Zukunftsmarkt B2B: So nutzen Mittelständler ihre Chancen

Je nach Studiendesign, Kreis der Befragten und Fragestellungen fallen die Antworten wenig ermunternd oder sogar ernüchternd aus. Der Tenor der Umfrageergebnisse, die seit Jahren erhoben werden, läßt keine Kehrtwende erkennen und bedeutet nur eines: Große Teile des Mittelstands, darunter vor allem viele Betriebe aus dem B2B-Bereich, sind gerade dabei, die Digitalisierung zu verschlafen.
Schlechte Noten für den Mittelstand
Vor drei Jahren untersuchte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte & Touch zusammen mit der Uni Bamberg in einer umfassenden Studie, wie es um die Digitalisierung des Mittelstands bestellt ist. Dabei gingen sie der Frage nach, ob das Thema bei den Firmen angekommen ist oder ob es als Modererscheinung gesehen wird, die man erst einmal aussitzen kann. Ergebnis: Die Digitalisierung wurde von der Mehrheit zwar als hochaktuell angesehen (73 %), aber in etwa genauso viele beurteilten den Digitalisierungsgrad ihres Unternehmens jedoch als niedrig oder sehr niedrig. Auch Zone hat sich den Markt bereits intensiv angeschaut und in einer Studie festgestellt: Mittelständler tun sich schwer, ihr B2B-Geschäft digital auszurichten (“Digitale Marketing Evolution: Wer klassisch wirbt, stirbt”).
Bis heute scheint sich daran nicht viel verändert zu haben. Die Datalovers AG aus Mainz hat gerade analysiert, wie die Lage inzwischen ist, und hat unter Berücksichtigung der unterschiedlichsten Parameter errechnet, wo die Unternehmen in Deutschland stehen. Noch immer schneiden laut dieser Studie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) nicht gut ab. Während große DAX-Konzerne 40 von 100 möglichen Punkten erreichen, sind es bei den KMUs im Bundesdurchschnitt gerade einmal 10. Liegt der Jahresumsatz der Firmen unter 500.000 Euro, ist dieser Wert noch einmal niedriger.
Das alles ist so alarmierend, dass selbst Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel das Digitalisierungsthema kürzlich zur Chefsache erklärte. In der Rede, die er zur Eröffnung der Messe CeBIT hielt, sprach er davon, Deutschland mithilfe einer Agenda 2025 zum modernsten Industriestandort Europas machen zu wollen. Es könne nicht sein, dass Deutschland im Vergleich zu den USA und China, vor allem aber auch innerhalb der EU, bei der Digitalisierung zurückliege. Insbesondere den Mittelstand, das Herzstück des deutschen Unternehmertums, soll gefördert werden. Rund eine Milliarde Euro will die Regierung in Kürze bereitstellen.

Digitale Chancen identifizieren
Die Zeit drängt, denn wenn sich die Unternehmen bei der digitalen Transformation ins Abseits stellen lassen, werden sie national und international den Anschluss verlieren. Ihre Bedeutung am Markt wird sinken, es wird zu niedrigeren Umsätzen und bröckelnden Marktanteilen kommen – am Ende könnte sogar die Existenz des ganzen Unternehmens auf dem Spiel stehen. Das ist die beunruhigende Seite. Umgekehrt aber kann die digitale Transformation zahlreiche wirtschaftliche Chancen bieten. Werden ihre Möglichkeiten genutzt, lässt sich die Profitabilität eines Unternehmens deutlich erhöhen, wie zahlreiche Beispiele belegen.
Derzeit gilt zum Beispiel der E-Commerce im B2B-Handel als einer der größten Wachstumsmärkte. In einer Studie von Forrester Consulting, die im vergangenen Jahr publiziert wurde, gab jeder zweite Businessentscheider an, dass er künftig mehr Einkäufe online tätigen werde. Man muss nicht viel nachdenken, um zu erklären warum: Der E-Commerce zwischen Geschäftspartnern bietet ähnliche Vorteile wie im B2C-Bereich. Einkäufe lassen sich rund um die Uhr und weltweit abwickeln, Zeitzonen bei internationalen Geschäftsbeziehungen fallen nicht mehr ins Gewicht, Konditionen lassen sich unkompliziert vergleichen. Wer also hier mit einem passenden Angebot am Markt ist, kann neue Kunden generieren.
