Strategien, Perspektiven, Trends und Potentiale für die Sportbranche im Internet

Radfahren, Bergsteigen, Skifahren und andere Aktivitäten lassen auch in diesem Jahr die Herzen vieler Sportbegeisterter höher schlagen, dabei darf neues Sport-Equipment natürlich nicht fehlen. Bei der Produktauswahl informieren sich dabei immer mehr Interessenten online über das Angebot. Für Sportartikelhersteller und deren Händler bedeutet dies, dafür zu sorgen, dass potentielle Käufer auch online die Informationen finden, die sie benötigen, um eine Kaufentscheidung treffen zu können.
"Big Player" gewinnen vermehrt Marktanteile
Der Onlinehandel boomt. Laut Aussagen des Geschäftsführers des IFH Köln, Dr. Kai Hudetz, gewinnen Onlinevertriebskanäle für Hersteller und Händler immer mehr an Bedeutung und stellen seit einiger Zeit eine ernsthafte Bedrohung für den klassischen stationären Handel dar. In einigen Bereichen hat der Onlinehandel bereits die Nase vorn. Allerdings konzentriert sich dieses Wachstum sehr stark auf die „Big Player“ wie beispielsweise Amazon oder eBay, kleinere Händler müssen innovativ bleiben und mit echten Mehrwerten aufwarten, um gegen die scheinbar übermächtige Konkurrenz überhaupt noch eine Chance zu haben. Dies unterstreichen auch die jüngsten Übernahmen, wie zum Beispiel die des Elektronik Onlinehändlers Redcoon, der Mitte 2014 komplett von der Media-Saturn Holding übernommen wurde.
Verknüpfung von On- & Offline
Eine gute Onlinepräsentation und qualitativ hochwertige Produkte sind dabei aber schon längst keine Garantie mehr für den Onlineerfolg. Vielmehr müssen Hersteller und Händler einen Schritt weiter denken und sich klar und konsistent an den Bedürfnissen des Kunden orientieren. Dies bedeutet neben erstklassigem Kundenservice auch eine barrierefreie Informationsversorgung, die durch eine nahtlose Verzahnung zwischen On- und Offlinekanälen erreicht wird. Dem Interessenten soll immer und überall die Möglichkeit gegeben werden, die Information zu bekommen, die er benötigt um eine Kaufentscheidung zu treffen. Dies könnte langfristig auch die Daseinsberechtigung der Point-of-Sale (PoS) rechtfertigen und somit entgegen vieler Prognosen den Offlinehandel stärken bzw. besser in den Vertriebsprozess einbinden.
Onlinekäufer wünschen sich zudem ein umfassenderes Kauferlebnis, welches hochwertige und emo-tionale Marken- & Themenwelten einschließt – hierzu gehören neben hochwertigem Content auch umfassende Produktbilder mit 360°-Ansichten, sowie Videos welche die Markenphilosophie und das Produkterlebnis weitertragen sollen – Produkte sollen auch in einem „unpersönlichen“ Medium wie dem Internet „greifbar“ sein. Hierbei könnte perspektivisch auch das Thema „Augmented Reality“ eine große Rolle spielen, das sich aktuell noch in den Kinderschuhen befindet. Unter diesem Begriff verbirgt sich ein virtuelles Einkaufserlebnis, das dazu genutzt werden kann, physisch für den Moment nicht existente Gegenstände nachzubilden und in einen bestimmten Nutzungskontext einzubetten.
Auch der gezielte Einsatz von Social-Media-Kanälen, wie Facebook, Google+, Twitter, Instagram etc., gehört zu diesem ganzheitlichen Vermarktungsansatz dazu und trägt, bei zielgerichtetem Einsatz, seinen Teil zum Unternehmenserfolg bei.
Omni-Channel als Basis für den Unternehmenserfolg
Dieser Omni-Channel-Ansatz wird in den kommenden Jahren von Konsumenten immer mehr als gegeben angesehen werden. Dies beinhaltet unter anderem auch Themen wie „In-Store-Pick-up“, das dem Kunden erlaubt, seinen Artikel online zu bestellen und offline abzuholen, ebenso wie die bereichsübergreifende Retourenabwicklung – darauf sollten sich Hersteller und Händler einstellen. Es gilt wie immer, lieber früh als spät zu reagieren. Unter dem Begriff Omni-Channel verbirgt sich ein kanalübergreifender Ansatz, bei dem alle Informations- und Kaufentscheidungswege der Kunden gesamtheitlich betrachtet werden. Einige Händler haben hierfür bereits erste Prototypen ausgerollt und es wird nicht lange dauern, bis es ihnen andere gleichtun.
