 Euro kostet die digitale Innovation, was nichts anderes bedeutet als: Google steuert mit seiner Box den Massenmarkt an. Einen Markt, in dem sich bereits Apple mit Siri, Microsoft mit Cortana und Amazon mit Alexa tummeln.
Im Rückblick belegt dies einmal mehr das hohe Tempo, das für die Digitalisierung typisch ist. Noch vor wenigen Monaten war der sprachgesteuerte Echo Dot von Amazon, bekannt als „Alexa“, der Star auf den einschlägigen Digitalmarketing-Kongressen. Zahlreiche Referenten punkteten damit, wenn sie dem staunenden Auditorium vorführten, dass Alexa um keine Antwort verlegen ist, auf Befehl Musik abspielt oder Sendungen im Fernsehen empfiehlt. Inzwischen ist von Exotentum keine Spur mehr festzustellen. Die diversen Echo-Lautsprecher, die bereits ab 50 Euro erhältlich sind, zählen zu den meist verkauften Artikeln auf Amazon. Die Zahl der Haushalte, die sich mit einem der Sprachassistenten ausstattet, wächst rasant. Selbst in vielen Büros ist Amazon Echo inzwischen ein gefragtes Device. Die sprachgesteuerten Tools werden nach Einschätzung zahlreicher Experten einer der Verkaufsschlager im kommenden Weihnachtsgeschäft.
Chatbots: Vom Alltag ins Business
Die ersten Bots kommen also in unserem Alltag an. Künstliche Intelligenz wird von vielen – wenn auch zunächst unbewusst – in der persönlichen Kommunikation ganz normal genutzt und ist nicht länger nur eine seltsame Angelegenheit einsamer Nerds. Ob Google Home oder Amazon Dot: die Devices beantworten Fragen zu Ernährung, Aktienkursen oder Sportveranstaltungen, spielen Musik- und Radiosendungen per Sprachbefehl, merken sich Gewohnheiten des Users, informieren vorab über den morgendlichen Stau auf dem Weg zur Arbeit oder erinnern daran, Sonnencreme einzupacken, weil ein wolkenloser Tag ansteht. Genauso lassen sich mit ihnen Lampen, Lichtschalter oder Thermostate ansteuern. Die Systeme werden über die Cloud aktualisiert, lernen ständig dazu und überraschen immer wieder mit neuen Skills.
Wenn aber diese Art automatisierter Kommunikation im persönlichen Umfeld der Menschen Einzug hält, kann es als sichere Annahme gelten, dass die Möglichkeiten der intelligenten Kommunikation zwischen Mensch und Maschine schon bald Einfluss auf den Dialog mit dem Kunden nehmen werden. Noch reagieren die User mit Zurückhaltung auf das Angebot einer automatisierten Kommunikation mit Onlineshops oder den Betreibern einer Website, wie eine im Februar veröffentlichte Untersuchung von Fittkau & Maaß Consulting ergab. Danach lehnt die Hälfte der befragten Online-Einkäufer eine Kommunikation mit Chatbots ab. Der am häufigsten genannte Grund: Der Dialog sei zu unpersönlich und zu unausgereift. Allerdings zeigt die Studie auch, dass trotz aller Zurückhaltung die Befragten sehr wohl sinnvolle Einsatzfelder für Chatbots sehen, zum Beispiel wenn es um schnelle Antworten auf einfache Fragen geht oder darum, im Webshop das gesuchte schnell zu finden. Ebenfalls denkbar: Den Lieferstatus der Bestellung festzustellen.
Einsatzfelder für Bots ausloten
Bots werden also als hilfreiche Tools geschätzt, wenn sie sich sinnvoll in die geschäftliche Kommunikation einfügen und dem User einen Vorteil bieten. Entsprechend stellen sich die Unternehmen weltweit darauf ein, sie in ihrer Kundenkommunikation auch zu nutzen. Der Konzern Oracle hat Ende vergangenen Jahres rund 800 Marketingmanager in Frankreich, den Niederlanden, Großbritannien und Südafrika zu ihrem geplanten Umgang mit Chatbots befragt. Ergebnis: Etwa 80 Prozent wollen in spätestens vier Jahren automatisierte Systeme mit Künstlicher Intelligenz in ihrer Kundenbetreuung einsetzen.
Begründet wird dies damit, dass sich viele Kunden so langsam an eine Mensch-Maschine-Kommunikation gewöhnen und sich in digitalen Service-Kanälen ganz wohl fühlen. Jedes dritte befragte Unternehmen ist deshalb auch der Ansicht, dass ihre Kunden beim Einkauf oder bei Reklamationen lieber mit einem Chatbot als mit einem „echten“ Kundenberater sprechen würden.
