Drei typische Fehlinterpretationen in Google Analytics

Schon lange spielt das kostenfreie Web-Analyse-Tool aus dem Hause Google die erste Geige, wenn es um die Analyse der Besucherströme einer Website geht. Dabei möchten viele Nutzer von Google Analytics nicht nur wissen, wie viele Besucher eine Website hat, sondern auch, wie die Besucher mit der Seite interagieren. Dazu bietet Google Analytics mittlerweile unglaublich viele Funktionen und Auswertungsmöglichkeiten.
Neben dem großen Funktionsumfang sprechen die kostenfreie Nutzung und die vorhandenen Schnittstellen mit anderen Google-Diensten wie Google AdWords und Google Search Console für dieses Analysetool. Der große Funktionsumfang hat jedoch seine Tücken. Vor allem Einsteiger tun sich schwer damit, sich in den zahlreichen Berichten zurechtzufinden. Auf den ersten Blick wirkt das Tool unübersichtlich und irritiert durch teilweise unkonkrete Übersetzungen vom Englischen ins Deutsche. Letzteres ist der Grund dafür, weshalb Trafficdaten oft fehlinterpretiert werden. Im Folgenden finden sich drei typische Szenarien, die aus der Zusammenarbeit mit Kunden hervorgehen:
1. Sitzungen und Nutzer
Seitenbetreiber, die mit der Web-Analyse starten, möchten in der Regel zunächst gerne wissen, wie viele Besucher eine Website hat. Um darüber Erkenntnis zu erlangen, sind in Google Analytics zwei Messwerte von ganz besonderer Bedeutung:
- Sitzungen
- Nutzer
Für Analytics-Neulinge ist zwischen diesen beiden Messwerten zunächst kein Unterschied erkennbar. Sind die Anzahl der Sitzungen und die Anzahl der Nutzer etwa nicht dasselbe? Klarheit schafft hier ein Blick in die Support-Datenbank von Google:
Definition „Sitzungen“:
Eine Sitzung ist eine Gruppe von Interaktionen, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums auf Ihrer Website stattfinden. Beispielsweise kann eine einzelne Sitzung viele Bildschirm- oder Seitenaufrufe, Ereignisse, soziale Interaktionen sowie E-Commerce-Transaktionen umfassen. QUELLE: Google
Definition „Nutzer“:
Die Messwerte Nutzer und Aktive Nutzer geben an, wie viele Nutzer Ihre Website bzw. App aufgerufen bzw. damit interagiert haben. QUELLE: Google
Es zeigt sich also, dass Sitzungen und Nutzer etwas grundlegend verschiedenes sein müssen. Einfacher wird die Interpretation dieser Daten, wenn die Technik, die hinter der Analyse steckt, verstanden wird.
Dazu ein paar Kennzahlen:
- Eine Sitzung dauert mindestens 30 Minuten (Sitzungsabbruch bei Inaktivität) und wird mit jeder Interaktion entsprechend verlängert.
- Jede Sitzung endet spätestens mit dem Ende des Tages um Mitternacht
- Ein Nutzer, der die Website verlässt und über eine andere Kampagne auf die Website zurückkommt, erzeugt eine neue Sitzung
Wichtig ist also zu wissen, dass ein Nutzer mehrere Sitzungen erzeugen kann. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Nutzer mehrmals am Tag dieselbe Website aufruft. Es ist deshalb naturgemäß so, dass die Anzahl der Sitzungen zwangsläufig mindestens genauso groß sein muss, wie die Anzahl der Nutzer:

Je nachdem, wie groß die Anzahl der wiederkehrenden Besucher (ebenfalls ein Messwert) ist, kann der Wert der Sitzungen auch um ein Vielfaches höher ausfallen. Seit der Einführung von Universal Analytics steht der Nutzer übrigens im Mittelpunkt der Analyse. Mittels eindeutiger Tracking-ID (zum Beispiel User-ID oder ähnliches) kann das Nutzerverhalten über mehrere Endgeräte hinweg verfolgt und analysiert werden.
2. Die durchschnittliche Sitzungsdauer
Der nächste Messwert ist ebenfalls mit Vorsicht zu genießen: Die durchschnittliche Sitzungsdauer.
Viele Google-Analytics-Nutzer wundern sich über niedrige Werte in der durchschnittlichen Sitzungsdauer. Dies betrifft vor allem Betreiber von Blogs. Dass die Daten nicht zwangsweise der Realität entsprechen müssen, ist den meisten Nutzern zunächst gar nicht bewusst.
Google definiert die durchschnittliche Sitzungsdauer wie folgt:
Die Dauer einer einzelnen Sitzung wird unterschiedlich berechnet, je nachdem, ob auf der letzten Seite der Sitzung Interaktionen erzielt wurden. QUELLE: Google
Dieser Satz allein lässt schon reichlich Interpretationsspielraum zu. Die Kernaussage ist jedoch klar: Damit die Aufzeichnung der Sitzungsdauer korrekt erfolgen kann, ist es erforderlich, dass eine Interaktion stattfindet. Das bedeutet, dass der Besucher der Website ein Lebenszeichen von sich geben muss, damit er wahrgenommen wird. Dieses Lebenszeichen kann zum Beispiel in Form eines einfachen Klicks auf ein Element der Website erfolgen.
Doch gerade dieser Umstand ist der Hauptgrund für niedrige Werte in der durchschnittlichen Sitzungsdauer. Besucher von Blogs oder Onlinemagazinen interagieren mitunter recht selten mit der Website, denn: Sie lesen. Das Lesen eines Artikels stellt keine Interaktion im Sinne von Google Analytics dar.
Es gibt eine Möglichkeit, mit deren Hilfe Interaktionen von lesenden Besuchern erzwungen werden können. Durch automatisierte Events beziehungsweise Ereignisse kann die Sitzungsdauer der Besucher nach oben korrigiert werden.
Beispielsweise kann die Scroll-Tiefe eines Besuchers mittels Events erfasst werden. Für Wordpress-Nutzer existiert dazu das Plugin namens „WP Scroll Depth“. Dieses Plugin feuert immer dann ein Ereignis ab, wenn der Besucher eine frei definierbare „Lese-Tiefe“ erreicht hat. Zum Beispiel bei 25%, 50% und so weiter. Diese Aktion wird solange fortgeführt, bis der Besucher die Website endgültig verlässt.
Das Plugin kann unter https://de.wordpress.org/plugins/wp-scroll-depth/ heruntergeladen werden. Nach Aktivierung des Plugin können folgende Einstellungen vorgenommen werden:

Das automatisierte Erzeugen von Ereignissen bringt schnelle Wirkung mit sich. In der Regel fallen die Besuchszeiten wesentlich höher aus. Auf dem IT-Blog www.itsystemkaufmann.de wurde das Plugin zeitweise mit großem Erfolg eingesetzt. Die Verlaufsgrafik zeigt die durchschnittliche Sitzungsdauer mit aktiviertem Scroll-Depth-Plugin (bis Oktober 2015) und im Rohzustand (ab November 2015):

