Einmal um den Globus: Wie Sie Ihren Online-Shop erfolgreich internationalisieren

Der internationale Online-Handel boomt: Laut einer Studie lag der Online-Umsatz 2014 allein in Europa bei über 156 Milliarden Euro, rund 18 Prozent mehr als im Vorjahr. Dabei ist der E-Commerce-Umsatz im europäischen Ausland insgesamt höher als in Deutschland. Für deutsche Online-Händler ist der internationale E-Commerce also vor allem ein lukratives Thema. Doch viele Shop-Betreiber unterschätzen die Herausforderung: es gibt keine universelle Lösung und keinen allgemeingültigen Best Practice – jeder Shop und jedes Land ist anders.
Global denken, lokal handeln
Hinter der Expansion des E-Commerce in andere Länder steht meist eine globale Idee: das eigene Warenangebot nicht mehr auf Deutschland zu begrenzen, sondern international verfügbar zu machen. Die Umsetzung dieser Idee jedoch bedarf der Lokalisierung, da die ambitionierten Ziele von Absatzsteigerung und Neukundengewinnung nicht mit einem einzigen weltweiten Online-Shop zu erreichen sind. Vielmehr muss der deutsche Shop an jedes Zielland individuell angepasst werden. Lokale Expertise ist bei der Internationalisierung eines Online-Shops immer von Vorteil und hilft dabei, die sprachlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und rechtlichen Gegebenheiten vor Ort bestmöglich zu berücksichtigen. Das ganze Vorhaben Internationalisierung steht und fällt mit der richtigen Strategie.

Cherry Picking – die Auswahl der Zielländer
Der erste Schritt ist die Festlegung, auf welche Länder der Online-Shop ausgedehnt werden soll. Dabei entscheiden vorrangig das Potenzial und die Sättigung der jeweiligen Märkte: Welche Rolle spielt der E-Commerce generell im Zielland? Wie groß ist die Kaufkraft potenzieller Kunden? Schnell wird klar, dass sich nicht jedes Land für die Expansion eignet. Doch selbst bei Ländern, die gemäß einer Marktanalyse ein hohes Potenzial für den eigenen Online-Shop besitzen, müssen die nationalen Spezifika genau untersucht werden – von der Sprache über Währungen bis hin zu den rechtlichen Rahmenbedingungen.
Schrittweise internationalisieren – vom Bekannten zum Fremden
Viele Unternehmen wollen in möglichst viele Länder gleichzeitig expandieren. Da jedes Land aber seine eigenen Besonderheiten hat, gibt es keine universelle Internationalisierungslösung. Günstiger ist es, die Expansion zunächst in Ländern zu starten, die eine ähnliche Mentalität, Kultur und Sprache haben, z. B. Österreich, wo beispielsweise 50 Prozent der Top-10-Shops mit denen in Deutschland übereinstimmen. Anschließend können Länder anvisiert werden, die sich nicht so sehr kulturell, aber sprachlich von Deutschland unterscheiden, wie Dänemark, die Niederlande oder Polen. So entsteht bereits ein internationaler Online-Shop, ohne dass man allzu komplexe Ansprüche der Zielländer berücksichtigen muss. Mit zunehmender Erfahrung als Cross-Border-Shop-Betreiber lassen sich dann auch schwierigere Grenzen überwinden, wie beispielsweise die nach Frankreich, wo Unternehmen großen Wert auf die Landessprache legen und strengere Hierarchien haben als in Deutschland. Generell empfiehlt es sich, für jedes Land ein detailliertes Internationalisierungskonzept zu erstellen.

