Connected Commerce – Online-Offline-Verzahnung als Chance begreifen

Connected Commerce, ein neues Buzz-Word der Handelsbranche? Ist der Handel schon wieder im Umbruch? Wird der Onlinehandel den stationären Handel gänzlich verschwinden lassen oder bietet die Digitalisierung ein Heilmittel für den gebeutelten lokalen Einzelhandel? Und wenn dem so ist – werden dann alle Händler, die sich nicht damit auseinandersetzen, abgehängt? Beobachtet man das Konsumentenverhalten und die Bestrebungen des Handels, lassen sich verschiedene Entwicklungen ableiten. „Always“ on ist der neue Standard, jeder Nutzer ist ständig in irgendeiner Form „connected“ und nutzt dies auch intensiv – zur Kommunikation oder auch einfach nur zum Informationskonsum.
Was bedeutet das Connected-Sein und womit sind Nutzer eigentlich connected?
Nutzer haben nahezu permanent und überall Zugriff auf Informationen und können zu jeder Zeit eine Kommunikation mit ihrer Community oder auch Dritten starten. Dies gilt im Berufsleben wie im privaten Alltag. Und in nahezu jeder Lebenssituation, ob beim Fernsehen auf der heimischen Couch, im Auto, in der S-Bahn oder direkt vor Ort, im Biergarten, Museum oder Einkaufscenter. Das bedeutet: Als Konsument kann und wird der Nutzer zunehmend durch Händler über eine Vielzahl an Berührungspunkten/Touchpoints angesprochen.
In den vergangenen Jahren ist die Customer Journey zu einer wahrhaftigen Reise geworden. Kunden bewegen sich heute zwischen verschiedenen Devices und dem stationären Handel hin und her. Sie gelangen letztendlich mit einer Fülle von Informationen im virtuellen Rucksack zur Kaufentscheidung – online oder offline. Die wenigstens von ihnen betreten einen Laden heute noch, ohne vorher mit den Produkten in Berührung gekommen zu sein oder lassen sich allein von der Fachberatung im Laden zum Kauf bewegen. Das Stichwort lautet Connected Commerce. Das Smartphone als Begleiter des Alltags und Verbindungsstück zwischen virtueller und realer Welt spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Connected Commerce beschreibt die Verbindung und Verzahnung aller Kundenkontaktpunkte (Touchpoints), vor allem auch die Verbindung des Onlinehandels mit dem stationären Handel. In Fußgängerzonen und Einkaufzentren finden sich immer mehr Einflüsse digitaler Medien, ob über Smartphones der Kunden, Touchpoints in den Geschäften oder Informationen, die der Verkäufer mit sich trägt. Beim Connected Commerce geht es darum, die Informationen und vor allem Hinweise zum Thema „Kaufen“, mit denen der Kunde in Social Media und anderen Onlinekanälen wie etwa Werbung ständig in Berührung kommt, so mit dem Handel zu verbinden und zu verzahnen, dass Händler und Kunden profitieren.
Symbiotische Verbindung von online und stationär
Es gibt schon eine Vielzahl von Unternehmen, die versuchen, ihre Onlinestrategie und ihre gesamte Digital-Strategie mit den Flächen im Einzelhandel zu verbinden und dadurch Connected Commerce erfolgreich anwenden. Beispielsweise durch das symbiotische Verbinden des mobil optimierten Onlineshops und des stationären Geschäftes. Kunden können online bestellen und im Laden das Produkt abholen und profitieren so vom Service vor Ort. Entspricht das Produkt doch nicht den Vorstellungen, gibt es gleich vor Ort passenden Ersatz. Dort gibt es auch gleich das passende Zubehör und der Kunde profitiert von der kompetenten Beratung des Fachpersonals im Ladengeschäft. Das zeigt, wie Connected Commerce ein echter Umsatztreiber sein kann.
Ein weiterer Anhaltspunkt sind hochpreisige Produkte, deren Kauf häufig ein langer Entscheidungsprozess vorangeht, hier profitieren sowohl Kunden als auch Händler von einer Connected-Commerce-Strategie. Insbesondere geht es hierbei um die geschickte Informationspolitik und das setzen der passenden Kaufanreizpunkte, die den Kunden in seiner jeweiligen Situation ansprechen.
