Expansion im eCommerce – Welche Stolperfallen Händler beim EU-weiten Onlineverkauf erwarten

Der grenzüberschreitende Handel birgt für deutsche Shopbetreiber großes Potential. Doch bevor man den ersten Schritt auf die internationalen Märkte wagt, sollte man neben einer gründlichen Analyse der potentiellen Zielländer und deren spezifischen Anforderungen auch überprüfen, ob die eigene technische Infrastruktur auf Cross-Border-Commerce vorbereitet ist. Denn hier warten einige Stolperfallen auf die Händler.
Der E-Commerce kennt sprichwörtlich keine Grenzen. Über das Internet lassen sich Produkte vermeintlich kinderleicht über die eigenen Landesgrenzen hinweg verkaufen. Im Ausland warten neue Märkte, neue Kunden aber auch neue Herausforderungen.
Potential für grenzüberschreitenden Handel ungebrochen groß
In einer Umfrage von ibi research gaben bereits über zwei Drittel der befragten deutschen Onlineshopbetreiber an, aktiv Waren ins Ausland zu verkaufen. Diese Händler generieren dabei schon 20 Prozent ihrer Bestellungen in anderen Ländern. Besonders beliebt ist der Handel mit EU-Nachbarstaaten wie Österreich oder Frankreich. (vgl. Internationaler E-Commerce, Gerda König, Thoma s Bolz, Dr. Ernst Stahl, Februar 2016)
Auch insgesamt ist der europäische Onlinehandel auf Wachstumskurs: Das errechnete die E-Commerce Foundation gemeinsam mit dem Händlerbund. So wird sich der Anteil des E-Commerce am gesamteuropäischen Bruttoinlandsprodukt in den nächsten fünf Jahren verdoppeln. Die Wachstumsraten für den E-Commerce-Umsatz in Europa sind weiterhin zweistellig. (vgl. European B2C E-commerce Report 2016, Roald Willemsen, Richard van Welie, Juni 2016)
Das Potential für den grenzüberschreitenden Handel ist groß. So haben bereits mehr als die Hälfte der deutschen Verbraucher laut einer Umfrage von PwC (PricewaterhouseCoopers) einmal bei einem ausländischen Onlineshop bestellt. Sogar mehr als 80 Prozent der Konsumenten in Spanien, Polen oder Italien planen in den nächsten 12 Monaten einen Einkauf in einem ausländischen Shop. (vgl. Bevölkerungsbefragung Grenzüberschreitender Online-Handel, PricewaterhouseCoopers AG WPG, Februar 2016)
Auch die EU-Kommission versucht seit einigen Jahren durch bestimmte Regelungen (z.B. SEPA und das einheitliche Widerrufsrecht) den EU-Binnenmarkt zu harmonisieren und so möglichst viele Barrieren zu beseitigen und den grenzüberschreitenden Handel weiter anzukurbeln.
Grundlegende Analyse der Zielmärkte entscheidend
Es ist somit nicht weiter verwunderlich, dass Wachstum durch Internationalisierung bei immer mehr Onlinehändlern auf der Agenda steht. Vor einem internationalen Roll-Out gibt es für die Shopbetreiber allerdings zahlreiche Aspekte zu beachten. Eine umfangreiche Analyse, welche Zielmärkte überhaupt lohnend sein können, sollte allem anderen voran gehen. Hier gilt es, unter Anderem folgende Aspekte einer tiefergehenden Betrachtung zu unterziehen:
- Größe des Zielmarktes
- Entwicklung des E-Commerce Marktes
- Wettbewerbssituation
- Preisniveau
- Rechtslage
Ist die Wahl auf ein bestimmtes Zielland gefallen, müssen sowohl Onlineshop sowie Produktbeschreibung und -präsentation den sprachlichen und kulturellen Unterschieden angepasst werden. Weiterhin bestehen große Herausforderungen im Bereich Logistik und Versand sowie bei der Zahlungsabwicklung. Auch ein Kundenservice in der jeweiligen Landessprache muss bedacht werden. Als eine der größten Hürden wurden aber vor allem rechtliche Unsicherheiten beim Verkauf ins Ausland benannt. (vgl. Internationaler E-Commerce, Gerda König, Thomas Bolz, Dr. Ernst Stahl, Februar 2016)
Bei all diesen Aspekten spielt die Auswahl des Shopsystems und der damit verbundenen Warenwirtschaft eine entscheidende Rolle. Denn wenn die technischen Vorrausetzungen in der IT-Infrastruktur nicht gegeben sind, kann der Cross-Border-Commerce nicht gelingen.
