Kundenservice 2.0 im digitalen Wandel

Die Digitalisierung erobert jeden Bereich im Leben, ob privat oder beruflich. Auch die Rolle der Kunden wird zunehmend vom digitalen Wandel beeinflusst. Mit den Web-2-0-Technologien und Social Media hat sich der Kundenservice massiv verändert. Kunden erwarten kompetente Antworten, schnelle Reaktionen und einen perfekten digitalen Service von Unternehmen. Aber was genau sind die neuen Herausforderungen im Kundenservice und wie lösen Unternehmen die Anforderungen? Diese Fragen beantwortet Unternehmensberaterin Claudia Hilker in diesem Gastbeitrag.
Die neue Macht des Kunden wächst durch die Digitalisierung
Kunden sind heute crossmedial unterwegs. Vor allem die jüngere Generation Y (1980 bis 1999 Geborene) ist eine Herausforderung im Kundenservice. Es ist die erste Generation, die mit mobiler Internet-Kommunikation aufgewachsen ist und always online ist. Der hybride Kunde will Informationen schnell und einfach online finden und nicht mehr in langen Kundenhotlines warten. Sein Anliegen soll schnell erledigt werden. Mithilfe der Social-Media-Netzwerke und User-generated-Content bestimmen die Kunden heute den Markt und nicht mehr das klassische Marketing. Kunden sind vom Rezipienten zum Produzenten geworden und gestalten Webinhalte selbst, z. B. in Blogs. Dadurch teilen sie Wissen und sind nicht mehr nur auf die Informationen von Unternehmen angewiesen. Somit ist der Always-on-Kunde einer der Haupttreiber des digitalen Wandels.
Die Uhr im Kundenservice tickt schnell
Tempo spielt im digitalen Kundenservice eine große Rolle. Kunden erwarten spontan und in Echtzeit Hilfe. Das zeigt die Studie „Kundenservice im Web“ (2014). Im Auftrag der Allianz Deutschland hat der Marktforscher YouGov über tausend Internetnutzer gefragt, wie sie sich den digitalen Kundenservice vorstellen. Das Ergebnis: Kunden verlieren schnell die Geduld, wobei Frauen ungeduldiger als Männer sind. Jüngere warten länger. Der folgende Ausschnitt einer Grafik aus der Studie der Allianz zeigt die wichtigsten Ergebnisse im Überblick.

Am eiligsten haben es demnach Frauen zwischen 51 und 60 Jahren, die zu laufenden Verträgen oder Produktinformationen anfragen. Diese Zielgruppen wünschen sich mehrheitlich eine Antwort innerhalb von 60 Minuten. Männer und die unter 30-Jährigen haben dagegen bis zu zwei Stunden Zeit. Je nach Branche variieren die Anforderungen an den Kundenservice. Telekom- und E-eCommerce-Firmen müssen besonders schnell sein. Versicherern gestehen die Nutzer tendenziell etwas mehr Zeit zu. Die Allianz-Studie zeigt außerdem, dass neben Tempo auch Kompetenz und Kundenorientierung zählen. Schnelligkeit und Verbindlichkeit begeistern 32 Prozent der Kunden. Sie legen aber auch Wert auf verständliche und persönliche Antworten (13 Prozent) und wollen, dass Firmen ihren Anliegen entgegenkommen (9 Prozent).
Social Media sind beliebte Kontaktwege
Die sozialen Netzwerke bieten viele Möglichkeiten für den direkten Kundenkontakt in Echtzeit und sind deshalb bereits ein beliebter Kontaktweg für Kunden. Das bestätigt auch eine Umfrage der Agentur Service Rating (2014). Darin hat rund jeder siebte User angegeben, schon einmal einen Servicedienstleister über Social-Media-Kanäle kontaktiert zu haben. Besonders beliebt ist der Kontakt zum Kundenservice via Social Media bei den 18 bis 24-Jährigen. Fast jeder Dritte hat schon einmal über Facebook und Co. den Service eines Unternehmens kontaktiert. Bei den 25 bis 34-Jährigen ist es immerhin noch rund jeder Fünfte. Geht es um konkrete Dienstleistungssektoren, so können sich die Befragten eine Kommunikation beim Service über soziale Medien am ehesten im Bereich Tourismus und Freizeit (33 Prozent) vorstellen, gefolgt vom Handel und Versand (27 Prozent) sowie Mobilfunk (26 Prozent). Schlusslicht bilden die Sektoren Versicherung (11 Prozent) und Finanzen (7 Prozent).