Technologische Umsetzung eines Multistores
Um einen Online-Shop in mehreren Ländern verfügbar zu machen, eignet sich ein Shop-System mit einer Multistore-Umgebung – eine zentral gesteuerte Installation mit verschiedenen Ebenen und idealerweise Mehrmandantenfähigkeit. Für die technische Unterbringung von Online-Shops sind Hosting-Dienste zwar weltweit verfügbar, aber nicht unbedingt grenzübergreifend performant. Das heißt, es gibt zwar überall auf der Welt Internet-Netzwerkstrukturen, doch bei der Internationalisierung eines deutschen Online-Shops geht es vielmehr darum, diese bestehenden Strukturen vor Ort für den deutschen Shop nutzbar zu machen. Dafür ist eine gute Netzanbindung erforderlich: Der Hosting-Anbieter muss an zentrale Knotenpunkte des Internet-Backbone angeschlossen sein. So können Datenanfragen aus anderen Ländern genauso schnell bearbeitet werden wie Datenanfragen aus Deutschland.
Logistische Optionen
Nicht nur Daten werden bis in andere Länder geliefert, auch die bestellten Waren müssen in möglichst kurzer Zeit beim Kunden sein. Eine Variante ist der Versand aus Deutschland: Im Shopsystem werden ein neues Lieferland und die Kosten gemäß der Konditionen des Versanddienstleisters hinterlegt. Weitere Möglichkeiten sind der Aufbau eigener Distributionszentren im jeweiligen Zielland oder die Abwicklung des Versands über bereits bestehende Filialen. Besonders bei langen Versandwegen oder bei großen und sperrigen Produkten ist die Lieferung aus einem Lager vor Ort die schnellere und kostengünstigere Lösung. Ob Versand durch Vor-Ort-Filialen, durch Fulfillment-Dienstleister oder aus Deutschland – die logistischen Prozesse sollten von Anfang an in die Planung aufgenommen werden.
Sprachbarrieren überwinden
Die Sprache ist der entscheidende Faktor bei der Anpassung eines Online-Shops an ein Zielland und eine der komplexesten Aufgaben im Zuge der Internationalisierung. Denn dass ein bloßes Übersetzen von Text ausreicht, ist unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, dass es auf der Welt über 6.000 Sprachen gibt. Die Berücksichtigung länderspezifischer Sprachelemente kann über Erfolg oder Misserfolg eines Cross-Border-Shops entscheiden. Folglich sollte sich ein Unternehmen bei der Übersetzung unbedingt an erfahrene Übersetzungsagenturen wenden oder eine umfassende Software-Lösung einsetzen, wie zum Beispiel ein Translation-Memory-System.
Das passende Sortiment anbieten
Ein Shop-Betreiber sollte aber in erster Linie darauf achten, dass das Sortiment an den Zielmarkt angepasst wird, denn nicht alle Waren sind für jedes Land geeignet oder dürfen dort verkauft werden. Bei der Auswahl des angebotenen (Teil-)Sortiments ist eine Analyse der Marktsituation in jedem Fall sinnvoll. Auf deren Basis werden auch Kosten und Gewinnspannen kalkuliert und Preise festgesetzt. Mit Hilfe eines Product Information Management-(PIM)-Systems lassen sich dann alle Produktdaten auf einer zentralen Plattform verwalten und für bestimmte Märkte bereitstellen. Hier gilt es, Artikelbeschreibungen und Bildmaterial ebenso auf die länderspezifischen Anforderungen hin anzupassen, beispielweise sollten im asiatischen Shop keine Fotos von Europäern verwendet werden – auch die Nutzenargumentation für ein Produkt ist hier unter Umständen eine andere.
Alles, was Recht ist
Bei der Internationalisierung von Deutschland aus hat ein Shop-Betreiber den Vorteil, dass hierzulande die strengsten Rechtsvorschriften überhaupt gelten. Trotzdem ist es wichtig, die Rechtskonformität des Online-Shops im jeweiligen Zielland sicherzustellen. In erster Linie gilt es, die Artikelbeschreibungen, das Impressum und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) anzupassen. Dabei darf in den AGB durchaus vereinbart werden, dass deutsches Recht gilt. Nach der EU-Verordnung ROM I 4 darf der Verbraucher jedoch durch solche Vereinbarungen rechtlich nicht schlechter gestellt werden als in den gesetzlichen Bestimmungen seines Heimatlandes festgehalten ist. Im Streitfall gelten dann die Rechtsvorschriften jenes Landes, die den Verbraucher besser schützen. Auch zu beachten: Urheberrechtlich sind Bildlizenzen an Produktfotos oder anderen Abbildungen unter Umständen ländergebunden, daher sollte die internationale Verwendung von Bildmaterial unbedingt abgeklärt werden.