Der Unterschied ist mehr als deutlich. Mit aktiviertem Plugin ist die durchschnittliche Sitzungsdauer auf über 5 Minuten gestiegen. Ohne Plugin und damit auch ohne automatisch abgefeuerte Ereignisse fiel die Sitzungsdauer wieder auf einen Minimalwert von knapp über einer Minute herab.
Dieser Test zeigt deutlich, dass die Sitzungsdauer bei Websites mit viel Text, also vorwiegend Blogs und Onlinemagazine, in der Realität sehr viel höher sein kann, als Google Analytics es vorgibt. Betrachtet man diesen Umstand nicht, so sind Fehlinterpretationen vorprogrammiert – eine detaillierte Prüfung der Daten lohnt sich also in jedem Fall.
3. Absprungrate
Der dritte Messwert, der mit besonderer Vorsicht zu genießen ist, ist die Absprungrate.
Definition „Absprungrate“:
Als Absprungrate wird der Prozentsatz der Besuche einer einzigen Seite bezeichnet (d. h. Sitzungen, in denen der Nutzer Ihre Website auf der Einstiegsseite ohne Interaktion mit der Seite verlassen hat). QUELLE: Google
Genau wie bei der Analyse der Sitzungsdauer ist es für eine zuverlässige Auswertung der Absprungrate erforderlich, dass eine Interaktion vorliegt – oder eben nicht vorliegt. Denn: Als Absprung werden lediglich Besucher einer Website gewertet, die auf der Einstiegsseite keine Interaktion erzeugt haben.
Für viele Seitenbetreiber ist die Absprungrate eine sehr wichtige Kennzahl in der Bewertung des Website-Erfolgs. Dabei ist ein Besucher, der nicht mit der Website interagiert hat, nicht zwangsweise ein Verlust. Vielmehr ist die Bewertung dieser Kennzahl von den Zielen abhängig, die mit der Website verfolgt werden.
Auch hier können automatisierte Ereignisse Abhilfe schaffen. Ein automatisiert ausgelöstes Ereignis erzeugt eine Interaktion – Google Analytics wertet den Besuch also nicht mehr als Absprung. Das wäre zum Beispiel bei der Anwendung des erwähnten Scroll-Depth-Plugins der Fall. Besucher, die einen Artikel lesen und sich durch die Seite scrollen (jedoch nicht klicken) werden also nicht mehr wie sonst üblich als Absprung gewertet. Die Absprungrate verringert sich dadurch mitunter extrem.
Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung der Absprungrate mit aktiviertem Plugin (Juli bis Oktober 2015) und im Rohzustand (ab Oktober 2015):

Der Unterschied fällt auch hier, ähnlich wie bei der Sitzungsdauer, sehr deutlich aus.
Ist die Absprungrate für die Betreiber von Onlineshops noch relativ eindeutig, so können automatisierte Ereignisse für Websites mit viel Content sehr geeignet sein. Das gilt vor allem für Seiten, die viel Lesestoff und wenig Interaktionsmöglichkeiten bieten. Dazu zählen wieder Blogs und Onlinemagazine.
Fazit
Die aufgeführten Szenarien zeigen, dass die Trafficdaten in Google Analytics mit Vorsicht zu genießen sind. Im Rahmen übergeordneter Ziele sollten Google-Analytics-Nutzer die Daten gezielt auswerten und auffällige Tendenzen hinterfragen.
Als besonders hilfreich hat es sich erwiesen, verschiedene Analyseansätze auszuprobieren. Auf diese Weise ist es möglich, den Zielwerten näher zu kommen und die Analysedaten so präzise wie möglich abzubilden. Das Ereignistracking ist ein sehr gutes Mittel, um Nutzerverhalten aus einer anderen Perspektive zu veranschaulichen.
Wichtig: Web-Analyse ist nie frei von Fehlern. Die am Markt existierenden Analysetools geben teils abweichende Daten aus, die auf unterschiedliche Analysetechniken zurückzuführen sind. Daher ist es wichtig, die Trafficdaten ganzheitlich und zusammenhängend zu analysieren. Google-Analytics-Nutzer profitieren dabei sicherlich von der großen Community und den vielen Fortbildungsmöglichkeiten wie die Google Analytics Academy oder die Google Analytics IQ Zertifizierung.

Autor
Marvin Mennigen ist Online-Marketing-Freelancer und bietet seine Leistungen unter www.web-malocher.de an. Marvin Mennigen hat sich auf die Bereiche Suchmaschinenoptimierung und Web-Analyse mit Google Analytics spezialisiert. Neben der erfolgreichen Umsetzung eigener Onlineprojekte berät er Unternehmen unterschiedlichster Branchen und Größen.