Transformation auf ganzer Linie
Wenn der E-Commerce im B2B-Mittelstand Fahrt aufnimmt, ist das allerdings nur ein Schritt auf dem Weg zu einem digitalen Unternehmen, zudem einer, der nicht isoliert betrachtet werden kann. Denn wer seine Waren online handelt, braucht eine Website. Diese darf aber nicht nur Schaufenster und Visitenkarte sein, sondern muss komplexe Prozesse ohne größere Bugs abwickeln können. Das bedeutet für das Unternehmen aber auch: Es muss die Geschäftsprozesse im Backoffice digitalisieren und arbeitsintensive Abläufe vereinfachen und automatisieren. Kundenberatung, Vertrieb und Marketing müssen als digitale Variante in den Change-Prozess integriert werden.
Diese Komplexität scheuen aber viele Unternehmenschefs. Sie sehen darin eine Herkulesaufgabe, der sie ohne kompetente Partner nicht gewachsen sind. Eine Befragung der Beratung Roland Berger und von Google veranschaulicht diesen Konflikt deutlich. Danach ist sich zwar die große Mehrheit der B2B-Vetriebsverantwortlichen bewusst, welches Potenzial im E-Commerce steckt. Aber nur jeder dritte bietet eine Onlinebestellung seiner Produkte oder Services an. Die Gründe sind oft hausgemacht. Führungskräfte und Mitarbeiter wollen an den bestehenden Strukturen festhalten, weil sie um ihren Einfluss fürchten und dadurch die nötigen innovativen Schritte erschweren. Zeitmangel und fehlende Expertise sind ebenfalls oft genannte Gründe, wenn nach den Hürden auf dem Weg zum digitalen Unternehmen gefragt wird. Auch fehlende Budgets gelten als Hindernis. Und so werden die nötigen Entscheidungen ein ums andere Jahr vertagt. Vielfach mischt sich in diese Vogel-Strauß-Politik eine defätistische Note: Es sei ohnehin doch schon viel zu spät, ist hinter vorgehaltener Hand immer wieder bei Management-Meetings zu hören.
Step by Step zum Ziel
Ein folgenschwerer Irrtum! Wir bei Zone nehmen den Firmenchefs manchmal die Scheu vor dem dringend benötigten Umstrukturierungsprozess mit dem Hinweis, dass Mittelständler nicht immer die First Mover sein müssen. Selbst Apple hat in seiner Unternehmensgeschichte häufig erst auf Entwicklungen reagiert, dann aber die Fehler anderer nicht wiederholt, sondern alles richtig gemacht.
Auch KMUs können also die Erfahrungswerte der ersten Early-Adaptor-Welle nutzen und Systeme auf die Branche übertragen und auf das eigene Unternehmen anpassen. Dies darf allerdings nicht als Ausrede gesehen werden, noch einmal wertvolle Monate verstreichen zu lassen. Denn wenn nicht nur die Großkonzerne, sondern auch wichtige Mitbewerber neue Vertriebswege, Services oder Plattformen erfolgreich etabliert haben und deren Anwendungen von den Usern als State of the Art gesehen werden, ist ein Großteil der Kunden vielleicht schon verloren.
Ein gangbarer Weg ist deshalb eine schrittweise Annäherung an die digitale Transformation, die allen Beteiligten genügend Zeit bietet, aber auch keinen Zweifel daran lässt, wohin die Reise geht. Dazu sollten zunächst einmal mit allen Verantwortlichen gemeinsame Ziele definiert werden. Etwa: Geht es darum, den Onlinevertrieb auszubauen oder darum, für den Kunden weitere Mehrwerte zu schaffen, wie beispielsweise die Einführung eines Echtzeittrackings vom Produktion- oder Bestellvorgang? Oder geht es vielleicht eher darum, den Service zu optimieren, um das eigene Call Center zu entlasten? Im nächsten Schritt muss die Basis für die anstehenden Veränderungen geschaffen werden, wozu erst einmal eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Systeme, der technischen Infrastruktur und Prozesse erfolgen sollte. Schließlich müssen genau diese Systeme schrittweise angepasst werden.
Mit Fingerspitzengefühl zur Eigendynamik
Gerade bei diesem Prozess kommt es unter Führungskräften häufig zu Auseinandersetzungen. Denn wenn Workflows verändert und Verantwortlichkeiten neu verteilt werden, kann der eigene Einfluss schwinden. In vielen Unternehmen findet derzeit beispielsweise eine Zusammenlegung der Marketing- und IT-Abteilungen statt, zwei Units, die jahrzehntelang nebeneinanderher gearbeitet haben. Solche Verzahnungen führen dazu, dass digitale Prozesse dauerhaft in der DNA des Unternehmens verankert werden. Das kann im Vorfeld allerdings auch Konflikte auslösen. Wichtig ist es deshalb, alle relevanten Entscheider frühzeitig einzubinden. Denn nur wenn alle wichtigen Unternehmensbereiche die digitalen Schritte von Anfang an mitgehen und die neuen Prozesse und Workflows als ihr Projekt empfinden, kann die digitale Transformation gelingen.