Angesichts solcher Prognosen ist es also dringend angeraten, sich beruflich damit auseinanderzusetzen und zu überlegen, wo und ob sich geschäftliche Einsatzfelder auftun. Es lohnt sich zu betrachten, welche Erfahrungen erste Unternehmen mit Chatbots sammeln und in welchen Bereichen sie eingesetzt werden. Die Fluglinien KLM Royal Dutch und Austrian Airlines nutzen einen Bot für ihre Kundenkommunikation über den Facebook-Messenger-Dienst. In diesem Fall werden dem Kunden Informationen zu Verbindungen, Buchungen, Check-In sowie Abweichungen vom Flugplan direkt vermittelt, wobei der Kunde die Möglichkeit hat, Rückfragen zu stellen. Die Lufthansa hat auf Facebook-Messenger kürzlich den Chatbot „Mildred“ gestartet. Die bebrillte Frau mit pinker Frisur hilft dem Kunden, in Sekundenschnelle den günstigsten Flug zu finden und leitet ihn dann zur Buchung weiter. Der E-Commerce-Anbieter Zalando arbeitet mit dem Chatbot Emma, der Kunden beim Kauf hilft und die passende Mode empfiehlt. Der Unterhaltungskonzern Universal kreierte den Chatbot „Doc Brown“, mit dem die User auf Facebook über den Kino-Klassiker „Zurück in die Zukunft“ diskutieren konnten. Auch die Deutsche Bank, die Deutsche Post und die Telekom experimentieren bereits mit Bots.
Bots können Komplexität und Kosten reduzieren
Der Telko-Anbieter T-Mobile in den USA hat ebenfalls positive Erfahrungen mit dem Einsatz der intelligenten Avatare gesammelt. Bislang mussten Kunden bei Fragen oder Reklamationen den üblichen Weg gehen, die Hotline anwählen, sich dann durch eine automatisierte Ansage quälen, Angaben machen, die oft nicht verstanden werden und immer wieder Zahlen eingeben. Inzwischen können sie auf der Website mit einem Chatbot kommunizieren, der ihr Anliegen wesentlich besser versteht – ohne viel Zeit in der Warteschleife zu vergeuden. Außerdem ist der Chatbot rund um die Uhr ansprechbar. Die gesteigerte Kundenzufriedenheit korreliert dabei mit den Kostenersparnissen. Nach Hochrechnungen lassen sich die Kosten für die Callcenter halbieren. Die Mitarbeiter an den Telefonen müssen nicht länger für standardisierte Fragen und immer gleiche Abläufe eingesetzt werden, sondern können sich um persönlichere und komplexere Anliegen der Kunden kümmern.
Bots sind also hilfreiche Bausteine, die eine Kommunikation mit dem Kunden vereinfachen können. Wenn sie einen schnellen und unkomplizierten Service bieten, schaffen sie Mehrwerte für den User und helfen, Komplexität zu reduzieren. Sinnvoll sind Bots vor allem dann, wenn Schnittstellen in Arbeitsabläufen oder im CRM überwunden werden können. Wenn der Kunde ohnehin am Computer mit dem System interagiert, ist es beispielsweise nur ein Mausklick, um auch seine Rechnung einzusehen, den Status seiner Bestellung zu checken oder – im Falle einer Reklamation – ein neues Produkt in den Warenkorb zu legen oder einen anderen Service zu ordern.
Userzentrierte Perspektive beim Einsatz von Bots
Es dürften sich also für zahlreiche Unternehmen sinnvolle Einsatzmöglichkeiten ergeben. Dennoch sollte die Frage, ob es sich jetzt schon lohnt, mit Bots zu arbeiten, nüchtern und zurückhaltend diskutiert werden. Bei Zone haben wir in der Vergangenheit oft erlebt, dass Unternehmen dazu neigen, schnell auf neue Entwicklungen aufspringen zu wollen, ohne sich Gedanken über die damit verbundenen Szenarien zu machen. So wurden beispielsweise viele Mobile-Apps in den letzten Jahren zum reinen Selbstzweck entwickelt. Es ging dabei weniger um den Mehrwert für den Nutzer, als vielmehr darum, nun ebenfalls eine mobile App im Angebot zu haben.
Bei der Entscheidung, ob ein Bot sinnvoll sein kann, sind emotionslose Fakten und Entscheidungen gefragt. Es gilt im Vorfeld so wichtige Fragen zu klären wie: Erleichtern Chatbots einen bislang eher komplizierten Prozess? Beschleunigen sie einen Ablauf? Vermeiden sie einen unnötigen Medienbruch? Bei den Antworten auf diese Fragen müssen wir einen userzentrierten Standpunkt einnehmen, wir müssen uns also in die Perspektive des Kunden versetzen. Es geht damit weniger darum, ob wir mit dem Einsatz schon bald Kosten sparen können, sondern ob der User aus dem Dialog mit Bots einen unmittelbaren Nutzen ziehen kann. Denn erst dann können sie sich zu einem hilfreichen Tool entwickeln, das von Konsumenten und Mitarbeitern gleichermaßen akzeptiert wird. Stand-Alone-Angebote dagegen sind obsolet. Ein lustiger Avatar auf der Website, der mir nur ein paar Fragen beantwortet und durchs Menü führt, ist nett. Aber eben auch nicht mehr.
Autor

Felix Holzapfel ist Jahrgang 1978, hat an der Fachhochschule Köln studiert und seine Karriere als Webdesigner angefangen. Im Jahr 2002 gründete Holzapfel die deutsch-amerikanische Digital-Agentur conceptbakery. Die Agentur galt als Pionier für alternative Marketing-Strategien und avancierte schnell zu einer der führenden Social Media Agenturen in Deutschland (lt. Top-10-Ranking BVDW). 2016 fusionierte conceptbakery mit der britischen Agentur Zone. Seither ist Holzapfel CEO in Deutschland und Teil des „International Committee“. Er ist gefragter Referent und Autor zahlreicher Branchen-Handbücher für digitale Markenführung, darunter „Digitale Marketing Evolution: Wer klassisch wirbt, stirbt“.