Online-Entwicklung in der Sportbranche
Auch vor der Sportbranche macht diese Entwicklung keinen Halt. Nachdem die Branche eher als Nachzügler in puncto Internet gilt, setzen immer mehr Sportartikelhersteller und -Händler verstärkt auf das Thema Online, um Produkte zu präsentieren bzw. zu vermarkten. Sportartikelhersteller müssen bei der Eigenvermarktung der Produkte über das Internet darauf achten, ihre eigenen stationären und Onlinehändler nicht zu vergraulen – daher verzichten viele Hersteller auf eigene Onlineshops. Stattdessen werden Händler durch gemeinsame Marketingaktivitäten oder die Bereitstellung von Marketingmaterialien (wie etwa Produktbeschreibungen, Bilder, Videos, Flyer etc.), sonstige Informationen oder Social-Media Kampagnen unterstützt, um so den Absatz zu steigern. Auch Unterstützungsmaßnahmen auf der Webseite der Hersteller in Form einer integrierten Händlersuche oder einer Verlinkung auf Onlineshops der Händler gehören heutzutage zum guten Ton – schließlich profitiert vom florierenden Onlinegeschäft am Ende nicht nur der Händler.
Hersteller vs. Handel
Betrachtet man den Großteil der deutschen Sportartikelhersteller, egal ob groß oder klein, wird dieser allgemeine Trend bestätigt. Während die meisten Hersteller es noch nicht wagen, sowohl für den Business-to-Business (B2B), als auch für den Business-to-Consumer Markt (B2C), einen eigenen Onlineshop zu betreiben, haben sich erste Unternehmen, wie z. B. der Münchner Outdoorhersteller Ortovox oder der Textilhersteller Fila, dazu entschlossen diesen Schritt zu gehen. Um den Händlern nicht zu schaden, setzen genannte Unternehmen dabei auf eine strikte Preispolitik – Artikel der Markenshops werden nie oder nur in seltenen Fällen unter dem gültigen Listenpreis verkauft. Ziel dieser Strategie ist es, den potentiellen Käufer durch das umfangreiche Informationsangebot im Herstellershop von dem Produkt zu überzeugen und ihm gleichzeitig die Möglichkeit zu geben, das Produkt direkt zu kaufen. Dies birgt auf der einen Seite das Risiko für Händler, dass viele potentielle Käufer erst gar nicht in ihren Shop gelangen, andererseits aber auch die Chance, den von dem Produkt überzeugten Interessenten durch den attraktiveren Preis oder weitere Mehrwerte auf seinen Shop zu leiten und letztendlich zu einem Käufer zu konvertieren.

Auch wenn das Thema „eigener Onlineshop“ von vielen Sportartikelherstellern kritisch gesehen wird, ist zu beobachten, dass der Großteil von ihnen zumindest eine Webseite besitzt, die den heutigen Anforderungen entspricht. Darüberhinaus pflegen einige einen Blog und Social-Media-Kanäle auf Plattformen wie Facebook oder Instagram, auf denen laufend neue Geschichten zu aktuellen Themen und Produkten veröffentlicht werden. Dabei genügt es schon längst nicht mehr, diese Kanäle nur ab und zu mit „frischen“ Inhalten zu versorgen – qualifizierte Vollzeitmitarbeiter, die sich dediziert mit dem Thema Online auseinandersetzen, werden benötigt. Durch Social Media-Aktivitäten und regelmäßiges bloggen soll das Markenerlebnis transportiert werden und eine Interaktion mit dem Endkunden stattfinden. „Sport ist Emotion, Outdoor ist Naturerlebnis“, dieser Satz unterstreicht nochmals welche Bedeutung bei der Sportartikelvermarktung dem sogenannten „Storytelling“, dem erzählen einer Geschichte rund um ein Produkt, zukommt. Hierbei gilt, je authentischer desto besser, dies bedeutet im konkreten Fall: Mitarbeiterfotos wirken im Zweifel besser als gestellte und künstlich wirkende Szenarien, die mit der Realität teils nichts zu tun haben.