Standards für mehr Vertrauen in das Unbekannte
Ein Cross-Border-Shop ließe sich viel leichter aufbauen, wenn die ganze Welt eine Sprache spräche – und das nicht nur in Wort und Schrift, sondern auch hinsichtlich der Identifikation von Artikeln und Transporteinheiten, der Klassifikation von Produkten, dem Einsatz von Barcodes und dem elektronischen Datenaustausch. Internationale Standards helfen dabei, Prozesse zu übertragen, zu vereinheitlichen und effizienter zu gestalten. Ein internationales Artikelnummern-System minimiert demzufolge den Anpassungsaufwand beim Product Information Management und sorgt dafür, dass sich Such- und Lieferprozesse zielgerichtet steuern lassen. Standards können also dabei helfen, Medienbrüche international zu vermeiden. Auch Gütesiegel sind Standards, die weltweit Verwendung finden. Die European Multi-Channel and Online Trade Association (EMOTA), zu der auch das deutsche Gütesiegel „EHI Geprüfter Online-Shop“ gehört, legt mit dem EMOTA European Trustmark Scheme einheitliche Zertifizierungsstandards für alle angeschlossenen nationalen Gütesiegel in ganz Europa fest. Zertifizierungs-Dienstleister sind deshalb starke Partner bei der Internationalisierung und helfen Online-Händlern dabei, ihren Shop zu optimieren und den jeweiligen Bedingungen in einem Land anzupassen.
Online-Shopping mit den Augen eines anderen
Usability ist ein wichtiger Erfolgsfaktor im E-Commerce: Sie stärkt das Vertrauen der Kunden, erleichtert ihnen das Entdecken des Sortiments und kann somit Wettbewerbsvorteile bieten und zur Umsatzsteigerung beitragen. Um das zu erreichen, müssen sich Kunden im Online-Shop gut zurechtfinden. Doch auch hier gibt es von Land zu Land Unterschiede, was als übersichtlich und komfortabel angesehen wird. Bereits bei der Auswahl der Zielländer sollte sich ein Shop-Betreiber intensiv mit seinen potenziellen Kunden vor Ort beschäftigen. Fakt ist: Eine konsistente, übersichtliche und intuitiv bedienbare Oberfläche hält den Kunden bei der Stange. Während eine reine Übersetzung der Shop-Seite zu einer unverständlichen Navigation führen kann, lässt sich mit einer sprachunabhängigen Such- und Navigationstechnologie der Anpassungsaufwand auf ein Minimum reduzieren. Wichtige Informationen wie die Erreichbarkeit des Kundendienstes, Versandkosten und die Retouren-Regelung sollten jederzeit leicht auffindbar sein und nicht erst im Check-out-Bereich auftauchen – auch im Interesse des Shop-Betreibers.
Andere Länder, andere Bezahlvorlieben
Um Kaufabbrüche zu vermeiden und Konversionsraten zu steigern, sollten nicht nur alle Preise einschließlich des richtigen Steuersatzes in Landeswährung angezeigt, sondern auch die richtigen Zahlungsarten angeboten werden. Dafür kommen diverse internationale Zahlungsverfahren in Frage, wie etwa Kreditkarten. Doch auch national bevorzugte Bezahlmöglichkeiten dürfen im Check-out nicht fehlen. Die Vielfalt der nationalen Bezahlvorlieben unterliegt kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Einflüssen. Entscheidend ist dabei nicht die Menge an Zahlungsoptionen, sondern der passende Mix für die Zielgruppe im Land. Daher sollten zwischen drei und sieben der national beliebtesten Zahlungsarten angeboten werden.