Shopsystem und Warenwirtschaft: Grundlage für erfolgreichen Cross-Border-Commerce
Grundvoraussetzung ist natürlich, dass die Shopsoftware sowie die angebundene oder integrierte Warenwirtschaft in der Lage sind, Sprachshops oder Multishops abzubilden. Achten Sie bei der Wahl darauf, dass diese mandantenfähig sind. Die Umsetzung kann je nach strategischer Ausrichtung unterschiedlich erfolgen. Beispielsweise können
- Separate Top-Level-Domains
- Sub-Domains
- oder Sprachverzeichnisse
realisiert werden.
Zudem müssen die Onlineshopsysteme verschiedene Währungen problemlos abbilden können und auch die entsprechenden Umrechnungskurse und Kursschwankungen berücksichtigen. Hierbei ist natürlich die Durchgängigkeit bis in die Warenwirtschaft entscheidend.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Unterscheidung von Privat- und Firmenkunden, denn es gelten unterschiedliche Umsatzsteuerregelungen für B2B und B2C, wenn man ins EU-Ausland liefert. Bei Firmenkunden wird keine Umsatzsteuer erhoben, während Privatkunden diese abführen müssen. Da der Händler verpflichtet ist, den finalen Bruttopreis im Check-Out anzugeben, muss die eingesetzte Software in der Lage sein, zu erkennen, um welche Art von Kunden es sich handelt. Zudem müssen steuerrelevante Unterlagen gegebenenfalls an die jeweiligen länderspezifischen Anforderungen angepasst werden können.
Beim Thema Umsatzsteuer für B2C-Kunden wird es für Shopbetreiber noch komplizierter. Wer Produkte in andere EU-Länder verkauft, muss die dort geltenden steuerlichen Anforderungen beachten. Überschreitet ein Händler beispielsweise eine sogenannte Lieferschwelle für ein Zielland, werden verschiedene Maßnahmen notwendig.
Die Krux mit den Lieferschwellen für Onlinehändler
In der Regel fällt die Umsatzsteuer im Land des Firmensitzes an und muss auch an das heimische Finanzamt abgeführt werden. Dieser Grundsatz gilt allerdings nur bis zu einer gewissen Umsatzgrenze pro Land. Diese ist von Land zu Land unterschiedlich hoch.
Beispiele für Lieferschwellen
- Rumänien ca. 26.500 Euro
- Italien, Frankreich, Spanien, Belgien uvm. 35.000 Euro
- Deutschland und Niederlande: 100.000 Euro
Wird die Grenze in einem Land überschritten, sprich übersteigt der Nettowert der gelieferten Waren in dieses Land den Schwellwert, müssen Shopbetreiber folgende Maßnahmen durchführen:
- Der Händler muss sich im Zielland steuerpflichtig melden (dazu ist gegebenenfalls ein Steuerberater vor Ort notwendig)
- Es muss der im Zielland geltenden Steuersatz angewendet und auch dort abgeführt werden
- Dieser muss auch auf den steuerrechtlich relevanten Dokumenten korrekt ausgewiesen werden; ggf. sind noch weitere rechtliche Anforderungen des Ziellandes an die Dokumente zu berücksichtigen
Ist die Lieferschwelle einmal überschritten, gilt die Regelung für die nächsten zwei Jahre, unabhängig vom Wert der danach gelieferten Waren.
Was bedeutet das für den Händler und das eingesetzte System?