Digitale Marketingtrends 2016: Customer Experience und digitaler Kundendialog
Für 2016 werden im Kundenservice vor allem drei Trends weiter an Bedeutung gewinnen:
1. Customer Experience:
Positive Kundenerfahrung ist das Schlüsselwort. Bisher war der Status quo im Marketing, ein großartiges Produkt zum richtigen Preis zu vermarkten und dafür einen konstanten Strom neuer Kunden zu gewinnen. Unternehmen müssen sich damit abfinden, dass dies nicht mehr so funktioniert, denn Verbraucher erwarten positive Erfahrungen und sind bereit, mehr dafür zu zahlen. Customer-Experience-Management muss deshalb zum festen Bestandteil im strategischen Marketing werden.
2. Onmi-Channel-Management:
Kunden zeigen Präferenzen in Bezug zu Multi Device- und Multi-Channel auf. Deshalb benötigen Vermarkter Strategien mit einem Omni-Channel-Ansatz und Crossmedia-Kampagnen-Management. Für Unternehmen wird es dringend Zeit, sich auf diese Neuerungen einzustellen und sich über die Widmung der neuen Kaufpräferenzen die Zukunft zu sichern, indem sie ihre Kampagnen in einer Marketingcloud crossmedial umsetzen.
3. Digitaler Kundendialog:
Unternehmen müssen sich dort positionieren, wo Kundendialoge stattfinden. Mit Social CRM-Lösungen lassen sich digitale Kundendialoge online auswerten und beantworten. So gewinnen die Kunden Tempo und Eigenständigkeit in der Problemlösung online. Der Wissensspeicher im Web bereichert durch jeden neuen Dialog und gewinnt an Daten.
Self-Service und Premium-Service
Der digitale Wandel verändert auch die Kundenorientierung. Es reicht nicht mehr aus, nur auf der Website den Kontakt anzubieten. Für schnellen Rat oder eine Entscheidungshilfe beim Kauf eines Produktes helfen Chats oder Videoberatungen. Zudem recherchieren Kunden nicht nur auf der Herstellerseite, sondern schauen in Bewertungsportalen oder Foren nach Erfahrungsberichten. So gibt es heute für fast alle Probleme und Produkte Hilfestellungen und Tipps im Social Web, zum Beispiel auch in Form von How-To-Do-Videos. Unternehmen müssen also Self-Service und Premium-Service anbieten, wenn sie Kunden nicht enttäuschen wollen. So beschreibt es auch Management-Expertin Prof. Dr. Heike Simmet den Kundenservice 2.0 in ihrem Blogbeitrag: „Polarisierung im digitalen Kundenservice: Self-Service oder Premium-Service“. Die folgende Abbildung zeigt die beiden Felder im digitalen Kundenservice.

Kundenservice 2.0 benötigt Self-Service und Premium-Service
In Social Media lassen sich Self-Service und Premium-Service vereinen, da Service-Communities aufgebaut werden können. Darin können Kunden mit Kunden, aber auch Unternehmen mit Kunden kommunizieren.
- Self-Service: Telefon und Brief war gestern. Heute gibt es Service-Apps, Videos und First Touch Resolutions auf dem Smartphone. Kundenservice wird somit automatisiert. Auch das Internet der Dinge stützt den Self-Service, da immer mehr alltägliche Geräte mit dem Internet verbunden sind. Somit erfolgt Service stärker über Geräte. Personal ist kaum noch nötig, da Kunden untereinander kommunizieren.
- Premium-Service: Hier nutzen Unternehmen den digitalen Kundenkontakt durch direkte und individuelle Dialoge mit Live-Video-Chats, Social Media und Remote Services. Der Live-Chat bietet Interaktionen für Support und Vertrieb und macht Inbound-Marketing zu einem wirksamen Instrument.