Internationales Marketing-Roll-out
Das Online-Marketing- und Kommunikations-Konzept eines Cross-Border-Shops ist eng mit dessen Internationalisierungsstrategie verbunden: Marketing- und Content-Management können top-down bzw. global ausgerichtet sein oder bottom-up bzw. lokal über Business-Units vor Ort erfolgen. Hier gilt es, eine Vielzahl von Punkten zu berücksichtigen, damit ein internationaler Roll-out gelingt. Software-Lösungen helfen dabei, den Aufwand für eine weltweite standardisierte und wirkungsvolle Kommunikation möglichst gering zu halten. Beispielsweise können Newsletter, Service- oder absatzfördernde E-Mails mit Hilfe von multivarianten mehrsprachigen Mastervorlagen erstellt werden. Somit können Änderungen zentral sehr effizient für alle international verwendeten Vorlagen vorgenommen werden.
SEO und SEA weltweit
Noch wichtiger, als potenzielle Kunden im Zielmarkt zu finden, ist es, von ihnen gefunden zu werden – am besten über Google, dem weltweiten Suchdienst Nummer eins. Allerdings gilt es, die lokalen Suchmaschinen wie Baidu in China oder Yandex in Russland nicht zu vernachlässigen. Um international ein gutes Suchmaschinen-Ranking zu erreichen, gibt es zwei Möglichkeiten: Suchmaschinenwerbung (Search Engine Advertising, SEA) und Suchmaschinenoptimierung (Search Engine Optimization, SEO). Beim internationalen SEO gilt es den Suchmaschinen die richtigen Signale – mittels Domain, Keywords und Backlinks aus demselben Land – zu senden, damit jedem Besucher die passende Storeview angezeigt wird. Eine SEA-Kampagne sorgt zusätzlich dafür, dass bei entsprechenden Suchanfragen nicht nur die Website des Shop-Betreibers, sondern auch dessen aktuelle Anzeigen erscheinen. Damit Anzeigen-Kampagnen erfolgreich in mehreren Ländern funktionieren, bedarf es der richtigen SEA-Strategie, konkreten Marketingzielen für die einzelnen Märkte und einer guten Übersetzerleistung.
Last but not least: (Miss-)Erfolge sichtbar machen
Es gibt nicht den universellen Weg zum Cross-Border-Shop, aber es gibt Wege, die zum Erfolg führen, und jene, die es nicht tun. Ein Unternehmen sollte die jeweiligen Kennzahlen seines Online-Shops bzw. seiner Länder-Shops messen und vergleichen: Interessant sind neben der Umsatzentwicklung auch die Zusammensetzung der Kundschaft, Klick- und Konversionsraten sowie die Anzahl der Retouren. Doch nur keine voreiligen Schlüsse ziehen: Besonders bei der Internationalisierung in mehreren Ländern muss nicht gleich die ganze Cross-Border-Strategie verworfen werden, nur weil der Shop in einem Land nicht so erfolgreich ist. Das Messen und Auswerten von Daten hilft festzustellen, wo unter Umständen Optimierungsbedarf besteht. In jedem Fall braucht es etwas Geduld: Ein geplantes Vorgehen in Teilschritten und die permanente Reflexion aller relevanten Prozesse ermöglichen zeitnahe Anpassungen und führen langfristig zu einer zukunftsfähigen Internationalisierungsstrategie.
E-Book

Was es bei Internationalisierung im Online-Handel sonst noch zu beachten gibt, zeigt das E-Book „Herausforderungen im E-Commerce: International handeln“, das hier zum kostenfreien Download bereit steht.
Autor
Daniel Hölzer ist Experte für Online-Shop-Umsetzungen und Vorsitzender bei United E-Commerce. Das Partnernetzwerk United E-Commerce ist ein Zusammenschluss führender deutscher E-Commerce-Dienstleister, die ihren Kunden gemeinsam einen passgenauen Full-Service anbieten – von Analytics bis Zahlungssysteme.