Online-Integration als Chance akzeptieren
Die größte Herausforderung für den Händler ist dabei, zu erkennen, dass die Themen Internet und Online keine Gefahr sind. Händler müssen für sich den Nutzen und die Chancen erkennen und Online Angebote als Service anbieten. Erst, wenn es auch der Händler vor Ort akzeptiert, kann mit der Umsetzung begonnen werden, Systeme und Vorgehensweisen angepasst werden. Zwar bieten sich viele Möglichkeiten, aber besonders große Konzerne haben mitunter Schwierigkeiten, schnell auf neue Entwicklungen zu reagieren und diese für sich umzusetzen. Hierbei können Dienstleister und Agenturen einen erheblichen Beitrag leisten und Unternehmen auf ihrem Weg zum Connected Commerce unterstützen. Beziehungsweise sind Vereinigungen und Verbände wie der BVDW, stets bestrebt, Aufklärung zu leisten und den Marktakteuren die passenden Werkzeuge zu bieten, um für sich den passenden Weg in der Umsetzung der digitalen Strategien zu finden.
Das Marketing spielt eine entscheidende Rolle im Connected Commerce, da die Themen Echtzeit sowie Datenbereitstellung und -auswertung eine enorme Bedeutung in der Umsetzung haben. Auch personalisiertes Marketing ist sehr wichtig, um Nutzer erfolgreich anzusprechen, sie auf ihrer Customer Journey abzuholen und ihnen das passende Produkt zu liefern. Das kann ganz individuell sein. Zwei Personen, die sich für das gleiche Produkt interessieren, sprechen vielleicht auf völlig unterschiedliche Informationen oder Ansprachen an, um jeweils zum Kauf bewegt zu werden. Eine sinnvolle Skalierung der Investitionen in personalisiertes Marketing sind die Grundlage – die entscheidende Messgröße ist schließlich der hinzugewonnene Umsatz.
Herausforderung Big Data
Insbesondere Social Media bieten im Marketingmix die Möglichkeit, den Nutzer auf einer sehr persönlichen Ebene abzuholen, über Empfehlungen, über den Ort, an dem er sich befindet, und über seine Präferenzen – also beispielsweise die Likes, die er in sozialen Netzwerken verteilt. Dadurch können Unternehmen viel genauer auf den Nutzer eingehen und aus Marketingsicht bestimmte Aspekte ableiten, die helfen, den Kunden erfolgreich anzusprechen und auf seiner Customer Journey zu begleiten. Händler müssen sich zunehmend als Big-Data-Spezialisten beweisen.
Weiterhin bietet Social Media immer neue Funktionen im Bereich des auf den Kontext bezogenen Einkaufens, u. a. durch virtuelle Echtzeit-Assistenten wie Facebook-Bots, die als eine Art virtueller Kundenberater direkt auf vorhergehende Konversationen eingehen und diese fortführen. Der Händler hat somit eine völlig neue Interaktionsmöglichkeit mit seinen Kunden. Interessant sind in diesem Bereich auch die Entwicklungen von Pinterest mit den sogenannten BuyButtons.
Research (Produktsuche) und Purchase (Produktkauf) finden heute in beiden Richtungen statt. Experten sprechen vom sogenannten ROPO (Research Online, Purchase Offline oder umgekehrt). Mal wird das Interesse des Konsumenten an digitalen Touchpoints geweckt, im Ladengeschäft verstärkt und dann erfolgt ein Kauf im Onlineshop. Beim nächsten Mal führt die Recherche im Web zum Kauf im Fachhandel vor Ort. Beide Seiten können also voneinander profitieren.
Kommunikation statt Push-Information
Der Handel hat die Möglichkeit, den Nutzer relevant und kontextbezogen anzusprechen. Dabei kann der Händler eine Vielfalt von Kontextfaktoren einbeziehen, um den Nutzer optimiert abzuholen. So hat er beispielsweise die Chance, die Lokalisierung als wichtigen Aspekt des Nutzerkontextes einzubeziehen. Die Chance des Connected Commerce besteht aber vor allem darin, dem Nutzer keinen reinen Push von Information anzubieten, sondern vielmehr eine wertige, passendere Kommunikation aufzubauen, inklusive dem Rückkanal zum Endverbraucher. Durch eine Digitalisierung der stationären Ladengeschäfte stehen dem Händler in der Fußgängerzone vielfältige Möglichkeiten offen.

Autor
Conrad Wrobel ist studierter Wirtschaftswissenschaftler mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik und seit 2007 in der Mobile Branche tätig. Zunächst sammelte er Erfahrungen im Projektmanagement und Vertrieb bei einer Implementierungsfirma für Mobile Apps. Im Sommer 2011 gründete er zusammen mit zwei Partnern das Mobile Beratungsunternehmen emgress und ist heute Geschäftsführender Partner der emgress GmbH. Seit 2009 engagiert sich Conrad Wrobel über die Fokusgruppen Digital Commerce und Mobile in der Verbandsarbeit des Bundesverbandes der Digitalen Wirtschaft und ist stellvertretender Vorsitzender der Fokusgruppe Digital Commerce im BVDW.