Community-Management im Kundenservice 2.0
Durch den wachsenden Meinungsaustausch im Web bilden sich in vielen Foren und Portalen Communities. Für Unternehmen sind solche Communities relevant, weil sich dort Kunden zu Anliegen austauschen. Damit erhalten Unternehmen Kundenmeinungen und können diese Erkenntnisse zur Produktoptimierung verwenden. Deshalb sollten Unternehmen Community-Management betreiben und es zur Kundenbindung und für die Marktforschung sowie für das Reputationsmanagement nutzen. Außerdem ermöglicht eine Community, sich nachhaltig von den Wettbewerbern zu differenzieren, Kundennähe aufzubauen und Marktanteile für die Zukunft zu sichern. Eine Community ist das “Base Camp”, in dem alle Marketingaktivitäten starten und münden. Als Voraussetzung benötigt ein Unternehmen eine zielgerichtete Community-Strategie. Diese sichert, dass die Zielgruppen erreicht und gebunden werden und klärt, wie neue Mitglieder für die Community gewonnen werden.
Zehn Tipps zum Community-Management
Diese zehn Tipps erleichtern Unternehmen den Einstieg ins Community-Management:
- 1. Community-Konzept: Ein zielgruppengerechter Themenfokus sowie ein Redaktions- und Aktionsplan mit geeigneten Kampagnen zur Mitgliedergewinnung und -bindung stehen im Fokus des Konzeptes.
- 2. Organisation: Aktionen und Beiträge müssen vorausschauend und kontinuierlich geplant werden, um das Vertrauen der Mitglieder zu gewinnen und deren Loyalität langfristig zu sichern.
- 3. Usability: Attraktivität, Navigation und Gestaltung spielen eine wichtige Rolle, damit die Community zum Besuch einlädt, zum Kommunizieren und Mitmachen und zum Wiederkommen animiert.
- 4. Einfache Funktionen: Anwenderfreundliche IT-Lösungen bilden die Grundlage für den Austausch in der Community. Entscheidend sind die Erreichbarkeit der Community und die optimierten Prozesse für interaktive Kommunikation sowie Onlinegespräche.
- 5. Experten-Wissen: Ein Community-Manager braucht ein hohes Expertenwissen über die Zielgruppe bezüglich Interessen, Merkmale, Verhalten sowie eine emotionale Nähe und hohe kommunikative Kompetenz. Er muss die Probleme und Themen der Mitglieder kennen und auf partnerschaftlicher Ebene online kommunizieren können.
- 6. Management-Fähigkeiten: Erfahrungen mit Community-Aufbau, hohes Engagement und Umgang mit Krisenkommunikation werden von einem Community-Manager erwartet.
- 7. Online-Moderation: Diskussionen müssen zielgruppengerecht angeregt und geführt werden, um die Mitglieder zur interaktiven Kommunikation anzuregen. Die Community muss von Trolls und Spam freigehalten werden. Gezielte Community-Richtlinien erleichtern dem Community-Manager diese Aufgaben.
- 8. Virales Marketing: Word of Mouth mit Mundpropaganda, eine klare strategische Positionierung und hochwertiger Content fördern das Community-Wachstum.
- 9. Influencer-Marketing: Einflussreiche Individuen in ihrer Community fördern den Aufbau und motivieren Mitglieder zum Einstieg, Mitmachen und Wiederkommen.
- 10. Beziehungsmanagement: Einladungen können über alle Netzwerke verteilet werden. Zur Akquise eignen sich auch PR-Maßnahmen, Webinare und Events.
Fazit: Kundenservice 2.0 im digitalen Wandel braucht neue Ansätze
Kundenservice 2.0 braucht eine hohe Dialogqualität und dafür müssen Unternehmen den Fokus ihrer Geschäftsmodelle auf Customer Experience sowie Self-Service-Communities legen. Mit mobilen Devices, einer Social-Media-Strategie und professionellem Community-Management sind Unternehmen für Herausforderungen im digitalen Kundenservice gewappnet. Dafür benötigen sie allerdings eine Strategie.
Autorin

Claudia Hilker ist Unternehmensberaterin für digitale Marketing-Kommunikation, sie schreibt Marketing-Bücher, gibt Workshops, ist Speakerin und bloggt über Marketing-Kommunikation, Social-Media-Marketing, Finanzmarketing und Digital Leadership. Zudem ist sie Lehrbeauftragte und schreibt eine Dissertation über Social Media.
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