Ein Rechenbeispiel:
Ein Onlineshopbetreiber für hochwertiges Kinderspielzeug versendet seine Waren in verschiedene EU-Länder. Davon gehen jeden Monat Waren im Nettowert von circa 12.000 Euro nach Schweden. Bereits Ende März hat der Onlinehändler die schwedische Lieferschwelle von 36.232 Euro erreicht. Ab diesem Tag muss der Shopbetreiber statt des deutschen Umsatzsteuersatzes von 19% den schwedischen Satz von 25% berechnen und auch vor Ort abführen – und zwar für die nächsten zwei Jahre.
Dies bedeutet für den Händler:
Durch die Differenz von 6 Prozentpunkten beim Mehrwertsteuersatz wird die Marge des Händlers empfindlich geschmälert. Der Spielzeughändler würde so innerhalb der nächsten zwei Jahre über 17.000 Euro verlieren.
Besonderheit beim Verkauf über Markplätze:
Beim Verkauf auf Marktplätzen ist noch ein weiterer Aspekt zu beachten. Wer etwa die Möglichkeit zum Versand über Amazon nutzt, muss bei seiner Umsatzsteuerberechnung auch berücksichtigen, aus welchem Land die Ware versendet wird.
Ein Beispiel:
Sie sind ein deutscher Amazon-FBA-Händler und haben Ihre Waren in einem Amazon Lager in Polen gelagert. Werden die Bestellungen von Polen nach Deutschland geliefert, sind keine Änderungen notwendig. Wie bisher können Sie den in Deutschland geltenden Umsatzsteuersatz von 19% (oder ermäßigt 7%) berechnen.
Werden die Pakete von Polen zum Beispiel nach Italien geliefert, gilt die polnische Umsatzsteuer - allerdings nur bis die in Italien geltende Schwellwertgrenze von 35.000 Euro erreicht ist. Danach gilt der italienische Umsatzsteuersatz von 22%.
Durch intelligente Warenwirtschaft unrentable Preisgestaltung vermeiden
Durch die unterschiedlich hohen Steuersätze in den EU-Ländern muss bei jedem Artikel geprüft werden, ob sich der Verkauf ins Ausland überhaupt lohnt. Waren, die sowieso nur eine geringe Marge erzielen, könnten so unrentabel werden. Um den Verkauf zu unrentablen Konditionen zu verhindern, sollten Sie Ihre Nettopreise so anpassen, dass die Differenzen bei den Steuersätzen ausgeglichen werden. Eine manuelle Prüfung und Anpassung der Preise wäre ein enormer Aufwand für den Händler. Daher lohnt es sich, auf Software zu setzen, die dies automatisiert übernehmen kann.
IT-Lösungen bieten Sicherheit im internationalen E-Commerce
Je mehr Sie IT-seitig automatisiert umsetzen können, desto geringer ist das Risiko, Fehler zu machen. Wichtig dabei: Die Durchgängigkeit und Konsistenz von Shoplösung und Warenwirtschaft muss gegeben sein. Beide Systeme müssen hochgradig kompatibel oder im besten Falle vollständig integriert sein und mit folgenden Themen kompetent und vor allem konsistent umgehen können:
- Abbildung von Multi- oder Sprachshops
- Mehrwährungsfähigkeit
- Unterscheidung von B2B- und B2C-Kunden
- Korrekte Ausgabe der Bruttopreise mit dem länderspezifischen Umsatzsteuersatz
- Preiskalkulation an den Steuersatz automatisiert anpassen
- Steuerrelevante Dokumente an Landesvorgaben anpassen
Achten Sie bei der Wahl Ihres Shop- sowie Warenwirtschaftssystems darauf, dass diese die Anforderungen, die beim Cross-Border Commerce entstehen, sicher abdecken.
Autorin

Cathrin Opitz verantwortet das Onlinemarketing beim Berliner Softwarehaus e-vendo. Das Unternehmen entwickelt Unternehmenssoftware für Online- und Multichannel-Händler. Dabei setzt es einen besonderen Fokus auf die vollständige Abbildung aller Geschäftsprozesse in einem System, um verschiedene Vertriebskanäle möglichst effizient zu verknüpfen.
www.e-vendo.de
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