Ist diese Phase, in der viel Fingerspitzengefühl nötig ist, erfolgreich abgeschlossen, geht es an die Umsetzung. Nach einer Testphase beginnen die neuen Prozesse zu arbeiten, wobei die Innovation systemimmanent ist: Das System kann dauerhaft nur überleben, wenn sich Abläufe, Inhalte und technische Anwendungen permanent den sich wandelnden Gegebenheiten anpassen. Und wenn die Nutzer davon Gebrauch machen und es kontinuierlich mit neuen Daten anreichern. Stillstand ist nicht vorgesehen, die digitale Transformation ist aus heutiger Sicht nie zu Ende.
Sobald das Unternehmen die ersten Erfolge durch die Digitalisierung verzeichnet, entwickelt das Thema eine für alle Seiten motivierende Eigendynamik. So ein Erfolgserlebnis kann sich beispielsweise durch eine veränderte Kundenansprache einstellen. Statt wichtige Entscheidungsträger direkt über einen Werbespot oder eine Anzeige erreichen zu wollen, haben wir bei Zone für unsere Kunden schon mehrfach eine Influencer-Kampagne initiiert. Zusammen mit dem Vertrieb haben wir relevante B2B-Entscheider definiert und ein Social-Mapping erstellt. Daraufhin konnten wir Entscheider identifizieren, die wiederum Einfluss auf unsere Zielgruppe ausüben und haben diese bewusst in die Kampagne einbezogen. Mit diesem Ansatz haben wir auch herausgefunden, welche Inhalte die anvisierte Zielgruppe am liebsten konsumiert und haben dieses Wissen dann zur Verbreitung der eigenen Botschaften genutzt. Der Effekt war deutlich: Die Wirkung der Werbemaßnahmen ist um ein Vielfaches gestiegen.
Den ersten Schritt wagen
Aber selbst kleine Stellschrauben können ihre Wirkung entfalten. Das kann die Anpassung einer Website an responsives Design sein oder die Entwicklung einer App. Beides kann bei der Digitalisierung im B2B-Bereich erste Erfolge bringen und den Weg für weitere Schritte ebnen. Für zahlreiche Kunden, darunter die DEVK Versicherung, der Gatwick Airport oder der Transport- und Energiekonzern Maersk, haben wir bereits Maßnahmen implementiert, die letztendlich zu einem umfassenden und dauerhaften Digitalisierungsprozess führen. Es ist also nicht zu spät. Aber es ist höchste Zeit. Zumindest für die ersten Maßnahmen.
Fazit
Digitale Entwicklungen verändern das Verhalten von Konsumenten genauso wie die Arbeitsweisen im Bereich B2B. Noch befinden wir uns am Anfang der Evolution und Unternehmen können den Weg selbst bestimmen. Betriebe, die sich jetzt mit schlankeren, vernetzten und damit flexibleren Prozessen an den Wandel der Zeit anpassen, werden auch in Zukunft wirtschaftlich erfolgreich bleiben. Der Mittelstand tut sich oftmals schwer, erste Maßnahmen einzuleiten. Da sich der digitale Wandel aber nicht aufhalten lässt, drängt die Zeit. Eine schrittweise Annäherung an die digitale Transformation mit einem kompetenten Partner führt letztendlich zum Ziel. Und das heißt: allzeit digitale Chancen zu nutzen, wandlungsfähig zu bleiben und neue Geschäftsfelder zu besetzen.
Autor

Felix Holzapfel ist Jahrgang 1978, hat an der Fachhochschule Köln studiert und seine Karriere als Webdesigner angefangen. Im Jahr 2002 gründete Holzapfel die deutsch-amerikanische Digital-Agentur conceptbakery. Die Agentur galt als Pionier für alternative Marketing-Strategien und avancierte schnell zu einer der führenden Social Media Agenturen in Deutschland (lt. Top-10-Ranking BVDW). 2016 fusionierte conceptbakery mit der britischen Agentur Zone. Seither ist Holzapfel CEO in Deutschland und Teil des „International Committee“. Er ist gefragter Referent und Autor zahlreicher Branchenhandbücher für digitale Markenführung, darunter „Digitale Marketing Evolution: Wer klassisch wirbt, stirbt“.
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