Hendrik Reschke, Head of Communication, Ortovox:
„Das Internet hat für uns bei der Vermarktung unserer Produkte einen sehr hohen Stellenwert. Neben einer eigenen Webseite mit integriertem Onlineshop setzen wir auf Social-Media-Marketing (Facebook & Instagram).“
Online gewinnt für die Sportbranche an Relevanz
Freilich wird das Web die Offlinewelt nie komplett ersetzen, jedoch ist bereits jetzt zu beobachten, dass es auch für Sportartikelhersteller immer wichtiger wird, sich in diesem Bereich besser aufzustellen. Der Anteil der Mitarbeiter, die sich bei Sportartikelherstellern mit IT-Berufen beschäftigen, dürfte daher in den kommenden Jahren nochmals stark ansteigen. Auch externe Fachexpertise durch spezialisierte Agenturen ist hier natürlich nicht von Nachteil, um mittel- bzw. langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Ziel ist es einen ganzheitlichen Vermarktungsansatz zu erreichen, der On- & Offline möglichst nahtlos miteinander verbindet.
Tipps für die Sportbranche:
- Onlinetrends im Auge behalten
- Online und Offline miteinander verknüpfen
- Beratungsmöglichkeiten im Web bieten (z. B. Konfiguratoren, Wizards etc.)
- Hochwertigen und umfangreichen Content publizieren
- Möglichkeiten, auch online Geschichten erzählen zu können (Content-Commerce)
- Social-Media Kanäle & Blogs so aktuell wie möglich halten
- Bedürfnisse der Händler respektieren
Fazit
Aus unserer Sicht gewinnt das Thema Online für Sportartikelhersteller und deren Händler auch zukünftig zunehmend an Wichtigkeit, da es nicht mehr ausreichen wird, sich „nur“ auf qualitativ hochwertige Produkte und einen guten Kundenservice zu verlassen. Kunden wünschen sich sowohl offline, als auch online eine richtige Beratung und eine barrierefreie Informationsversorgung – egal an welchem Ort und zu welcher Zeit. Hierzu ist neben einer funktionierenden und gut konzeptionierten Webseite bzw. Onlineshop auch die Bereitstellung hochwertiger und für die Zielgruppen relevanter Inhalte notwendig. Ob und wie Hersteller eigene Onlineshops betreiben sollten, ist aus unserer Sicht vom Einzelfall und der praktizierten Vertriebsstrategie abhängig. Sollten sich Hersteller zu diesem Schritt entscheiden, sollten sie darauf achten, eine strikte strategische Ausrichtung zu verfolgen, die losgelöst von der des Handels ist – es gilt, die Balance zwischen den eigenen Interessen und denen des Handels zu finden – ganz egal ob offline oder online. Richtig vorbereitet und angegangen ermöglicht das Medium Online schier unendliche Möglichkeiten – sowohl für Hersteller, als auch für Händler – Produkte emotional zu vermarkten und die Markenphilosophie nach außen zu tragen. Hierbei können vor allem gut gepflegte Social-Media-Kanäle beitragen. Alles in allem bleibt festzuhalten, dass eine gut durchdachte Onlinestrategie zum Unternehmenserfolg maßgeblich beisteuern kann – nicht nur für den Onlineabsatz, sondern auch für den klassischen stationären Handel. Dadurch kann Online nicht als komplementärer, sondern zusätzlicher Absatzkanal platziert werden – ein Stichwort hierzu wäre der sogenannte ROPO-Effekt („Research online, purchase offline“).
Autor

Laurent Tauber ist studierter Wirtschaftsinformatiker und arbeitet als Consultant bei der TechDivision GmbH, einer der führenden Magento und E-Commerce-Agenturen im deutschsprachigen Raum. Dabei beschäftigt er sich bereits seit einigen Jahren sehr intensiv mit strategischen E-Commerce-Themen und berät dabei namhafte nationale sowie internationale Kunden in der Onlinebranche.
www.techdivision.com
l.tauber(at)techdivision.com
www.xing.com/profiles/Laurent_Tauber